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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 10.12.2012 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/U20-12 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 35 Abs. 3 Buchstabe b); ARRG.EKBO § 6 Abs. 4; ARRO. EKBO § 20 Abs. 1, 3; Satzung des DW.Bremen § 4 Abs. 2, 4 |
Vorinstanzen: | Gemeinsames Kirchengericht der Bremischen Evangelischen Kirche Beschluss vom 12. April 2012 - D II 16/2012 |
Schlagworte: | Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien der Johanniter (AVR-J) auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten und Zugrundelegung dieser bei der Eingruppierung |
Leitsatz:
1. Die Anwendung einer kirchengesetzlich nicht ausreichend legitimierten Vergütungsordnung verstößt gegen § 4 der Satzung des Diakonischen Werkes Bremen e.V. Die AVR-J dürfen deshalb nicht von Mitgliedern dieses Diakonischen Werkes angewendet werden.
2. Es bestehen erhebliche Zweifel, dass das strukturelle Gleichgewicht der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite beim Zustandekommen der AVR-J gewahrt ist und diese Vergütungsordnung den Anforderungen des Dritten Weges genügt.
Bestätigung und Fortführung der Rechtsprechung des KGH.EKD, Beschluss vom 8. September 2011 - I-0124/S67-10 - ZMV 2011, 324
Tenor:
Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss des Gemeinsamen Kirchengerichts der Bremischen Evangelischen Kirche vom 12. April 2012 - Az. D II-16/2012 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Dienststellenleitung nicht berechtigt ist, auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Arbeitsvertragsrichtlinien der Johanniter anzuwenden.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststellenleitung die Arbeitsvertragsrichtlinien der Johanniter (nachfolgend AVR-J) auf Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitenden anwenden und Eingruppierungen zu Grunde legen darf.
Die Dienststelle ist eine Einrichtung des Johanniter-Verbundes. Sie betreibt eine Einrichtung der stationären Altenhilfe und ist Mitglied des Diakonischen Werkes Bremen e.V. Der Johanniter-Verbund ist in den Bereichen Seniorenbetreuung, Unfallhilfe und Krankenhausbetrieb tätig. Die Arbeitsfelder sind unter dem Dach der Johanniter Seniorenhäuser GmbH, der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. und der Johanniter GmbH zusammengefasst, allesamt Mitglieder im Diakonischen Werk der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (nachfolgend DWBO). Gesellschafter der Johanniter GmbH sind Genossenschaften des Johanniterordens; die Johanniter GmbH ist Mehrheitsgesellschafterin der für die jeweiligen Johanniter Krankenhäuser gebildeten Gesellschaften, Minderheitsgesellschafter sind überwiegend Genossenschaften des Johanniterordens. Gesellschafter der Johanniter Seniorenhäuser GmbH sind die Johanniter GmbH, eine Genossenschaft der Johanniter sowie die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Die Johanniter Seniorenhäuser GmbH ist Mehrheitsgesellschafterin der Gesellschaften, die Altenpflegeeinrichtungen betreiben, so auch der Dienststelle. Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. ist ein eingetragener Verein mit ca. 16.000 haupt- und 30.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sie ist in rechtlich unselbständige Verbandseinheiten gegliedert. Gesellschaften und Genossenschaften sind verflochten, nicht aber in einer Konzernstruktur einander zugeordnet. Dem Herrenmeister des Johanniterordens als höchstem Repräsentanten des Johanniterordens sind Weisungsrechte eingeräumt.
Das Kirchengesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis (Arbeitsrechtsregelungsgesetz -nachfolgend ARRG.EKBO) regelt im dritten Abschnitt (Regelungsbereich Diakonisches Werk) in § 6 die Bildung von Arbeitsrechtlichen Kommissionen wie folgt:
1. Das DWBO bildet für die Regelung der Arbeitsbedingungen der privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse eine Arbeitsrechtliche Kommission (AK DWBO). Die AK DWBO kann zu einer gemeinsamen Arbeitsrechtlichen Kommission (AK EKBO) nach den Regelungen des Vierten Abschnitts erweitert werden.
