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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.09.2018
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/26-2018
Rechtsgrundlage:MVG Ev. Landeskirche Baden § 42 Buchst. c), TVÜ-L § 29a
Vorinstanzen:Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden - 2 Sch 34/2016
Schlagworte:Ein- und Umgruppierung
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Leitsatz:

1. Unterlässt es die Dienststellenleitung, die Mitarbeitervertretung nach §§ 38, 41, 42 Buchstabe c) MVG zur Eingruppierung anzuhören oder setzt sie das Mitbestimmungsverfahren nicht bis zum En-de fort, so liegt darin ein Rechtsverstoß i.S.v. § 61 Abs. 1 MVG; die Mitarbeitervertretung hat An-spruch darauf, dass die Dienststellenleitung das Mitbestimmungsverfahren einleitet und gflls. das kirchengerichtliche Verfahren nach § 38 Abs. 4, § 60 Abs. 6 MVG durchführt (st. Rspr. KGH.EKD, 12. April 2010 - I-0124/R48/09 - www.kirchenrecht-ekd.de).
2. Ein erneutes Eingruppierungsverfahren kann die Mitarbeitervertretung nicht allein deshalb ver-langen, weil die bisherige Eingruppierung trotz unveränderter Tätigkeit nicht mehr für zutreffend ge-halten wird; ein etwaiger höherer Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers muss im Urteilverfahren ein-geklagt werden.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Kirchengerichtlichen Schlichtungsstelle der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 6. November 2017, Az. 2 Sch 34/2016 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Durchführung des Beteiligungsverfahrens zu einer Ein- bzw. Umgruppierung gegenüber der Antragstellerin, der bei der Dienststelle gebildeten Mitarbeitervertretung. Zur Anwendung kommt das Mitarbei-tervertretungsgesetz der Evangelischen Landeskirche in Baden (nachfolgend MVG), streitauslösend ist die Überleitung von Lehrkräften/Oberstudienräten auf Grundlage des für die Arbeitsverhältnisse der Antragsgegnerin geltenden Tarifvertrages der Länder (TV-L) i.V.m. dem TV EntgO-L vom 28. März 2015 und der Entgeltordnung-Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L). Die Antragstellerin begehrt weiter Erstattung außergerichtlicher Kosten.
Bei der Antragsgegnerin werden Lehrkräfte beschäftigt, denen vom Land Baden-Württemberg die Berechtigung zur Führung des Titels „Oberstudienrat“ erteilt wurden. Diese Lehrkräfte werden von der Antragsgegnerin teilweise nach E13 TV-L vergütet, Lehrkräfte mit Zusatzaufgaben (Fachbereichsleitung) erhalten eine Zulage in Höhe der Differenz zur Ent-geltgruppe E14. Zu diesen Eingruppierungen ist die Antragstellerin beteiligt worden. Anlässlich der Überleitung in die Entgeltordnung-Lehrkräfte wurden die Lehrkräfte in die Vergütungs-gruppe E13 übergeleitet. Die im Antrag aufgeführten Lehrkräfte haben einen Antrag nach § 29a Abs. 3 TVÜ-L gestellt.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, aufgrund dieses Antrages sei die Antragsgegnerin verpflichtet, ein erneutes Mitbestimmungsverfahren zur Eingruppierung der Lehrkräfte vorzunehmen. In der Sache vertritt sie die Auffassung, diese Lehrkräfte seien nach E14 TV-L zu vergüten.
Nach Korrespondenz zwischen den Beteiligten hat die Antragstellerin beantragt,
1. Der Antragsgegnerin aufzugeben, die Zustimmung der Antragstellerin zu den Ein-gruppierungen für mehrere Mitarbeitende
einzuholen sowie im Falle der Zustimmungsverweigerung das kirchengerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.
2. festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die außergerichtlichen und für die Vertretung im kirchengerichtlichen Schlichtungsverfahren entstandenen Kosten für die Beiziehung der anwaltlichen Vertretung zu tragen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen,
und die Auffassung vertreten, die Überleitung und der Antrag nach § 29a Abs. 3 TVÜ-L habe keine Verpflichtung ausgelöst, ein (neues) Mitbestimmungsverfahren durchzuführen.
Die Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle hat den Antrag zurückgewiesen, auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
Sie beantragt,
den Beschluss der Kirchengerichtlichen Schlichtungsstelle der Evangelischen Landes-kirche in Baden vom 6. November 2017 - 2 Sch 34/2016, abzuändern und nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu entscheiden.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die wechselseitig zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die Erörterung in der mündlichen Anhörung.
II. Die frist- und formgerecht eingereichte, begründete und vom Kirchengerichtshof ange-nommene Beschwerde ist unbegründet. Die Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle hat zu Recht erkannt, dass die Antragsgegnerin nicht verpflichtet ist, gegenüber der Antragstellerin um (erneute) Zustimmung zur Eingruppierung der Lehrkräfte zu ersuchen und im Fall der Zustimmungsverweigerung das kirchengerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzu-leiten.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Betriebsverfas-sungsgesetz besteht das Beteiligungsrecht des Betriebsrates bei Ein- und Umgruppierungen in einem Mitbeurteilungsrecht, das als Richtigkeitskontrolle dient (BAG 14. April 2015 - 1 ABR 66/13); der Betriebsrat kann in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die gebotene Ein- oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers unterlässt, in entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG zur Sicherung des Mitbeurteilungsrechts beim Arbeitgeber beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Ein- oder Umgruppierungsentscheidung vorzunehmen, ihn um Zu-stimmung zu ersuchen und im Fall beachtlicher Zustimmungsverweigerung das arbeitsge-richtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen (ständi-ge Rechtsprechung BAG 14. April 2015 - 1 ABR 66/13 m.w. Rsprnw.).
Entsprechendes gilt für die Wahrung der Mitbestimmung § 42 Buchstabe c) MVG. Unterlässt es die Dienststellenleitung, die Mitarbeitervertretung nach §§ 38, 41, 42 Buchstabe c) MVG zur Eingruppierung anzuhören oder setzt sie das Mitbestimmungsverfahren nicht bis zum En-de und damit notfalls durch Anrufung des Kirchengerichts fort, so liegt darin ein Rechtsver-stoß i.S.v. § 61 Abs. 1 MVG; die Mitarbeitervertretung hat zur Sicherung ihres Mitbestim-mungsrechts Anspruch gegen die Dienststellenleitung darauf, dass diese das Mitbestim-mungsverfahren selbst, und, wenn kein Einvernehmen mit der Mitarbeitervertretung erzielt wird, das kirchengerichtliche Verfahren nach § 38 Abs. 4, § 60 Abs. 6 MVG einleitet, wenn sie die Dienststellenleitung hinsichtlich ihrer Pflicht, das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten oder fortzusetzen, in Verzug gesetzt hat (KGH.EKD, 12. April 2010 - I-0124/R48/09 - www.kirchenrecht-ekd.de). Ein erneutes Eingruppierungsverfahren kann allerdings weder der Betriebsrat (BAG 18. Juni 1991 - AP Nr. 105 zu § 99 BetrVG 1972) noch die Mitarbeiterver-tretung allein deshalb verlangen, weil die bisherige Eingruppierung trotz unveränderter Tätigkeit nicht mehr für zutreffend gehalten wird; ein etwaiger höherer Gehaltsanspruch des Ar-beitnehmers kraft Tarifrechts muss im Urteilverfahren eingeklagt werden.
