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Kirchengericht: | Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 19.11.1998 |
Aktenzeichen: | VerwG.EKD 0124/C20-98 |
Rechtsgrundlage: | MVG.K § 40 Nr. 4 und Nr. 5; § 65 Abs. 1 Nr. 1, VGG.EKD §§ 13, 16 , VwGO § 130a |
Vorinstanzen: | Schiedsstelle DW der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V., Az.: 4 VR MVG 46/97; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 1/99 S. 43 |
Schlagworte: | , Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung von Stundenplänen |
Leitsatz:
Nach § 40 Nr. 4 und Nr. 5 MVG.K hat die Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der "Festlegung der Grundsätze" für die Aufstellung von Stundenplänen (Stundentafeln) für angestellte Lehrer.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes der ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. vom 25. März 1998 - 4 VR MVG 46/97 - teilweise geändert:
Es wird festgestellt, daß die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Antragstellerin bei der Festlegung der Grundsätze für die Aufstellung von Stundenplänen (Stundentafeln) zu beteiligen.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.000,- (achttausend) DM festgesetzt.
Gründe:
I. Die Antragsgegnerin unterhält eine Heimsonderschule. Für die dort beschäftigten Lehrer wird zu Beginn des Schuljahres von Dienstgeberseite ein Unterrichtsplan (Stundentafel, Stundenplan) aufgestellt. Die Schulöffnungszeit liegt zwischen 7.30 Uhr und 13.30 Uhr. Sie ist mit der Mitarbeitervertretung, der Antragstellerin dieses Verfahrens abgesprochen und mit deren Einverständnis festgelegt worden. Eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht der Lehrer während dieser Schulöffnungszeit besteht nicht. Zwischen den Beteiligten herrscht kein Streit über die Schulöffnungszeit, sie streiten aber darüber, ob der Mitarbeitervertretung bei der Aufstellung des Unterrichtsplanes ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Die Mitarbeitervertretung hält die Festlegung der Unterrichtszeit durch die Dienstgeberseite allein für nicht rechtens, sondern nimmt ein Mitbestimmungsrecht dafür in Anspruch. Mit Schreiben vom 23. Juli und vom 5. August 1997 hat sie um Vorlage der Stundenpläne gebeten und darauf hingewiesen, daß nach ihrer Auffassung ein Mitbestimmungsverfahren einzuleiten sei. Da die Dienstgeberseite dies ablehnte, wandte sich die Mitarbeitervertretung mit Anwaltsschriftsatz vom 2. September 1997 an die Schiedsstelle.
Die Antragstellerin hat beantragt
festzustellen, daß die Anordnung der Arbeitszeit der Lehrer in der Heimsonderschule unwirksam ist und die Antragsgegnerin verpflichtet ist, sie, die Antragstellerin bei der Festlegung der Unterrichtszeiten der Lehrer zu beteiligen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, für das Begehren der Antragstellerin gebe es keine Rechtsgrundlage. Die in der Heimschule tätigen Lehrer unterrichteten nach einer Stundentafel, die zunächst vom Schulleiter gefertigt und dann nach den Wünschen der Lehrer gegebenenfalls korrigiert werde.
Durch Beschluß vom 25. März 1998 hat die Schiedsstelle dem Antrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Gemäß § 40 Nr. 4 MVG.K habe die Mitarbeitervertretung mitzubestimmen bei der Festlegung von Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen. Insoweit habe die Antragstellerin auch mitzubestimmen bei der der Festlegung der Unterrichtsstunden von Lehrern. Zu diesem Ergebnis sei das Bundesarbeitsgericht in zwei Entscheidungen zu dem gleichlautenden § 87 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gekommen. Die vom Bundesarbeitsgericht dargelegten Gründe träfen auch für das Mitbestimmungsrecht der Antragstellerin gemäß § 40 Nr. 4 MVG.K zu.
