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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 02.04.2008 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/N72-07 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 63 Abs. 2 |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer -, 2 M 124/07 |
Schlagworte: | Abbau von Überstunden durch Leiharbeit |
Leitsatz:
Der Abbau aufgelaufener Überstunden in einer Station eines Krankenhauses durch den Einsatz einer Leiharbeitnehmerin für drei Monate kann einen vorübergehenden und kurzfristigen Bedarf ausmachen und die Leiharbeit ist daher zulässig. Eine Ersetzung von Stammarbeitnehmern durch Leiharbeit liegt darin nicht.
Tenor:
Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - vom 19. Oktober 2007 - 2 M 124/07 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund bestand, die Einstellung der Krankenschwester D für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2007 als Leiharbeitnehmerin im Pflegedienst zu verweigern.
Die Dienststellenleitung beantragte am 30. Juli 2007 bei der Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur "Einstellung im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung nach § 42 a MVG" der Krankenschwester D für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2007 auf Station 4 in Teilzeit, 28 Stunden/Woche, unter der Angabe "Abbau der vorhandenen Mehrarbeitsstunden der Mitarbeiter auf der o.g. Station (Abbau von Arbeitsspitzen/Personalausfälle in der Vergangenheit)" als "Grund für den Einsatz". Die Mitarbeitervertretung verweigerte ihre Zustimmung zu dieser in Aussicht genommenen Einstellung unter Hinweis auf die Entscheidung des Kirchengerichtshofs vom 9. Oktober 2006 - Az.: II-0124/M35-06 (NZA 2007 S. 761). Der geplante Einsatz könne nicht als kurzfristig i.S.d. KGH.EKD angesehen werden. Der Abbau von Mehrarbeits- oder Überstunden sei bei einem aktuellen Stand von etwa 34.000 Stunden nicht als kurzzeitiger Beschäftigungsbedarf anzusehen. Dadurch, dass Frau D die gleichen Tätigkeiten ausübe wie vergleichbare Mitarbeiterinnen, aber zu anderen, wesentlich ungünstigeren Tarifbestimmungen, bestehe die begründete Besorgnis, dass Frau D benachteiligt werde, ohne dass dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt sei.
Mit am 15. August 2007 bei der Schlichtungsstelle eingegangenen Schriftsatz vom 13. August 2007 hat die Dienststellenleitung beantragt festzustellen, dass kein Grund besteht, die Zustimmung zur Einstellung von Frau D als Leiharbeitnehmerin der DLG zu verweigern, unter Hinweis darauf, der in Aussicht genommene Einsatz der Frau D diene zur Überbrückung von in der Vergangenheit eingetretenem Spitzenbedarf. Frau D solle weiterhin auf der Station 4 eingesetzt werden. Ihr Einsatz solle dazu beitragen, die angefallenen Mehrarbeitsstunden der Station im Umfang von etwa 1.700 Stunden abzubauen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Die Dienststelle habe einen vorhersehbaren Arbeitsbedarf gehabt, der ohne weiteres durch eine direkte Einstellung habe abgedeckt werden können.
Die Schlichtungsstelle hat mit dem, der Mitarbeitervertretung am 6. November 2007 zugestellten Beschluss vom 19. Oktober 2007, dem Antrag der Dienststellenleitung entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Abbau von aufgelaufenen Überstunden könne ein Grund sein, vorübergehend und kurzfristig Leiharbeiterinnen einzustellen, da es sich hier gerade nicht um eine Dauertätigkeit handele, die zu einer Ersetzung planmäßiger Stellen in einer Dienstgemeinschaft führen könne. Es handele sich nicht um strukturell unvermeidbare Mehrarbeit, die gegebenenfalls eine zusätzliche Dauereinstellung zu Tarifbedingungen erforderlich mache. Die Angabe der Mitarbeitervertretung, insgesamt sei ein aktueller Mehrarbeitsüberhang von 34.000 Stunden gegeben, sei in diesem Zusammenhang wenig aussagekräftig. Diese Stundenzahl beziehe sich auf die verschiedensten Bereiche und Dienste. Eine Benachteiligung der betroffenen Mitarbeiterin und der anderen Mitarbeiterinnen sei nicht erkennbar.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 5. Dezember 2007 beim Kirchengerichtshof eingegangene Beschwerde der Mitarbeitervertretung. Sie meint, die Beschwerde sei zur Entscheidung anzunehmen, weil die zu entscheidende Frage grundsätzliche Bedeutung habe und ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestünden.