2. Aufgabe der AK DWBO ist die Beschlussfassung von Regelungen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen in diakonischen Einrichtungen im Bereich des DWBO, die in den Arbeitsvertragsrichtlinien des DWBO zusammengefasst werden. Die Beschlüsse der AK DWBO bedürfen nicht der Zustimmung der Organe des DWBO. Die satzungsmäßigen Rechte der Mitglieder und der Organe des DWBO bleiben unberührt.
3. Die Zusammensetzung der AK DWBO, des Schlichtungsausschusses und das Verfahren der Arbeitsrechtsregelung müssen den Grundsätzen dieses Kirchengesetzes entsprechen. Näheres regelt die Kirchenleitung durch Rechtsverordnung. Die Rechtsverordnung muss zur Wirksamkeit durch Beschluss der zuständigen Organe des DWBO in dessen Satzungsrecht aufgenommen werden. Erlass und Änderungen dieser Rechtsverordnung erfolgen im Einvernehmen mit den zuständigen Organen des DWBO auf deren Vorschlag.
4. Für Mitglieder des DWBO, die Einrichtungen auch auf dem Gebiet mehrerer anderer gliedkirchlicher diakonischer Werke innerhalb der EKD haben, kann die Rechtsverordnung nach Absatz 3 die Bildung eigener Arbeitsrechtlicher Kommissionen nach den Vorschriften dieses Abschnitts vorsehen. Die von einer solchen Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Regelungen dürfen ausschließlich von dem Mitglied des DWBO angewendet werden, für das diese Arbeitsrechtliche Kommission gebildet wurde, und sind nicht auf andere Mitglieder übertragbar.
Nach § 20 Abs. 1 der Rechtsverordnung für die Arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (DWBO) vom 1. Juli 2005 (Arbeitsrechtsregelungsordnung - ARRO.DWBO) kann die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) im Einvernehmen mit dem Diakonischen Rat des DWBO auf Antrag eines Mitglieds des DWBO mit Sitz im Geltungsbereich dieser Rechtsverordnung, das Einrichtungen auch auf dem Gebiet mehrerer anderer gliedkirchlicher Diakonischer Werke innerhalb der Evangelischen Kirche Deutschlands betreibt, die Bildung einer eigenen Arbeitsrechtlichen Kommission gemäß § 6 Abs. 4 ARRG.EKBO genehmigen. Nach § 20 Abs. 3 ARRO.DWBO kann sich die Genehmigung neben den Einrichtungen des antragstellenden Mitglieds auch auf Einrichtungen erstrecken, die dem antragstellenden Mitglied zum Beispiel durch Mitgliedschaft verbunden sind oder dadurch, dass das antragstellende Mitglied eine wesentliche Beteiligung an dieser Einrichtung hält.
Auf vorstehenden Grundlagen sind am 8. Oktober 2009 durch Beschluss der für den Johanniter-Verbund gebildeten Arbeitsrechtlichen Kommission (nachfolgend: AK Johanniter) die AVR-J für den Johanniter-Verbund geschaffen worden.
§ 4 der Satzung des Diakonischen Werkes Bremen e.V. verhält sich über die Pflichten der Mitglieder auszugsweise wie folgt:
"...
2) Die Mitglieder sind gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Einrichtungen auf kirchlich-diakonischer Grundlage geführt werden.
3) ...
4) Mitglieder, die Arbeitsverhältnisse mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begründen, sind verpflichtet, das in der Bremischen Evangelischen Kirche jeweils geltende Mitarbeitervertretungsrecht anzuwenden. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung des Vorstands der Bremischen Evangelischen Kirche.
..."
Die Dienststelle, die bisher die Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind (AVR.DW.EKD) zur Anwendung gebracht hat, beabsichtigt, künftig die AVR-J auf Arbeitsverhältnisse von neueingestellten Mitarbeitenden anzuwenden.
