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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 11.10.2021 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/51-20 |
Rechtsgrundlage: | § 256 ZPO |
Vorinstanzen: | Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kammern für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten, Az. II-2708/22-2019 vom 28.09.2020 |
Schlagworte: | Feststellungsinteresse |
Leitsatz:
Das Feststellungsinteresse für ein Verfahren auf Feststellung, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der beabsichtigten Eingruppierung besteht, entfällt mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin aus dem Arbeitsverhältnis (Bestätigung von KGH, Beschluss vom 12. April 2010, I-0124/R78-09).
Tenor:
Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss des Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland – Kammern für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten – vom 28. September 2020, Az. II-2708/22-2019, wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I. Die Dienststellenleitung verlangt die Feststellung, dass die Mitarbeitervertretung nicht berechtigt war, die Zustimmung zur Eingruppierung eines Mitarbeiters zu verweigern.
Der Mitarbeiter ist seit 2017 in der Dienststelle beschäftigt, und zwar zunächst als Erzieher im Gruppendienst. Unter dem Datum des 13. Mai/14. Juni 2019 schlossen die Parteien einen Vertrag über den Einsatz des Mitarbeiters auf einem anderen Arbeitsplatz, und zwar als Fachkraft im Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung „als Erzieher“. In dem Änderungsvertrag war nach § 4 eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 vorgesehen, die nach § 11 unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Mitarbeitervertretung stand. Der Mitarbeiter ist zum 30. September 2020 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
Zum 1. Januar 2018 trat in der Dienststelle die Eingruppierung nach den AVR.DD in Kraft. Mit Schreiben vom 25. Januar 2018 ersuchte die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung um Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters in die Entgeltgruppe 7/Eingangsstufe. Die Mitarbeitervertretung fand eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 zutreffend. Es kam zu einer Erörterung zwischen den Beteiligten, die die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 30. September 2019 für beendet erklärte.
Die Dienststellenleitung verlangt mit ihrem am 11. Oktober 2019 beim Kirchengericht eingegangenem Antrag die Feststellung, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund vorgelegen habe, die Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung zu verweigern.
Die Dienststellenleitung hat die Auffassung vertreten, dass der Mitarbeiter in die Entgeltgruppe 7 eingruppiert sei. Ein Feststellungsinteresse sei trotz des Ausscheidens des Mitarbeiters und seines Arbeitsplatzwechsels gegeben, weil es klärungsbedürftig sei, wie der Mitarbeiter ab dem 1. Januar 2018 eingruppiert sei.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
festzustellen, dass für die MAV der Dienststelle A kein Grund zur Verweigerung der beabsichtigten Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 07, Einarbeitungsstufe, AVR.DD unter Aufgabenbeschreibung EG-Listennummer 8110 Erzieher/in (ambulant/teilstationär/stationär) besteht.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hält mindestens die Entgeltgruppe EG 8 für zutreffend.
Das Kirchengericht hat den Antrag der Dienststellenleitung mit Beschluss vom 28. September 2020 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Dienststellenleitung am 25. November 2020 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2020, der am selben Tage beim Kirchengerichtshof einging, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25. Januar 2021, eingegangen beim Kirchengerichtshof am selben Tage, begründet.
Die Dienststellenleitung hält die Entscheidung des Kirchengerichts für unzutreffend, weil sie meint, nach wie vor ein Rechtsschutzinteresse an der kirchengerichtlichen Entscheidung zu haben. Das Beteiligungsverfahren entfalte rechtliche Wirkungen nicht nur zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung, sondern auch zwischen Arbeitgeber und dem im Einzelfall betroffenen Arbeitnehmer. Die Verweigerung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung führe zu Rechtsunklarheit zulasten des Arbeitgebers. In der Regel führe nämlich eine Eingruppierungsentscheidung im kollektiven Verfahren zur Übernahme durch die Arbeitsvertragsparteien. Außerdem müsse der Arbeitgeber das kirchengerichtliche Verfahren einleiten, wenn die Zustimmung durch die Mitarbeitervertretung verweigert worden sei. Zum Wesen einer Gerichtsentscheidung gehöre ihre Verbindlichkeit zwischen den Beteiligten. Falls die Dienststellenleitung in dem Verfahren unterliegen würde, käme es zur Auszahlung des restlichen Entgelts ohne ein weiteres Gerichtsverfahren. Anderenfalls müsste es die Dienststellenleitung regelmäßig dulden, dass die Mitarbeitervertretung Eingruppierungen bis zum Ausscheiden des Beschäftigten