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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:20.04.2001
Aktenzeichen:VerwG.EKD I-0124/F6-01
Rechtsgrundlage:VwGO § 63, § 123, WO MVG.K § 1, MVG.K § 65 Nr. 5, § 3 Abs. 2
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg, Kammer DW Hannover, Az.: 2 VR MVG 25/01 e.R.; Fundstelle: Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2002, S. 31
Schlagworte:Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Untersagung der Durchführung einer Wahl zur Mitarbeitervertretung , Antragsbefugnis
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Leitsatz:

1. Trifft - wie hier - der Vorsitzende der Schiedsstelle im Eilfall eine einstweilige Anordnung nach § 64 Abs. 1 MVG.K, so ist hiergegen die Beschwerde nach § 65 MVG.K in gleicher Weise statthaft wie gegen einen Beschluss der vollbesetzten Kammer.
2. Gegen einen Beschluss über die vorläufige Untersagung der Durchführung einer Mitarbeitervertretungswahl ist die Beschwerde entsprechend § 65 Nr. 5 MVG.K statthaft.
3. Nicht die bestehende Mitarbeitervertretung, sondern der für die Regelwahl bestellte Wahlausschuss ist für einen Antrag auf Unterlassung der Durchführung einer konkurrierenden Mitarbeitervertretungswahl antragsbefugt.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg, Kammer Diakonisches Werk Hannovers, vom 5. April 2001 - 2 VR MVG 25/01 (e.R.) - insoweit abgeändert, als dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt worden ist, eine Wahl zu einer Bereichs-Mitarbeitervertretung durchzuführen.
Der Antrag wird insgesamt zurückgewiesen.
2. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 6.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten anlässlich der regelmäßigen Mitarbeitervertretungswahlen darüber, ob für alle von der Dienststelle A (Beteiligte zu 4) betriebenen Einrichtungen eine einheitliche Mitarbeitervertretung zu wählen ist oder ob mehrere Mitarbeitervertretungen zu wählen sind, weil Untergliederungen, darunter die Dienststellen der Beteiligten zu 2 und 3 als Dienststellen i.S. des § 3 Abs. 2 MVG.K gelten.
Hierüber ist es zwischen der Mitarbeitervertretung, die in der vorangegangenen Wahl für alle Einrichtungen der Dienststelle gebildet worden ist (Antragstellerin, Beteiligte zu 1, im folgenden auch MAV A genannt) und der Dienststelle (Beteiligte zu 4) zu einer Reihe von Auseinandersetzungen vor der Schiedsstelle gekommen, zu deren Beilegung sich die Beteiligten vergleichsweise darauf einigten, die Wahl einer einheitlichen Mitarbeitervertretung durchzuführen und die Frage der Bildung von Dienststellen i.S. des § 3 Abs. 2 MVG.K anschließend mit Hilfe einer Einigungsstelle klären zu lassen (Niederschrift über die öffentliche Verhandlung am 20.März 2001 - Bl. 57/58 der beigezogenen Akte 2 VR MVG 18/01 (e.R.) und 2 VR MVG 19/01 (Hs) der Schiedsstelle). Andere waren an den Verfahren und an der Einigung nicht beteiligt.
Am 16. Juni 2000 kam es zur Wahl einer Mitarbeitervertretung für den Bereich D. Diese Wahl focht die MAV A mit ihrem am 20. Juli 2000 eingereichten Antrag vor der Schiedsstelle an (2 VR MVG 31/00). Die Schiedsstelle erklärte diese Wahl durch Beschluss vom 19. Januar 2001, zugestellt mit Schreiben vom 13. März 2001 für nichtig. Hiergegen haben die MAV D am 12. April 2001 und die Dienststelle am 17. April 2001 Beschwerde eingelegt (I-0124/F7-01).
