.
#
Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 29.05.2006 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/M22-06 |
Rechtsgrundlage: | MVG.K § 22 Abs. 2, § 62 Abs. 5 S. 1, § 65 Abs. 1, MVG.EKD § 63 Abs. 2 , BGB § 626 |
Vorinstanzen: | Schiedsstelle der Konföderation evangelischen Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - Kammer Diakonisches Werk Hannovers -, Az.: 1 VR MVG 129/05, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2006, S. 247 |
Schlagworte: | Außerordentliche Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung |
Leitsatz:
Für die Mitarbeitervertretung liegt ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zu einer einem Mitglied der Mitarbeitervertretung gegenüber in Aussicht genommenen außerordentlichen Kündigung nicht vor, wenn die Voraussetzungen des § 626 BGB deswegen schon gegeben sind, weil das Mitglied der Mitarbeitvertretung am Informationsplatz des Krankenhauses der Dienststelle auf die Frage nach den Zeiten des Gottesdienstes durch eine Mitarbeiterin, von der er jedenfalls wußte, dass sie früher auch als Patientin im Krankenhaus der Dienststelle war, wörtlich gesagt hat: "Wollen Sie sich das wirklich antun? Meinen Sie, das hilft Ihnen noch?". Bei einer derartigen Loyalitätspflichtverletzung im Rahm des kirchenlichen Dienstes braucht sich die Dienststellenleitung nicht auf eine Abmahnung verweisen zu lassen.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe - Kammer Diakonisches Werk Han-novers - vom 13. Januar 2006 - Az.: 1 VR MVG 129/05 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass im Hinblick auf die beabsichtigte außerordentliche Kündigung gegenüber dem Mitarbeiter und Mitglied der Mitarbeitervertretung D. kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung vorliegt.
Gründe:
I. Die Dienststellenleitung begehrt die Feststellung, dass die Mitarbeitervertretung im Hinblick auf die in Aussicht genommene außerordentliche Kündigung gegenüber dem Mitarbeiter und dem Mitglied der Mitarbeitervertretung D. kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung hat.
Herr D. ist seit dem 15. November 1991 bei der Antragstellerin beschäftigt. Seit 15. November 1993 ist er in der Patientenaufnahme tätig. Er ist in Entgeltgruppe 6.2 der AVR-K eingruppiert. Er ist Mitglied der Mitarbeitervertretung.
Er wurde am 4. Dezember 2000 und am 18. Juli 2001 wegen Vernachlässigung von gegenüber Patienten bestehenden Aufklärungspflichten und wegen fehlerhafter Eingaben in das Patientenverwaltungssystem sowie wegen fehlerhafter Informationen gegenüber Patienten abgemahnt. Unter dem 13. Dezember 2000 ermahnte die Antragstellerin Herrn D. zudem zu einem sorgfältigeren und aufmerksameren Umgang mit dem Patientenverwaltungsystem.
Außerdem mahnte die Antragstellerin Herrn D. unter dem 13. Dezember 2000 wegen nach Auffassung der Antragstellerin grober sprachlicher Entgleisungen am 23. und 24. November 2000 ab.
Wegen weiterer ungehöriger Äußerungen gegenüber Kolleginnen wurde Herr D. in der Folgezeit von seiner Vorgesetzten ermahnt.
In einer schriftlichen Stellungnahme vom 14. Januar 2001 zu den Abmahnungen vom 4. und 13. Dezember 2000 räumte Herr D. gegenüber der Antragstellerin ein, sich in den genannten Fällen nicht korrekt verhalten zu haben. In einem Personalgespräch wurden die Abmahnungen und Ermahnungen am 16. Februar 2001 zwischen der Antragstellerin und Herrn D. im Beisein eines Vertreters der Mitarbeitervertretung erörtert.
