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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.01.2005
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/K56-04
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 45, § 63 n.F. ,BGB § 130, ArbGG § 83
Vorinstanzen:Kirchengericht für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes -Kammer für das Diakonische Werk der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Az.: 2/2004, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2006, S. 29
Schlagworte:Zur Frage der wirksamen Stellung eines Antrages auf Erörterung nach § 45 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD
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Leitsatz:

1. In mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten, in denen die Mitarbeitervertretung Beteiligte des Verfahrens ist, kann der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung nur als Beteiligter, die übrigen Mitglieder der Mitarbeitervertretung, auch der stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung, können dagegen als Zeugen vernommen werden.
2. Ein noch am letzten Tage der Zweiwochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD gegen 14.30 Uhr in das hausinterne Postfach der Dienststellenleitung eingeworfenes Schreiben, mit dem die Mitarbeitervertretung die Erörterung der beabsichtigten Maßnahme verlangt, ist i. d. R. fristwahrend. Ob die Frist bereits im Zeitpunkt des normalen Dienstschlusses der Dienststellenleitung abläuft (so VerwG.EKD vom 27. April 1995 - 0124/5-95 -, ZMV 1996 S. 38 für das Mitberatungsrecht bei einer außerordentlichen Kündigung) oder erst um Mitternacht dieses Tages, bleibt offen.

Tenor:

Unter Abänderung des Beschlusses des Kirchengerichtes für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes - Kammer für das Diakonische Werk - vom 11. Oktober 2004 - 2/2004 - wird festgestellt,
dass die Dienststellenleitung mit der Ausgliederung der Wäscherei auf ein Tochterunternehmen das Beteiligungsrecht der Antragstellerin verletzt hat.
Der Dienststellenleitung wird untersagt, die Wäscherei auf ein Tochterunternehmen vor Abschluss des Verfahrens gemäß § 45 MVG.EKD zu übertragen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststellenleitung das Beteiligungsrecht der antragstellenden Mitarbeitervertretung nach § 45 MVG.EKD verletzt hat. Dabei geht es um die Frage, ob das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 16. Februar 2004, mit dem "die Erörterung nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz § 45 Abs. 1 ... beantragt" wurde, noch vor Ablauf der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD der Dienststellenleitung zugegangen ist oder erst am 17. Februar 2004 nach Ablauf der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD, in welch letzterem Fall die Maßnahme der Ausgliederung der Wäscherei nach § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD "als gebilligt" gölte.
Die Beteiligte ist eine diakonische Einrichtung, die u.a. ein Krankenhaus betreibt. Die Antragsstellerin ist die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung.
Anfang des Jahres 2004 unterrichtete die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung darüber, dass die Stiftung ein Tochterunternehmen als Service-Gesellschaft gegründet habe. In einem weiteren Gespräch am 2. Februar 2004 unterrichtete der Verwaltungsleiter die Mitarbeitervertretung darüber, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wäscherei sollten in die Service-Gesellschaft ausgegliedert werden.
Mit dem Schreiben vom 16. Februar 2004 beantragte die Mitarbeitervertretung mündliche Erörterung unter Hinweis auf § 45 Abs. 1 MVG.EKD. Die mündliche Erörterung fand nicht statt.
Die Mitarbeitervertretung hat die Auffassung vertreten, das Schreiben vom 16. Februar 2004 sei der Dienststellenleitung rechtzeitig zugegangen. Die Mitarbeitervertretung habe ausweislich des aufgebrachten Vermerks das Schreiben vom 16. Februar 2004 am 16. Februar 2004 zwischen 14.00 Uhr und 14.05 Uhr durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung, der das Schreiben gefertigt gehabt habe, in das Postfach des Leiters der Krankenhausleitung einwerfen lassen. Es handele sich dabei um ein verschlossenes Postfach, das zentral in der Poststelle im Hauptgebäude angebracht sei. Das Büro des Chefarztes befinde sich unweit von der Poststelle. Der stellvertretende Vorsitzende könne den Vorgang deshalb zeitlich genau zuordnen, weil er anschließend zu einer Sitzung gegangen sei, die sich mit der Erstellung einer OP-Geschäftsordnung für das Krankenhaus beschäftigt habe.
(Beweis: Vernehmung des stellvertretenden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung).
