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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:26.03.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R52-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1, AVR.DW.EKD § 12 Anlage 1 EGr 9
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen, 2 M 21/09
Schlagworte:Eingruppierung pädagogische Mitarbeiterin im Erziehungsdienst.
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Leitsatz:

Für eine Annahme der Beschwerde zur Entscheidung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 MVG.EKD ist erforderlich, dass die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders zu treffen sein wird als die Vorinstanz sie getroffen hat (KGH.EKD in ständiger Rechtsprechung). Das Bedürfnis, den eigenen Sachvortrag wegen eines Irrtums inhaltlich zu korrigieren, hat eine solche Wahrscheinlichkeit des anderen Entscheidungsergebnisses nicht zur Folge, wenn erst zu klären ist, ob ein solcher Irrtum objektiv vorliegt.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen, 2. Kammer in Münster vom 26. Mai 2009 - Az.: 2 M 21/09 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die antragstellende und beschwerdeführende Dienststellenleitung will festgestellt wissen, dass für die beteiligte Mitarbeitervertretung kein Grund bestanden hat, die Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin A. in EGr 8 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zu verweigern. Frau A. ist mit dem Arbeitsvertrag vom 29. September 2008 ab 1. Oktober 2008 befristet bis zum 31. Dezember 2008 als „pädagogische Mitarbeiterin im Erziehungsdienst“ eingestellt worden. In § 3 des Arbeitsvertrags heißt es, sie werde „in die EGr 8 AVR eingestuft“. Der Arbeitsvertrag wurde bis zum 30. September 2010 verlängert. Frau A. ist in der Sozialen Gruppenarbeit innerhalb der von der von der Dienststelle betriebenen Einrichtung eingesetzt. Dort werden in einem Gebäude 21 Schulkinder im Alter von 6 bis 11 Jahren betreut, die Schulschwierigkeiten, soziale und emotionale Auffälligkeiten, Verzögerungen der persönlichen Entwicklung und ähnliche Defizite aufweisen. Die Kinder werden nach Schulschluss in Bussen abgeholt und gegen 17.00 Uhr wieder zu ihren Familien gebracht. Für die Betreuung stehen vier pädagogische Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen zur Verfügung, davon sind drei ausgebildete Sozialpädagogen oder Sozialpädagoginnen. Wegen des Betreuungskonzeptes wird auf die von der Antragstellerin im ersten Rechtszug eingereichte „Leistungsbeschreibung Soziale Gruppenarbeit gem. §§ 29 und 35a SGB VIII“ (Anlage 8 zum Schriftsatz vom 28. April 2009) Bezug genommen.
Die antragstellende Dienststellenleitung hatte die beteiligte Mitarbeitervertretung zunächst zur Eingruppierung der Frau A. in EGr 9 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD angehört (Anhörungsformular vom 12. September 2008), sodann zur Eingruppierung in EGr 8 (Anhörungsformular vom 15. September 2008). Die von der Mitarbeitervertretung verlangte Erörterung blieb ohne Ergebnis. Daraufhin hat die Dienststellenleitung das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet. Sie hat im ersten Rechtszug als Anlage 7 zu ihrer Antragsschrift vom 4. März 2009 eine „Stellenbeschreibung Soziale Gruppenarbeit“ vorgelegt, in der die „Stellenbezeichnung“ mit „Pädagogische MitarbeiterInnen“ angegeben ist, und geltend gemacht, die Tätigkeit sei in EGr 8 Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zutreffend eingruppiert. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Dienststellenleitung wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen vom 4. März, 28. April und 14. Mai 2009 Bezug genommen. Sie hat beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG.EKD hinsichtlich der Eingruppierung der Mitarbeiterin Frau Annika A. in die EGr 8 AVR nicht vorliegt und die Zustimmung der Mitarbeitervertretung als ersetzt gilt.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hält die EGr 9 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD für zutreffend und hat geltend gemacht, Frau A. übe als ausgebildete Sozialpädagogin entsprechende Tätigkeiten aus. Die Antragstellerin habe selbst ein entsprechendes Stellenangebot vorgelegt. Alle pädagogisch Mitarbeitenden betreuten die anwesenden Kinder gemeinsam. Die Antragstellerin habe auch immer Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen gesucht. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vortrags wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen der Mitarbeitervertretung vom 17. März und 20. April 2009 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag durch ihren Beschluss vom 26. Mai 2009 zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, zutreffend sei die EGr 9 A 1 a der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD. Frau A. falle unter das einschlägige Richtbeispiel „Sozialpädagogin“; sie verrichte die hierfür typischen Tätigkeiten. Dies ergebe sich aus der ihrem Arbeitsauftrag zugrundeliegenden Stellenbeschreibung (Anlage 7 zum Schlichtungsantrag). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Dienststellenleitung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Sie macht im Wesentlichen geltend: Der angefochtene Beschluss sei unrichtig. Frau A. sei in EGr 8 Anlage 1 AVR.DW.EKD eingruppiert. Sie sei als pädagogische Mitarbeiterin im Erziehungsdienst angestellt worden. Von ihr werde nicht das höhere Leistungsspektrum einer Dipl.-Sozialpädagogin verlangt, sondern das darunter liegende einer „Erzieherin“. Die entsprechenden Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit zeigen den Unterschied auf. Die in der Vorinstanz als Anlage 7 zur Antragsschrift eingereichte „Stellenbeschreibung Soziale Gruppenarbeit“ sei irrtümlich vorgelegt worden. Sie betreffe nicht die Arbeit der Frau A. Für deren Arbeit treffe die als Anlage 1 zur Beschwerdebegründungsschrift eingereichte „Stellenbeschreibung Soziale Gruppenarbeit an einer Schule“ zu. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 27. Juli 2009 nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG.Westfalen (KABl.Westf. 2003, S. 404).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen die verfahrensbeendenden Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.
3. Die Beschwerde war insbesondere nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 MVG.EKD) anzunehmen.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht (std. Rspr.: KGH.EKD 10. November 2008 - I-0124/P37-08 - ZMV 2009, S. 36; KGH.EKD 7. April 2008 - I-0124/P5-08 - ZMV 2009,S. 37; 21. April 2009 - I-0124/R10-09, www.ekd.de). Solche Zweifel liegen nicht vor. Bestenfalls kann dafür gehalten werden, dass das von der Beschwerde angestrebte andere Ergebnis gleichermaßen wahrscheinlich sein könnte wie das erstinstanzlich erkannte. Denn es müsste erst aufgeklärt werden, welche Stellenbeschreibung zutrifft und welche Tätigkeiten Frau A. wann wie übertragen worden sind. Das aber genügt nicht, um die Beschwerde zur Entscheidung anzunehmen, sondern setzt voraus, dass sie zur Entscheidung angenommen worden ist.
b) Mit ihrem erstmals in der Beschwerdebegründungsschrift erhobenen Vortrag, wonach nicht die erstinstanzlich als Anlage 7 überreichte Stellenbeschreibung „Soziale Gruppenarbeit“ einschlägig sei, sondern die mit der Beschwerdebegründungschrift als Anlage 1 übereichte Stellenbeschreibung „Soziale Gruppenarbeit an einer Schule“, kann die Beschwerdeführerin nicht durchdringen. Sie ist mit diesem neuen Vorbringen zwar nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Diese Bestimmung gilt wegen der speziellen Regelung des § 87 Abs. 3 ArbGG nicht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (HWK/Kalb, § 87 ArbGG Rz. 14, GK-ArbGG/Dörner, § 87 Rz. 27; ErfK/Koch, § 87 Rz. 4) und damit auch nicht im mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahren (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD).
c) Jedoch hat die Vorinstanz aufgrund des dortigen Vorbringens der Dienststellenleitung zutreffend erkannt, dass für die Mitarbeitervertretung ein Grund bestanden hat, gem. § 41, § 42 Buchstabe c MVG.EKD ihre Zustimmung zur Eingruppierung der Frau A. in EGr 8 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD zu verweigern, weil Frau A. hiernach entgegen der Annahme der Dienststellenleitung in EGr 9 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD eingruppiert ist.
