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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 30.10.2023 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/9-23 |
Rechtsgrundlage: | §§ 40 i und j MVG.EKD, § 5 Abs. 3 Satz 1 KiGSsG, § 4 Abs. 1 AusfVO zum KiGSsG |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer -, Az.: 2 M 37/22 vom 14. Februar 2023 |
Schlagworte: | , Vorlage eines Führungszeugnisses |
Leitsatz:
1) Die Anordnung zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses bei der jeweiligen Führungskraft unterliegt dem Mitbestimmungsrecht nach § 40 i MVG-EKD, weil es eine Maßnahme zur Überwachung des Verhaltens der Mitarbeitenden ist.
2) Für den Mitbestimmungstatbestand des § 40 k MVG-EKD ist nicht erforderlich, dass die Überwachung durch eine technische Einrichtung erfolgt.
3) Die Anordnung, das erweiterte Führungszeugnis der jeweiligen persönlichen Führungskraft vorzulegen, unterliegt auch dem Mitbestimmungsrecht nach § 40 j MVG-EKD, weil es keine bloße innerorganisatorische Maßnahme der Dienststelle ist. Die Anordnung betrifft die Ordnung der Dienststelle, weil damit eine Entscheidung über die Art der Vorlage und den Meldeweg getroffen wird, die über eine bloße Bestimmung einer Empfangszuständigkeit der Vorlage der erweiterten Führungszeugnisse hinausgeht.
4) Eine das Mitbestimmungsrecht ausschließende gesetzliche oder behördliche Anordnung besteht nicht. Das Kirchengesetz zum Schutz gegen sexualisierte Gewalt bestimmt nicht, wie und bei wem das erweiterte Führungszeugnis vorzulegen ist.
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - vom 14. Februar 2023, Az. 2 M 37/22, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligten zu 2 und 3 die Zustimmung der antragstellenden Gesamtmitarbeitervertretung (GMAV) für die Anweisung an die Beschäftigten benötigen, im Abstand von längstens fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis bei der jeweiligen Führungskraft vorzulegen.
Die Beteiligten zu 2 und 3 betrieben eine diakonische Einrichtung, in der die GMAV gebildet worden ist.
Mit Personalnewsletter vom 13. April 2022 teilte die Beteiligte zu 2 den Beschäftigten mit, dass sie aufgrund des Kirchengesetzes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt im Abstand von längstens fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen hätten, und zwar ausschließlich persönlich und bei ihrer persönlichen Führungskraft.
Zwischen den Beteiligten fanden sodann kontroverse Gespräche über diese Verpflichtung statt. Die GMAV forderte die Beteiligte zu 3 mit Schreiben vom 13. September 2022 auf, keine erweiterten Führungszeugnisse anzufordern, die Beteiligte zu 3 wies diese Forderung mit Schreiben vom 27. September 2022 zurück.
Mit ihrem am 7. Oktober 2022 beim Kirchengericht eingegangenem Antrag vertrat die GMAV die Ansicht, dass weder die Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen im Abstand von längstens fünf Jahren verlangt werden könne noch dass dieses bei der jeweiligen Führungskraft zu geschehen habe. Es handele sich um eine Regelung der Ordnung des Betriebs, zu der die Zustimmung der GMAV erforderlich, aber nicht beantragt und erteilt worden sei.
Die GMAV hat beantragt,
festzustellen, dass die Antragsgegner nicht berechtigt sind, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gemäß § 30a BZRG zu verlangen, soweit dieses nicht durch ein staatliches Gesetz angeordnet ist,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Antragsgegner nicht berechtigt sind, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuweisen, im Abstand von fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis gem. § 30a BZRG bei der jeweiligen Führungskraft vorzulegen, sofern nicht die Mitarbeitervertretung dieser Regelung zugestimmt oder die Einigungsstelle die Einigung ersetzt hat.