Außerdem beruft sie sich auf das von der Mitarbeitervertretung geführte Postausgangsbuch, in dem das Datum der Zustellung vermerkt worden sei und das schon für den 18. Februar weitere Einträge aufweise, so dass es ausgeschlossen sei, dass das Datum der Zustellung nachträglich angebracht worden sei.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Antragsgegnerin mit der Ausgliederung der Wäscherei auf ein Tochterunternehmen das Beteiligungsrecht der Antragstellerin verletzt hat;
2. der Antragsgegnerin zu untersagen, die Wäscherei auf ein Tochterunternehmen zu übertragen, bevor das Verfahren gemäß § 45 MVG.EKD abgeschlossen ist.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Mitarbeitervertretung vor Durchführung der Betriebsänderung im Rahmen des Übergangs der Aufgaben der Wäscherei auf die Service-Gesellschaft zum 30. April 2004 ordnungsgemäß im Sinne der §§ 45, 46 MVG.EKD beteiligt zu haben.
Die Mitarbeitervertretung habe mit Schreiben vom 16. Februar 2004, das der Dienststellenleitung erst am 17. Februar 2004 zugegangen sei, eine weitere Erörterung gemäß § 45 Abs. 1 MVG beantragt. Der Antrag vom 17. Februar 2004 sei somit nicht fristwahrend erfolgt, die Maßnahme gelte als gebilligt.
Das Schreiben vom 16. Februar 2004 sei am 17. Februar 2004 aus dem Postfach entnommen und der Eingangsstempel vom 17. Februar 2004 angebracht worden.
Das Postfach sei am 16. Februar 2004 von der Sekretärin des Leiters der Krankenhausleitung zu den dafür vorgesehenen Geschäftszeiten geleert worden, ohne dass das Schreiben vom 16. Februar 2004 aufgefunden worden sei. Erst im Rahmen der Leerung am 17. Februar 2004 sei das Schreiben in Empfang genommen und der Eingangsstempel 17. Februar 2004 aufgebracht worden.
Die Mitarbeitervertretung veranlasse üblicherweise die Zustellung von Schriftstücken über den Briefkasten der Krankenhausleitung, zum hier streitgegenständlichen Zeitpunkt über das Brieffach des Sekretariates des Leiters der Krankenhausleitung. Die Sekretärin des Leiters der Krankenhaisleitung leere das Postfach nach den im Hause bekannten Postverteilungszeiten. Die Postverteilung erfolge im Hause durch eine Mitarbeiterin zweimal täglich, und zwar in den Zeiten von 7.00 Uhr bis 7.30 Uhr bzw. 10.00 Uhr bis 10.30 Uhr. Hiermit korrespondierten die Leerungszeiten im Sekretariat des Leiters der Krankenhausleitung, und zwar zweimal am Tag von 7.30 Uhr bis 8.00 Uhr bzw. 10.30 Uhr bis 11.00 Uhr. In den Nachmittagstunden erfolge keine übliche Leerung des Postfachs, da mit einer Postverteilung nicht mehr zu rechnen sei. Soweit schriftliche Mitteilungen im Hause am gleichen Tage zugehen sollten, bestehe die betriebsübliche Praxis, dass die mit der Postverteilung beauftragte Mitarbeiterin oder ein anderer Mitarbeiter im Sekretariat des Leiters der Krankenhausleitung anrufe, dass ein wichtiges Schriftstück zugestellt werden solle. Der Zugang erfolge sodann gegen Unterschrift am gleichen Tage.
(Beweis: Zeugnis der Sekretärin des Krankenhausleiters).
Es sei im Hause bekannt, dass die Post nur zu den beiden genannten Terminen von einer Mitarbeiterin verteilt werde, so dass sich danach die Leerungszeiten anschlössen. Eine nachmittägliche Leerung sei unüblich und erfolge regelmäßig nur bei entsprechendem Anruf.
(Beweis: Zeugnis der mit der Postverteilung beauftragten Mitarbeiterin, Zeugnis der Sekretärin des Krankenhausleiters).
Nach der bekannten Praxis habe es der Mitarbeitervertretung oblegen, im Sekretariat der Dienststellenleitung anzurufen, dass eine fristwahrende Erklärung noch zugestellt werden solle. Dieses Vorgehen sei auch der Mitarbeitervertretung bekannt, da sie in der Vergangenheit in gleicher Weise vorgegangen sei.
(Beweis: Zeugnis der Sekretärin des Krankenhausleiters).
