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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:14.11.1996
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/A9-96
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 45 Buchst. c), § 63
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, Az. 68/95; Fundstellen: Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 1998 S.27; Die Mitarbeitervertretung 3/97 S. 134; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - Rechtsprechungsreport 11/98 S. 528
Schlagworte:Mitberatung und ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit
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Leitsatz:

Verlangt die Mitarbeitervertretung in einem Fall der Mitberatung rechtzeitig eine Erörterung, so tritt keine Unterbrechung der Äußerungsfrist (§ 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD) ein mit dem Ergebnis, daß die Äußerungsfrist mit dem Erörterungstermin von neuem zu laufen beginnt. Andererseits kann sich die Dienststellenleitung dann, wenn der Erörterungstermin erst nach Ablauf der Äußerungsfrist stattfindet, nicht auf den Eintritt der Fiktion des § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD (Billigung der Maßnahme) berufen.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluß der Schlichtungsstelle nach dem MVG der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 9. Mai 1996 - 68/95 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 6.000,- (sechstausend) DM festgesetz

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin das Mitberatungsrecht der Antragstellerin nach §§ 45 Abs. 1, 46 Buchst. c) MVG.EKD verletzt hat. Der teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterin E sollte innerhalb der Probezeit aus personen- und verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden. Die Probezeit endete am 30. September 1995. Mit Schreiben vom 23. August 1995 teilte der Dienststellenleiter der Antragstellerin diese Absicht mit. Die Mitarbeitervertretung widersprach mit Schreiben vom 7. September 1995. Unter Bezugnahme auf diesen Widerspruch begründete die Sozialstation die beabsichtigte Kündigung noch am selben Tag. Dieses Schreiben ging am nächsten Tag, dem 8. September 1995, der Antragstellerin zu, die sich daraufhin auf ihrer Sitzung vom 20. September 1995 noch einmal mit der Personalmaßnahme befaßte und erneut beschloß, der Kündigung zu widersprechen. Das teilte sie mit Schreiben vom gleichen Tag der Antragsgegnerin mit. Zugleich bat sie um eine Erörterung nach § 38 Abs. 2 MVG.EKD. Am nächsten Tag setzte der Dienststellenleiter einen Termin zur Erörterung auf den 26. September 1995 fest und lud die Antragsgegnerin hierzu ein. Nach Durchführung erklärte der Leiter der Sozialstation mit Schreiben vom 26. September 1995 die Erörterung für beendet. Zugleich forderte er die Antragsgegnerin auf, ihre Entscheidung umgehend mitzuteilen. Daraufhin befaßte sich diese auf ihrer Sitzung vom 27. September 1995 erneut mit der beabsichtigten Kündigung und teilte mit Schreiben vom 28. September 1995 mit, sie halte am Widerspruch zur Kündigung fest. Das Schreiben erreichte die Antragsgegnerin am 29. September 1995. Diese kündigte nach am selben Tag.
Die Antragstellerin hält die Kündigung für rechtsunwirksam.
Sie wandte sich an die Schlichtungsstelle mit dem Ziel, feststellen zu lassen, daß sie vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Obwohl die Antragsgegnerin sie zur umgehenden Stellungnahme aufgefordert habe, habe deren Leiter, ohne den Eingang der Stellungnahme abzuwarten, die Kündigung ausgesprochen. Der von ihr am 27. September 1995 gefaßte Beschluß sei am nächsten Tag geschrieben und zur Post gegeben worden.
Die Antragstellerin hat beantragt, festzustellen, daß sie vor der Kündigung der Mitarbeiterin E nicht ordnungsgemäß nach dem MVG.EKD beteiligt worden ist, hilfsweise, festzustellen, daß in den Fällen der Mitberatung nach § 46 MVG.EKD die zweiwöchige Frist des § 45 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD nach Abschluß der Erörterungen erneut zu laufen beginnt.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen.