aa) Der erstinstanzliche Sachvortrag zu den der Frau A. übertragenen Tätigkeiten lässt entgegen der Annahme der Beschwerde nicht erkennen, dass die Anlage 7 zur Antragsschrift nicht die der Frau A. übertragenen Tätigkeiten erfasst. Die Tätigkeitsbezeichnung im Arbeitsvertrag „pädagogische Mitarbeiterin im Erziehungsdienst“ lässt offen, welche Qualität von pädagogischer Mitarbeit geschuldet und/oder übertragen worden ist, nämlich die einer Erzieherin oder die einer Diplom-Sozialpädagogin. Wenn dann die Dienststelle selbst eine - aus ihrer Sicht in der Beschwerde - „unzutreffende“ Stellenbeschreibung mit dem Bemerken vorgelegt hat, eben diese Tätigkeit sei übertragen worden, so stellt es keinen rechtlich relevanten Fehler dar, wenn die Vorinstanz eben diesen Tatsachenvortrag zu der Frage, welche Tätigkeiten übertragen worden sind, zugrundelegt, mögen auch gewisse Widersprüchlichkeiten bei einer nachträglichen Betrachtung annehmbar sein.
bb) Die Rüge der Beschwerde, woher die Vorinstanz die Kenntnis nehme, welche Tätigkeiten von einer Diplom-Sozialpädagogin geschuldet würden und welche von einer Erzieherin, geht fehl. Die Dienststelle selbst hat die Stellenbeschreibung für die Tätigkeit einer Diplom-Sozialpädagogin als Anlage 7 zur Antragsschrift vorgelegt und bemerkt, das seien die der Frau A. übertragenen Tätigkeiten. Die Stellenbeschreibung selbst ist auf die Tätigkeit einer Diplom-Sozialpädagogin ausgerichtet. Die Tätigkeit der Diplom-Sozialpädagogin ist ihrerseits in der EGr 9 A Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD ausdrücklich als Richtbeispiel genannt. Erfüllt eine Tätigkeit die Merkmale eines Richtbeispiels, so ist es nicht mehr geboten, zu prüfen, ob die Merkmale der allgemeinen Ober- und Untersätze erfüllt sind (KGH.EKD, Beschluss vom 1. September 2009 - I-0124/R26-09, www.ekd.de - m.w.N.). Dann aber war es rechtlich auch nicht erforderlich, dass die Vorinstanz nochmals begründet, weshalb es sich bei den der Frau A. nach der Darstellung der Antragstellerin übertragenen Tätigkeiten nicht um solche der EGr 8, sondern um solche i.S. der EGr 9 der Anlage 1 zu § 12 AVR.DW.EKD handeln soll. Vielmehr wäre es angesichts des eigenen Sachvortrags im ersten Rechtszug Sache der Dienststellenleitung gewesen, die von Frau A. angeblich nur i.S. der EGr 8 übertragenen Tätigkeiten näher darzustellen und von solchen nach EGr 9 abzugrenzen. Erst ein solcher Vortrag hätte der Vorinstanz Anlass gegeben, zu prüfen, weshalb die dort von der Dienststellenleitung als Anlage 7 vorgelegte Stellenbeschreibung auf die der Frau A. übertragene(n) Tätigkeit(en) nicht zutreffe.
cc) Die sonstigen in der Beschwerde vorgebrachten Umstände zwingen ebenfalls nicht zu der für eine Annahme nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 MVG.EKD erforderlichen Annahme, dass die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders zu treffen sein wird als die Vorinstanz sie getroffen hat. Das Bedürfnis, den eigenen Sachvortrag wegen eines Irrtums inhaltlich zu korrigieren, hat eine solche Wahrscheinlichkeit der anderen Entscheidungsergebnisses nicht zur Folge, wenn - wie hier - erst aufgeklärt werden muss, welche Tätigkeit(en) Frau A. übertragen worden sind.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).