Die Antragstellerin, die bei der Dienststelle gebildete Mitarbeitervertretung, vertritt die Auffassung, den AVR-J fehle eine wirksame kirchenrechtliche Legitimation, da die Bildung einer eigenen Arbeitsrechtlichen Kommission nach § 6 Abs. 4 ARRG.EKBO nur für Mitglieder des DWBO zulässig sei. Zudem handele es sich nicht um Arbeitsvertragsbedingungen des Dritten Weges; die auf Arbeitnehmerseite in der AK Johanniter tätigen Personen seien von ihren Verhandlungspartnern unmittelbar wirtschaftlich abhängig. In der Anwendung der AVR-J liege ein Verstoß gegen die Präambel des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD (nachfolgend: MVG.EKD) und die dortige Festlegung auf die Dienstgemeinschaft als tragendes Organisationselement.
Die Antragstellerin beantragt
festzustellen, dass die Dienststellenleitung nicht berechtigt ist, auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die AVR-Johanniter anzuwenden.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die AVR-J auf Grundlage der Regelungen für das DWBO auch auf die Arbeitsverhältnisse bei der Dienststelle anwenden zu dürfen. Das strukturelle Gleichgewicht sei bei der AK Johanniter gewahrt.
Das Gemeinsame Kirchengericht der Bremischen Evangelischen Kirche hat den Antrag zurückgewiesen. Mit der vom Kirchengerichtshof der EKD angenommenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Antragsbegehren weiter. Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Bezüglich des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf die wechselseitig zu den Akten gereichten Schriftsätze und auf die Erörterung in der mündlichen Anhörung Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Die Dienststellenleitung ist nicht berechtigt, die AVR-J auf die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitenden anzuwenden und Eingruppierungen auf ihrer Grundlage vorzunehmen.
1. Der Antrag ist, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, nach § 35 Abs. 3 Buchstabe b) MVG.EKD in der für die Bremische Evangelische Kirche geltenden Fassung zulässig. Die Mitarbeitervertretung soll dafür eintreten, dass die arbeits-, sozial- und dienstrechtlichen Bestimmungen, Vereinbarungen und Anordnungen eingehalten werden. Dies schließt nach der Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der EKD die Befugnis ein, den vorliegenden Feststellungsantrag zu stellen (KGH.EKD, Beschluss vom 8. September 2011 - I-0124/S67-10 - ZMV 2011, 324). Daran hält der Senat fest.
2. Der Antrag ist begründet. Mit der Anwendung der kirchengesetzlich nicht ausreichend legitimierten AVR-J verstößt die Dienststelle gegen § 4 der Satzung des Diakonischen Werkes Bremen e.V.
a) Nach § 4 Abs. 2 der Satzung des Diakonischen Werkes Bremen e.V. haben die Mitglieder dafür Sorge zu tragen, dass ihre Einrichtungen auf kirchlich-diakonischer Grundlage geführt werden, nach Absatz 4 sind sie verpflichtet, das in der Bremischen Evangelischen Kirche jeweils geltende Mitarbeitervertretungsrecht anzuwenden. Nach der Präambel zum geltenden MVG.EKD in der für die Bremische Evangelische Kirche geltenden Fassung sind Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung in der gemeinsamen Verantwortung für den Dienst der Kirche und ihrer Diakonie zu einer Dienstgemeinschaft verbunden. Das Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft verbindet alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (BAG, Urteil vom 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 98). Die satzungsmäßige Verpflichtung auf Führung der Einrichtungen nach kirchlich-diakonischen Grundsätzen und auf Grundlage des Leitbildes der Dienstgemeinschaft verpflichtet sich die Dienststelle zwar nicht zur Anwendung eines bestimmten kirchlichen Arbeitsrechts – insofern genügt die Satzung erkennbar nicht den Anforderungen für eine wirksame Beschränkung des Streikrechts (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 -) -, sie schließt aber aus, Arbeitsverhältnisse einer bestimmten Ordnung zu unterwerfen. Der Verpflichtung auf das Leitbild der Dienstgemeinschaft und auf die Führung der Einrichtung nach kirchlich-diakonischen Grundsätzen kann nur durch ein kollektives Arbeitsrechtsregelungsverfahren genügt werden, welches auf einer kirchengesetzlichen Grundlage beruht. Ein Mitglied des Diakonischen Werkes Bremen e.V. genügt den Verpflichtungen aus § 4 Abs. 2 und Abs. 4 der Satzung des Diakonischen Werkes Bremen e.V. deshalb nur durch Anwendung eines kirchengesetzlich ausreichend legitimierten Arbeitsvertragsrechts.