Die von der Dienststellenleitung in Aussicht genommene außerordentliche Kündigung des Arbeitsver-hältnisses mit Herrn D. wird auf sein Fehlverhalten am 16. Oktober 2005 gestützt, das Gegenstand der Beschwerde der Frau E. ist. Nach Darstellung der Dienststellenleitung hatte Frau E., die als Sekretärin bei der Antragstellerin beschäftigt ist, sich u.a. am Sonntag, dem 16. Oktober 2005 wegen einer schwerwiegenden Erkrankung, aber auch als Patientin im Krankenhaus aufhielt, Herrn D. am Informationsplatz nach den Zeiten des Gottesdienstes befragt. Herr D. antwortete ihr daraufhin: "Das weiß ich nicht". Anschließend ging er mit Frau E. zusammen zu dem Aushang der Gottesdienste und zeigte ihr, dass der Gottesdienst um 10 Uhr beginne. Er sagte nach Angaben der Frau E. wörtlich: "Wollen Sie sich das wirklich antun? Meinen Sie, das hilft Ihnen noch?". Über dieses Verhalten des Herrn D. beschwerte sich Frau E. bei der Leiterin der Patientenaufnahme.
In dem am 20. Oktober 2005 geführten Gespräch aus Anlass der Beschwerde der Frau E., an dem Herr D. und u.a. der Personalleiter der Antragstellerin teilnahmen, erklärte Herr D., sich nicht mehr daran erinnern zu können, den Satz, "Meinen Sie, das hilft Ihnen noch?", geäußert zu haben. Wenn dies der Fall gewesen sei, habe er das flapsig gemeint. Von Seiten der Antragstellerin wurde daraufhin in diesem Gespräch angekündigt, aufgrund des gravierenden Vorgangs am 16. Oktober 2005, die außerordentliche Kündigung gegenüber Herrn D. einleiten zu wollen.
Herr D. wurde für den Rest des 20. Oktober 2005 und am 21. Oktober 2005 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.
Am 28. Oktober 2005 erörterte die Antragstellerin mit Vertretern der Mitarbeitervertretung die Frage der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Herrn D.. Die Mitarbeitervertretung erklärte hierzu, dass sie einem derartigen Antrag der Dienststellenleitung nicht stattgeben könne. Dieses käme allenfalls im Falle eines beabsichtigten bösartigen oder kriminellen Verhaltens in Frage.Daraufhin erklärte die Antragstellerin die Erörterung mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 für abgeschlossen.
Mit am 1. November 2005 bei der Schiedsstelle eingegangenem Antrag vom 31. Oktober 2005 macht die Dienststellenleitung weiter geltend, der Mitarbeitervertretung stehe ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Mitglied der Mitarbeitervertretung D. nicht zu.
Herr D. habe sich mit seinen Äußerungen als Vertreter einer kirchlichen Einrichtung in nicht akzeptabler, verachtender Art und Weise über den christlichen Glauben geäußert, dem die Antragstellerin und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verpflichtet seien. Durch den Umstand, dass er den Sinn des Besuchs des Gottesdienstes mit der Heilung einer Schwersterkrankung in Verbindung gesetzt habe, habe er das gemeinsame Glaubensbekenntnis auf das Niveau eines Wunderheilungskults reduziert. Er habe die religiösen Empfindungen und Ängste einer schwerkranken Kollegin und Patientin grob missachtet und verletzt. Daher sei es für die Antragstellerin nicht zumutbar, Herrn D. weiter in der Einrichtung zu beschäf-tigen.
Die Dienststellenleitung hat beantragt:
Es wird festgestellt, dass im Hinblick auf die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Mit-arbeiters und Mitarbeitervertreters Herrn D. kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung vorliegt.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die von der Antragstellerin beanstandete Äußerung des Herrn D. vom 16. Oktober 2005 gegenüber Frau E. lasse nicht darauf schließen, dass dieser den Besuch des Gottesdienstes mit der Heilung einer Schwersterkrankung in Verbindung gesetzt habe. Vielmehr sei die Äußerung des Herrn D. in dem Sinne zu verstehen, dass eine Kräftigung und Bestätigung des Glaubens durch den Gottesdienst entweder nicht zu erwarten sei oder es einer solchen Verbesserung gar nicht mehr bedürfe. Gehe man im Übrigen davon aus, dass sich Herr D., wie die Antragstellerin vorgetragen habe, in der Vergangenheit mehrfach gegenüber Mitarbeiterinnen und Patienten unangemessen geäußert habe und diese Äußerungen trotz Kenntnis durch die Vorgesetzte nicht abgemahnt worden seien, sei festzustellen, dass von Seiten der Antragstellerin offenbar eine herabwürdigende und respektlose Vulgärsprache geduldet werde, weil die Dienststellenleitung es insoweit an Kontrolle und Steuerung fehlen lasse. Selbst wenn die Äußerung des Herrn D. vom 16. Oktober 2005 eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Ab-mahnung begründen könne, bedeute dieses nachgiebige Verhalten der Dienststellenleitung in der Ver-gangenheit, dass eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung nicht in Betracht komme.
