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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 13.03.2017 |
Aktenzeichen: | I-0124/65-2016 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 6 a |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.), Az.: 2 M 36/16 |
Schlagworte: | Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund |
Leitsatz:
Nach § 6 a MVG-EKD sind bei der Bildung von Gesamtmitarbeitervertretungen im Dienststellenverbund solche Mitarbeitervertretungen einbezogen, die für Dienststellen gebildet worden sind, die außerhalb des Geltungsbereichs der Landeskirche liegen, auf deren Gesetzgebung die Geltung des MVG-EKD beruht.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund der Stiftung Bethel werden der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitar-beitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) vom 11. August 2016 - Az. 2 M 36/16 - abgeändert und die Anträge der Dienststellenleitung zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligte zu 2. wirksam gebildet worden ist.
Bei der Dienststelle, deren Leitung den verfahrenseinleitenden Antrag stellte, handelt es sich um eine kirchliche Stiftung des privaten Rechts mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Diese Dienststelle besteht aus mehreren Stiftungsbereichen, die je für sich eigene Dienststellen nach § 3 Abs. 2 MVG-EKD sind. Ferner ist die Dienststelle alleinige oder mehrheitliche Ge-sellschafterin mehrerer gemeinnütziger Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nämlich des E Krankenhauses gGmbH, der Krankenhaus F gGmbH, des Bildungswerks G gGmbH, der Altenhilfe H gGmbH und des Bildungszentrums I gGmbH. Seit dem 31. Mai 2015 gehören ihr jeweils 80 % der Anteile der Birkenhof Jugendhilfe gGmbH und der Birkenhof gGmbH. Insgesamt werden in der Dienststelle 6.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Dienststelle und die Ev. Krankenhaus Bielefeld gGmbH, die Krankenhaus Mara gGmbH und die ESPA Bildungswerk gGmbH sind Mitglieder des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche von Westfalen. Die Birkenhof Altenhilfe gGmbH und die Birkenhof Bildungszentrum gGmbH, die ihre Sitz jeweils in Hannover haben, sind Mitglieder des Diakonischen Werkes der Ev. luth. Landeskirche Hannover e.V..
Die Birkenhof Altenhilfe gGmbH und die Birkenhof Bildungszentrum gGmbH wurden mit Be-scheid vom 27. September 2007 vom Diakonischen Werk der Ev. luth. Landeskirche Hanno-ver e.V. von der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Konföderation Ev. Kir-chen in Niedersachsen befreit.
Die zehn Mitarbeitervertretungen des Stiftungsbereichs Bethel.regiona, des Stiftungsbereichs Bereiche Betriebe, des Stiftungsbereichs Diakonie Freistatt, des Stiftungsbereichs proWerk, des Stiftungsbereichs Schulen/Zionsgemeinde, des Stiftungsbereichs Zentraler Bereich, der Ev. Krankenhaus Bielefeld gGmbH, der ESPA Bildungswerk gGmbH, der Birkenhof Altenhil-fe gGmbH und der Birkenhof Bildungszentrum gGmbH konstituierten am 15. Februar 2016 eine Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund.
Die Dienststellenleitung hat mit dem am 21. April 2016 beim Kirchengericht eingegangenen Verfahren geltend gemacht, dass eine Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund nicht hätte gebildet werden können, weil die verbundenen Dienststellen verschiedenen Gliedkirchen angehörten, für die verschiedene Mitarbeitervertretungsgesetze gölten. Eine gliedkirchenrechtliche Regelung, die eine gemeinsame Mitarbeitervertretung im Dienststel-lenverbund erlaube, fehle. Im Übrigen wendeten die beiden Birkenhof-Gesellschaften das MVG-EKD ohne gliedkirchenrechtliches Überleitungsgesetz an.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
festzustellen, dass die Bildung der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenver-bund, gebildet von den folgenden zehn Mitarbeitervertretungen
• Stiftungsbereich Bethel.regional, derzeitiger Vorsitzender Herr Chrstian Janßen, Karl-Siebold-Weg 9, 33617 Bielefeld,
• Stiftungsbereich Bereiche Betriebe, derzeitiger Vorsitzender Harr Carsten Ur-ban, Karl-Siebold-Weg 9, 33617 Bielefeld,
• Stiftungsbereich Diakonie Freistatt, derzeitiger Vorsitzender Herr Günter Dal-ley, v.-Lepel-Straße 6, 27259 Freistatt,
• Stiftungsbereich proWerk, derzeitiger Vorsitzender Herr Thomas Gottschalk, Karl-Siebald-Weg 9, 33617 Bielefeld,
• Stiftungsbereich Schulen/Zionsgemeinde, derzeitiger Vorsitzender Herr Klaus Zimmer, Sareptaweg 4, 33617 Bielefeld,
• Stiftungsbereich Zentraler Bereich, derzeitige Vorsitzende Frau Barbara Wit-tenborn, Königsweg 1, 33617 Bielefeld,
• Ev. Krankenhaus Bielefeld gGmbH/Krankenhaus Mara gGmbH, derzeitiger Vorsitzender Herr Ludger Menebröcker, Bethesdaweg 14, 33617 Bielefeld,
• ESPA Bildungswerk gGmbH, derzeitige Vorsitzende Frau Silvia Hempel, Co-erdesraße 60 – 68, 48147 Münster,
• Birkenhof Altenhilfe gGmbH, derzeitiger Vorsitzender Herr Gero Grams, Bleekstraße 20, 30559 Hannover,
• Birkenhof Bildungszentrum gGmbH, derzeitiger Vorsitzender Herr Moritz Har-tung, Bleekstraße 20, 30559 Hannover,
unwirksam ist, hilfsweise für unwirksam erklärt wird.