b) Für die Anwendung der AVR-J auf die Arbeitsverhältnisse der bei der Dienststelle beschäftigten Mitarbeitenden fehlt eine solche kirchengesetzliche Grundlage. Die Bildung einer eigenen Arbeitsrechtlichen Kommission ist nach § 6 Abs. 4 ARRG.EKBO nur für Mitglieder des DWBO vorgesehen, die von einer solchen Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Regelungen dürfen ausschließlich von dem Mitglied des DWBO angewendet werden. Die Dienststelle ist nicht Mitglied des DWBO. Sie ist deshalb nicht berechtigt, die AVR-J anzuwenden.
aa) Der Kirchengerichtshof der EKD hat in der Entscheidung vom 8. September 2011 (a.a.O.) die Anwendung der AVR-J auf Arbeitsverhältnisse im Bereich des Diakonischen Werkes der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. unter Bezugnahme auf das gliedkirchliche Territorialprinzip verneint. Die Rechtsetzungsmacht einer Gliedkirche oder die von ihr auf ihr Diakonisches Werk delegierte Rechtsetzungsbefugnis begründe keine Legitimation für die Geltung dieser Gesetze oder sonstiger rechtlich verbindlicher Regelungen für einen rechtlich selbstständigen Rechtsträger, der nur im Gebiet einer anderen Gliedkirche oder deren Diakonischen Werkes ansässig sei und nur jenem Diakonischem Werk angehöre. Das Territorialprinzip beanspruche Geltung nicht nur unter den Gliedkirchen und Landeskirchen, sondern auch unter deren Diakonischen Werken. Es werde lediglich durchbrochen durch das Diakonische Werk der EKD, dem Einrichtungen angehören könnten, die über das Gebiet einer Gliedkirche oder deren Diakonischen Werk hinaus tätig sind (KGH.EKD, Beschluss vom 8. September 2011, a.a.O.).
bb) Daran hält der Senat fest. § 6 Abs. 4 ARRG.EKBO trägt dem gliedkirchlichen Territorialprinzip auch Rechnung. Es gestattet die Bildung einer eigenen Arbeitsrechtlichen Kommission nur für "Mitglieder des DWBO", die Einrichtungen auch auf dem Gebiet mehrerer anderer gliedkirchlicher diakonischer Werke innerhalb der EKD haben. Der Wortlaut ist eindeutig und einer weitergehenden Auslegung nicht zugänglich; die kirchengesetzlich gestattete Bildung einer eigenen Arbeitsrechtlichen Kommission ist nur für Mitglieder des DWBO, nicht aber für sonstige rechtlich selbständige Einrichtungen, die Mitglied anderer Diakonischer Werke sind, zulässig. Dies bestätigt § 6 Abs. 4 S. 2 ARRG.EKBO; danach dürfen die von einer solchen Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Regelungen "ausschließlich" von dem Mitglied des DWBO angewendet werden, für das diese Arbeitsrechtliche Kommission gebildet wurde. Damit erschöpft sich die kirchengesetzliche Ermächtigung für die Anwendung der nach § 6 Abs. 4 ARRG.EKBO geschaffenen AVR-J auf Einrichtungen des Johanniter-Verbundes, die Mitglied im DWBO sind.
