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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:10.06.1999
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/D5-99
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 44, § 4 Abs. 1, § 45 , § 46 lit. b), Verf. NEK Art. 14, Art. 16, KGMVG.NEK § 12 Abs. 3, VGG.EKD § 13
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsrecht der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, Az.: 44/98; Fundstelle: ZMV 5/99, S. 232; KuR 1999, 261 = 985, S. 77; Rechtsprechnungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2001, S. 30
Schlagworte:Außerordentliche Kündigung eines in den Kirchenvorstand gewählten Mitarbeiters, Beteiligung der MAV
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Leitsatz:

1. Zur außerordentlichen Kündigung eines Mitarbeiters, der in den Kirchenvorstand gewählt worden ist, ist die Mitarbeitervertretung gemäß § 44 MVG.EKD nicht anzuhören.
2. Aus § 12 Abs. 3 KGMVG.NEK ergibt sich für Mitarbeiter in der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche nichts anderes.

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 1999 - 44/98- wird zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf DM 12.000,- festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Verfahren der Mitberatung der Mitarbeitervertretung -Antragstellerin - nach den §§ 45, 46 lit. b) MVG.EKD erforderlich war und hinreichend durchgeführt worden ist, bevor die beteiligte Kirchengemeinde - Antragsgegnerin - gegenüber Herrn S. am 4. September 1998 die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Antragsgegnerin erklärte.
Der 1951 geborene Herr S. war seit dem 16. November 1981 bei der Antragsgegnerin als Helfer im Gemeindedienst gegen eine Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b KAT angestellt worden. Seit 1985 gehört er dem Kirchenvorstand der Antragsgegnerin an; zuletzt wurde er bei der Kirchenvorstandswahl am 1. Dezember 1996 (wieder) gewählt.
Die Antragsgegnerin wandte sich mit ihrem Schreiben von 27. August 1998 an die Mitarbeitervertretung und bat sie unter Abkürzung der Frist auf drei Tage um Stellungnahme zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Herrn S.. Sie begründete die Kündigungsabsicht damit, Herr S. habe nach einer von der Antragsgegnerin unter seiner Leitung durchgeführten Jugendreise Reisekosten von mehreren Reiseteilnehmern bzw. deren Eltern in der Einnahmelisten als noch nicht bezahlt bzw. als von Dritten noch zu bezahlen bezeichnet, obwohl er das Geld dafür vor der Reise in bar gegen Quittung entgegengenommen, es jedoch nicht an die Kirchengemeindekasse abgeführt habe. Die Antragsgegnerin hatte Umstände aufgedeckt, die diesen Verdacht nahelegen. Die Antragstellerin bat die Kirchenvorstandsvorsitzende um eine mündliche Erörterung der Kündigungsabsicht. Diese Erörterung fang am 31. August 1998 statt. An diesem Tag zahlte Herr S. DM 3.700,- als Reisekostenbeiträge der Teilnehmer bei der Kirchengemeindekasse ein. Am 4. September wurde Herrn S. das Kündigungsschreiben überreicht. Gegen die Kündigung hat Herr S. Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben; das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über das vorliegende Verfahren ausgesetzt.
Die Antragstellerin hat die Schlichtungsstelle mit der Behauptung angerufen, vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nach § 45 Abs. 1 i.V.m. § 46 lit. b) MVG.EKD nicht ausreichend beteiligt worden zu sein. Sie hat geltend gemacht, die außerordentliche Kündigung sei nach § 45 Abs. 2 Satz 1 unwirksam. Entgegen § 45 Abs. 1 Satz 7 und 8 MVG.EKD sei weder die Erörterung für beendet erklärt worden, noch habe die Dienststellenleitung der Antragsgegnerin ihre abweichende Entscheidung vor dem Ausspruch der Kündigung, sondern erst danach, nämlich erst am 7. September 1998, schriftlich begründet. Zudem sei die Kündigung auch nicht gerechtfertigt. Die Beteiligung gemäß den §§ 45, 46 lit. b) MVG.EKD sei auch nicht nach § 44 MVG.EKD entbehrlich. Herr S. falle nicht unter diese Bestimmung. Er sei nur ehrenamtliches Mitglied des Kirchenvorstandes; zudem nähme nicht er, sondern nur die Vorsitzende des Kirchenvorstandes Aufgaben der Dienststellenleitung gegenüber Mitarbeitern und der Mitarbeitervertretung wahr. Mitarbeitervertrechtungsrechtlich entscheidend sei, daß Herr S. bei der Antragsgegnerin im Arbeitsverhältnis stehe.