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Anträge seien schon gemäß § 61 Absatz 1 MVG unzulässig, weil die GMAV seit April 2022 von der Aufforderung Kenntnis gehabt, aber erst im September 2022 zur Unterlassung aufge-fordert und am 7. Oktober 2022 die Anträge an die Schlichtungsstelle gestellt habe. Das Kirchengesetz sei ausreichende Grundlage für die Anforderung der erweiterten Führungszeugnisse, weil in Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV erlassen worden sei. Die Aufforderung zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses an alle Beschäftigten sei keine Regelung der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Beschäftigten im Betrieb. Die Entscheidung der Dienstgeberseite, wen sie mit der Einsichtnahme in die erweiterten Führungszeugnisse betraue, sei Teil der mitbestimmungsfreien Organisation der Dienstgeberseite. Das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt bestimme selbst und damit mitbestimmungsfrei, dass das jeweilige Leitungsorgan für die Vorlage der Führungszeugnisse verantwortlich sei. Von der zuständigen Führungskraft werde das erweiterte Führungszeugnis allein auf einschlägige Einträge überprüft und dann zurückgegeben. Dem stehe nicht das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten entgegen, weil der Schutz vor sexualisierter Gewalt im überwiegenden Allgemeininteresse liege.
Das Kirchengericht hat mit Beschluss vom 14. Februar 2023 unter Zurückweisung des Antrags zu 1 dem Antrag zu 2 der GMAV stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der den Beteiligten zu 2 und 3 am 14. März 2023 zugestellt wurde, haben diese mit Schriftsatz vom 30. März 2023, der am selben Tage beim Kirchengerichtshof einging, Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2023, eingegangen beim Kirchengerichtshof am selben Tage, haben die Beteiligten zu 2 und 3 die Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde bis zum 15. Juni 2023 beantragt. Der Kirchengerichtshof gewährte daraufhin eine Fristverlängerung bis zum 14. Juni 2023. Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2023, eingegangen beim Kirchengerichtshof am selben Tage, haben die Beteiligten zu 2 und 3 ihre Beschwerde begründet.
Die Beteiligten zu 2 und 3 halten den erstinstanzlichen Beschluss für unzutreffend, weil die von ihnen getroffene Anordnung, dass die erweiterten Führungszeugnisse der jeweiligen Führungskraft vorzulegen seien, den rechtlichen Vorgaben des Kirchengesetzes und der hierzu ergangene Ausführungsverordnung entsprächen. Es liege keine Anordnung eines Ordnungsverhaltens vor, sondern eine mitbestimmungsfreie Organisationsentscheidung der Dienstgeberseite. Das Gesetz selbst enthalte die Regelungen zur Vorlagepflicht und zu der zur Entgegennahme verantwortlichen Stelle, die von der Dienstgeberseite nur nachvollzogen seien. Der Vollzug der gesetzlichen Regelungen sei stets mit einer internen Organisationsentscheidung und der Benennung einer Verantwortlichkeit verbunden, um die Vorlagepflicht handhabbar zu machen. Zu dem mitbestimmungsfreien Bereich gehöre eine interne Bestimmung von Emp-fangsvertreterinnen oder -vertretern für Willenserklärungen oder sonstige Mitteilungen oder die Bestimmung von Personen, die mit der Entgegennahme von gesetzlich vorgeschriebenen Erklärungen betraut würden. Ein über das Gesetz hinausgehender Entscheidungsspielraum sei dabei nicht in Anspruch genommen worden. Vielmehr sei nur der Nachvollzug von Gesetz und Ausführungsverordnung erfolgt. Die jeweilige Führungskraft im Sinne der Anweisung an die Beschäftigten und das jeweilige Leitungsorgan seien in kleinen Organisationseinheiten, die von den Beteiligten zu 2 und 3 regelmäßig unterhalten würden, im Einzelfall dieselbe Person. Es sei durch die Anweisung demgemäß ohne Ausnutzung einer Entscheidungsfreiheit nur die gesetzliche Regelung umgesetzt worden. Die Bestimmung der für die Entgegennahme und Sichtung des erweiterten Führungszeugnisses zuständigen Personen sei keine Ausgestaltung eines standardisierten Meldeverfahrens. Es handele sich um eine reine mitbestimmungsfreie Organisationsentscheidung, keine Regelung der Ordnung des Betriebs. Da die Ausführungsverordnung nicht bestimme, wer das jeweilige Leitungsorgan sei, bleibe ein interner Organisa-tionsspielraum der jeweiligen Dienststelle, der nicht das Zusammenleben und Zusammenwirken der Beschäftigten betreffe, sondern allein die interne Organisation.
Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen,
den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 14. Februar 2023, Geschäftsnummer 2 M 37/22, zugestellt an die Antragsgegnerinnen und Beschwerdeführerinnen zu 1 und 2 am 14. März 2023, abzuändern und die Anträge der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin insgesamt zurückzuweisen.
Die GMAV beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Absatz 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof hat sie zur Entscheidung angenommen.
