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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 29.06.2020 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/39-2019 |
Rechtsgrundlage: | MVG-EKD § 62, ZPO § 256 Abs. 1, MVG-EKD § 42 Buchst. a |
Vorinstanzen: | Gemeinsame Schlichtungsstelle der Evangelische Kirche im Rheinland und des Diakoni-schen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. – Diakonie RWL, Az. 1 GS 18/2018 |
Schlagworte: | Einstellung bei Erhöhung des Arbeitszeitanteils, Feststellungsinteresse |
Leitsatz:
1) § 256 Abs 1 ZPO findet im mitarbeitervertretungsgerichtlichen Beschlussverfahren entspre-chende Anwendung. Gegenstand eines Feststellungsantrags können nur Rechtsverhältnisse sein. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden.
2) Es reicht für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrages nicht aus, dass ein Feststellungs-interesse gegeben ist. Daneben muss ein zu klärendes Rechtsverhältnis vorliegen. Dem genügt es nicht, wenn nur abstrakt eine Vorfrage des Rechtsverhältnisses geklärt werden soll.
3) Es liegt kein Streit um ein Rechtsverhältnis vor, wenn die Beteiligten sich darüber streiten, unter welchen verschiedenen Varianten eine Einstellung bei einer Erhöhung der Wochenar-beitszeit anzunehmen ist, ohne dass dem konkrete aktuelle oder ehemalige Streitfälle hinter-legt sind.
4) Es bleibt dahingestellt, ob bei einer Erhöhung der Arbeitszeit der Begriff der Einstellung nur von den Parametern Umfang und Dauer der Erhöhung abhängig ist oder ob es auch auf weitere Umstände ankommt oder ankommen kann.
Tenor:
Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Gemeinsa-men Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Diakoni-schen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. – Diakonie RWL – vom 4. Juni 2019, Az. 1 GS 18/2018 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die zu 1 beteiligte Mitarbeitervertretung verlangt die Feststellung, unter welchen Voraussetzungen die Erhöhung der Arbeitszeit eines oder einer teilzeitbeschäftigten Mitarbeitenden eine Einstellung im Sinne des § 42 a) MVG-EKD ist.
Es kommt vor, dass die zu 2 beteiligte Dienststellenleitung die Arbeitszeit von teilzeitbe-schäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für einige Monate um mehr als fünf, aber weniger als zehn Stunden erhöht. Nachdem die Mitarbeitervertretung bislang von der Dienststellenleitung immer dann nach § 42 a) MVG-EKD beteiligt worden war, wenn die Arbeitszeit über einen Monat um mindestens zehn Stunden erhöht wurde, änderte sie ihre Auffassung bei einem zwischen den Beteiligten streitigen Fall und vertrat seitdem die Meinung, dass nur die Erhöhung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitbeschäftigung als Einstellung anzusehen sei. Bei Arbeitszeiterhöhungen unterhalb dieser Schwelle wird die Mitarbeitervertretung unterrichtet, nicht aber ihre Zustimmung beantragt.
Die Mitarbeitervertretung vertrat gegenüber der Dienststellenleitung die Ansicht, dass eine einmonatige Erhöhung des Stundenvolumens einer oder eines Teilzeitbeschäftigten als Einstellung zu qualifizieren sei. Nachdem die Beteiligten sich nicht einigen konnten, beschloss die Mitarbeitervertretung am 11. Oktober 2018 die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens für den Fall, dass die Dienststellenleitung nicht positiv auf ein Anschreiben der rechtlichen Vertretung der Mitarbeitervertretung reagiere. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 erklärte der Verfahrensbevollmächtigte der Mitarbeitervertretung das Scheitern der Einigungsbemühungen und kündigte die Einleitung eines Schlichtungsver-fahrens an.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
1. festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Arbeitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als einen Monat und mehr als 5,0 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht.
2. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Arbeitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als ei-nen Monat und mehr als 10 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht.
3. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Arbeitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als drei Monate und mehr als 5 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht.
4. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Ar-beitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als drei Monate und mehr als 10 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht.
5. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Ar-beitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als ei-nen Monat und mehr als 20 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht.
6. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Ar-beitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als drei Monate und mehr als 20 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass nur eine Erhöhung der Arbeitszeit, die zu einer Vollzeitbeschäftigung führe, eine Einstellung darstellen könne.