Sie hat dazu vorgetragen, das Widerpruchsschreiben der Antragstellerin vom 20. September 1995 habe keinen Antrag auf Verlängerung der Erörterungsfrist enthalten. Die Kündigung innerhalb der Probezeit habe auch nur noch am letzten Tag, d.h. am 29. September 1995 wirksam ausgesprochen werden können. Die Schlichtungsstelle der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche hat durch Beschluß vom 9. Mai 1996 den Hauptantrag als unbegründet, den Hilfsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Es handele sich um eine ordentliche Kündigung während der Probezeit, so daß das Mitberatungsverfahren nach § 45 Abs. 1 MVG.EKD zu beachten gewesen sei. Die Antragsgegnerin habe mithin die beabsichtigte Kündigung rechtzeitig mitteilen und auf Verlangen der Antragstellerin mit dieser erörtern müssen. Wenn es in diesem Zusammenhang durch Bezugnahme auf das vor Übernahme des MVG.EKD geltende Recht zu unrichtigen Bezeichnungen und zur irrigen Rechtsauffassungen gekommen sei, sei das unschädlich. Für die Wirksamkeit der Kündigung sei entscheidend, daß es am 26. September 1995 eine Erörterung der beabsichtigten Kündigung gegeben habe und daß die Antragsgegnerin die Erörterung für beendet erklärt habe, nachdem es nicht zu einer Einigung gekommen sei. Unerheblich und rechtlich unschädlich sei es daher, daß die Antragsgegnerin die Antragstellerin noch einmal aufgefordert habe, ihre Entscheidung umgehend mitzuteilen.
Gegen die am 3. Juni 1996 zugestellte Entscheidung der Schlichtungsstelle hat die Mitarbeitervertretung mit einem am 3. Juli 1996 eingegangenen Schriftsatz vom 2. Juli 1996 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Die Beschwerdeführerin verfolgt ihr Feststellungsbegehren weiter. Sie trägt vor, es habe keine rechtliche Bedeutung, daß man von einem Fall der eingeschränkten Mitbestimmung und nicht der Mitberatung ausgegangen sei. Denn die Beteiligung der Mitarbeitervertretung sei vorliegend allein nach dem MVG.EKD zu beurteilen. Das Mitberatungsverfahren sei aber mit Zugang der Erklärung der Beschwerdegegnerin, die Erörterung sei beendet, noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Äußerungsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD sei erst am 7. September 1995 in Lauf gesetzt worden, nämlich mit Zugang der Mitteilung über die beabsichtigte Kündigung. Fristgemäß am 20. September 1995 sei um die Erörterung gebeten worden. Die von der Schlichtungsstelle vertretene Auffassung, mit der Erörterung und dem anschließenden Zugang der Erklärung der Antragsgegnerin sei das Verfahren der Mitberatung abgeschlossen gewesen, werde dem Sinn und Zweck der Erörterung im Sinne MVG.EKD nicht gerecht. Die Erörterung diene nämlich auch der zusätzlichen Information der Mitarbeitervertretung. Das Erörterungsverlangen stelle sogar regelmäßig einen Hinweis auf ergänzenden Informationsbedarf dar. Dann aber könne die Äußerungsfrist nicht vor Zugang der vollständigen Information in Gang gesetzt werden. Durch ihr Erörterungsverlangen sei mithin die Erörterungsfrist zunächst unterbrochen worden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die Mitarbeitervertretung nach einer mündlichen Erörterung Zeit und Gelegenheit benötige, um sich erneut beraten und die ergänzenden Informationen vor einer abschließenden Entscheidung bewerten zu können. Es sei als indirekter Eingriff in die Beschlußfassung der Mitarbeitervertretung zu bewerten, wenn mit der Erklärung, die Erörterung sei beendet, der zeitliche Rahmen für die Entscheidungsfindung gesetzt würde. Zudem sei es ein Gebot der Rechtssicherheit, daß die Dienststellenleitung wisse, wann sie die beabsichtigte Maßnahme durchführen dürfe, und daß die Mitarbeitervertretung wisse, wann sie ihre Stellungnahme abzugeben habe. Dadurch käme es auch nicht zu unzumutbaren Verzögerungen bei der Umsetzung lediglich der Mitberatung unterliegender Maßnahmen.
