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Kirchengericht:Verwaltungssenat bei dem Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.08.2017
Aktenzeichen:0135/4-2016
Rechtsgrundlage:§ 16 Nr. 3 VwGG.EKD
Vorinstanzen:Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Urteil vom 28. Juli 2016, Az. - VG 5/15
Schlagworte:Entscheidungen aus dem kirchlichen Wahlrecht, Rechtsaufsicht, Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, Überprüfung der Wahl
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Leitsatz:

Die rechtsaufsichtliche Überprüfung einer Wahlentscheidung ist selbst eine Entscheidung aus dem kirchlichen Wahlrecht mit der Folge, dass eine Klage, mit der eine rechtsaufsichtliche Aufhebung der Wahl begehrt wird, vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung nach § 16 Nr. 3 VwGG.EKD nicht die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterliegt.

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 28. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Gegenstandswert wird für das Revisionsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Kläger wendet sich gegen die Wahl der Mitglieder des Evangelisch-reformierten Moderamens durch die Vereinigte Synode der Reformierten Gemeinden in der Evangeli-schen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Der Kläger war als stellvertretender rechtskundiger Sekretär Mitglied des Evangelisch-reformierten Moderamens. Die Vereinigte Synode der Reformierten Gemeinden in der Evan-gelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz wählte in ihrer Sitzung vom 22. November 2014 die Mitglieder des Moderamens neu, dabei an Stelle des Klägers einen anderen stellvertretenden rechtskundigen Sekretär. Der Kläger bat die Beklagte, im Wege der Rechtsaufsicht das Zustandekommen der konstituierenden Sitzung der Vereinigten Synode und die Bildung des Moderamens zu überprüfen. Er machte zahlreiche Verstöße gegen satzungsrechtliche Bestimmungen geltend. Durch Bescheid vom 26. Februar 2015 stellte das Konsistorium der Beklagten fest, es lägen keine Verstöße vor, die zur Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit der Beschlüsse der Vereinigten Synode führten.
Der Kläger hat Klage erhoben, mit der er zuletzt beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids des Konsistoriums vom 26. Februar 2015 die Wahlen der Mitglieder des Evangelisch-reformierten Moderamens durch die Vereinigte Synode der Re-formierten Gemeinden in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 22. November 2014 im Wege der Rechtsaufsicht aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Sie dürfte bereits unzulässig sein. Nach § 16 Nr. 2 und Nr. 3 VwGG.EKD unterlägen Entscheidungen der Synoden und - insoweit - vorbehaltlich anderweitiger Regelungen - Entscheidungen aus dem kirchlichen Wahlrecht nicht der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Zwar wende der Kläger sich nicht unmittelbar gegen eine Entscheidung oder Wahl der Synode. Jedoch könne ihre Überprüfung nicht indirekt durch eine Verpflichtung zur rechtsaufsichtlichen Beanstandung erzwungen werden. Dem Kläger könne zudem die Klagebefugnis fehlen, weil ihm die Vorschriften über die Rechtsaufsicht kein eigenes subjektives Recht verliehen. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf das begehrte kirchenaufsichtliche Einschreiten, weil die Grundordnung dem Konsistorium keine Rechtsaufsicht über die Vereinigte Synode einräume.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter: Der kirchliche Verwaltungsrechtsweg sei nicht nach § 16 Nr. 2 oder 3 VwGG.EKD ausgeschlossen, weil die Wahl der Mitglieder des Moderamens durch die Vereinigte Synode weder eine Entscheidung der Synode noch eine Entscheidung aus dem kirchlichen Wahlrecht darstelle und Entscheidungen der allgemeinen Rechtsaufsicht „über“ Wahlen keine Entscheidungen „aus“ dem kirchlichen Wahlrecht seien. Die Vorschriften über das rechtsaufsichtliche Einschreiten dienten nicht nur dem kirchlichen Interesse an einer gesetzmäßigen Verwaltung, sondern auch seinem aktiven Bekenntnis und vermittelten ihm deshalb eine Klagebefugnis. In der Sache unterliege die Vereinigte Synode der Rechtsaufsicht des Konsistoriums.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Sie hält die Klage aus den Gründen des angefochte-nen Urteils bereits für unzulässig.
II. Der Verwaltungssenat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Da die Revision auch keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft, weist der Verwaltungssenat sie gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 VwGG.EKD durch Beschluss zurück. Die Beteiligten sind hierzu nach § 52 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 VwGG.EKD ge-hört worden. Ihrer Zustimmung bedarf es nicht.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sie ist bereits unzulässig.