2) Die Beschwerde ist unbegründet, weil der Antrag der GMAV zulässig und begründet ist.
a) Der Antrag ist zulässig. Es handelt sich um eine mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 60 Absatz 1 MVG-EKD, weil die Beteiligten sich darüber streiten, ob eine von der Dienstgeberseite gegeben Anweisung wegen einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts der GMAV unwirksam ist. Der Antrag ist hinreichend bestimmt, weil er genau bezeichnet, welche Anweisung der Mitbestimmung der GMAV unterliegen soll. Es ist ein Feststellungsinteresse gegeben, weil die Dienstgeberseite die Auffassung vertritt, dass sie die Anweisung wirksam habe treffen können, ohne die Zustimmung der GMAV einzuholen. Die Frist des § 61 Absatz 1 MVG ist eingehalten, da der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach der abschließenden Stellungnahme der Dienststellenleitung beim Kirchengericht einging.
b) Der Antrag ist begründet. Die Dienstgeberseite konnte die Anordnung, der jeweiligen Führungskraft im Abstand von spätestens fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen, nicht ohne die Zustimmung der Mitarbeitervertretung oder deren Ersetzung durch die Entscheidung der Einigungsstelle erteilen. Es besteht insoweit ein Mitbestimmungsrecht der GMAV nach § 40 j und k MVG-EKD.
aa) Die GMAV hat bei der Anordnung zur Vorlage des Führungszeugnisses nach § 40 j MVG-EKD mitzubestimmen. Es handelt sich dabei um die Anwendung einer Maßnahme, die dazu geeignet ist, dass Verhalten der Mitarbeitenden zu überwachen. Die Dienstgeberseite bestimmt in Anwendung des Gesetzes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, dass der jeweiligen Führungskraft die erweiterten Führungszeugnisse vorzulegen sind. Das ist eine Maßnahme, die nicht nur geeignet, sondern sogar unmittelbar dazu bestimmt ist, das Verhalten der Beschäftigten zu überwachen.
Die Maßnahme ist nicht durch das Kirchengesetz oder seine nach § 11 des Gesetzes erlassene Ausführungsverordnung vorgegeben. Das Kirchengesetz selbst trifft nur die Anordnung, dass in Abständen von höchstens fünf Jahren ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen ist, regelt aber nicht, bei welcher Person oder Stelle dieses zu geschehen hat. Eine solche Anordnung trifft auch die Ausführungsverordnung nicht, die nur vorsieht, dass das jeweilige Leitungsorgan für die Anforderung von und die Einsichtnahme in die erweiterten Führungszeugnisse verantwortlich ist. Bei einem Leitungsorgan handelt es sich um die Personen, die eine Einrichtung im Sinne des § 31 BGB organschaftlich vertreten, bei Vereinen also die Mitglieder des Vorstands oder andere Personen, die nach der Satzung des Vereins berufene Vertreterinnen oder Vertreter sind. Das hat nichts mit den jeweiligen Führungskräften zu tun, und zwar auch dann nicht, wenn eine Einrichtung in viele kleine Untereinheiten geteilt ist, die für sich selbständig agieren. Auch dann bleibt es dabei, dass Organ der Einrichtung nur solche Personen sein können, die organschaftlich jedenfalls aufgrund der Satzung befugt sind, die jeweilige juristische Person nach außen zu vertreten. Mit der persönlichen Führungskraft im Sinne der von der Dienstgeberseite gegebenen Anordnung ist demgegenüber der oder die unmittelbare Vorgesetzte des oder der Beschäftigten bezeichnet.
Weder durch das Gesetz noch durch die Ausführungsverordnung ist vorgegeben, dass von der Dienstgeberseite eine zuständige innerbetriebliche Stelle für die Vorlage der erweiterten Führungszeugnisse zu schaffen ist. Geregelt ist nur eine Verantwortlichkeit, nämlich die der Leitungsorgane, nicht aber eine Zuständigkeit. Die Leitungsorgane haben aufgrund ihrer Verantwortlichkeit eine Regelung für die Vorlage zu treffen, ohne dass sie insoweit daran gebunden wären, dass innerbetrieblich eine Zuständigkeit zur Annahme festgelegt werden müsste.
Sie können sich entscheiden, selbst die Führungszeugnisse zu kontrollieren, sie können diese Aufgabe zur Verwirklichung der Arbeitnehmerdatenschutzes auf eine außerbetriebliche Stelle – wie etwa ein Notariat – delegieren oder innerbetriebliche Beschäftigte damit beauftragen. Welche dieser Möglichkeiten sie wählen, steht ihnen frei, sie tragen nur die Verantwortung, dass diese Aufgabe in irgendeiner Weise wahrgenommen wird. Eine gesetzliche Vorgabe für die Art der Umsetzung ist nicht ersichtlich.