Die Beschwerdeführerin beantragt, 1. den Beschluß der Schlichtungsstelle der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 9. Mai 1996 - 68/95 - aufzuheben, 2. festzustellen, daß
a) die Mitarbeitervertretung vor der Kündigung der Mitarbeiterin E nicht ordnungsgemäß nach den §§ 45 Abs. 1, 46 Buchst. c) MVG.EKD beteiligt wurde,
b) die Äußerungsfrist der Mitarbeitervertretung gemäß § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD durch das Erörterungsverlangen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD bis zum Abschluß der Erörterung unterbrochen wird.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht geltend, für die Beschwerde fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Mitarbeiterin E im Anschluß an die Probezeit weiterhin tätig geworden sei, und zwar, was unstreitig ist, auf der Grundlage einer geringfügigen Beschäftigung. Sie sei inzwischen zur Altenpflegehelferin ausgebildet worden und seit dem 1. Juli 1996 wie zuvor mit 20 Wochenstunden beschäftigt, was ebenfalls nicht streitig ist. Im übrigen sei es nicht richtig, daß sie die Kündigung vor Zugang des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 28. September 1995 ausgesprochen habe. Dieses Schreiben sei bei ihr in den Mittagsstunden des 29. September 1995 eingegangen, während Frau E das Kündigungsschreiben erst am Abend desselben Tages durch Einwurf in den Hausbriefkasten erhalten habe. Das Verfahren der Mitberatung sei aber mit Zugang des Widerspruchsschreibens der Beschwerdeführerin abgeschlossen worden, so daß der Antrag zu 2 a) auf jeden Fall unbegründet sei. Für den Antrag zu 2 b) fehle das Feststellungsinteresse. Im vorliegenden Verfahren komme es nämlich nicht darauf an, ob die Äußerungsfrist durch das Erörterungsverlangen unterbrochen worden sei. Das Feststellungsbegehren laufe daher auf die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage hinaus. Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. 1. Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 63 Abs. 1 Buchst. b) MVG.EKD. Danach ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben gegen Entscheidungen der Schlichtungsstelle darüber, welche Rechte und Pflichten den Beteiligten im Einzelfall aus der Mitberatung und Mitbestimmung erwachsen. Die Beschwerde ist weiter form- und fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 3 MVG.EKD eingegangen sowie rechtzeitig begründet worden, so daß sie sich insgesamt als zulässig erweist. 2. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Beschwerdegegnerin die Mitarbeitervertretung vor der Kündigung, um die es hier geht, ordnungsgemäß beteiligt hat und weil mit dem weitergehenden Feststellungsbegehren die Erstattung eines Rechtsgutachtens verlangt wird, was unzulässig ist. 2.1 Das Rechtsschutzinteresse für den Beschwerdeantrag zu 2 a) ist gegeben. Die Mitarbeiterin E ist zwar ab 1. Oktober 1995 als geringfügig Beschäftigte tätig geblieben. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß ein solcher Streit auch in Zukunft zwischen den Beteiligten entstehen kann (vgl. BAG vom 13. September 1977, AP Nr. 1 zu § 42 BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe; kritisch Weth, Das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren, 1995, § 12 I, S. 247 ff). In der Sache war festzustellen, daß die Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Es handelt sich um eine ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit im Sinne von § 46 Buchst. c) MVG.EKD, so daß ein Fall der Mitberatung nach § 45 MVG.EKD vorliegt. Daß die Beteiligung der Beschwerdeführerin nach dem MVG.EKD zu erfolgen hatte, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Beschwerdegegnerin hat der Mitarbeitervertretung