Gegen den ihr am 3. August 1998 zugestellten Beschluß hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 3. September 1998, eingegangen noch am selben Tage, Beschwerde eingelegt und diese gleich¬zeitig begründet. Sie trägt vor, die Schiedsstelle habe sich zu Unrecht auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Januar 1987 und vom 23. Juni 1992 berufen. Diese Entscheidungen beträfen ganz andere Sachverhalte. In der Entscheidung aus dem Jahre 1987 sei es um eine Privatschule gegangen, bei der der Schulträger aus der Halbtagsschule eine Ganztagsschule habe machen wollen. Hier habe das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, eine Privatschule sei ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG, die Entscheidung des Schulträgers, im Rahmen eines Ganztagsschulbetriebs die Arbeitszeit der Lehrer auch auf den Nachmittag auszudehnen, sei eine tendenzbezogene Entscheidung, die nicht der Mitbestimmung unterliege. Bei dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1992 habe im Vordergrund der Überlegungen des Gerichts die Tatsache gestanden, daß Arbeitgeber und Betriebsrat sich darauf geeinigt hatten, sowohl die Rahmenpläne für die Stundenplangestaltung als auch die konkretisierten Stundenpläne der Zustimmung des Betriebsrates bedürften. Eine solche Abrede habe es zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens aber nie gegeben, daher könne die erwähnte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vorliegend auch nicht herangezogen werden.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluß der Schiedsstelle aufzuheben und festzustellen, daß die Anordnung der Arbeitszeit der Lehrer in der Heimsonderschule wirksam ist und die Antragsgegnerin nicht verpflichtet ist, die Antragstellerin bei der Festlegung der Unterrichtszeit der Lehrer zu beteiligen.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß mit eigenen Rechtsausführungen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten, insbesondere wegen aller Einzelheiten, wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
II. Die Beschwerde ist statthaft nach § 65 Nr. 1 MVG.K. Sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig. In der Sache hatte sie teilweise Erfolg. Das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung erstreckt sich nach § 40 Nr. 4 und Nr. 5 MVG.K auf die Festlegung der Grundsätze für die Aufstellung von Stundenplänen, nicht dagegen auf die Einzelheiten der Stundenpläne. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
1. Nach § 40 Nr. 4 erster Halbsatz MVG.K hat die Mitarbeitervertretung mitzubestimmen über die „Festlegung von Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen“. Insoweit ist die Bestimmung dem § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und dem § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG nachgebildet. Mit dem ersten Halbsatz der Nr. 4 ist der Regelungsgehalt dieser Bestimmung jedoch nicht erschöpft: der zweite Halbsatz regelt die Ausnahmen. Kein Mitbestimmungsrecht nach Nr. 4 besteht „für unvorhersehbare Arbeitszeitregelungen“. So heißt es in Nr. 4 zweiter Halbsatz: „ausgenommen bleibt die für die Dienststelle nicht vorhersehbare, auf Grund besonderer Erfordernisse kurzfristig und unregelmäßig festzusetzende tägliche Arbeitszeit für bestimmte Gruppen von Beschäftigten“.
Bei den unvorhersehbaren Arbeitszeitregelungen der Nr. 4 besteht ein Mitbestimmungsrecht nur hinsichtlich der „Festlegung der Grundsätze“, wie Nr. 5 ausdrücklich anordnet. Neben der Fest¬legung der Grundsätze für unvorhersehbare Arbeitszeitregelungen im Sinne der Nr. 4 finden sich in der Nr. 5 weitere Regelungen mit Ausnahmecharakter gegenüber der Nr. 4. Nach der gesamten Aufzählung der Nr. 5 hat die Mitarbeitervertretung mitzubestimmen bei der „Festlegung der Grundsätze“
a) „für die Aufstellung von Dienstplänen“,
b) „für die Anordnung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft“ sowie
c) „für unvorhersehbare Arbeitszeitregelungen im Sinne der Nr. 4“.
Die besondere Aufzählung der unvorhersehbaren Arbeitszeitregelungen neben der Aufstellung von Dienstplänen und für die Anordnung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft stellt klar, daß der Gesetzgeber für die Aufstellung von Dienstplänen kein Mitbestimmungsrecht einräumen wollte, sondern das Mitbestimmungsrecht hier beschränkt hat auf die „Festlegung der Grundsätze“.