Die Anordnung, dass die erweiterten Führungszeugnisse der jeweiligen Führungskraft vorzulegen sind, ist eine Maßnahme der Überwachung von Leistung und Verhalten der Beschäftigten. Sie ist eine von den mehreren denkbaren Möglichkeiten, die Verhaltenskontrolle auszuüben und dient unmittelbar diesem Zweck. Ohne Bedeutung ist, dass es dabei um außerdienstliches Verhalten der Beschäftigten geht. Dieses außerdienstliche Verhalten ist unmittelbar relevant für die Arbeitstätigkeit der Beschäftigten, weil überprüft werden soll, ob die Beschäftigten wegen einer Verurteilung für ihre Tätigkeit in der Einrichtung ungeeignet sind. Damit handelt es sich um eine für die Tätigkeit unmittelbar relevante Verhaltenskontrolle, die direkt der Überwachung der Beschäftigten dient.
Für den Mitbestimmungstatbestand des § 40 k MVG-EKD ist nicht erforderlich, dass die Überwachung durch eine technische Einrichtung erfolgt. Erforderlich ist insofern allerdings, dass der Persönlichkeitsschutz in einer der Überwachung durch eine technische Einrichtung gleichen Weise erforderlich ist (JMNS/Nause § 40 Rdnr. 129). Das ist hier der Fall. Die Beschäftigten sollen verpflichtet werden, höchstpersönliche Umstände, die ohne jeden Bezug zum Schutz vor sexualisierter Gewalt sein können, wie etwa eine Verurteilung wegen einer Verkehrsstraftat oder eines Vermögensdeliktes, Dritten zu offenbaren. Dadurch werden in das Arbeitsverhältnis Umstände aus dem höchstpersönlichen Umfeld der Beschäftigten eingebracht, die erhebliche Bedeutung für die Beurteilung ihrer Person und Persönlichkeit haben.
Für die damit nach § 40 k MVG-EKD mitbestimmungspflichtige Maßnahme ist die Zuständigkeit der GMAV gegeben, weil die Maßnahme im Sinne des § 6a Absatz 3 MVG-EKD alle Beschäftigten des Dienststellenverbundes betrifft.
bb) Die GMAV hat darüber hinaus nach § 40 k MVG-EKD ein Mitbestimmungsrecht.
Bei der Bestimmung, bei wem die Beschäftigten die erweiterten Führungszeugnisse vorzulegen haben, handelt es sich um eine Regelung zur Gestaltung der Ordnung in der Dienststelle. Gegenstand der Mitbestimmung ist das der Dienstgeberin zustehende Organisationsrecht. Die Dienststellenleitung soll nicht durch einseitige Anordnungen das Miteinander in der Dienststelle bestimmen können (JMNS/Nause § 40 Rdnr. 134).
aaa) Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht scheitert nicht am Bestehen einer gesetzlichen Regelung. Für die Annahme eines Mitbestimmungsrechts ist dort kein Raum, wo die Dienst-stellenleitung durch gesetzliche oder behördliche Anordnung gehalten ist, eine Maßnahme mit einem bestimmten Inhalt umzusetzen. Eine derartige Vorgabe besteht hier nicht. Das Kirchengesetz zum Schutz gegen sexualisierte Gewalt bestimmt gerade nicht, wie und bei wem das erweiterte Führungszeugnis vorzulegen ist. Demgemäß gibt es für die Regelung, dass dieses bei der jeweiligen persönlichen Führungskraft zu geschehen hat, keine von der Dienststellenleitung zu beachtende gesetzliche oder behördliche Anordnung. Das Gesetz verlangt nur, dass das erweiterte Führungszeugnis vorzulegen ist, nicht aber, auf welchem Wege und bei wem dieses zu geschehen hat. Die gesetzliche Regelung erfordert damit organisatorische Maßnahmen der Dienststellenleitung, die nicht vom Gesetz vorgegeben sind. Damit gibt es einen Ge-staltungsspielraum, der eine Mitgestaltung durch die Mitarbeitervertretung ermöglicht.