Die Beteiligte zu 2. beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es reiche für die Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund aus, dass die beteiligten Mitarbeitervertretungen ein einheitliches Mitarbeitervertretungsgesetz an-wendeten. Demgegenüber sei die Frage, wie diese Anwendung zustande gekommen sei, ohne Bedeutung. Demgemäß sei es auch ohne Bedeutung, welcher Gliedkirche oder wel-chem diakonischen Werk die Dienststellen angehörten, in denen die Mitarbeitervertretungen gebildet worden seien.
Das Kirchengericht hat mit Beschluss vom 11. August 2016 dem Antrag der Dienststelle stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der der Beteiligten zu 2 am 31. August 2016 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 14. September 2016, beim Kirchengerichtshof einge-gangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2016, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, begründet.
Die Beteiligte zu 2. hält den Beschluss des Kirchengerichts für falsch, weil es für die Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund nicht darauf ankomme, durch welchen Rechtsetzungsakt in den beteiligten Dienststellen identisches Mitarbeitervertretungs-recht anzuwenden sei. Es sei das gesetzgeberische Ziel, des Mitarbeitervertretungsgesetzes, damit eine Vereinheitlichung trotz unterschiedlicher Rechtsetzungskompetenz zu schaffen. Im Übrigen komme es auch gar nicht auf die Gesetzgebungskompetenz an, weil in den Diakoni-schen Einrichtungen das Mitarbeitervertretungsgesetz kraft Vereinsmitgliedschaft gelte, nicht aufgrund unmittelbarer Geltung des Gesetzes.
Die Beteiligte zu 2. beantragt,
den Beschluss des Kirchengerichts abzuändern und den Antrag abzuweisen.
Die Beteiligte zu 1. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des Kirchengerichts für zutreffend.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht ein-gelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof der EKD hat sie zur Entscheidung an-genommen.
2. Die Beschwerde ist begründet. Der Antrag der Dienststellenleitung ist zulässig, aber unbe-gründet.
a) Der Antrag ist zulässig, weil es sich um eine Streitigkeit aus der Anwendung des MVG-EKD handelt, für die die Kirchengerichtsbarkeit nach § 60 Abs. 1 MVG-EKD zuständig. Der Antrag auf Feststellung, ob ein Gremium nach dem Mitarbeitsvertretungsrecht wirksam gebil-det worden ist, ist möglich, weil sich aus dieser Feststellung mitarbeitervertretungsrechtliche Rechte und Pflichten sowohl für die Dienststellenleitung als auch für das Gremium, dessen Bildung umstritten ist ergeben. Das Feststellungsinteresse folgt schon daraus, dass sich nur durch eine feststellende Entscheidung für alle denkbaren Rechte und Pflichten rechtskräftig klären lässt, ob das Gremium besteht.
b) Der Antrag ist unbegründet, weil die Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund wirksam gebildet worden ist. Der Bildung steht nicht entgegen, dass zwei der Mitarbeiterver-tretungen für Unternehmen gebildet worden sind, die ihren Sitz im Bereich nicht im Bereich des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche von Westfalen haben, sondern in dem der Ev. Lu-therischen Landeskirche Hannover. § 6 a des für die Dienststellenleitung aufgrund der Ge-setzgebungszuständigkeit der Ev. Kirche von Westfalen geltenden MVG-EKD ist dahinge-hend auszulegen, dass er auch solche Einrichtungen des Dienststellenverbundes umfasst, die regional außerhalb der Gesetzgebungszuständigkeit der Ev. Kirche von Westfalen, aber in-nerhalb der Gesetzgebungszuständigkeit der EKD liegen.