Am 26. März 2001 wurde die MAV D (Beteiligte zu 3) erneut gewählt. Der zu 2 beteiligte Wahlausschuss für die Wahl einer MAV C hat als Wahltermin den 23. April 2001 festgesetzt. Er hält an seiner Absicht fest, diese Wahl durchzuführen.
Die antragstellende MAV A hat in ihrer per Fax am selben Tag eingereichten Antragsschrift vom 28. März 2001 vorgetragen: Es müsse wie bisher eine einheitliche Mitarbeitervertretung für alle Einrichtungen der Dienststelle insgesamt gebildet werden, weil die Voraussetzungen für die Bildung fiktiver Dienststellen i.S. des § Abs. 2 MVG.K nicht vorlägen. Am 8. Februar 2001 sei - unstreitig - ein Wahlausschuss für die Wahl einer - wie bisher - einheitlichen MAV A gebildet worden, der den Termin zur Wahl auf den 10. Mai 2001 festgesetzt habe. Die - von ihr als Antragsgegner bezeichneten - Wahlausschüsse für die Wahlen von Mitarbeitervertretungen für die Arbeitsbereiche C und D seien erst später gebildet worden.
Sie hat in der Hauptsache (erstinstanzliches Aktenzeichen : 2 VR MVG 26/01 (Hs)) beantragt,
festzustellen, dass in den Arbeitsbereichen C und D keine Wahl für eine Mitarbeitervertretung durchgeführt werden darf.
Hierüber hat die Schiedsstelle noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin hat zugleich beantragt, folgende „einstweilige Regelung“ (erstinstanzliches Aktenzeichen: 2 VR MVG 25/01 (e.R.)) der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein zu erlassen:
"Den Antragsgegnern wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache untersagt, eine Wahl zu einer Bereichsmitarbeitervertretung durchzuführen."
Der Wahlausschuss MAV C (Beteiligter zu 2), der Wahlausschuss für die Wahl einer MAV D bzw. die am 26. März 2001 gewählte MAV D (Beteiligte zu 3) und die zu 4 beteiligte Dienststelle haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie halten die Bildung der mehreren Mitarbeitervertretungen für rechtens.
Die Schiedsstelle hat durch ihren Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 5. April 2001 im Wege der Regelungsverfügung dem Wahlausschuss MAV C (Beschwerdeführer) untersagt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine Wahl zu einer Bereichs-Mitarbeitervertretung durchzuführen. Den weitergehenden Antrag hat sie zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss hat der Wahlausschuss MAV C am 11. April 2001 Beschwerde eingelegt. Er wiederholt seinen Vortrag aus dem ersten Rechtszug und macht unter anderem geltend, die MAV A sei nicht befugt, das Verfahren zu betreiben, weil ein Wahlausschuss MAV A bestehe. Sie beantragt,
den Beschluss vom 5. April 2001 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelung auch insoweit zurückzuweisen, als er dem Beschwerdeführer die Durchführung der Wahl einer Mitarbeitervertretung in C am 23. April 2001 untersagt.
Das Beschwerdegericht hat den Wahlausschuss MAV A am vorliegenden Verfahren der einstweiligen Anordnung beteiligt. Er und alle anderen Beteiligten sind verfahrensleitend durch die Verfügung vom 18. April 2001 unter anderem auf die Fraglichkeit der Antragsbefugnis der antragstellenden MAV A unter Gelegenheit zur Stellungnahme hingewiesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Stellungnahmen und die dazu überreichten Anlagen in beiden Rechtszügen Bezug genommen.
II. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Über die Beschwerde war ohne mündlich Verhandlung zu entscheiden (§ 16 VVG.EKD i.V.m. § 150, § 101 Abs. 3 VwGO). Es war vorliegend mit Rücksicht auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit nicht geboten, die Beschwerde zunächst der Schiedsstelle vorzulegen, damit diese Gelegenheit hat, darüber zu befinden, ob sie ihr abhelfen will (vgl. dazu § 16 VGG.EKD i.V.m. § 147, § 148 VwGO sowie Redeker/von Oertzen, § 123 VwGO Rn 26).