die beabsichtigte Kündigung rechtzeitig bekanntgegeben. Die für die Kündigung maßgeblichen Gründe teilte sie nämlich mit Schreiben vom 7. September 1995 mit, das die Beschwerdeführerin am nächsten Tag erhielt. Bereits am 26. September 1995 wurde die Maßnahme erörtert. Seitens der Mitarbeitervertretung nahmen an dieser von ihr mit Schreiben vom 20. September 1995 innerhalb der Zweiwochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD verlangten Erörterung die erste Stellvertretende Vorsitzende und ein weiteres Mitglied teil. Weil man sich am 26. September 1995 nicht einigen konnte, erklärte der Leiter der Sozialstation die Erörterung für beendet, wie es das MVG.EKD in § 45 Abs. 1 Satz 7 vorschreibt. Indem die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 2. Oktober 1995 die Beschwerdeführerin sodann darüber informierte, daß die Kündigung aus den bereits bekannten und erörterten Gründen erfolgt sei, erfüllte sie ihre Begründungspflicht nach § 45 Abs. 1 Satz 8 MVG.EKD. Allerdings hat die Dienststellenleitung ihre vom Standpunkt der Mitarbeitervertretung abweichende Entscheidung gegenüber der Mitarbeitervertretung nicht mehr schriftlich vor Ausspruch der Kündigung begründet, wie es die genannte Bestimmung vorsieht, sondern dies erst mit Schreiben vom 2. Oktober nachgeholt. Das war jedoch aus Zeitgründen nicht anders möglich. Hätte die Dienststellenleitung auf das ihr am 29. September 1995 zugegangene Schreiben der Mitarbeitervertretung noch schriftlich geantwortet, hätte die Mitarbeitervertretung hiervon erst am 2. Oktober Kenntnis erlangt (der 30. September 1995 war ein Sonnabend). Die Dienststellenleitung mußte andererseits den Zugang des Kündigungsschreibens spätestens noch am 30. September sicherstellen. In derartigen Fällen dürfen an die Beachtung der Pflichten der Dienststellenleitung nach § 45 Abs. 1 Satz 8 MVG.EKD nicht die gleichen strengen Maßstäbe angelegt werden wie bei den von § 46 MVG.EKD sonst aufgezählten, sehr unterschiedlich gelagerten Tatbeständen, wie die Kammer bereits zum Fall einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) ausgeführt hat (B. vom 27. April 1995 - 0124/5-95.127 -, zu II 3 b der Gründe. Das muß jedenfalls dann gelten, wenn die Dienstgeberseite, wie vorliegend, sich rechtzeitig an die Mitarbeitervertretung gewandt hat und die vor Fristablauf eingetretene Zeitnot nicht auf ihr eigenes zögerliches Verhalten zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang ist auch der unwidersprochen gebliebene Vortrag der Beschwerdegegnerin von Bedeutung, das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 28. September sei noch vor Ausspruch der Kündigung bei ihr eingegangen und berücksichtigt worden.
2.2 Das Feststellungsbegehren zu 2 b) ist unzulässig, weil es auf die Beantwortung einer Rechtsfrage hinausläuft, die für den Anlaßfall nicht erheblich ist. Der Antrag kann entsprechend § 256 ZPO auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder einzelner Berechtigungen aus einem Rechtsverhältnis gerichtet sein, nicht jedoch abstrakte Rechtsfragen zum Gegenstand haben (vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl., Rz. 1 zu § 43 und Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., Rz. 5 zu § 256; beide m. Nachw.). Aus diesem Grund sind über die unter 2.1 dargelegten Gründe hinaus weitere Ausführungen über Beginn und Ende des Mitberatungsverfahrens nach § 45 MVG.EKD nicht statthaft.
3. Insgesamt ergibt sich danach, daß eine Änderung der angefochtenen Entscheidung nicht veranlaßt und die Beschwerde der Mitarbeitervertretung als unbegründet zurückzuweisen war. Die Kostenregelung beruht auf § 13 Abs. 2 VGG-EKD, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 8 Abs. 2 BRAGO.