1. Gegenstand der Klage ist der Bescheid des Konsistoriums der Beklagten, mit welchem es abgelehnt hat, die Wahl der Mitglieder des Evangelisch-reformierten Moderamens durch die Vereinigte Synode der Reformierten Gemeinden in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz im Wege der Rechtsaufsicht aufzuheben. Dieser Bescheid stellt eine Entscheidung aus dem kirchlichen Wahlrecht dar. Gegenstand der Klage ist damit unmittelbar eine Entscheidung aus dem kirchlichen Wahlrecht. Derartige Klagen unter-liegen nach § 16 Nr. 3 VwGG.EKD nur dann der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, wenn das Recht der EKD, der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse dies bestimmt. Eine solche Bestimmung fehlt hier.
a) Die Wahl und Bestellung der Mitglieder des Evangelisch-reformierten Moderamens durch die Vereinigte Synode nach Art. 1 Nr. 2 der Ordnung der Vereinigten Synode ist Wahl im Sinne des § 16 Nr. 3 VwGG.EKD. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt.
b) Zum Wahlrecht im Sinne des § 16 Nr. 3 VwGG.EKD gehören zum einen Vorschriften, welche die Vorbereitung und den Ablauf der Wahl einschließlich der Feststellung des Ergebnisses betreffen. Zum Wahlrecht gehören aber auch Vorschriften, welche die Überprüfung der Wahl betreffen. Das gilt zum einen dann, wenn das Wahlrecht selbst eine Überprüfung der Wahl durch eine eigens hierzu berufene Stelle in einem speziellen Wahlprüfungsverfahren vorsieht. Das gilt aber auch dann, wenn das Wahlrecht auf ein eigenständiges Wahlprüfungsverfahren verzichtet, sondern die Wahlprüfung dem Verfahren der allgemeinen Rechtsaufsicht überlässt, wenn die insoweit einschlägigen Vorschriften auch Wahlvorgänge erfassen.
c) § 16 Nr. 3 VwGG.EKD entzieht in seinem Wortlaut nicht Wahlentscheidungen der Zu-ständigkeit der Verwaltungsgerichte, sondern Entscheidungen aus dem Wahlrecht. Dieser Wortlaut erfasst ohne weiteres im Wahlrecht geregelte Entscheidungen im Vorfeld der eigent-lichen Wahl (beispielsweise die Ansetzung des Wahltermins, die Einberufung einer Wahlversammlung oder die Zulassung oder Ablehnung von Kandidaten), aber ebenso unmittelbar auch Entscheidungen der Wahlprüfung. Die Wahlprüfung gehört noch zur Wahl. Ihr Maßstab ist allein das Wahlrecht. Demgemäß bezeichnet die Vorschrift (anders als die Nr. 2 des § 16 VwGG.EKD) auch nicht, wessen Entscheidungen der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts entzogen sein sollen, beschränkt sie also nicht auf die Entscheidungen der Gremien, welche die Wahl vornehmen.
d) Der angefochtene Bescheid des Konsistoriums und die begehrte Aufhebung der Wahl sind damit selbst schon Entscheidungen aus dem Wahlrecht, die unmittelbar von § 16 Nr. 3 VwGG.EKD erfasst werden. Anders als das Verwaltungsgericht es sieht, macht der Kläger nicht nur indirekt eine Entscheidung im Sinne des § 16 Nr. 3 VwGG.EKD zum Gegenstand seiner Klage. Mit Blick auf § 16 Nr. 3 VwGG.EKD stellt das Verwaltungsrecht zu Unrecht die Wahlentscheidung, die unmittelbar von § 16 Nr. 3 VwGG.EKD erfasst wird, ihrer rechtsauf-sichtlichen Überprüfung gegenüber, mit der Folge, dass eine hierauf gerichtete Klage nur we-gen einer sonst drohenden Umgehung des § 16 Nr. 3 VwGG.EKD in den dort normierten Ausschluss der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts einbezogen werden müsste.
e) Für die Frage der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ist unerheblich, ob - was das Verwaltungsgericht verneint hat - die Wahl der Mitglieder des Moderamens einer rechtsaufsichtlichen Überprüfung durch das Konsistorium unterliegt. Maßgeblich ist allein, dass die angefochtene Ablehnung einer Aufhebung der Wahl durch das Konsistorium und die mit der Verpflichtungsklage angestrebte Aufhebung der Wahl Entscheidungen aus dem Wahlrecht sind, für welche das Verwaltungsgericht nicht zuständig ist. Damit ist dem Verwaltungsgericht auch die Entscheidung entzogen, ob es die von der Beklagten angenommene und vom Kläger begehrte Eingriffsbefugnis im Wahlrecht überhaupt gibt.
f) Eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte wird nicht durch das Recht der EKD, der Gliedkirchen oder gliedkirchlicher Zusammenschlüsse begründet. Insbesondere stellt Art. 92 Abs. 4 Satz 6 GO keine solche Bestimmung dar. Sie eröffnet den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nur für Klagen gegen die in Art. 92 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 GO normierten beson-deren Aufsichtsmaßnahmen gegenüber Gemeindekirchenräten, Kreissynoden und Kreiskir-chenräten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 60 Abs. 3 VwGG.EKD und die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 63 VwGG.EKD i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.
Gatz Neumann Kennert