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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:26.07.2021
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/1-21
Rechtsgrundlage:§§ 41, 42 MVG-EKD
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer, Az. 2 M 34/20
Schlagworte:Zustimmung zu Einstellung und Eingruppierung
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Leitsatz:

1) Einem Antrag auf Feststellung, dass der Mitarbeitervertretung kein Recht zusteht, die Zustimmung zu einer Eingruppierung zu verweigern, fehlt das Feststellungsinteresse, wenn die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Eingruppierung nicht verweigert hat.
2) § 16i SGB II regelt nicht die Voraussetzungen einer Beschäftigung von Personen, sondern die Voraussetzungen für die Förderung einer Beschäftigung von Personen durch die Agentur für Arbeit.
3) Die Anlage 16 AVR-DD ist nur anwendbar für Beschäftigte,
- die in einem auf der Grundlage des § 16i SGB II geförderten Arbeitsverhältnis beschäftigt werden und
- deren Beschäftigung in einem Einrichtungsteil erfolgt, dessen Betriebszweck die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen ist.
Für die Anwendbarkeit müssen beide Voraussetzungen erfüllt sein.
4) § 1 der Anlage 16 AVR-DD verbietet nicht die Einstellung von Beschäftigten nach § 16i SGB II, wenn diese nicht in einem Einrichtungsteil tätig werden sollen, dessen Betriebszweck die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen ist.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schlich-tungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen – 2. Kammer – vom 9. Dezember 2020, Az. 2 M 34/20, unter Zurück-weisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert und der Antrag der Dienststellenleitung als unzulässig verworfen, soweit damit die Feststellung bean-tragt wird, dass der Mitarbeitervertretung kein Recht zusteht, die Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters Herrn D in die Entgeltgruppe 2 AVR-DD, Basisstu-fe, zu verweigern.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten sich über die Frage, ob die Mitarbeitervertretung berechtigt war, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Einstellung eines Mitarbeiters zu verweigern.
Die Dienststelle, bei der etwa 800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig sind, befasst sich mit der Förderung und Qualifizierung behinderter Menschen. Unter anderem betreibt sie Werk-stätten für solche behinderten Menschen.
Mit Schreiben vom 6. Januar 2020 beantragte die Dienststellenleitung bei der in der Dienststel-le gebildeten Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Einstellung von Herrn D als Helfer im Garten- und Landschaftsbau. Die Einstellung sollte im Rahmen einer Maßnahme für einen langzeitarbeitslosen Beschäftigten nach § 16i SGB II auf zwei Jahre befristet erfolgen. Herr D sollte in die Entgeltgruppe 2, 1. Basisstufe, AVR-DD eingruppiert sein.
Nachdem die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 14. Januar 2020 die Erörterung bean-tragt und darauf hingewiesen hatte, dass Betriebszweck der Dienststelle die Förderung behin-derter, nicht aber die Eingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen sei, erklärte die Dienststellenleitung die Erörterung mit Schreiben vom 24. April 2020 für beendet. Die Mitarbei-tervertretung verweigerte mit Schreiben vom 8. Mai 2020 die Zustimmung zur Einstellung, weil Zweck der Dienststelle die Förderung und Qualifizierung behinderter und nicht die Eingliederung langzeitarbeitsloser Menschen sei. Die Anlage 16 AVR-DD fordere, dass der nach § 16i SGB II geförderte Arbeitnehmer Maßnahmeteilnehmer sei. Das sei nicht der Fall. Die Dienststelle ersetze Regelbeschäftigung durch Personen, für die sie Einarbeitungszuschüsse erhalte. Entgegen dem Verlangen der Mitarbeitervertretung habe die Dienststellenleitung keine Bestä-tigung der Agentur für Arbeit vorgelegt, dass mit den von ihr geförderten Personen Regelar-beitsplätze ersetzt würden.
Die Dienststellenleitung hat mit am 22. Mai 2020 beim Kirchengericht eingegangenem Antrag die Auffassung vertreten, dass der Mitarbeitervertretung kein Recht zur Zustimmungsverweigerung zustehe.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
festzustellen, dass der Mitarbeitervertretung kein Recht zusteht, die Zustimmung zur Einstellung des Herrn D und dessen Eingruppierung in die Entgeltgruppe 2 AVR-DD, Basisstufe, zu verweigern.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Ihrer Ansicht nach widerspricht die Einstellung der Anlage 16 zu den AVR-DD. Weder biete die Dienststelle Maßnahmen nach § 16i SGB II an noch sei Herr D Maßnahmeteilnehmender im Sinne der Anlage 16 zu den AVR-DD. Die Maßnahme verstoße außerdem gegen den Grund-gedanken der Dienstgemeinschaft, weil die Dienststellenleitung damit Mitarbeitende 2. Klasse einführe, die ein deutlich geringeres Entgelt als die regulär nach AVR-DD beschäftigten Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer erhielten. Regelbeschäftigte und interne Bewerberinnen und Bewerber, die die Voraussetzungen für einen Entgeltzuschuss nach § 16i SGB II nicht erfüll-ten, würden von einer Stellenbesetzung von vornherein ausgenommen. Damit werde gegen die Dienstvereinbarung zur internen Stellenausschreibung verstoßen.