Mit dem der Dienststellenleitung am 31. Januar 2006 zugestellten Beschluss vom 13. Januar 2006 hat die Schiedsstelle den Antrag abgelehnt. In den Gründen ist im Wesentlichen ausgeführt, das Verhalten des Mitglieds der Mitarbeitervertretung D. sei an sich geeignet, die außerordentliche Kündigung zu rechtfer-tigen. Es stehe fest, dass Herr D. sich gegenüber Frau E. am 16. Oktober 2005 so geäußert habe, wie dies die Dienststellenleitung darstelle, nämlich mit den Worten: "Wollen Sie sich das wirklich antun? Meinen Sie, das hilft Ihnen noch?". Dies folge aus dem von Frau E. unterzeichneten Gesprächsvermerk vom 18. Oktober 2005 sowie aus der Erklärung des Herrn D. während des Gesprächs am 20. Oktober 2005 mit dem Personalleiter und mit seiner Vorgesetzten. In diesem Gespräch habe Herr D. die beanstandete Äu-ßerung inhaltlich nicht bestritten, sondern nur angegeben, sich nicht mehr daran erinnern zu können, den Satz gesagt zu haben: "Meinen Sie, das hilft Ihnen noch?". Der Umstand, dass Herr D. sich entsprechend geäußert habe, sei indes auch aus der Reaktion von Frau E. auf die Äußerung zu schließen, die enttäuscht und traurig hierüber gewesen sei und sich zu einer Beschwerde über dieses Verhalten des Herrn D. entschlossen habe. Schließlich lasse die Entschuldigung des Herrn D. gegenüber Frau E. darauf schließen, dass dieser sich eines Fehlverhaltens bewusst gewesen sei. Seine Erklärung in seiner Stellungnahme vom 26. November 2005, sich nicht in der genannten Weise geäußert zu haben, sei demgegenüber nicht nachvollziehbar und als Versuch der Bagatellisierung zu verstehen. Bei der Äußerung handele es sich um eine grobe sprachliche Entgleisung. Die Abwägung der gegenseiten Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einfalles führe jedoch nicht zu einem Überwiegen der Interessen der Dienststellenleitung an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn D.. Bei dieser rechtlichen Würdigung sei davon auszugehen, dass die beanstandete Äußerung des Herrn D. nicht den Tatbestand der Beleidi-gung nach § 185 StGB erfülle, weil es sich nicht um eine herabsetzende oder ehrverletzende Äußerung gegenüber Frau E. gehandelt habe, sondern ihre Gefühle und das Bedürfnis nach seelischem Beistand in einer für sie sehr belastenden persönlichen Situation verletzt habe. Diese Äußerung erfülle auch nicht den Tatbestand der sogenannten Formalbeleidigung.
Herr D. habe nachvollziehbar dargelegt, ihm sei zum Zeitpunkt seiner Äußerung nicht bewusst gewesen, dass sich Frau E., die er als Kollegin gekannt habe, in jenen Tagen als Patientin im Krankenhaus auf-gehalten habe. Seine Erklärung, ihm sei dieser Umstand nicht bekannt gewesen, weil er in der vorange-gangenen Woche nicht im Dienst gewesen sei und Frau E. ihm dieses auch nicht mitgeteilt habe, sei plausibel, zumal Frau E. das Gespräch mit Herrn D. in dem nur für Mitarbeiter zugänglichen Dienstraum gesucht habe. Daher habe Herr D. davon ausgehen müssen, dass Frau E. die genannte Frage als Kollegin und nicht als Patientin des Krankenhauses an ihn gerichtet habe. Der Umgang miteinander im Kollegenkreis, zumal bei langjähriger Kenntnis, sei vertrauter und zwangloser als dies bei dem Kontakt zwischen Mitarbeitern des Krankenhauses und seinen Patienten der Fall sei. Soweit dieser Befund durch die Äußerungen des Herrn D. gegenüber Patienten in der Vergangenheit widerlegt scheine, handele es sich ganz offensichtlich nicht um verallgemeinerungsfähige Einzelfälle. Der Umstand eines vertraulichen Umgangs unter Kollegen rechtfertige jedoch in keiner Weise die beanstandete Äußerung des Herrn D.; sie wäre auch dann als völlig unangemessen zu bewerten, wenn Frau E. sich nicht als Patientin, sondern "nur" als Kollegin an Herrn D. gewandt hätte. Der vertrauliche Umgang erkläre indes die bei Herrn D. offenbar vorhandene Bereitschaft, sich in solcher Weise zu äußern. Dese, das Verhalten des Herrn D. betreffende Äußerung, scheide indes als geeigneter Umstand für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsver-hältnisses mit Herrn D. aus, weil es an der erforderlichen Abmahnung fehle.