cc) Soweit die Dienststelle die Auffassung vertritt, der vom kirchlichen Gesetzgeber gewollte Anwendungsbereich werde bei einer solchen Auslegung verfehlt, ist ihr nicht zu folgen. Ein abweichender gesetzgeberischer Wille hat im Wortlaut von § 6 Abs. 4 ARRG.EKBO keinen Niederschlag gefunden, im Übrigen ist zumindest nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 4 ARRG.EKBO die Anwendung der AVR-J auf die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. möglich, die Mitglied im DWBO ist und auf dem Gebiet anderer Gliedkirchen rechtlich unselbständige Untergliederungen bzw. Einrichtungen betreibt.
dd) Soweit sich nach § 20 Abs. 3 ARRO.DWBO die Genehmigung auch auf Einrichtungen erstrecken kann, die dem antragstellenden Mitglied zum Beispiel dadurch verbunden sind, dass das antragstellende Mitglied eine wesentliche Beteiligung an dieser Einrichtung hält, liegt darin eine Erweiterung des Anwendungsbereiches über die in § 6 Abs. 4 ARRG.EKBO gezogene gesetzliche Grenze hinaus und gleichzeitig ein Verstoß gegen das gliedkirchliche Territorialprinzip. Diese Vorschrift ist unwirksam und deshalb keine rechtliche Grundlage für die Anwendung der AVR-J auf Mitglieder anderer Diakonischer Werke.
b) Es bedarf deshalb keiner abschließenden Entscheidung, ob die Anwendung der AVR-J auf Beschäftigungsverhältnisse der Mitarbeitenden auch deshalb gegen § 4 Abs. 2 und Abs. 4 der Satzung des Diakonischen Werkes Bremen e.V. verstößt, weil die AVR-J nicht auf strukturellem Gleichgewicht der Dienstgeber- und Dienstnehmerseite beruhen und nicht nach Maßgaben des Dritten Weges entstanden sind. Gleichermaßen muss nicht entschieden werden, ob die AVR-J dem in der Präambel zum MVG.EKD verankerten Leitbild der Dienstgemeinschaft entsprechen. Der Senat weist in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass er an den in der Entscheidung vom 8. September 2011 (a.a.O.) geäußerten Bedenken festhält.
aa) Es gehört zum Schutzbereich des nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV geschützten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, der Gestaltung des kirchlichen Dienstes, wie in der Präambel zum MVG.EKD ausdrücklich geschehen, das Leitbild der Dienstgemeinschaft zugrunde zu legen (BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138; ErfK/Schmidt, Art. 4 GG Rn. 52). Die Dienstgemeinschaft verbindet alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind. Die Ausrichtung des kollektiven Arbeitsrechtsregelungsverfahrens am Leitbild der Dienstgemeinschaft bezweckt dabei, einer allein an wirtschaftlichen Interessen der Dienstgeberseite orientierten Festsetzung der Arbeitsbedingungen entgegenzuwirken (BAG, Urteil vom 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 101). Entgelt- und Arbeitsbedingungen werden auf dem Dritten Weg durch partnerschaftliche Kooperation, durch Verhandlungen über die Entgelt- und Arbeitsbedingungen und durch Beschlüsse in den Kommissionen festgelegt. Kirchliches Arbeitsvertragsrecht entspricht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann kirchlich-diakonischen Grundsätzen, wenn die paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer an den jeweiligen Entscheidungen sowohl durch die Zusammensetzung der Kommission, als auch durch das im jeweiligen Kirchengesetz regelte Verfahren gesichert ist und damit zumindest nahezu gleichgewichtige Durchsetzungschancen bestehen (BAG, Urteil vom 18. November 2009 - 4 AZR 493/08; Urteil vom 10. Dezember 2008 - 4 AZR 801/07). Das Leitbild der Dienstgemeinschaft bei kollektiver Arbeitsrechtssetzung verlangt dabei, in einem von der Einrichtung losgelösten Gremium gleichberechtigt zu verhandeln (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 119). Für eine auf dem Dritten Weg erstellte und dem Leitbild der Dienstgemeinschaft entsprechende Vergütungsordnung ist deshalb entscheidend, dass ein maßgeblicher Einfluss der Dienstgeberseite auf die Entscheidungen der Kommission ausgeschlossen ist; anderenfalls wäre der Dienstgeber Leistungsbestimmender und es läge eine auf dem "Ersten Weg" geschaffene Vergütungsregelung vor.