Das Kirchengericht hat den Anträgen der Dienststellenleitung mit Beschluss vom 9. Dezember 2020 stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der der Mitarbeitervertretung am 17. Dezember 2020 zugestellt wurde, hat sie mit Schriftsatz vom 4. Januar 2021, der am selben Tage beim Kirchengerichtshof einging, Beschwerde eingelegt. Auf Antrag der Mitarbeitervertretung hat der Kirchengerichtshof die Frist zur Begründung der Beschwerde bis zum 17. März 2021 ver-längert. Die Mitarbeitervertretung hat die Beschwerde mit Schriftsatz vom 17. Februar 2021, der am 17. März 2021 beim Kirchengerichtshof einging, begründet.
Die Mitarbeitervertretung hält den Beschluss des Kirchengerichts für unzutreffend und begrün-det dieses unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den Beschluss der Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen vom 9. Dezember 2020 – 2 M 34/20 – abzuändern und den Antrag der Dienststellenleitung zurückzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, dass kein Grund für die Zustimmungsverweigerung gegeben sei.
II. Die Beschwerde ist zulässig und zum Teil begründet, im Übrigen ist sie zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Absatz 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Beschwerde ist teilweise begründet, weil der Antrag der Dienststellenleitung nur teilwei-se zulässig ist. Im Übrigen ist die Beschwerde begründet.
a. Der Antrag der Dienststelleinleitung ist nur zulässig, soweit mit ihm die Feststellung begehrt wird, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund vorliegt, die Zustimmung zur Eingruppierung zu verweigern. Für den hinreichend bestimmten Antrag liegt ein Feststellungsinteresse vor, weil die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Einstellung des Mitarbeiters verweigert hat und das insoweit zu beachtende Verfahren eingehalten ist. Soweit es um die Eingruppierung des Mitarbeiters geht, fehlt das Feststellungsinteresse, weil die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Eingruppierung gar nicht verweigert hat. Demgemäß ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Antrag hinsichtlich der Eingruppierung erforderlich sein soll.
b. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sich die Mitarbeitervertretung mit ihr gegen die Feststellung wendet, dass kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung ge-geben ist.
Ein solcher Grund ist nach § 41 Absatz 1 Buchstaben a bis c, § 42 Buchstabe a MVG-EKD gegeben, wenn
- die Maßnahme gegen eine Rechtsvorschrift, eine Vertragsbestimmung, eine Dienstvereinbarung, eine Verwaltungsanordnung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt,
- die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der oder die durch die Maßnahme betroffene oder andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen benachteiligt werden, ohne dass dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist,
- die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass eine Einstellung zur Störung des Friedens in der Dienststelle führt.
Keiner dieser Gründe liegt vor.
a) Die Einstellung verstößt nicht gegen eine Rechtsvorschrift, eine Vertragsbestimmung, eine Dienstvereinbarung, eine Verwaltungsanordnung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung.
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Dienstgemeinschaft liegt entgegen der Auffassung der Mitarbeitervertretung nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich aus der Präambel zum Mitarbeitervertretungsgesetz, in der dieser Grundsatz vorgesehen ist, konkret anwendbares Recht ergibt, weil nicht ersichtlich ist, dass Herr D als „Mitarbeiter 2. Klasse“ eingestellt werden soll. Er erhält die nach den AVR-DD vorgesehene Vergütung, die auch die Mitarbeitervertretung für zutreffend hält. Dieses geschieht in einer Vertragsgestaltung, die nach § 16i SGB II vorgesehen ist und damit einem vom parlamentarischen Gesetzgeber anerkannten sozialpoli-tischen Bedürfnis entspricht. Warum die Wahrnehmung einer gesetzlich gewollten Beschäfti-gungsmöglichkeit durch einen diakonischen Arbeitgeber einen Verstoß gegen den Grundsatz der Dienstgemeinschaft darstellen sollte, ist nicht erkennbar. Insbesondere gibt es keine An-haltspunkte dafür, dass durch die Einstellung eine „Regelbeschäftigung“ ersetzt wird.
