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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 18.12.2017 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/18-2017 |
Rechtsgrundlage: | MVG-EKD: § 42c), § 41 Abs. 1a) Entgeltgruppenplan zum BAT-KF für Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen SE-Entgeltgruppenplan zum BAT-KF, Anlage 8 zum BAT-KF |
Vorinstanzen: | Gemeinsame Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR, Beschluss vom 28. Juni 2017, Az.: 2 GS 55/2016 (Labisch) |
Schlagworte: | , Eingruppierung von Tagespflegepersonen (Tagesmütter) |
Leitsatz:
Die Eingruppierung von Tagespflegepersonen, die in einer räumlich und organisatorisch dafür vorgesehenen Tagespflegestätte tätig sind, richtet sich nach der Anlage 8 zum BAT-KF (SE-Entgeltgruppenplan zum BAT-KF), Fallgruppe 1 (Pädagogische Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der gemeinsamen Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Diakonischen Werkes der EKiR vom 28. Juni 2016 - Az. 2 GS 55/2015 - abgeändert:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung von Tagespflegepersonen (Tagesmütter). Die Antragstellerin betreibt Kindertageseinrichtungen. Daneben betreibt sie mehrere sog. Tagespflegestellen, in denen Tagesmütter, die über keine einschlägige Berufsausbildung, sondern über den Nachweis vertiefter Kenntnisse zu den besonderen Anforderungen der Kin-dertagespflege gemäß § 17 KiBiz NW zur Erlangung der Pflegeerlaubnis nach § 43 SGB VIII verfügen müssen, in Gruppen von bis zu fünf Kindern, Kinder im Alter ab vier Monaten be-treuen. Nach Maßgabe der Stellenbeschreibung (Bl. 17 ff. der Vorakte) beinhaltet diese Be-treuung pädagogische Aufgaben (Betreuung, Erziehung und Bildung der anvertrauten Kinder), die Zusammenarbeit auch mit dem Team der Kindertagesstätten und der dort zuständigen Leitung einschließlich des aktiven pädagogischen und organisatorischen Austausches mit Kolleginnen und der Leitung, organisatorische Aufgaben, pflegerische und hauswirtschaftliche Aufgaben, und die Zusammenarbeit und Absprachen mit der Leitung. Die Tagespflegestellen sind zum Teil - räumlich getrennt - in Kindertagesstätten untergebracht, die von der Antrag-stellerin betrieben werden und zum Teil in Ministerien und Firmen, wo die Antragstellerin vor Ort Tagespflegestellen eingerichtet hat. Die Antragstellerin schließt mit den Eltern des zu pflegenden Kindes einen Betreuungsvertrag (Bl. 21 ff. der Vorakte), wonach das Kind in einer Tagespflegestelle der Antragstellerin aufgenommen und durch eine Tagespflegeperson be-treut wird. In diesem Betreuungsvertrag wird in § 3 die konkrete Tagespflegeperson verein-bart, nach § 3 Absatz 3 dieses Vertrages kann die Antragstellerin die Betreuung vertretungsweise auch durch andere geeignete Tagespflegepersonen sicherstellen. Dies geschieht in der Praxis in Fällen von Urlaub und Erkrankung auch. Die Antragstellerin erhält von den Eltern ein monatliches Betreuungsentgelt; mit der Tagespflegeperson wird eine Durchführungsvereinba-rung zur Betreuungsvereinbarung (Bl. 31 ff. der Vorakte) abgeschlossen. Die Tagespflege-gruppen sind in die Organisation der Antragstellerin neben den von der Antragstellerin betrie-benen Kindertagesstätten und weiteren externen Dienstleistungen im Organigramm aufgeführt und unterstehen wie die Kindertagesstätten der Leitung D sowie der fachlichen Leitung E und F.
Auf die Beschäftigungsverhältnisse der Tagespflegepersonen fanden bisher die AVR-DD Anwendung, nunmehr soll sich die Eingruppierung nach dem BAT-KF richten und bei neueingestellten Tagespflegepersonen der Eingruppierung zugrunde gelegt werden.
Der von der Antragstellerin begehrten Eingruppierung der Frau G in die Entgeltgruppe SD 2, Stufe 2, Fallgruppe 5.1 der Anlage 9 SD EGP-BAT-KF hat die Antragsgegnerin, die bei der Antragstellerin errichtete Mitarbeitervertretung, widersprochen und die Auffassung vertreten, Frau G sei als pädagogische Mitarbeiterin in einer Kindertageseinrichtung nach Anlage 8 - SE Entgeltgruppenplan BAT-KF, dort Fallgruppe 1 (Mitarbeiterin als Ergänzungskraft), Entgelt-gruppe SE 3 einzugruppieren.