bb) Der Dienststelle ist zuzugestehen, dass nach der Ordnung der AK Johanniter formell die Parität zwischen der Dienstnehmer- und Dienstgeberseite gewahrt ist. Nach § 5 Abs. 1 der Ordnung sind die Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. § 13 der Ordnung bestimmt, dass Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission der Stimmenmehrheit der Mitglieder jeder Seite bedürfen. § 16 der Ordnung regelt ein Schlichtungsverfahren, welches auf den gemäß § 10 ARRG.EKBO, §§ 15-17 ARRO.DWBO gebildeten Schlichtungsausschuss verweist. Danach ist formal die Parität und die Unabhängigkeit der Mitglieder der Kommission gewährleistet.
cc) Ob darüber hinaus ein bestimmender Einfluss der Dienstgeberseite auch strukturell ausgeschlossen ist, erscheint zweifelhaft. Zwar sind nach der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission ihre Mitglieder unabhängig, tatsächlich sind aber sowohl die Vertreter der Dienstgeber- wie auch der Dienstnehmerseite Mitarbeitende in einer Einrichtung des Johanniter-Verbundes bzw. diesem Verbund auf anderer vertraglicher Grundlage verbunden. Sie beziehen ihre Vergütung von einer Einrichtung des Verbundes und sind außerhalb ihrer Tätigkeit in der Arbeitsrechtlichen Kommission dem Direktionsrecht der jeweiligen Einrichtung des Verbundes unterworfen. Strukturell ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass die Dienstgeberseite Einfluss nehmen kann. Weiter ist nicht ausgeschlossen, dass der Lenkungseinfluss des Ordens auf Einrichtungen und Untergliederungen gebündelt wird, um ein bestimmtes Verhandlungsergebnis herbeizuführen. Dass dies nicht ausgeschlossen werden kann, zeigen die Weisungsmöglichkeiten des obersten Repräsentanten des Johanniterordens, des jeweiligen Herrenmeisters. Ob und inwieweit von Weisungsrechten bisher Gebrauch gemacht wurde, ist unerheblich; maßgeblich ist, dass strukturell auf Grund wirtschaftlicher Abhängigkeit der Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission und möglicher Einflussnahme des obersten Repräsentanten des Johanniterordens ein strukturelles Gleichgewicht beider Seiten zweifelhaft erscheint.
dd) Dies bestätigt eine Parallelwertung aus § 36 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD und § 77 Abs. 3 BetrVG. Nach beiden Vorschriften ist es verboten, Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen auf Einrichtungs- bzw. Betriebsebene festzulegen. Eine solche Regelung dient der Sicherung einer ausgeübten Tarifautonomie bzw. dem Zustandekommen von Arbeitsvertragsrichtlinien auf dem Dritten Weg; das Verbot dient aber auch dem Schutz von Mitarbeitervertretungen und Betriebsräten. Es soll sichergestellt sein, dass (kollektivrechtliche) Vergütungsregelungen von arbeitgeber- bzw. dienstgeberunabhängigen Kommissionen bzw. Gewerkschaften ausgehandelt werden. Selbst wenn die AK Johanniter einrichtungsübergreifend besetzt ist, so sind alle Einrichtungen im Johanniter-Verbund verbunden; strukturell besteht deshalb nicht die gleiche Gewähr für das Zustandekommen ausgewogener Vergütungsordnungen wie bei einrichtungsübergreifend besetzten Arbeitsrechtlichen Kommissionen (vgl. bereits KGH.EKD, Beschluss vom 8. September 2011, a.a.O.).
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).