Für dieses Verständnis spricht der Wortlaut der Regelung. Es gibt weder in § 6 a MVG-EKD noch in einer sonstigen mitarbeitervertretungsrechtlichen Regelung einen Hinweis darauf, dass das Mitarbeitervertretungsgesetz, soweit es landeskirchlich übernommen worden ist, auch dann nur für den regionalen Bereich dieser Landeskirche gelten soll, wenn seine Gel-tung an sich aus außerhalb dieses Bereichs gegeben ist.
Für die Anwendung des § 6 a MVG-EKD auf Einrichtungen außerhalb des territorialen Be-reichs der Landeskirche sprechen Sinn und Zweck der Regelung. Das Mitarbeitervertre-tungsgesetz für die EKD und die dafür bestehende Übernahmemöglichkeit für die landes-kirchlichen Gesetzgeber verfolgt ersichtlich das Ziel einer Vereinheitlichung des Mitarbeiter-vertretungsrechts im Bereich der EKD. Trotz der unterschiedlichen Gesetzgebungszuständig-keiten soll es im evangelischen Bereich möglichst einen gleichen Standard für die Beteiligung der Beschäftigten an den Entscheidungen der Einrichtungen geben. Sowohl § 1 als auch § 64 MVG-EKD bringen diese Intention unter Anerkennung der landeskirchlichen Gesetzgebungs-kompetenz zum Ausdruck. Dieses Ziel der Vereinheitlichung der mitarbeitervertretungsrecht-lichen Regelungen im Bereich der EKD ist auch bei der Auslegung der einzelnen Norm zu beachten. Wenn die Einheitlichkeit der mitarbeitervertretungsrechtlichen Standards im Be-reich der EKD erreicht werden soll, kann nicht angenommen werden, dass für die Bildung von Mitarbeitervertretungen im Dienststellenverbund sich die Geltung gleichwohl nur auf sol-che Dienststellen erstrecken soll, die im Bereich der landeskirchlichen Gesetzgebung belegen sind. Anzunehmen ist vielmehr, dass auch insoweit eine Vereinheitlichung im Bereich der EKD mit der Folge angestrebt wird, dass jedenfalls solche Dienststellen auch erfasst werden sollen, die in dem Territorium befindlich sind, für das die Gesetzgebung der EKD gegeben ist.
Diesem Verständnis des § 6 a MVG-EKD steht nicht entgegen, dass zwei Einrichtungen ihren Sitz im örtlichen Geltungsbereich eines anderen Mitarbeitervertretungsgesetzes haben. Mit ihrer Regelung greift die Ev. Kirche von Westfalen nämlich nicht in die Gesetzgebungskom-petenz des anderen Kirchengesetzgebers ein. Sie trifft nur eine Regelung für einen Dienststel-lenverbund, bei dem die einheitliche und beherrschende Leitung im Sinne des § 6 a Abs. 1 MVG-EKD ihren Sitz im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen hat. Das ist der Geltungsgrund für die Anwendung des MVG-EKD in der evangelischen Kirche von Westfalen und ihrer Diakonie. Die Rechtsetzungsbefugnis anderer Landeskirchen wird dadurch nicht betroffen. Ob und unter Beteiligung welcher Einrichtungen dort eine Gesamtmitarbeitervertre-tung im Dienststellenverbund zu bilden ist, ist nämlich nicht geregelt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Mitarbeitervertretungen aus dem Bereich der anderen Landeskirche nach dem MVG-K oder dem MVG-EKD gebildet worden sind. Darauf kommt es deshalb nicht an, weil auch insoweit wieder gilt, dass § 6 a MVG-EKD der Evangelischen Kirche von Westfalen nicht den Rechtszustand in anderen Territorien regelt, sondern diesen nur übernimmt, um eine Regelung für den eigenen Zuständigkeitsbereich zu treffen. Dass Mitarbeitervertretungen nach dem MVG-K teilweise andere Rechte und Pflichten haben als solche nach dem MVG-EKD ändert nichts daran, dass es sich bei ihnen um im kirchlichen Bereich gebildete Mitarbeitervertretungen handelt. Allein das ist ausreichend, um Anknüp-fungspunkt für die Bildung einer Gesamtmitarbeitervertretung in einem Dienststellenverbund zu sein, dessen einheitliche und beherrschende Leitung im Bereich Ev. Landeskirche von Westfalen liegt. Im Übrigen wenden die im Bereich der Diakonie in Niedersachsen gelegenen Einrichtungen in zulässiger und beachtlicher Weise das MVG-EKD an. Dieses folgt aus der Satzung des Diakonischen Werkes in Niedersachsen, nach deren § 9 Abs. 2 Buchstabe b das eine oder das andere Mitarbeitervertretungsgesetz angewendet werden darf. Diese Satzung beruht gemäß § 2 des Diakoniegesetzes der Landeskirche Hannovers auf kirchengesetzlicher Grundlage.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).
Nause Bock Neuendorf