Auf die Beschwerdebegründung vom 4. Dezember 2007 wird Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG-Westfalen (KABl. der Ev. Kirche von Westfalen 2003, 404).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann.
3. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor, vor allem nicht die der Nr. 2 und die der Nr. 1 des § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD.
a) Die von der Mitarbeitervertretung hervorgehobene grundsätzliche Bedeutung der aufgezeigten Rechtsfragen liegt nicht vor (KGH.EKD, Beschluss v. 20.12.2007 - I-0124/N43-07).
Wenn die Vorinstanz offensichtlich davon ausgegangen sei, dass eine Beschäftigung über einen Zeitraum von drei Monaten als kurzzeitig anzusehen sei, so bedarf das keiner Klärung durch den Kirchengerichtshof. Eine solche Zeitspanne kann unschwer als "kurzfristig" angesehen werden.
Soweit darauf abgestellt wird, es sei weiter zu klären, ob der Einsatz von Leiharbeitnehmern bereits dann gerechtfertigt sei, wenn dieser nur kurzzeitig erfolge, so folgt aus der Grundaussage des Kirchengerichtshofs, dass zur Überbrückung kurzzeitigen Beschäftigungsbedarfs zum Instrument der Leiharbeit zurückgegriffen werden darf, wobei dies nicht zu einer Substituierung von Dienstnehmern durch Leiharbeitnehmer führen darf, dass das die Unmöglichkeit, befristete Arbeitsverhältnisse mit auf dem Arbeitsmarkt frei verfügbaren Arbeitnehmern, die nicht Leiharbeitnehmer sind, zu begründen, nicht voraussetzt.
Ein nicht zeitgebundener Beschäftigungsbedarf liegt nicht schon deswegen vor, weil in der betroffenen Station 1.700 Überstunden abgebaut werden sollen, mit anderen Worten, die Überstundenguthaben vor sich her schiebenden Mitarbeiterinnen dieser Station werden in die Lage versetzt, diese Überstunden durch Freizeitausgleich "abzufeiern". Sind diese Überstunden abgebaut, kann die Station mit dem vorhandenen Personal vom Grundsatz her normal arbeiten, von unvorhergesehenen Ereignissen, wie z.B. über den Normalfall hinausgehende krankheitsbedingte Abwesenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, einmal abgesehen.
b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der vorinstanzlichen Feststellungen liegen im Ergebnis nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des vorinstanzlichen Beschlusses (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD) sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (KGH.EKD, Beschluss v. 20.12.2007 - I-0124/N43-07; vgl. Fey/Rehren MVG.EKD Stand Juli 2007 § 63 Rz. 7 m.w.N.).
Die Schlichtungsstelle durfte davon ausgehen, dass der Abbau von aufgelaufenen Überstunden in der Station, in der Frau D als Leiharbeitnehmerin eingesetzt werden soll, einen vorübergehenden und kurzfristigen Bedarf ausmacht. Eine Ersetzung planmäßiger Stellen liegt darin gerade nicht. Es kann nicht darauf ankommen, ob plötzlich auftretende Spitzen mit Überarbeit abgedeckt werden, was mit eingearbeitetem Personal durchaus sinnvoll sein kann, oder ob dann durch Leiharbeit die Möglichkeit geschaffen wird, dass die von Überarbeit betroffenen Mitarbeiterinnen diese aufgelaufenen Überstunden durch Freizeitausgleich abbauen können, weil befristet Leiharbeitnehmer in der betreffenden Station bezogen auf die dort aufgelaufenen Überstunden - hier 1.700 - beschäftigt werden.
Die von der Mitarbeitervertretung angestellte Sichtweise der globalen Betrachtung des Überarbeitsüberhangs im pflegerischen Bereichs trägt nicht; es geht um den Ausgleich von Überarbeit im Bereich "Station 4", vorhandene Mitarbeiterinnen werden nicht ersetzt.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).