Nach der Rechtsmittelbelehrung am Schluss der Entscheidungsgründe ist gegen den Beschluss der Schiedsstelle die Beschwerde zum Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland gege-ben.
Gegen diesen Beschluss der Schiedsstelle wendet sich die Dienststellenleitung mit ihrer am 27. Februar 2006 beim Kirchengerichtshof eingegangenen Beschwerde, mit der sie vorträgt, aus dem Gesprächsvermerk vom 20. Oktober 2005 des Personalleiters ergebe sich, dass dem Mitglied der Mitarbeitervertretung D. "bei der Tat" bekannt gewesen sei, dass Frau E. als Patientin im Krankenhaus gewesen sei. Die von der Schiedsstelle angegebene Unwissenheit des Herrn D. könne diesen im Rahmen der Interessenabwägung nicht entlasten. Die Aussage des Mitarbeiters D. gegenüber einer schwerstkranken Patientin rechtfertige die außerordentliche Kündigung. Die Antragstellerin betreibe ein Diakonisches Krankenhaus, das dem Dienst Gottes verpflichtet sei. Die schwerstkranke Patientin habe am Sonntag an dem Gottesdienst teilnehmen wollen, was dem Bedürfnis und der Ausrichtung des Krankenhauses entspreche. Herr D. habe sich gegenüber der schwerstkranken Patientin abwertend geäußert. Er habe zunächst den Gottesdienst abgewertet, der könne bei einer Krankheit nicht hilfreich sein, und hat damit den Glauben, nach dem der Dienstgeber in der Dienstgemeinschaft seine Arbeit ausrichte, auf das Niveau eines Wunderglaubens reduziert. Zugleich habe er die schwerstkranke Patientin abgewertet, dass diese einem Wunderglauben anhänge. Schließlich habe er ihr - und das dürfe in einem Krankenhaus unter keinen Umständen passieren - ohne Not den Mut genommen. Mut sei für Schwerstkranke zur Genesung dringend erforderlich. Dass im Kollegenkreis vielleicht zwangloser miteinander umgegangen werde als bei formellen Anlässen, sei richtig. Jedoch zeige die Beschwerde der Patientin E., dass Herr D. einen mehr als flapsigen Umgangston ihr gegenüber an den Tag gelegt habe. Ein Missverständnis der Situation seitens des Herrn D. könne ihm da-her auch nicht als Entlastung im Rahmen der Interessenabwägung zu Gute gehalten werden. Beschwerden gebe es nur dann, wenn ein Verhalten wirklich objektiv und offen erkennbar unangemessen sei.
Die Dienststellenleitung beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses der Schiedsstelle vom 13. Januar 2006 - 1 VR MVG 129/05 - festzustellen, dass im Hinblick auf die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Mitarbeiters und Mitarbeitervertreters Herrn D. kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung vorliegt.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, dem Mitarbeiter D. sei bekannt gewesen, dass Frau E. in früherer Zeit als Patientin im Krankenhaus der Dienststelle versorgt gewesen sei. Zum Zeitpunkt seiner Äußerung habe er nicht gewusst, dass sie aktuell als Patientin im Krankenhaus sei. Das belege der Gesprächsvermerk gerade nicht.