Das Kirchengericht für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes - 1. Kammer für das Diakonische Werk - hat mit Beschluss vom 29. September 2004 /11. Oktober 2004, den Antrag der Mitarbeitervertretung "abgelehnt". Als Begründung ist ausgeführt, die Mitarbeitervertretung habe den rechtzeitigen Zugang ihres Antrages auf Erörterung nicht nachgewiesen. Es sei Sache der Mitarbeitervertretung, den Zugang des Schreibens noch am 16. Februar 2004 zu beweisen. Diesen Beweis habe die Mitarbeitervertretung nicht erbracht. Der stellvertretende Vorsitzende sei als Mitglied der Mitarbeitervertretung Partei im Sinne des Gesetzes. Er könne damit nicht als Zeuge fungieren. Einer Parteivernehmung habe die Dienststellenleitung ausdrücklich widersprochen. Gemäß § 445 Abs. 2 ZPO habe die Mitarbeitervertretung nur beantragen können, die Dienststellenleitung über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen. Dies habe sie nicht getan. Von daher habe es auch der Vernehmung der durch die Dienststellenleitung angebotenen Zeuginnen für die Zeiten der hausinternen Postverteilung nicht bedurft. Der Hinweis auf das Postausgangbuch sei unzureichend. Durch die Dokumentation im Postausgangsbuch könnte nur festgestellt werden, dass das Schreiben an die Dienststellenleitung abgesandt worden sei. Der Zugang werde dadurch nicht belegt. Für den Nachweis der Zustellungen von gewöhnlichen Briefsendungen genüge nicht der Beweis des ersten Anscheins. Die Maßnahme gelte gemäß § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD als gebilligt.
Gegen den ihr nach dem 11. Oktober 2004 übersandten Beschluss hat die Mitarbeitervertretung am 2. November 2004 Beschwerde einlegen lassen. Sie beanstandet, dass das Kirchengericht über die streitige Frage des Zugangs des Schreibens der Mitarbeitervertretung vom 16. Februar 2004 keinen Beweis erhoben habe. Wer einen Briefkasten aufstelle, tue dies in der erklärten Absicht, durch diesen Briefkasten an den Aufsteller gerichtete Erklärungen entgegenzunehmen. Werde ein Schriftstück und damit eine Erklärung in den Briefkasten eingeworfen, so gelte es als dem Empfänger zugegangen. Fraglich sei der Zeitpunkt des Zugangs. Regelmäßig werde ein Schriftstück zu dem Zeitpunkt zugegangen sein, in dem der Absender nach normalem Lauf der Dinge davon habe ausgehen können, dass der Aufsteller des Briefkastens den Inhalt des Briefkastens auch tatsächlich zur Kenntnis nehme. Bei Briefkästen an Wohnhäusern sei die Rechtsprechung in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass dies dann der Fall sei, wenn die übliche Postzustellung erfolgt sei. Im Hinblick darauf, dass zunehmend Schriftstücke auch auf andere Weise als durch Zustellung durch Post zugestellt würden, sei die Rechtsprechung hiervon zunehmend abgerückt und gehe nunmehr überwiegend davon aus, dass ein Schriftstück dann zugestellt sei, wenn es noch zu einem Zeitpunkt in den Briefkasten gelange, in dem ein Bürger überhaupt mit einer Zustellung rechnen könne und müsse. Diese Grundsätze könnten sinngemäß auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Ein Vertreter der Dienststellenleitung, der einen Postkasten unterhalte, müsse damit rechnen, dass in diesen Postkasten während der betriebsüblichen Arbeitszeit Poststücke eingeworfen würden. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn allgemein bekannt oder auf andere Weise offenkundig sei, dass der Briefkasten nach einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr geleert werde. Dies könne sich zum Beispiel aus einem entsprechenden Hinweis auf dem Briefkasten ergeben. Tatsächlich sei weder ein solcher Hinweis angebracht gewesen, noch sei auf andere Weise bekannt gegeben worden oder bekannt geworden, dass der Briefkasten nur in der Zeit zwischen 7.30 Uhr und 8.00 Uhr einerseits und 10.30 Uhr und 11.00 Uhr andererseits geleert werde. Die Mitarbeitervertretung habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass ein gegen 14.00 Uhr eingeworfener Brief noch am selben Tage zur Kenntnis genommen werde.
Die von der Dienststellenleitung behauptete Übung, das Postfach spätestens gegen Mittag zu leeren, gebe es nicht. Eine solche Übung sei nicht bekannt gemacht worden. Sie sei insbesondere gegenüber der Mitarbeitervertretung nicht bekannt gegeben worden. Wer in einem Verwaltungsbetrieb oder in einem Büro ein Postfach unterhalte, müsse damit rechnen, dass ihm während der normalen Bürozeit ein Schriftstück dort zugestellt werde. Es sei auch keineswegs zwingend, dass der Empfänger eines solchen Schriftstücks in jedem Falle im Moment der Zustellung davon Kenntnis nehme. Die Frage des Zugangs spiele nur im Hinblick auf die einzuhaltenden Fristen eine Rolle.