bb) Die Anordnung zur Vorlage der erweiterten Führungszeugnisse bei der jeweiligen persön-lichen Führungskraft ist keine mitbestimmungsfreie organisatorische Regelung. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, organisatorische Regelungen einer Arbeitgeberin seien als organisatorische Maßnahmen mitbestimmungsfrei (BAG 21. Juli 2009 1 ABR 42/08 Rdnr. 23), zutreffend ist. Diese Auffassung wird damit begründet, dass die Arbeitgeberin insoweit nur von der Befugnis Gebrauch mache, sich selbst zu organisieren und zu bestimmen, welche natürlichen Personen für sie im Verhältnis zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Rechte wahrzunehmen und Pflichten zu erfüllen haben. Die Bestimmung von Empfangsvertretern für Willenserklärungen und sonstige Mitteilungen sei in diesem Sinne eine reine Zuständigkeitsregelung (BAG vom 13. Mai 1997 1 ABR 2/97 Rdnr. 27).
Das ist zumindest zweifelhaft, weil weder das Betriebsverfassungsgesetz noch das Mitarbeitervertretungsgesetz erkennen lassen, dass die Mitbestimmung durch einen organisations-freien Raum der Arbeitgeberin oder Dienststelle beschränkt sein soll. Soweit dadurch die Ordnung der Dienststelle betroffen ist, ist vielmehr die Begrenzung der Organisationsfreiheit gerade Zweck des Mitbestimmungsrechts. Ein Hinweis auf das Selbstorganisationsrecht der Arbeitgeberin kann demgemäß allenfalls überzeugen, soweit es sich um innerorganisatorische Maßnahmen für die Leitungsgremien einer Arbeitgeberin oder Dienststelle handelt. Außerhalb dieses Bereichs liegt es näher, organisatorische Regelungen, die sich auf das Miteinander der Beschäftigten im Betrieb auswirken, als Regelungen der Ordnung des Betriebs anzusehen, über die die Dienststellenleitung nicht frei bestimmen kann.
Vorliegend kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil die Anordnung, das erweiterte Führungszeugnis der jeweiligen persönlichen Führungskraft vorzulegen, keine bloße inneror-ganisatorische Maßnahme der Dienststelle ist. Anders als bei der Beschwerdestelle nach § 13 AGG ist vom Kirchengesetz nicht vorgegeben, dass die Kontrolle der erweiterten Führungszeugnisse durch eine innerbetriebliche Stelle zu erfolgen hat, für die die Dienstgeberinnen nur eine Errichtungsentscheidung zu treffen hat. Vielmehr ist es so, dass der Dienstgeberseite ganz unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die sich auch unterschiedlich auf das innerbetriebliche Miteinander auswirken. Jede der Möglichkeiten bedeutet eine andere Art der Meldestelle und des sich daraus ergebenden Meldeweges und betrifft damit die Ordnung des Betriebs. Die Dienstgeberseite hat mit ihrer Anordnung eine Entscheidung über die Art der Vorlage und den Meldeweg getroffen, die über eine bloße Bestimmung einer Empfangszuständigkeit die Vorlage der erweiterten Führungszeugnisse hinausgeht. Sie hat entschieden, dass die Vorlage innerbetrieblich und damit für die jeweilige persönliche Führungskraft offen erfolgen soll. Damit besteht nicht mehr die Möglichkeit, dass außerhalb der Dienststelle eine Überprüfung der Führungszeugnisse nur auf solche Delikte erfolgt, die für das Kirchengesetz gegen sexualisierte Gewalt bedeutsam sind. Zugleich hat sie einen Meldeweg für Erkenntnisse aus der Vorlage der erweiterten Führungszeugnisse getroffen, weil diese von der jeweiligen persönlichen Führungskraft auf der vorgegebenen Hierarchiestruktur an die Leitungsorgane weitergegeben werden müssen, also ggf. über weitere Führungskräfte hinweg. Diese beiden Aspekte der von der Dienststellenleitung getroffenen Anordnung gehen über eine bloße Bestimmung einer Empfangszuständigkeit hinaus. Sie greifen überdies unmittelbar in das inner-betriebliche Miteinander ein, weil die Beschäftigten dadurch angehalten werden, auch nicht einschlägige Einträge ihren unmittelbaren Führungskräften zu offenbaren.
ccc) Der kollektive Bezug der an alle Beschäftigten gerichteten Anweisung steht außer Frage.
ddd) Die Zuständigkeit der GMAV ist aus denselben Gründen gegeben wie bei der Mitbestimmung nach § 40 j MVG-EKD.