2. Die Beschwerde ist entsprechend § 65 Nr. 5 MVG.K i.V.m. § 123, § 146 VwGO, § 16 VGG.EKD statthaft und zulässig.
a) Trifft - wie hier - der Vorsitzende der Schiedsstelle im Eilfall eine einstweilige Anordnung nach § 64 Abs. 1 MVG.K, so ist hiergegen die Beschwerde nach § 65 MVG.K in gleicher Weise statthaft wie gegen einen Beschluss der vollbesetzten Kammer. Denn systematisch handelt es sich um eine Entscheidung der Schiedsstelle (VerwG.EKD, Beschluss vom 30. Mai 1996 - 0124/A5-96; Fey/ Rehren, § 64 MVG.K Rn. 8). Der Antrag auf Entscheidung durch die vollbesetzte Kammer (§ 64 Abs. 2 MVG.K) ist in solchem Fall möglich, aber nicht zwingend vorgeschrieben. Er ist kein Rechtsmittel (a.A. Baumann-Czichon § 64 MVG.K Rn. 13).
b) Eine vorläufige Regelung, wonach eine Wahl nicht durchzuführen ist, fällt zwar dem Wortlaut nach nicht unter § 65 Nr. 5 MVG.K. Dessen entsprechende Anwendung ist jedoch geboten, denn die Wahlanfechtung betrifft als nachträgliche Ergebniskontrolle die Vorbereitung und Durchführung des Wahlverfahrens. Um die Kontrolle des Wahlverfahrens geht es aber auch, wenn - wie hier - während der Durchführung des Wahlverfahrens darüber gestritten wird, ob es weitergeführt werden darf. Auch in der Sache und ihrer Wirkung nach stehen die erfolgreiche vorläufige Untersagung der Wahl einer Mitarbeitervertretung einer erfolgreichen Wahlanfechtung gleich: Es kommt nicht zur Bildung einer Mitarbeitervertretung bzw. eine bereits gebildete Mitarbeitervertretung wird aufgelöst. In beiden Fällen muss dann aber neu gewählt werden.
Der Statthaftigkeit der Beschwerde stehen die Beschlüsse des erkennenden Gerichts vom 27. Juli 1998 - 0 124/C8-98 - und vom 10. Juli 1997 - 0124/B4-97 - nicht entgegen. Diese Beschlüsse betrafen eine andere Gruppe von Streitgegenständen als die Durchführung des Wahlverfahrens durch den Wahlvorstand, nämlich Streitigkeiten über die mitarbeitervertretungsrechtliche Zusammengehörigkeit oder Eigenständigkeit von Dienststellen- oder Einrichtungsteilen. Streitigkeiten über solche für Mitarbeitervertretungswahlen grundlegende Fragen sind nach der ausdrücklichen Anordnung des § 65 MVG.K der Beschwerde nicht zugänglich, auch wenn dies zu Disparitäten führen kann.
3. An dem Verfahren war der Wahlausschuss für die Wahl der MAV A (Beteiligter zu 5) zu beteiligen. Er ist vom Ausgang des Verfahrens unmittelbar betroffen, weil er die Wahl einer für alle zuständigen einheitlichen Mitarbeitvertretung ebenso vorzubereiten und durchzuführen hat, wie der zu 2 beteiligte Wahlausschuss für die Wahl der MAV C. Rechtlich kann nur eine Mitarbeitervertretung für jede Dienststelle bzw. für jeden als selbständige Dienststelle geltenden Teil einer Einrichtung gebildet werden. Demgemäss kann es - im Verhältnis dieser beiden Wahlvorstände - nur darum gehen, welche der durchzuführenden Wahlen unter diesem Gesichtspunkt rechtmäßig ist.