Eine feste Übung, nach der die Mitarbeitervertretung den Zugang fristgebundener Schriftstücke stets telefonisch angekündigt habe, gebe es nicht.
Der Zugang des Schreibens vom 16. Februar 2004 sei deshalb am 16. Februar 2004 erfolgt.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Kirchengerichtes vom 11. Oktober 2004 - Az.: 2/2004 -
1. festzustellen, dass die Antragsgegnerin mit der Ausgliederung der Wäscherei auf ein Tochterunternehmen das Beteiligungsrecht der Antragstellerin verletzt hat;
2. der Antragsgegnerin zu untersagen, die Wäscherei auf ein Tochterunternehmen zu übertragen, bevor das Verfahren gemäß § 45 MVG.EKD abgeschlossen ist,
hilfsweise,
unter Abänderung des Beschlusses des Kirchengerichtes vom 11. Oktober 2004 - Az.: 2/2004 -
festzustellen, dass die Zustimmungsfiktion gemäß § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD dann nicht eintritt, wenn die Mitarbeitervertretung ihren Antrag auf mündliche Erörterung bis zum Ende der gewöhnlichen Arbeitszeit in der Verwaltung der Antragsgegnerin in ein für die Entgegennahme von Schriftstücken bereitgehaltenes Postfach einwirft.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Kirchengerichtes. Sie wiederholt ihren Vortrag "zur hausinternen Übung im Falle des Zugangs fristgebundener Erklärungen", an welche Übung die Mitarbeitervertretung seit Jahren teilnehme. Sie verweist außerdem nochmals auf "eine jahrelang praktizierte Vorgehensweise, dass fristgebundene Schriftsätze telefonisch angekündigt werden, sodass eine Abholung am gleichen Tage sichergestellt wird".
II. Die Beschwerde ist nach § 63 MVG.EKD (n.F.) statthaft und auch sonst zulässig.
1. Das MVG.EKD ist nach den §§ 1 und 7 des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Evangelischen Kirche der Union, jetzt Union Evangelischer Kirchen in der EKD (ABl. KPS 1993, S 185) unmittelbar geltendes Recht in der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und ihrem Diakonischen Werk. Die Voraussetzungen des § 62 MVG.EKD liegen vor. Der Senat hat mit Beschluss vom 24. Januar 2005 die Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluss zugelassen.
2. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Vorinstanz hat die Hauptanträge der Mitarbeitervertretung zu Unrecht zurückgewiesen. Damit ist der in der Beschwerdeinstanz gestellte Hilfsantrag nicht angefallen.
Die Dienststellenleitung hat mit der Ausgliederung der Wäscherei in die Service-Gesellschaft das Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung verletzt. Der Dienststellenleitung war zu untersagen, die Wäscherei auf das Tochterunternehmen zu übertragen, bevor das Verfahren gemäß § 45 MVG.EKD abgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung des Kirchengerichtes gilt die genannte Maßnahme nicht gemäß § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD als gebilligt. Denn der Antrag der Mitarbeitervertretung vom 16. Februar 2004 auf Erörterung ist der Dienststellenleitung fristwahrend zugegangen mit der Folge, dass das Mitberatungsverfahren des § 45 MVG.EKD bislang nicht abgeschlossen ist. Das hat die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme durch die Vernehmung des stellvertretenden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung als Zeugen ergeben. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist im Sitzungsprotokoll vom 24. Januar 2005 niedergelegt.
Im Einzelnen gilt folgendes:
a) Das Rechtsschutzbedürfnis für die Anträge der Mitarbeitervertretung fehlt entgegen der Auffassung der Dienststellenleitung nicht deswegen, weil die Betriebsänderung nach Vortrag der Dienststellenleitung individualrechtlich abgeschlossen worden ist. Denn eine der Mitberatung unterliegende Maßnahme ist gemäß § 45 Abs. 2 MVG.EKD unwirksam, wenn die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt hat. Das gilt ebenfalls, wenn das Verfahren nicht ordnungsgemäß eingehalten wurde, wie es hier von der Mitarbeitervertretung geltend gemacht wird.