Die Mitarbeitervertretung hat sinngemäß beantragt,
festzustellen, daß die erforderliche Beteiligung der Mitarbeitervertretung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters S. nicht erfolgt ist.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hält eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung für nicht geboten, weil Herr S. ordentliches, gewähltes Mitglied ihres Vorstandes ist. Die Beteiligung sei zudem nicht fehlerhaft erfolgt.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag abgelehnt und zur Begründung wesentlich darauf abgestellt, daß kein Fall der Mitberatung gegeben sei, weil Herr S. in den Kirchenvorstand als Mitglied gewählt worden ist.
Gegen diesen ihr am 1. Februar 1999 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin am 1. März 1999 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Sie behauptet, trotz der Mitgliedschaft des Herrn S. im Kirchenvorstand hätte das Mitberatungsverfahren durchgeführt werden müssen, zumindest nach § 12 Abs. 3 des Nordelbischen Kirchengesetzes zum Mitarbeitervertretungsgesetz (KGMVG.NEK) in entsprechender Anwendung, denn Herr S. habe die Mitarbeitervertretung mit seinem - erstmals im Beschwerderechtszug in das Verfahren eingeführten - Schreiben, datiert mit "März im Jahre 1998", um "Vertretung in seinen Personalangelegenheiten" gebeten.
Die Antragstellerin beantragt,
den angefochtenen Beschluß abzuändern und festzustellen, daß die erforderliche Beteiligung der Mitarbeitervertretung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters S. nicht erfolgt ist.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß, bestreitet, daß Herr S. die Antragstellerin "nochmals im März 1998" mit dem oben bezeichneten Schreiben um seine Vertretung gebeten hatte. Sie selbst habe von dem Schreiben erstmals mit Schriftsatz vom 23. November 1998 im Rahmen des Kündigungsschutzrechtsstreits erfahren.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den angefochtenen Beschluß Bezug genommen.
II. Die nach § 63 Abs. 1 lit. b) MVG.EKD statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Schlichtungsstelle hat den Antrag zu Recht abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat hinsichtlich der Beteiligung der Mitarbeitervertretung (Antragstellerin) vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht gegen § 46 lit. b), § 45 Abs. 1 MVG.EKD verstoßen. Eine Mitberatung der Mitarbeitervertretung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung gegenüber Herrn S. hatte nach § 44 Satz 1 MVG.EKD von Gesetzes wegen nicht stattzufinden. Dies hatte die Schlichtungsstelle richtig erkannt.
1. Eine Beteiligung in Personalangelegenheiten der Personen nach § 4 MVG.EKD mit Ausnahme der von der Mitarbeitervertretung nach Gesetz oder Satzung in leitende Organe entsandten Mitglieder findet nach § 44 Satz 1 MVG.EKD nicht statt. Herr S. zählt zu den Personen i.S. des § 4 Abs. 1 MVG.EKD; er gehört der Dienststellenleitung der Antragsgegnerin als gewähltes Mitglied des Kirchenvorstandes an. Der Kirchenvorstand ist in seiner Gesamtheit Dienststellenleitung; ihm gehören neben den Pastoren auch hauptamtliche Mitarbeiter der Kirchengemeinde an (Art. 14 Abs. 1, Art. 16 Verfassung NEK). Darauf, welches Mitglied des Kirchenvorstandes gegenüber der Mitarbeitervertretung in Angelegenheiten des Mitarbeitervertretungsrechts auftritt, kommt es für die §§ 4 Abs. 1, 44 Satz 1 MVG.EKG nicht an.
2. Ein sich aus den §§ 45, 46 lit. b) MVG.EKD ergebendes Mitberatungsrecht der Mitarbeitervertretung an der in Rede stehenden außerordentlichen Kündigung läßt sich auch nicht aus § 12 Abs. 3 KGMVG.NEK i.d.F. vom 31. Mai 1996 herleiten. Diese Bestimmung befaßt sich nur mit Personen i.S. des § 4 Abs. 2 MVG.EKD. Sie ermöglicht zudem kein Mitberatungsverfahren gemäß den §§ 45, 46 MVG.EKD, sondern nur ein Beteiligungsrecht gemäß den §§ 42, 43 MVG.EKD.
3. Es besteht auch keine Gesetzeslücke, die derart zu füllen wäre, daß die außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters einer Kirchengemeinde in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, der zugleich in den Kirchenvorstand gewählt worden ist, in entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 3 KGMVG.NEK der Mitberatung nach den §§ 4, 46 lit. b) MVG.EKD unterliegen könne. Die Erwägungen der Antragstellerin finden im geltenden Recht keine rechtliche Grundlage.
4. Rechtlich unerheblich ist, ob und inwieweit die Antragsgegnerin die Mitarbeitervertretung in anderen personellen Angelegenheiten beteiligt hat, die Herrn S. betrafen.
III. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen (§ 13 Abs. 2 MVG.EKD). Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 8 Abs. 2 BRAGO.