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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:23.06.2003
Aktenzeichen:VerwG.EKD II-0124/G22-02
Rechtsgrundlage:BGB § 38 S. 1, MVG.Württemberg § 36a , MVG.EKD § 63 Abs. 1 Buchst. h
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Landeskirche und Diakonie in Württemberg, Az.: VR # 5/2001 D; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 3/04, S. 141; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2004, S. 37
Schlagworte:Verschmelzung mehrer Vereine auf einen aufnehmenden Verein und Mitgliedschaft zu einem gliedkirchlichen diakonischen Werk
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Leitsatz:

1. Die Verschmelzung eines Rechtsträgers, der Mitglied in einem gliedkirchlichem diakonischen Werk war, auf einen anderen Rechtsträger führt grundsätzlich zur Beendigung dieser Mitgliedschaft mit dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers.
2. Aus der sich aus der Satzung ergebenden Verpflichtung des aufnehmenden Rechtsträgers, Mitglied in dem jeweiligen landeskirchlichen diakonischen Werk zu werden, in dessen Bereich er Einrichtungen betreibt, ergeben sich für die Mitarbeitervertretung bei einer solchen Einrichtung des Rechtsträgers keine Rechte.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz, Ev. Landeskirche und Diakonie in Württemberg vom 5. August 2002 - richtig: 15. Juli 2002 - VR # 5/2001 D - aufgehoben.
Der Antrag wird als z.Zt. unbegründet abgewiesen.
2. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.

Gründe:

I. Mit am 19. März 2001 bei der Schlichtungsstelle eingegangenem Schriftsatz vom 6. März 2001 hat die aus drei Personen bestehende Mitarbeitervertretung gegen den damaligen Träger der Einrichtung A, die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens wegen des Abschlusses einer Dienstvereinbarung zur Festlegung der Vertragsgrundlagen i.S.d. § 36a MVG.Württemberg beantragt.
Die Mitarbeitervertretung hielt den damaligen Träger nach § 4 Ziff. 9 der Satzung des Diakonischen Werkes Württemberg für verpflichtet, Mitarbeitervertretungen nach dem MVG.Württemberg zu bilden und das MVG.Württemberg und nicht das MVG.EKD anzuwenden, so dass nach § 36a MVG.Württemberg durch Dienstvereinbarung festzulegen sei, welche nach den Beschlüssen der ARK zulässige Vertragsgrundlage für die Einzelarbeitsverhältnisse der Dienststelle gelte.
Demgegenüber hatte der damalige Träger auf die Festlegung in seiner Trägerentscheidung verwiesen, einheitlich die AVR.EKD anzuwenden. Die Mitgliedschaft des damaligen Trägers in dem Diakonischen Werk Württemberg habe nicht zur Folge, als Träger die AVR.Württemberg anwenden zu müssen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Dienststellenleitung zum Abschluss einer Dienstvereinbarung nach § 36a MVG verpflichtet ist,
2. zu empfehlen, in dieser Dienstvereinbarung als Anstellungsgrundlage für die Arbeitsverträge der privatrechtlich angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend dem Vorschlag der Mitarbeitervertretung die AVR Württemberg zugrunde zu legen,
3. gleichzeitig festzustellen, dass die Anwendung der AVR des Diakonischen Werkes der EKD gemäß Übernahmebeschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission Württemberg vom 5. November 1982 i.V.m. der Entscheidung des Schlichtungsausschusses vom 14. März 1997 ausgeschlossen ist.
Der damalige Träger hat beantragt,
die Anträge der Mitarbeitervertretung zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, es sei unvertretbar, dass überregionale Träger unterschiedliche landeskirchliche dienstrechtliche Regelungen anwenden müssen. Das gelte ebenso für das Mitarbeitervertretungsgesetz. Für ihn seien die AVR.EKD und das MVG.EKD maßgebend.
Mit Beschluss vom 15. Juli 2002 - unrichtig auf den 5. August 2002 bzw. auf den 15. August 2002 datiert - hat die Schlichtungsstelle festgestellt, dass der damalige Träger zum Abschluss einer Dienstvereinbarung nach § 36a MVG.Württemberg verpflichtet ist. Außerdem ist als Vermittlungsvorschlag die Empfehlung ergangen, in dieser Dienstvereinbarung als Anstellungsgrundlage für die Arbeitsverträge der privatrechtlich angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die AVR Württemberg zugrunde zu legen. Ferner hat die Schlichtungsstelle festgestellt, dass die Anwendung der AVR des Diakonischen Werks der EKD gemäß Übernahmebeschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission Württemberg vom 5. November 1982 i.V.m. mit der Entscheidung des Schlichtungsausschusses vom 15. März 1997 ausgeschlossen ist.
Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der damalige Träger sei sachlich legitimiert. Der Verein sei im Vereinsregister nicht gelöscht. Die beschlossene Verschmelzung sei noch nicht eingetragen. Daher sei er noch rechtlich existent und in dem anhängigen Schlichtungsverfahren als Einrichtungsträger - Dienststelle - nach wie vor Beteiligter. Die getroffenen Entscheidungen der Schlichtungsstelle ergäben sich aus dem MVG und aus den AVR Württemberg, zu deren Anwendung der damalige Träger als Mitglied des Diakonischen Werks der ev. Kirche in Württemberg e.V. verpflichtet sei. Die erste Feststellung beruhe auf § 36a S. 1 MVG.Württemberg. Der Vermittlungsvorschlag beruhe auf dem Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 5. November 1982 i.d.F. vom 14. März 1997. Die weitere Feststellung bekräftige die für Mitglieder des Diakonischen Werks der ev. Kirche in Württemberg e.V. nach der Satzung bestehende Verpflichtung zur Anwendung der AVR Württemberg und stelle klar, dass die - gleichwohl vorgenommene - Anwendung der AVR.EKD den Satzungspflichten zuwider laufe.
Gegen diesen am 10. September 2002 zum Zwecke der Zustellung zur Post gegebenen Beschluss hat der Träger mit am 20. September 2002 beim VerwG.EKD eingegangenem Schriftsatz vom 19. September 2002 Beschwerde eingelegt. Er hat geltend gemacht, dass der damalige Träger mit einem zweiten auf einen dritten Träger mit Wirkung vom 11. September 2002 verschmolzen worden ist. Nach Benennung entspricht er dem aufnehmenden Verein.
Er wende die AVR und das MVG der EKD an.
Durch die Verschmelzung sei er Träger aller 29 Einrichtungen mit ca. 1.400 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen geworden. Durch die Verpflichtung zur Anwendung regionaler Arbeitsrechtsregelungen würden unternehmerische Entscheidungen ausgehebelt.
Der jetzige Träger hat der Sache nach beantragt:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz, Ev. Landeskirche und Diakonie in Württemberg vom 15. Juli 2002 - datiert vom 5. August 2002 bzw. 15. August 2002 - VR # 5/2001 D - abgeändert:
Die Anträge der Mitarbeitervertretung bei der Einrichtung A werden zurückgewiesen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt:
Die Beschwerde des Dienstgebers ist als unbegründet zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf § 4 Ziff. 6 der Satzung des Trägers:
"Der Verein ist Mitglied des als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege anerkannten Diakonischen Werkes der Ev. Kirche im Rheinland sowie in gliedkirchlichen Werken der Ev. Kirche, in denen der Verein Einrichtungen betreibt und damit zugleich dem Diakonischen Werk der EKD angeschlossen."
Der Träger habe in Württemberg 7 Einrichtungen, eine davon sei ihre Einrichtung A, bei der sie gebildet worden sei. Somit sei der Träger entsprechend seiner Satzung auch Mitglied im gliedkirchlichen Werk, d.h. im Diakonischen Werk Württemberg, oder habe dies zu beantragen. Daher träfen den Dienstgeber auch die Satzungspflichten gem. § 4 Ziff. 8 und 9 der Satzung des Diakonischen Werkes Württemberg. Hieraus sei der Träger verpflichtet, dass MVG.Württemberg und nicht das MVG.EKD anzuwenden und darüber hinaus nach § 36a MVG.Württemberg durch Dienstvereinbarung festzulegen, welche nach den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission zulässige Vertragsgrundlage für die Einzelarbeitsverhältnisse mit der Dienststelle gelte. Hierbei handele es sich um eine zwingend abzuschließende Dienstvereinbarung.
Auf Anfrage des Vorsitzenden Richters der Zweiten Kammer des VerwG.EKD hat der jetzige Träger mit Schreiben vom 27. März 2003 folgendes mitgeteilt:
"Das Diakonische Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e.V. hat uns mit Schreiben vom 24.3.2003 folgendes mitgeteilt:
'Da nur der damalige Träger Mitglied im Diakonischen Werk Württemberg war und durch den Verschmelzungsvertrag vom 12.6.2002 erloschen ist, werden wir den Verein ab sofort nicht mehr in unserer Mitgliederliste führen.'"