Die Gemeinsame Schlichtungsstelle hat dem Antrag der Antragstellerin mit einem nicht begründeten Beschluss vom 28. Juni 2016 entsprochen und die Zustimmung der Antragsgegne-rin zur Eingruppierung der Frau G in die Entgeltgruppe SD 2, Stufe 2, Fallgruppe 5.1 der An-lage 9 SD EGP-BAT-KF ersetzt. Nach Wechsel im Vorsitz der Kammer der Gemeinsamen Schlichtungsstelle hat die Gemeinsame Schlichtungsstelle der Beteiligten zunächst mitgeteilt, das Verfahren würde fortgesetzt vor der Gemeinsamen Schlichtungsstelle. Den Beschluss zur Wiedereröffnung des Verfahrens vom 29. September 2016 hat die Gemeinsame Schlich-tungsstelle durch Beschluss vom 22. März 2017, der Antragsgegnerin zugestellt am 30. März 2017, aufgehoben. Mit der am 10. April 2017 beim Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland eingelegten und nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorhe-rigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist, form- und fristgerecht begründeten Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Zurückweisung des Antrages weiter.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die unver-schuldete versäumte Frist zur Einlegung und Begründung der Beschwerde (§§ 233, 234, 236 Absatz 2 S. 2 ZPO) zulässige und vom Kirchengerichtshof der EKD angenommene Be-schwerde ist begründet. Die vorgesehene Eingruppierung der Frau G in die Entgeltgruppe SD 2 der Anlage 9 SD-EGP-BAT-KF verstößt gegen eine Rechtsvorschrift, da die Mitarbeiterin G nach der Anlage 8-SE Entgeltgruppenplan BAT-KF, Entgeltgruppe SE 3 einzugruppieren ist und die vorgesehene Eingruppierung damit gegen eine Rechtsvorschrift verstößt (§§ 42 c), 41 Absatz 1a MVG-EKD).
1. Nach dem Entgeltgruppenplan zum BAT-KF für Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen - SE-Entgeltgruppenplan zum BAT-KF, Anlage 8 zum BAT-KF sind nach 1 (Pädagogische Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen, Mitarbeiterinnen als Ergänzungskräfte) entsprechend der Fallgruppe 1 in die Entgeltgruppe SE 3 einzugruppieren.
Auch Tagespflegepersonen sind im Sinne der Anlage 8 zum BAT-KF (Entgeltgruppenplan zum BAT-KF für Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen) Mitarbeiter in einer Kinderta-geseinrichtung. Das ergibt die Auslegung des Entgeltgruppenplans.
a) Die Auslegung des normativen Teils kirchengesetzlicher Arbeitsrechtsregelungen, wie hier des BAT-KF, folgt, wie bei einem Tarifvertrag - den für die Auslegung von Gesetzen gelten-den Regeln. Zwar stellt der BAT-KF kein Tarifvertrag dar, er setzt jedoch wie ein Tarifvertrag privatrechtliche Normen. Bei der Auslegung ist zunächst vom Normenwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigen Normenwortlaut ist der wirkliche Wille der normsetzenden Kommission mit zu berücksichtigen, soweit er in den Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustel-len ist ferner auf den normierten Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte über den wirklichen Willen der normensetzenden Kommission liefern und nur so der Sinn und Zweck der auszulegenden Norm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können ohne Bindung an die Reihenfolge weiterer Kriterien wie die Entstehungsgeschichte, die praktische Übung und die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse herangezogen werden; im Zweifel gebührt derjenigen Norm Auslegung der Vor-zug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung KGH.EKD, vgl. nur Beschluss vom 26. April 2010, I-0124/R38-09).