2. Die Tätigkeit der im Antrag aufgeführten Mitarbeiter und die verliehenen Titel „Oberstu-dienrats“ bzw. „Oberstudienrätin“ sind im Zuge der Überleitung in die Entgeltordnung Lehrkräf-te (Anlage zum TV-EntgO-L) unverändert geblieben. Nach Satz 3 der Protokollerklärung zu § 29a Abs. 2 Satz 1 und 2 TVÜ-L findet eine Überprüfung und Neufeststellung der Eingruppierungen aufgrund der Überleitung in die Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV-EntgO-L) nicht statt. Dies bedeutet, dass trotz Anwendung einer neuen Entgeltordnung nach dem erklärten Willen der Tarifpartner ein (erneutes) Mitbestimmungsverfahren gerade nicht vorgenommen werden sollte.
3. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich eine diesbezügliche Verpflich-tung auch nicht deshalb, weil die im Antrag genannten Oberstudienräte und Oberstudienrätinnen gegenüber der Antragsgegnerin einen Antrag nach § 29a Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Länder gestellt haben. Danach wird die Tarifautomatik nach Überleitung in den TV-Entgeltordnung-Länder nur auf Antrag vorgenommen. Nach § 29a Abs. 3 TVÜ-Länder werden u.a. Lehrkräfte (nur) auf Antrag in die höhere Entgeltgruppe eingruppiert, die sich nach der Überleitung ergibt; nachteilig kann die Überleitung in eine höhere Entgeltordnung nämlich insoweit sein, als nach § 29a Abs. 3 Satz 2 TVÜ-L die Stufenzuordnung in der höheren Entgeltgruppe sich nach den Regelungen für Höhergruppierungen (§ 17 Abs. 4 TVL in der Fassung des § 7 TV Entgeltord-nung Länder) richtet und die in der unteren Entgeltgruppe erworbene und in der bisherigen Stufenzuordnung dokumentierte Berufserfahrung nicht berücksichtigt wird (vgl. im Einzelnen zu § 29a Abs. 3 TVÜ-L BAG 21. Dezember 2017 - 6 AZR 790/16). Wird der Antrag nicht gestellt, verbleibt der Beschäftigte zwar in der niedrigeren Entgeltgruppe, behält aber die bisherige Stufenzuordnung und das damit verbundene höhere Entgelt. Der Antrag ist somit eine Op-tion des Beschäftigten, die er ausüben kann oder nicht. Ein neues Eingruppierungsverfahren wird dadurch in keinem Fall ausgelöst, da es nicht um eine wegen Änderung der Tätigkeit erforderliche neue tarifliche Bewertung geht; im Streit ist die Überleitung in ein neues Entgeltsystem, wobei die Tarifvertragsparteien ausdrücklich geregelt haben, dass damit keine Neufeststellung der Eingruppierung einhergeht.
4. Einen Initiativantrag nach § 47 MVG hat die Antragstellerin nicht gestellt. Rechtsfolge eines Initiativantrages wäre nach § 60 Abs. 7 Satz 1 MVG auch (nur) die Feststellung des Kirchengerichts, ob eine Weigerung der Dienststellenleitung rechtswidrig ist.
5. Die Beschwerde ist unbegründet, als sie Feststellung begehrt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, außergerichtliche Kosten für die Beiziehung der anwaltlichen Vertretung zu tragen. Die Antragsgegnerin hat die Kosten übernommen, die für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist und damit für Verhandlungs- und Verfahrensparität gesorgt. Soweit es um weitere, von der Antragstellerin nicht substantiierte vorgerichtliche Beratungs-kosten gehen soll, ist, wie die Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle zutreffend erkannt hat, der diesbezügliche Antrag nicht begründet worden; die erforderliche Kostenübernahmeerklä-rung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG liegt diesbezüglich auch nicht vor. Die von der Beschwer-de herangezogene Entscheidung des Kirchengerichtshofs vom 1. April 2016 (II-0124/12-2016) betrifft Kosten, die im kirchengerichtlichen Verfahren entstanden sind. Diese hat die Antragsgegnerin übernommen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).