Das Diakonische Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e.V. hat mit Schreiben vom 28. März 2003 dem VerwG.EKD mitgeteilt:
"Der ursprüngliche Verein mit Sitz in Bonn war Mitglied im DWW, dann trat er aus, weil er neu in regionale e.V. strukturiert wurde. Anstelle des ursprünglichen Vereins wurde der damalige Träger unser Mitglied.
Wir haben bereits in mehreren Schreiben seinem Vorstand mitgeteilt, dass wir die Rechtsauffassung vertreten, dass mit der Verschmelzung das bisherige Mitglied nicht mehr existiert und somit auch nicht mehr unser Mitglied sein kann.
Andererseits gibt es durch diese Verschmelzung aber auch nicht eine automatische Mitgliedschaft des jetzigen Trägers.
...
Es bleibt dem jetzigen Träger ... unbenommen, einen neuen Mitgliedsantrag zu stellen. Es ist dann Angelegenheit unseres zuständigen Organs des DWW, ob die Aufnahme erfolgt.
..."
II. Die nach § 63 Abs. 1 Buchst. h MVG.EKD statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Der jetzige Träger ist beschwerdebefugt. Auf ihn wurde u.a. der damalige Träger, der ursprüngliche Dienstgeber, bei dem bzw. bei dessen Einrichtung die antragstellende Mitarbeitervertretung gebildet worden war, verschmolzen mit der Folge, dass er als aufnehmender Rechtsträger Beteiligter des mitarbeitervertretungsrechtlichen Verfahrens ist. Denn bei Verschmelzung durch Aufnahme erfolgt die Übertragung des Vermögens - Aktiva und Passiva - eines oder mehrerer Rechtsträger als ganzes auf einen anderen Rechtsträger.
Mit der Verschmelzung des damaligen Trägers auf den jetzigen Träger ist aber die Voraussetzung des Begehrens der Mitarbeitervertretung entfallen, nämlich die Mitgliedschaft des Dienstgebers in dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e.V., was dazu führt, dass die Anträge der Mitarbeitervertretung jedenfalls z.Zt. unbegründet sind.
Sowohl der jetzige Träger als auch das Diakonische Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e.V. haben übereinstimmend mitgeteilt, dass nur der damalige Träger Mitglied im Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Württemberg e.V. war und dass diese Mitgliedschaft mit der Verschmelzung erloschen ist.
Das entspricht auch der Rechtslage. Denn die Verschmelzung führte vereinsrechtlich wegen § 38 S. 1 BGB dazu, dass die Mitgliedschaft mit dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers endete. Die Verschmelzung eines Rechtsträgers als Hauptanwendungsbeispiel für eine Gesamtrechtsnachfolge hat vereinsrechtlich wegen § 38 Abs. 1 BGB zur Folge, dass die Mitgliedschaft in dem Verein mit dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers endet (vgl. Wiedemann/Oetker/Wank, TVG 6. Aufl., § 3 Rn. 162; B. Gaul, NZA 1995, 717, 719).
Der jetzige Träger ist bislang nicht Mitglied des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Württemberg e.V. geworden. Selbst wenn er nach seiner Satzung dazu verpflichtet ist, beizutreten, ist dies bislang nicht erfolgt. Auf einen etwaigen Satzungsverstoß kann sich die Mitarbeitervertretung nicht mit Erfolg berufen. Die Satzung regelt die Interna des Vereins, schafft aber keine Rechte zugunsten der Mitarbeitervertretung.
Nachdem die Satzung des Diakonischen Werks der ev. Kirche in Württemberg e.V. einen Übergang der Mitgliedschaft auf einen Rechtsnachfolger nicht vorsieht, braucht auf die Frage der vereinsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Satzungsregelung nicht eingegangen zu werden.
Fehlt es sonach an der Mitgliedschaft des Dienstgebers im Diakonischen Werk der ev. Kirche in Württemberg e.V. sind die Anträge der Mitarbeitervertretung schon deswegen unbegründet, und zwar jedenfalls im Hinblick auf den möglichen Beitritt des Dienstgebers nur zurzeit.
Auf die weiteren Fragen braucht die Kammer nicht einzugehen.
Sonach war der Beschwerde stattzugeben. Die Entscheidung konnte nach § 130a S. 1 VwGO i.V.m. § 16 S. 1 VGG.EKD ohne mündliche Verhandlung ergehen.
III. Die Nebenentscheidung beruht auf § 13 VGG.EKD.