hinauszögert, um den Arbeitgeber dem Prozessrisiko eines Individualverfahrens nebst dem damit verbundenen Zinsrisikos auszusetzen. Gerade dann, wenn eine Beschäftigung des Mitarbeiters bezüglich der Eingruppierung unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Mitarbeitervertretung steht, müsse die Dienststellenleitung die Möglichkeit ggf. auch noch nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters klären zu lassen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Beschluss des Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kammern für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten, Aktenzeichen II-2708/22-2019, aufzuheben,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung der Dienststelle A kein Grund zur Verweigerung der beabsichtigten Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 07, Einarbeitungsstufe, AVR.DD unter Aufgabenbeschreibung EG-Liste Nr. 8110 Erzieher/in (ambulant/teilstationär/stationär) besteht.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Dienststellenleitung zwar weiter ein Feststellungsinteresse an der Fortführung des Verfahrens habe, aber die Beschwerde gleichwohl unbegründet sei, weil die Dienststellenleitung nach der ersten Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung kein Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet, sondern ohne Änderung des Arbeitsplatzes des Mitarbeiters nur einen wiederholenden Antrag bei der Mitarbeitervertretung gestellt habe. Das sei unzulässig. Auch habe die Dienststellenleitung in der Beschwerdeinstanz nicht auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Begründung der Eingruppierung Bezug genommen, so dass er für die Begründung der Beschwerde nicht berücksichtigt werden könne.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil das Verfahren auf Feststellung, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der beabsichtigten Eingruppierung besteht, mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis erledigt ist.
Das für den Sachantrag der Dienststellenleitung nach § 256 Absatz 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse entfällt, wenn ein Mitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet der Zustand des Eingruppiertseins von selbst. Die Eingruppierung, die nach den §§ 38, 41 MVG-EKD der Zustimmung der Mitarbeitervertretung bedarf, bezieht sich stets auf einen konkreten Mitarbeiter, nicht aber abstrakt auf einen Arbeitsplatz oder eine Stelle oder eine Funktion im Betriebsgeschehen. Ist das Arbeitsverhältnis beendet, so besteht kein Bedürfnis an der Klärung der Eingruppierung mehr. Die Wahrnehmung eines etwaigen Interesses des ausgeschiedenen Mitarbeiters, in eine höhere Entgeltgruppe eingruppiert zu sein, gehört nicht zum Aufgabenbereich der Mitarbeitervertretung (KGH, Beschluss vom 12. April 2010, I-0124/R78-09). Ebenso begründet das Interesse der Dienststellenleitung, durch einen Rechtsstreit mit der Mitarbeitervertretung das individualrechtliche Verhältnis zum Mitarbeiter zu klären, kein Feststellungsinteresse. Eine rechtskräftige Klärung im Verhältnis zum Mitarbeiter kann nur in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vor den staatlichen Gerichten erfolgen. Der bloße Reflex, den die Wirkung einer kirchengerichtlichen Entscheidung auf die arbeitsvertragliche Behandlung des Arbeitnehmers haben könnte, reicht für die Annahme eines Feststellungsinteresses nicht aus. Mitarbeitervertretungsrechtliche Verfahren sind Rechtsstreitigkeiten zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung und können auch nur zwischen diesen Rechtswirkungen entfalten. Mögliche tatsächliche Auswirkungen auf das betroffene Arbeitsverhältnis sind nicht geeignet, eine Feststellungsinteresse im Verhältnis zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung zu begründen.
Die von der Dienststellenleitung geäußerte Befürchtung, dass die Mitarbeitervertretung Eingruppierungsverfahren hinauszögern könne, um die Dienststellenleitung der Unwägbarkeit individualrechtlicher Verfahren auszusetzen, vermag demgegenüber kein Feststellungsinteresse zu begründen. Die bloße Möglichkeit eines Rechtsmissbrauchs begründet ein Feststellungsinteresse jedenfalls nicht in solchen Verfahren, in denen – wie vorliegend – keinerlei Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch gegeben sein. Aber auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen selbst bei rechtsmissbräuchlicher Verzögerung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Feststellungsinteresse gegeben sein sollte.
Soweit die Beschwerde wegen der Erledigung des Mitbestimmungsverfahrens als unzulässig verworfen worden ist, weist der Senat darauf hin, dass er erwägt, in vergleichbaren zukünftigen Fällen zwar eine Zulässigkeit der Beschwerde anzunehmen, wenn durch die erstinstanzliche Entscheidung eine formale Beschwer gegeben ist, die Beschwerde jedoch als unbegründet zurückzuweisen, weil der Sachantrag wegen Fehlens eines Feststellungsinteresses durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig geworden ist.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).