b) Die Dienststellenleitung kann sich nicht mit Erfolg auf den Eintritt der Fiktion - "gilt die Maßnahme als gebilligt" - des § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD berufen, denn die Mitarbeitervertretung hat den Antrag auf Erörterung wirksam gestellt mit der Folge, dass die Zustimmungsfiktion nicht mehr eintreten konnte. Der Antrag der Mitarbeitervertretung auf Erörterung mit Schreiben vom 16. Februar 2004 ist der Dienststellenleitung vor Ablauf der Frist zugegangen. Das hat die Beweisaufnahme ergeben. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Schreibens durch die Dienststellenleitung kommt es nicht an.
c) Entgegen der Auffassung des Kirchengerichtes ist der stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung, dessen Vernehmung die Mitarbeitervertretung zum Beweise dafür angeboten hat, dass das Schreiben vom 16. Februar 2004 an diesem Tage kurz nach 14.00 Uhr in den Postkasten der Dienststellenleitung, hier des Leiters der Krankenhausleitung geworfen worden sei, nicht Partei, sondern Zeuge. Für den Bereich der Betriebsverfassung ist für das Beschlussverfahren nach dem ArbGG anerkannt, dass, ist der Betriebsrat Beteiligter des Beschlussverfahrens, der Betriebsratsvorsitzende lediglich als Beteiligter, die übrigen Betriebsratsmitglieder dagegen als Zeugen vernommen werden können (Hauck/Helml ArbGG 2. Auflage 2003, § 83 RdNr. 7; Germelmann/Matthes/ Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. 2004, § 83 RdNr. 104). Dem folgt der Senat für den Bereich des Mitarbeitervertretungsgesetzes. Hier kann nichts anderes gelten. Der Vorsitzende der beteiligten Mitarbeitervertretung ist gegebenenfalls als Beteiligter (Partei), die Mitarbeitvertretungsmitglieder sind gegebenenfalls als Zeugen zu vernehmen.
d) Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 16. Februar 2004, mit dem sie die Erörterung beantragt hat, noch am 16. Februar 2004 gegen 14.30 Uhr in das Postfach des Leiters der Krankenhausleitung eingeworfen wurde. Damit ist es am letzten Tage der Frist zugegangen. Auf die Kenntnisnahme durch die Dienststellenleitung kommt es nicht an.
Der als Zeuge vernommene stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung hat bekundet, dass er am 16. Februar 2004 das Antragsschreiben vom selben Tage gegen 14.30 Uhr in das Postfach des Leiters der Krankenhausleitung eingeworfen habe. Diese Aussage ist glaubhaft. Denn der Zeuge hat den Zusammenhang mit dieser Zeitangabe hergestellt: Er war auf dem Wege zu einer Sitzung über eine in Aussicht genommene Geschäftsordnung "Operationssaal". Die für den Beginn dieser Sitzung von ihm zunächst angegebene Uhrzeit - 14.30 Uhr - hat er von sich aus anhand seines Terminkalenders auf 15.00 Uhr korrigiert. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln, hatte der Senat keinen Anlass. Der Zeuge hat zusammenhängend berichtet und die ihm gestellten Fragen so beantwortet, dass erkennbar war, dass er nur die Tatsachen bestätigt hat, die ihm aus eigenem Wissen bekannt waren.
Mit dem vom Zeugen bekundeten Einwurf des Schreibens am 16. Februar 2004 gegen 14.30 Uhr steht indes noch nicht der Zugang dieses Schreibens fest.
Die Erklärung ist zugegangen, sobald sich der Empfänger bei normaler Gestaltung seiner Verhältnisse Kenntnis von der Erklärung verschaffen kann und die Kenntnisnahme nach den Geflogenheiten des Verkehrs von ihm erwartet werden muss. Daraus folgt, dass der Zeitpunkt des Zugangs nicht uneingeschränkt mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, in dem die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt. In den Machtbereich des Empfängers ist die Erklärung gelangt, wenn sich der Brief im Briefkasten befindet. Besteht die Möglichkeit der Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Verhältnissen, so ist es unbeachtlich, wann der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Erreicht ein Schriftstück die Empfangseinrichtungen des Adressaten - Briefkasten, Postschließfach - zu einer Tageszeit, zu der nach den Geflogenheiten der Verkehr eine Entnahme oder Abholung durch den Adressaten nicht mehr erwartet werden kann, ist die Erklärung an diesem Tag nicht mehr zugegangen. Eine Erklärung die erst zur Nachtzeit in den Briefkasten eingeworfen wird, geht somit erst am nächsten Tage zu (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Müller-Glöge 5. Aufl. 2005 230 (BGB) § 620 RdNr. 49).