II. Die Beschwerde ist begründet. Der Mitarbeitervertretung steht kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Mitarbeiter und Mitglied der Mitarbeitervertretung D. zu, was in Abänderung des Beschlusses der Schiedsstelle festzustellen war mit der Folge, dass die nicht erteilte Zustimmung als ersetzt gilt.
1. Die Beschwerde ist gegeben. Der Kirchengerichtshof hat die Beschwerde zur Entscheidung angenommen (Beschluss v. 3. April 2006). Unabhängig davon, ob die Schiedsstelle die Beschwerde zugelas-sen hat und ob die Zulassung der Beschwerde in die Beschlussformel aufzunehmen ist oder ob eine ent-sprechende Rechtsmittelbelehrung ausreicht, ist eine solche Entscheidung für den Kirchengerichtshof nicht bindend. § 63 Abs. 2 MVG.EKD, nach dem die Beschwerde der Annahme durch den Kirchengerichtshof bedarf, kann durch gliedkirchliches Recht nicht mit der Folge geändert werden, dass der Kir-chengerichtshof an die Zulassung der Beschwerde durch die Vorinstanz gebunden ist. An einer Rechtsgrundlage für eine solche Änderung des MVG.EKD fehlt es (vgl. Beschluss des Ersten Senats des Kirchengerichtshofs vom 3. April 2006 - I-0124/L47-05 - zu II. 1. 1. Absatz der Gründe). Allerdings kann das gliedkirchliche Recht vorschreiben, dass die erste Instanz abschließend entscheidet, wie z.B. mit § 62 Abs. 5 S. 1 MVG.K (dazu KGH.EKD vom 3. April 2006 - I-0124/L47-05 zu II. 1. 2. Absatz und II. 2. der Gründe). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn die Frage, ob der Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Mitar-beitervertretung vorlag, ist ein Fall des § 65 Abs. 1 Nr. 2 MVG.K (vgl. VerwG.EKD 11. September 1997 - B 19-97 - ZMV 1998, 134, 135 zu § 63 Abs. 1 b) MVG.EKD) oder des § 65 Abs. 1 Nr. 3 MVG.K. Darauf hat die Dienststellenleitung zutreffend hingewiesen.
2. Bei der außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Mitglied der Mitarbeitervertretung müssen kündigungserhebliche Tatsachen vorliegen, die "an sich" zur außerordentlichen Kündigung berechtigen. Außerdem muss aufgrund der an sich kündigungsrelevanten Tatsachen der Dienststelle unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar sein, § 626 BGB. Bei einem Mitglied der Mitarbeitervertretung, das den besonderen Kündigungsschutz nach § 22 Abs. 2 MVG.K genießt, kommt es darauf an, ob der Dienststellenleitung die Weiterbeschäftigung ebenso unzumutbar wäre wie bei einem "normalen" Mitarbeiter, also einem solchen, der nicht Mitglied der Mitarbeitervertretung ist, bei identischem Kündigungsgrund (vgl. für den staatlichen Bereich BAG, 27. September 2001 - 2 AZR 487/00 - EzA § 15 nF KSchG Nr. 54).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Schiedsstelle gegeben mit der Folge, dass der Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Mitglied der Mitarbeitervertretung zur Seite steht.
Die Schiedsstelle ist zutreffend von § 626 BGB ausgegangen.
a) Die Schiedsstelle hat zutreffend erkannt, dass die Äußerung des Mitglieds der Mitarbeitervertretung D. "an sich" geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu tragen. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen der Schiedsstelle an.
b) Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung der Schiedsstelle, die Abwägung der gegenseitigen Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles führe nicht zu einem Überwiegen der Interessen der Dienststelle an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Mitarbeitervertreter D..