Ein Verstoß gegen § 16i SGB II ist nicht gegeben. Die Vorschrift hat überhaupt nicht zum Ge-genstand, wann Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingestellt werden dürfen, sondern regelt nur, unter welchen Voraussetzungen eine Beschäftigung durch die Agentur für Arbeit ge-fördert wird. Ein Einstellungshindernis kann demgemäß daraus nicht gefolgert werden. Darüber hinaus verlangt § 16i SGB II nicht, dass bei der Arbeitgeberin eine beschäftigungsbezo-gene Betreuung oder Begleitung durchgeführt wird. Das ist nicht erforderlich. Vielmehr sieht § 16i Absatz 4 SGB II vor, dass die Agentur für Arbeit oder ein von ihr beauftragter Dritter für eine solche beschäftigungsbegleitende Betreuung zuständig ist. Diese muss also weder in der Dienststelle erfolgen noch von der Dienststellenleitung vorgenommen oder organisiert werden.
Die Beschäftigung verstößt nicht gegen Anlage 16 zu den AVR-DD. Entgegen der Auffassung der Mitarbeitervertretung verlangt § 1 der Anlage 16 zu den AVR-DD nicht, dass Personen, die in einem auf der Grundlage des § 16i SGB II geförderten Arbeitsverhältnis eingestellt werden, in einem Einrichtungsteil beschäftigt werden, deren/dessen Betriebszweck die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen ist. Es ist dort auch nicht „im Kern“ geregelt, dass die Anlage 16 zu den AVR-DD für Personen gilt, die in einem nach § 16i SGB II geförderten Arbeitsverhältnis stehen. Das folgt werde aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn der Vorschrift. Inhalt der Regelung in § 1 der Anlage 16 zu den AVR-DD ist vielmehr, dass die Anlage 16 zu den AVR-DD für Personen gilt,
- die in einem auf der Grundlage des § 16i SGB II geförderten Arbeitsverhältnis beschäftigt werden und
- deren Beschäftigung in einem Einrichtungsteil erfolgt, dessen Betriebszweck die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen ist.
Nur wenn diese beiden Voraussetzungen je für sich, also kumulativ, erfüllt sind, kommt es zur Anwendung der Anlage 16 zu den AVR-DD. Ist dieses dagegen nicht der Fall, bleibt es bei den allgemeinen Regeln der AVR-DD. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass § 1 der Anlage 16 zu den AVR-DD außerdem vorschreibt, dass eine Beschäftigung nach § 16i SGB II nur erfolgen darf, wenn der Zweck des Einrichtungsteils der Eingliederung von Lang-zeitarbeitslosen dient. Sprachlich wird dieses mit der Regelung nicht zum Ausdruck gebracht. Auch sinngemäß finden sich dafür keine Anhaltspunkte. Es kann nur vermutet werden, dass der Standpunkt der Mitarbeitervertretung auf einem sprachlichen Missverständnis des Inhalts von § 1 der Anlage 16 zu den AVR-DD beruht. Der Hinweis auf die Beschäftigung in einem Einrichtungsteil, dessen Betriebszweck die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen ist, insbe-sondere in Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, Integrationsbetrieben und Ar-beitsmarktinitiativen und -projekten, zeigt deutlich, dass es sich um eine Art der Beschäftigung außerhalb von regelmäßigen Betrieben und Einrichtungen handeln muss. Das trifft auf die von Herrn D zu leistende Tätigkeit nicht zu. Sie unterfällt damit von vornherein zu Recht nicht der Anlage 16 zu den AVR-DD.
b) Eine durch Tatsachen begründete Besorgnis im Sinne von § 41 Absatz 1 Buchstabe b MVG-EKD, dass Herr D oder andere Beschäftigte benachteiligt werden, ohne dass dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist, besteht nicht. Unter Nachteilen sind nicht unerhebliche Verschlechterungen in der tatsächlichen oder rechtlichen Stellung eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin zu sehen (JMNS/Mestwerdt § 41 Rdnr. 37). Solche Verschlechterungen sind nicht in erkennbarer Weise gegeben.
c) Ein etwaiger Verstoß gegen die Pflicht zur Stellenausschreibung kann nicht als Zustim-mungsverweigerungsgrund im Sinne des 41 Absatz 1 Buchstabe c MVG-EKD berücksichtigt werden, weil sich die Mitarbeitervertretung darauf nicht in der Zustimmungsverweigerung beru-fen hat. Es können nur solche Gründe für die Zustimmungsverweigerung berücksichtigt wer-den, die innerhalb des Zustimmungsverfahrens rechtzeitig vorgebracht werden (JMNS/Mestwerdt, § 38 Rndr. 63).
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).