Folgt man dem, so ist vom Zugang des Schreibens vom 16. Februar 2004 an diesem Tage auszugehen. Bei Einlegung in ein Postfach ist von der üblichen Postverteilung auszugehen. Diese wird normalerweise wenigstens am späten Vormittag erfolgen, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass jedenfalls für den Zugang von schriftlichen Erklärungen per Hausbriefkasten zunehmend die Auffassung vertreten wird, dass es nicht nur auf den Zeitpunkt der Zustellung durch die Deutsche Post AG ankommen kann, sondern zumindest auf den oder die Zeitpunkte der Zustellung durch andere Zustelldienste, der Zugang also auch noch zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem ein Bürger mit einer Zustellung noch rechnen kann und muss. Das kann auf zumindest Beteiligten zugängliche Postfächer übertragen werden. Hier hat die Dienststellenleitung vorgetragen, es sei im Hause bekannt, dass die Post nur zu den beiden genannten Terminen von der mit der Postverteilung beauftragten Mitarbeiterin verteilt werde, so dass sich danach die Leerungszeiten anschlössen. Eine nachmittägliche Leerung sei unüblich und erfolge regelmäßig nur bei entsprechendem Anruf, und hat dies unter Beweis gestellt, nachdem die Mitarbeitervertretung das bestritten hatte. Die Mitarbeitervertretung durfte sich mit einfachem Bestreiten begnügen, denn der Vortrag der Dienststellenleitung ist einer Beweiserhebung nicht zugänglich. Denn die Dienststellenleitung hat nicht vorgetragen, was es ausmachen soll, dass die von ihr vorgetragenen Handhabungen "bekannt" sind. Hier war der Vortrag erforderlich, wie diese Handhabungen bekannt gemacht worden sind, was etwa durch den Vortrag von Einzelfällen, auch solchen, an denen die MAV beteiligt gewesen sei, hätte geschehen können. Dass dieser Vortrag erforderlich war, zeigt folgende Kontrollüberlegung: Hätte der Senat die benannten Zeuginnen gefragt, ob die Handhabungen "bekannt" gewesen seien, hätten diese entweder mit "ja" oder "nein" geantwortet mit der Folge, dass unklar geblieben wäre, welche Tatsachen das "bekannt" ausmachen sollten. Eine aufmerksame Zeugin hätte auf die Frage mit einer Gegenfrage geantwortet, nämlich, was denn der Senat unter "bekannt" verstehe. Der Senat hätte das mangels Vortrags nicht beantworten können. Deshalb war aus der Sicht der Mitarbeitervertretung nicht davon auszugehen, dass in den Nachmittagsstunden keine übliche Leerung des Postfaches erfolge, mit einer Postverteilung nicht mehr zu rechnen sei.
Damit ist von einem Zugang am 16. Februar 2004 gegen 14.30 Uhr auszugehen, weshalb offen bleiben kann, ob die Antragsfrist erst um Mitternacht dieses Tages ablief oder bereits im Zeitpunkt des normalen Dienstschlusses der Dienststellenleitung, auf welch letzteren Zeitpunkt das VerwG.EKD in der von der Mitarbeitervertretung angesprochenen Entscheidung vom 27. April 1995 -0124/5-95-, ZMV 1996, S. 38 abgestellt hat (Bedenken gegen diese Entscheidung bei Baumann-Czichon/Demski/Germer/Kopp MVG.EKD 2. Aufl. 2003 § 38 RdNr. 8; vergleiche auch BAG 8. April 2003 AP - 2 AZR 515/02 BetrVG 1972 § 102 Nr. 133).
III. Da die Fiktion des § 45 Abs. 1 Satz 4 MVG.EKD nicht eingetreten ist, vielmehr der Antrag der Mitarbeitervertretung auf Anhörung rechtzeitig war, hatte die Dienststellenleitung in die Erörterung mit der Mitarbeitervertretung einzutreten. Das ist nicht geschehen. Damit hat die Dienststellenleitung mit der Ausgliederung der Wäscherei auf die Service Gesellschaft das Beteiligungsrecht der Mitarbeitervertretung verletzt. Das war festzustellen. Wegen der Verletzung des Mitberatungsrechts kann die Mitarbeitervertretung mit Erfolg die Unterlassung der Maßnahme verlangen. Das war auszusprechen.
IV. Ein Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung, § 12 Abs. 5 ArbGG).