Es kann dahinstehen, ob, wie die Dienststellenleitung vorträgt und unter Beweis stellt, das Mitarbeiter-vertretungsmitglied im Zeitpunkt seiner Äußerung gewusst hat, dass die Mitarbeiterin E. als Patientin im Krankenhaus der Antragstellerin war, oder ob, wie die Mitarbeitervertretung vorträgt, ihm in diesem Zeitpunkt nur bekannt gewesen ist, dass sie zu einem früheren Zeitpunkt Patientin war. Unabhängig von der von der Dienststellenleitung angesprochenen strafrechtlichen Würdigung der Äußerung macht es allenfalls einen graduellen Unterschied, ob dem Mitarbeitervertretungsmitglied der aktuelle Status der Frau E. als Patientin im Zeitpunkt seiner Äußerung bekannt war oder ob sie immerhin in Kenntnis der Tatsache ausgesprochen wurde, dass die Betroffene jedenfalls früher Patientin war. Denn eine solche Äußerung ist, selbst wenn sie gegenüber einem gesunden Mitarbeiter erfolgt wäre, für einen Mitarbeiter eines Diakonischen Krankenhauses nicht tragbar. Sie widerspricht diametral dem gelebten Selbstverständnis eines Diakonischen Krankenhauses. Zum Einen wird der Gottesdienst als solcher herabgesetzt, der auch in der heutigen Zeit selbst von gesunden Mitarbeitern als Essentiale ihres Dienstes am Nächsten angesehen wird. Er gibt manchem Mitarbeiter erst die Kraft, den Dienst am Nächsten, sei es im Krankenhaus oder anderswo, zu versehen. Das Mitarbeitervertretungsmitglied hat ihn als Zeitverschwendung diffa-miert. Das weitere "Meinen Sie, das hilft Ihnen noch?", kann nur so verstanden werden, dass, unabhängig von den Gegebenheiten, der Gottesdienst nichts positives zur konkreten Situation der Frau E. beizutragen vermag. Das, nämlich dass der christliche Glaube verächtlich gemacht wird, braucht die Dienststelle als kirchliche Untergliederung, die der Diakonie verpflichtet ist, nicht hinzunehmen.
Im Termin zur Anhörung der Beteiligten vor dem Senat hat die Mitarbeitervertretung die Äußerung ihres Mitglieds als "dummes Geplapper" hinzustellen versucht. Dem vermag der Senat in keiner Weise zu folgen. Wenn ein Mitarbeiter, sei er Patient oder nicht, nach den Zeiten des Gottesdienstes fragt, gebietet es schon der Respekt vor demjenigen, der - ersichtlich - in Aussicht nimmt, zum Gottesdienst zu gehen, sich mit dem Hinweis auf den Gottesdienst zu begnügen und sich nicht in dieser eindeutigen Weise von der Teilnahme am Gottesdienst und damit von der Kirche, zu der die Antragstellerin als Untergliederung gehört, zu distanzieren. Eine Abmahnung bedurfte es nicht. Das Mitarbeitervertretungsmitglied konnte schlechterdings nicht davon ausgehen, dass die Dienststellenleitung eine derartige Äußerung gegenüber einer Mitarbeiterin, von der er immerhin wusste, dass sie auch einmal Patientin im Krankenhaus gewesen ist, tolerieren werde.
Diese kündigungsrelevante Loyalitätsverletzung erscheint auch nicht deswegen in einem anderen, milderen Licht, weil die Dienststellenleitung vergleichbare Äußerungen hingenommen oder nicht konsequent genug auf sie reagiert habe. Immerhin war der Mitarbeiter D. Ende 2000 "wegen ... grober sprachlicher Entgleisungen" in zwei verschiedenen Fällen abgemahnt worden. Selbst wenn es in der Folgezeit nur zu Ermahnungen gekommen sein sollte, musste es dem Mitarbeiter D. klar sein, dass die Dienststellenleitung nicht jede Äußerung ohne weiteres hinnimmt. Jedenfalls konnte er bei einer solchen Äußerung wie der am 16. Oktober 2005 nicht davon ausgehen, dass es die Dienststellenleitung bei dieser kirchenfeindlichen Äußerung bei einer Ermahnung, bei einer Abmahnung bewenden lässt. Er hat mit diesem Verhalten im Dienst die Glaubwürdigkeit der Kirche und die der Dienststelle, in der er beschäftigt ist, als eine ihrer Einrichtungen nachhaltig gefährdet, zumal die Äußerung nicht etwa in einem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Raum, sondern am Informationsplatz erfolgte, wo zumindest die Möglichkeit bestand, dass Patienten und/oder Besucher eine solche Äußerung in dem Krankenhaus der Dienststelle zur Kennt-nis nehmen oder zwangsnotwendigerweise zur Kenntnis nehmen mussten.