b) Der Wortlaut der Eingruppierungsvorschriften spricht dafür, dass Tagespflegepersonen nach der Anlage 8 zum BAT-KF einzugruppieren sind. Unter Ziffer 1 sind geregelt die Ein-gruppierung der pädagogischen Mitarbeiterinnen in „Kindertageseinrichtungen“. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind Tagespflegepersonen auch Mitarbeiterinnen in Kinderta-geseinrichtungen entsprechend der Anlage 8 zum BAT-KF. Was die Anlage 8 unter einer Kin-destageseinrichtung versteht, ist in der Anmerkung 1 zu den Eingruppierungsvorschriften geregelt. Dort heißt es: „Kindertageseinrichtungen sind Einrichtungen im Sinne des §§ 22 bis 26 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht. Im dritten Abschnitt des zweiten Kapitels, auf den die Anmerkung Nr. 1 Bezug nimmt, ist geregelt die Förderung von Kindern in Tagesein-richtungen und in der Kindertagespflege. Hätte der Normgeber entsprechende Auffassung der Antragstellerin gewollt, dass ausschließlich die Eingruppierung von Mitarbeiterinnen in Kindertagesstätten in der Anlage 8 geregelt werden soll, so hätte es nahegelegen, diesbezüg-lich einen einfachen Verweis auf die entsprechende Norm im SGB VIII, etwa auf § 22 Absatz 1 S. 1 SGB VIII oder auf § 22 a SGB VIII vorzunehmen. Die Anmerkung verweist aber aus-drücklich auf die §§ 22 bis 26 SGB VIII und schließt damit auch die in § 23 SGB VIII geregelte Förderung in Kindertagespflege ein. Dies zeigt, dass der Normgeber in Bezug auf die Ein-gruppierung nicht zwischen Kindetagesstätten und Kindertagespflegestellen unterscheiden wollte, sondern auch Mitarbeiter/innen in Kindertagespflege erfassen wollte, sofern sie dann - wie vorliegend - im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig sind. Auch auf Grundlage des Vortrages der Antragstellerin ist aber von einer „Einrichtung“ im Sinne der Anlage 8 auszuge-hen. Unerheblich ist, ob die Tagespflegeperson eine Durchführungsvereinbarung mit den jeweiligen Eltern schließt und wie die Finanzierung bzw. Fachaufsicht geregelt sind. Die Antragstellerin bietet - organisatorisch abgebildet in ihrem Organigramm - namentlich bezeichnete Kindertagespflegestellen an. Die Betreuung der dort untergebrachten Kinder wird entsprechend des Betreuungsvertrag in Fällen der Verhinderung der zuständigen Tagespflegeperson durch weitere Personen - sog. Springer - sichergestellt. Die Betreuung vollzieht sich in dafür vorgesehenen und ausgestatteten Räumen, entweder in Räumen von benachbarten Kindertagesstätten oder aber in einem Ministerium. Es ist deshalb räumlich, organisatorisch und - wie die Vertretungsregelung zeigt, auch personell von einer organisatorischen Einheit auszugehen und damit von einer „Einrichtung“ im Sinne der Anlage 8 zum BAT-KF.
Der Gesamtzusammenhang der Entgeltgruppenpläne bestätigt dies. Im Entgeltgruppenplan zum BAT-KF für Mitarbeiterinnen im Sozial- und Erziehungsdienst (SD Entgeltgruppenplan zum BAT-KF-SDEGP-BAT-KF), der Anlage 9 zum BAT-KF sind in der Untergruppe 5 Mitar-beiterinnen in der Alten- und Familienpflege sowie im Sozial- und Erziehungsdienst erfasst und damit Mitarbeiterinnen, die weitgehend in der Alten- und Familienpflege, nicht aber in der Betreuung von Kindern tätig sind. Vom Sachzusammenhang hat sich die Betreuung von Kindern im Rahmen der Kindertagespflege aber eher an den Vorgaben der Eingruppierung der anderen Mitarbeiter/innen in Kindertagesstätten zu orientieren; dies ist sachnäher als eine Ein-gruppierung im Rahmen von Alten-, Familienpflege sowie im Sozial- und Erziehungsdienst.
Nur diese Auslegung führt auch zu sachgerechten und zweckorientierten Ergebnissen. Wie aus den ebenfalls beim Kirchengerichtshof der EKD anhängigen Parallelverfahren zu erken-nen ist, beschäftigt die Antragstellerin in der Funktion von Kindertagespflegepersonen auch Mitarbeiterinnen, die zuvor für die Antragsgegnerin als sog. „Drittkraft“ in Kindertagesstätten tätig waren und dort nach der Anlage 8 zum BAT-KF in die Entgeltgruppe SE 3 eingruppiert wurden. Mit der Herausnahme als Drittkraft und der verantwortlichen Übernahme einer eige-nen Tagespflegegruppe hat sich das Maß der Verantwortung der zuvor als Drittkraft tätigen Mitarbeiterinnen deutlich erhöht; dies ergibt sich auch daraus, dass sie eine eigene Durchfüh-rungsvereinbarung mit den Eltern schließen. Es widerspräche dem Gesamtzusammenhang des BAT-KF, mit steigender Verantwortung in eine geringere Vergütungsgruppe eingruppiert zu werden.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).
Mestwerdt Bock Neuendorf