Die Dienststellenleitung ist notwendig beteiligt. Dagegen bedurfte es der Beteiligung der inzwischen gewählten MAV D nicht, weil sie von der Entscheidung, ob die Wahl einer MAV C durchführt wird oder nicht, rechtlich nicht betroffen ist. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn es zur Anfechtung von Wahlen mit der Begründung kommt, es habe nur eine einzige Mitarbeitervertretung gewählt werden dürfen, kann für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben.
4. Die Beschwerde ist begründet. Die einstweilige Anordnung durfte auf den Antrag der MAV A nicht ergehen. Sie ist hierzu nicht antrags- oder prozessführungsbefugt.
a) Ob diese Befugnis gegeben ist, ist als Sachentscheidungsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen entsprechend § 63 VwGO zu prüfen (vgl. Redeker/von Oertzen, § 63 VwGO Rn 7 mwN, vgl. für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG § 81 Rn 53). Zur Einleitung eines Schiedsverfahrens nach dem MVG.K (bzw. Schlichtungsverfahrens nach dem MVG.EKD) ist nur befugt, wer berechtigt ist, das geltend gemachte Recht bzw. die begehrte Leistung für sich (oder im eigenen Namen für den eigentlich Berechtigten) zu verlangen (vgl. BVerwGE 3, 150 f; BGHZ 31, 273; BAGE 49, 267).
b) Die Antragsbefugnis der antragstellenden Mitarbeitervertretung ist vorliegend nicht gegeben. Die Vorbereitung und die Durchführung der Wahl einer Mitarbeitervertretung obliegen allein dem Wahlausschuss (§ 1 Abs. 1 WO MVG.K), vorliegend dem am 8. Februar 2001 Wahl bestellten Wahlausschuss MAV A. Er hat die von ihm für den 10. Mai 2001 vorgesehene Wahl einer Mitarbeitervertretung für die gesamte Einrichtung vorzubereiten und durchzuführen. Dies gilt auch, wenn die Wahlen der Sache nach konkurrieren, weil Mitarbeitervertretungen mit sich überschneidenden Zuständigkeiten gewählt werden. Auch in solchem Fall obliegt den Wahlausschüssen und nicht der bisherigen Mitarbeitervertretung die Vorbereitung und Durchführung der - sich gegenseitig in ihrer Rechtmäßigkeit hinsichtlich der Frage der Dienststelle ausschließenden - Wahlen einschließlich des Betreibens oder der Abwehr etwaiger begleitender rechtlicher Auseinandersetzungen. Das Amt, die Zuständigkeit oder irgendwelche sonstigen Rechte der derzeit für die gesamte Dienststelle bestehenden MAV A werden durch den von ihr gestellten Eilantrag nicht berührt. Denn es geht hier nicht um Amt und
Existenz der antragstellenden MAV A, sondern um die Durchführung anstehender Regelwahlen. Insoweit ist eine Mitarbeitervertretung nicht Subjekt, sondern Objekt des Geschehens. Sie ist vor allem nicht befugt, nach § 14 MVG.K ein Wahlanfechtungsverfahren zu betreiben. Sie kann deswegen auch keine kontrollierenden Tätigkeiten bei der Wahldurchführung ausüben.
Eine denkbare Beeinträchtigung der Befugnisse und Zuständigkeiten der konkurrierenden Mitarbeitervertretungen kann mit Rücksicht auf Beginn und Ende der regelmäßigen Amtszeiten (§ 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MVG.K) frühestens ab 1. Mai 2001 eintreten. Ob solche Beeinträchtigungen vorliegen, kann erst geklärt werden, wenn es zur Bildung konkurrierender Mitarbeitervertretungen gekommen ist. Ob und wenn ja, welche der Wahlen wegen Verkennung des Begriffs der Dienststelle (§ 3 Abs. 1 und/oder 2 MVG.K) anfechtbar ist, mag nachträglich im Rahmen etwaiger Wahlanfechtungsverfahren geklärt werden.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 13 VGG.EKD, § 8 BRAGO.