Das Kirchengericht hat mit Beschluss vom 18. Juni 2019 unter Zurückweisung der Anträge zu 1 bis 5 dem Antrag zu 6 der Mitarbeitervertretung stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der der Mitarbeitervertretung am 24. Juni 2019 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 11. Juli 2019, beim Kirchengerichtshof eingegangen am 11. Juli 2019, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. August 2019, der am sel-ben Tage beim Kirchengerichtshof einging, begründet.
Die Mitarbeitervertretung verfolgt die Anträge zu 1 bis 5 unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation weiter.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses der Gemeinsamen Schlichtungsstelle vom 18. Juni 2019
1. festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Arbeitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als einen Monat und mehr als 5,0 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht,
2. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Arbeitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als ei-nen Monat und mehr als 10 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeit-arbeitsverhältnis entsteht,
3. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Arbeitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als drei Monate und mehr als 5 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeit-arbeitsverhältnis entsteht,
4. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Arbeitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als drei Monate und mehr als 10 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht,
5. hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligten zu 1) ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 a) MVG.EKD zusteht, wenn die Beteiligte zu 2) die wöchentliche Ar-beitszeit eines oder einer in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitenden länger als ei-nen Monat und mehr als 20 Stunden erhöht, auch wenn dadurch kein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass allein eine Erhöhung des Stundenvolumens auf das einer oder eines Vollzeitbeschäftigten eine Einstellung im Sinne des § 42 a) MVG-EKD sein könne.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Absatz 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof der EKD hat sie zur Entscheidung angenommen.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Anträge der Mitarbeitervertretung unzulässig sind. Die Voraussetzungen für Feststellungsanträge liegen nicht vor.
§ 256 Absatz 1 ZPO findet im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren entsprechende Anwendung. Gegenstand eines Feststellungsantrags können nur Rechtsverhältnisse sein. Er kann sich insoweit auch auf Teilrechtsverhältnisse, insbesondere auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beziehen. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden. (BAG, Beschluss vom 3. Mai 2006 – 1 ABR 63/04 – Rdnr. 19, juris). Nach § 62 MVG-EKD gelten diese Grundsätze auch im mitarbeitervertretungsrechtlichen Verfahren vor den Kirchengerichten.
Danach ist vorliegend kein Streit um ein Rechtsverhältnis gegeben. Die Beteiligten sind sich vielmehr uneinig über bloße Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, nämlich unter welchen der verschiedenen Varianten der Antragstellung eine Einstellung anzunehmen ist. Dem sind keine konkreten aktuellen oder ehemaligen Streitfälle hinterlegt. Es ist also nicht etwa zu prüfen, ob es eine Einstellung ist, dass der Arbeitnehmer Herr X für die Dauer von zwei Monaten eine Erhöhung seiner Stundenkontingents von 7 auf 16 Stunden erhalten soll, um in dieser Zeit eine gänzlich andere Arbeitsaufgabe zu erledigen. Vielmehr soll ganz abstrakt, allein mit den Parametern Umfang und Dauer der Erhöhung eine gerichtliche Auslegung für den Begriff der Einstellung eingeholt werden. Für solche vom Einzelfall losgelöste Gutachten ist das Gericht nicht zuständig, weil es sich dabei um eine bloße Vorfrage eines Rechtsverhältnisses handelt. Das Gericht entscheidet tatsächlich bestehende Rechtsstreitigkeiten und entscheidet nicht gutachterlich Rechtsfragen Es kann deshalb auch ausdrücklich dahingestellt bleiben, ob der Begriff der Einstellung nur von den Parametern Umfang und Dauer der Erhöhung abhängig ist oder ob es auch auf weitere Umstände ankommt oder ankommen kann.
Soweit das Kirchengericht annimmt, dass ein Feststellungsantrag unabhängig von einem konkreten Ausgangsfall möglich sei, wenn das Bestehen, der Inhalt und der Umfang ei-nes Mitbestimmungsrechts zu klären sei und die Maßnahme, für die das Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen werde, häufiger in der Dienststelle vorkomme und sich auch zukünftig jederzeit wiederholen könne, wird dem nicht gefolgt. Diese Begründung kann allein das Vorliegen eines Feststellungsinteresses tragen. Neben einem Feststellungsinteresse muss aber auch ein zu klärendes Rechtsverhältnis vorliegen. Dem genügt es nicht, wenn nur abstrakt eine Vorfrage des Rechtsverhältnisses geklärt werden soll.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Absatz 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Ab-satz 1 KiGG.EKD).