Die Dauer des Dienstverhältnisses, im Zeitpunkt des Antrags der Dienststellenleitung an die Mitarbeiter-vertretung auf Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung, immerhin fast 14 Jahre, steht zwar für das Mitarbeitervertretungsmitglied. Auf der anderen Seite ist aber zu sehen, dass der Dienstvertrag auch schon in den vergangenen Jahren nicht beanstandungsfrei geblieben ist, wie das Anhörungsschreiben der Dienststellenleitung vom 21. Oktober 2005 zeigt, wobei es nicht nur um Verhaltensmängel, sondern auch um Leistungsdefizite ging. In Anbetracht der Vorgeschichte kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine einmalige Entgleisung handelt, mag sie auch völlig untragbar sein, so dass eine Wiederholungsgefahr nicht von der Hand zu weisen ist. Duldete die Dienststellenleitung unter diesen Umständen eine solche Äußerung, beeinträchtigte das nicht nur die Glaubwürdig-keit der Kirche und der Einrichtung, in der das Mitarbeitervertretungsmitglied beschäftigt ist, sondern könnte sich zugleich auf andere Dienstverhältnisse, die mit der Antragstellerin bestehen, negativ in dem Sinne auswirken, dass bei den übrigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Eindruck hervorgerufen wird, die Dienststellenleitung wolle den Vorgaben, denen sie sich verpflichtet fühlt und die etwa in der Präambel zum "Dienstvertrag" der Dienststelle mit dem Mitarbeitervertretungsmitglied D. vom 7. Dezember 1993/20. Dezember 1993 ihren Niederschlag gefunden haben, sich aber auch in der "Präambel" zum MVG.K wiederfinden, nicht mehr uneingeschränkt gerecht werden und geriere sich mehr und mehr als säkulare Institution.
In Anbetracht des Vorstehenden muss das Interesse des Mitarbeiters D., seinen Arbeitsplatz zu erhalten, auch in Anbetracht der derzeitigen Arbeitsmarktsituation und seines Alters, das die Arbeitsplatzsuche darüber hinaus erschweren dürfte, hinter den Interessen der Dienstgeberin als Teil der Diakonie und damit als Teil/Untergliederung der evangelischen Kirche, die ihren Auftrag ernst nimmt und nach wie vor ernstnehmen will, zurücktreten. Auch die Tatsache, dass der Mitarbeiter als Mitarbeitervertretungsmitglied ordentlich unkündbar ist, führt nicht dazu, dass dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zumutbar ist. Abzustellen ist auf die ordentliche Kündigungsfrist eines vergleichbaren Mitarbeiters, der nicht Mitglied der Mitarbeitervertretung ist. Nach § 35 AVR-K beträgt die ordentliche Kündigungsfrist sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Einen Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf einer solchen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen, war der Dienststellenleitung in Anbetracht des Kündigungssachverhaltes nicht zuzumuten.
Der Rechtsposition des Herrn D. als Mitarbeiter und Mitarbeitervertretungsmitglied stehen diametrale Interessen der Dienststelle entgegen.
Das durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 III S. 1 WRV gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und ihrer Untergliederungen dient u.a. dazu, ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, grundsätzlich alles aus ihrer Sicht Erforderliche zu tun, um ihre Glaubwürdigkeit zu gewährleisten (vgl. BVerfG, 4. Juni 1985 - 2 BVR 1703/83 - BVerfGE 70, 138, 166). Die Bewahrung der Glaubwürdigkeit ist für jede Religionsgemeinschaft, aber auch für ihre Untergliederungen, von elementarer Bedeutung. Die Glaubwürdigkeit der Dienststelle wäre bei einer Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters D. gerade auch in seiner Position als Mitarbeiter in der Patientenaufnahme, der mit den die Wiederherstellung oder Besserung ihrer Gesundheit Suchenden notwendigerweise in persönlichen Kontakt tritt, gefährdet gewesen. Das ersichtlich fehlende Verständnis des Mitarbeiters D. für die Teilnahme an einem Gottesdienst, der in einem kirchlichen Krankenhaus seinen festen Platz hat, braucht die Dienststelle unter dem Blick-winkel der Gefahr eines Glaubwürdigkeitsverlustes nicht hinzunehmen, auch wenn der Vorfall nicht an die Öffentlichkeit gelangt sein sollte.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 12 Abs. 5 ArbGG).