§ 40 Nr. 5 MVG.K regelt folglich nach Wortlaut und systematischem Aufbau einschränkende Ausnahmen („ausgenommen bleibt“), nicht aber ausdehnende Ergänzungen (so aber Baumann-Czichon/Germer, die hinsichtlich der Aufstellung von Dienstplänen von einer vorgeschalteten Entscheidungsphase sprechen: MVG.K § 40 Rn 35; unklar Fey/Rehren, MVG.K, § 40 Rn 27a, die offenbar übersehen, daß hinter dem Wort „Dienstpläne“ ein Komma steht). Daraus ist der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zu erkennen: Soweit es um die Aufstellung von Dienstplänen geht, beschränkt sich das Mitbestimmungsrecht auf die „Festlegung der Grundsätze“.
Ein Gesamtvergleich mit den einschlägigen Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes und des Bundespersonalvertretungsgesetzes zeigt, daß § 40 Nr. 4 MVG.K nur hinsichtlich des ersten Halbsatzes dem § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und dem § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG nachgebildet ist. Aus der weiteren Regelung des § 40 Nr. 4 zweiter Halbsatz MVG.K ergibt sich dagegen, daß eine gewisse Nähe zu § 75 Abs. 4 BPersVG vorhanden ist, weil hier ebenfalls eine Einschränkung gegenüber dem Absatz 3 Nr. 1 getroffen worden ist: Für nicht voraussehbare Arbeitszeiten besteht ein Mitbestimmungsrecht nur für die „Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen“.
Eine Einschränkung wie die des § 75 Abs. 4 BPersVG kennt das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Daraus folgt, daß die Rechtsprechung zu § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auf die Regelungsfälle des § 40 Nr. 4 und Nr. 5 MVG.K nicht angewandt werden kann. Das muß auch gelten für die Ausführungen des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Erstellung von Stundenplänen (vgl. BAG AP Nr. 33 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 2a der Gründe; ferner BAG AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu II 2c der Gründe).
2. Was unter Dienstplänen im Sinne des § 40 Nr. 5 MVG.K zu verstehen sei, sagt das Gesetz nicht. Der Begriff der Dienstpläne ist aber, wie oben erwähnt, in § 75 Abs. 4 BPersVG verwandt. Soweit dieser Begriff in der Rechtsprechung anzutreffen ist (s. BAG AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 1 der Gründe), wird Bezug genommen auf § 15 Abs. 8 BAT. Danach ist dienstplanmäßige Arbeit die Arbeit, die innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an den nach dem Dienstplan festgelegten Kalendertagen regelmäßig zu leisten ist. Im Anschluß daran versteht das Bundesarbeitsgericht „dienstplanmäßige Feststellung“ dahin, daß nach einem vorausbestimmten Plan an bestimmten Kalendertagen unabhängig von etwaigen Wochenfeiertagen Freizeit vorgesehen ist. Diese begrifflichen Umschreibungen sind bezogen auf das Feiertagslohnzahlungsrecht. Eine allgemeine Umschreibung findet sich bei Altvater/Bacher/Hörter/Peise¬ler/Sabottig/Schneider/Vohs, BPersVG (4. Aufl.) zu § 75 Rn 40a: Ein Dienstplan legt fest, wann - und mit welchen Pausen - auf einem bestimmten Arbeitsposten oder auf einer Gruppe gleicher Arbeitsposten Dienst zu verrichten ist. Er gilt ... für jeden Beschäftigten, der während der Geltungsdauer des Dienstplans auf diesem Arbeitsposten eingesetzt wird.
Unter Verwendung dieser Umschreibung läßt sich ein Stundenplan (Stundentafel) für Lehrer begrifflich einordnen. Er ist als Dienstplan anzusehen und legt fest, welcher Lehrer zu welcher Zeit in einer bestimmten Klasse welchen Unterricht zu erteilen hat. Hierbei muß gleichzeitig geregelt werden, welcher Lehrer bei Ausfällen durch Krankheit oder aus anderen Gründen als Vertreter einzuspringen hat. Für die gesamte Stundenplanregelung sind bestimmte „Grundsätze“ (Gerechtigkeitserwägungen, Erfahrungssätze) zu beachten. Darauf erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 40 Nr. 4 und Nr. 5 MVG.K. Entsprechend ist die Antragstellerin zu beteiligen.
3. Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 16 Satz 1 VGG.EKD, § 130a VwGO).
Die Kostenfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 2 VGG.EKD, die Festsetzung des Gegenstandswertes aus § 8 Abs. 2 BRAGO.