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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 24.05.2011 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/S66-10 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 42 Buchstabe a) |
Vorinstanzen: | Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten des Nordelbischen Diakonischen Werkes e.V., Kammer Hamburg, 19V-2010 HH, Fundstellen: KuR 2/2011, S. 301, ZMV 1/2012, S. 42 |
Schlagworte: | Einstellung - Vergabe Radiologischer Dienstleistungen |
Leitsatz:
Voraussetzung für eine Einstellung i.S.d. § 42 Buchstabe a) MVG.EKD ist, dass der "Eingestellte" dem Weisungsrecht der Dienststelle im Hinblick auf den Umgang mit den "Klienten" der Einrichtung, z.B. den Patienten des von der Dienststelle betriebenen Krankenhauses, unterliegt. Ein solches Weisungsrecht ist auch dann anzunehmen, wenn Tätigkeiten zeitlich oder inhaltlich oder in anderer Hinsicht von der Dienststelle vorgegeben werden, mag die konkrete Durchführung auch im Einzelfall abgesprochen sein (Fortführung und Abgrenzung zu KGH.EKD, Beschluss vom 29. Januar 2007 - II-0124/M38-06 - ZMV 2007, 197).
Tenor:
Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten des Nordelbischen Diakonischen Werkes e.V. - Kammer Hamburg - vom 13. September 2010, Az.: 19V-2010 HH, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die antragstellende Dienststelle betreibt drei Krankenhäuser, die im Jahr 2011 in einem einzigen Klinikneubau zusammengeführt wurden. Sie will - soweit der Rechtsstreit in den zweiten Rechtszug gelangt ist - festgestellt wissen, dass der beschwerdeführenden Mitarbeitervertretung hinsichtlich der Vergabe von ärztlichen Leistungen an die neben dem Klinikneubau ansässige Einrichtung kein Mitbestimmungsrecht nach § 42 Buchstabe a) MVG.EKD zusteht.
Die Antragstellerin unterhält keine große eigene ärztlich-radiologische Kompetenz. Sie verfügt in den bisherigen Räumen nicht über radiologische Großgeräte. Nach dem Umzug in den Krankenhausneubau stehen dort ein Computertomograph, ein Magnetresonanztomo-graph, ein Mammographiegerät und drei konventionelle Röntgengeräte zur Verfügung.
Für radiologische ärztliche Leistungen vergibt die Dienststelle Aufträge an die Einrichtung. Hierbei handelt es sich um eine Arztpraxis mit mehreren niedergelassenen Radiologen, die einen eigenen Praxisstandort neben dem Klinikneubau und zwei weitere Standorte in unmittelbarer räumlicher Nähe unterhält. Die Radiologen haben eigenes Personal und organisieren ihre Praxis. Für das Krankenhaus bieten sie im Rahmen einer allgemeinen Vereinbarung über Verfügbarkeit und Leistungszeiten radiologische Leistungen auch mit Hilfe der im Krankenhaus vorhandenen radiologischen Geräte an; dieses Leistungsangebot hat die Einrichtung sicherzustellen. Die ärztliche Besetzung und die Festlegung der Arbeitszeiten obliegt der Einrichtung. Die Radiologen arbeiten in den Praxisräumen der Einrichtung, sind aber auch innerhalb des Krankenhauses tätig. Sie unterliegen keinem Weisungsrecht der Antragstellerin.
Das nichtärztliche Personal soll mittelfristig vollständig durch die Einrichtung gestellt, der Wechsel, der derzeit noch bei der Dienststelle angestellten radiologischen Assistenten oder Assistentinnen, soll durch Fluktuation erreicht werden. Langfristig soll die Einrichtung das gesamte Personal für die Radiologie beschäftigen, damit die Radiologen Personalquantität und Personalqualität selbst steuern können. Die derzeit vorhandenen nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses sollen dem fachlichen Weisungsrecht der Radiologen unterstellt werden.
Die Dienststellenleitung hat das Kirchengericht angerufen, weil die Mitarbeitervertretung die rechtliche Zulässigkeit der geplanten Arbeitsorganisation als rechtlich unzulässig ansieht und sie hinsichtlich des Einsatzes der Radiologen ein Mitbestimmungsrecht nach § 42 Buchstabe a) MVG.EKD (Einstellung) beansprucht. Sie hat vorgebracht, der Fall unterscheide sich maßgeblich von dem Fall der sog. Anästhesisten-Entscheidung des KGH.EKD vom 29. Januar 2007 - II-0124/M38-06 - ZMV 2007, 197. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Dienststellenleitung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 19. April, 9. und 13. Juli sowie 27. August 2010 Bezug genommen.
Sie hat hinsichtlich des in die Beschwerde gelangten Teiles des Rechtsstreits beantragt,
1. festzustellen,
a) dass der Mitarbeitervertretung hinsichtlich des beabsichtigten Einsatzes von niedergelassenen Radiologen im Krankenhausneubau ab dem 1. Januar 2011 kein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht gemäß den §§ 41, 42 Buchstabe a) MVG.EKD zusteht,
b) hilfsweise, dass die Mitarbeitervertretung im Fall des Bestehens eines eingeschränkten Mitbestimmungsrechts gemäß § 42 MVG.EKD ihre Zustimmung zu dem Einsatz von niedergelassenen Radiologen im Krankenhausneubau ab dem 1. Januar 2011 nicht deshalb verweigern darf, weil die seitens der Antragstellerin beabsichtigte Neuorganisation der Radiologie betriebswirtschaftlich nicht notwendig ist und/oder gegen den diakonischen Auftrag der Antragstellerin verstößt und/ oder dem Leitbild der Dienstgemeinschaft des MVG.EKD widerspricht.
2. … (Anträge nicht in die Beschwerde gelangt).
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, es liege entsprechend der Anästhesisten-Entscheidung eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S. des § 42 Buchstabe a) MVG.EKD vor. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Mitarbeitervertretung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 27. April, 3. Mai, 5. und 31. August 2010 Bezug genommen.
Das Kirchengericht hat dem Hauptantrag der Dienststellenleitung zu 1. a) stattgegeben, den Hauptantrag zu 2. a) sowie den Hilfsantrag zu 2. b) dagegen zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde. Sie meint nach wie vor, der Fall unterscheide sich rechtlich nicht wesentlich von dem der Anästhesisten-Entscheidung; deshalb liege eine mitbestimmungspflichtige Einstellung hinsichtlich der Ärzte der Einrichtung vor. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 27. Oktober und 7. Dezember 2010 Bezug genommen.
Sie beantragt,
unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten des Nordelbischen Diakonischen Werkes e.V. vom 13. September 2010 - Az.: 19V-2010 HH - den Antrag zu 1. abzuweisen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den ihrem Antrag stattgebenden Teil des angefochtenen Beschlusses nach näherer Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 21. Dezember 2010, 13. Januar, 25. März, 29. April, 6. und 9. Mai 2011.
Der Senat hat die Beschwerde zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 23. März 2011).
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Kirchengericht hat richtig erkannt, dass es sich bei der Tätigkeit der Ärzte der Einrichtung im Klinikgebäude der Dienststelle nicht um eine Einstellung im Sinne des § 42 Buchstabe a) MVG.EKD handelt.
1. Der Umstand, dass die Dienststelle mit den Ärzten der Einrichtung keine Arbeitsverträge schließt, ist für die Frage der Einstellung nach § 42 Buchstabe a) MVG.EKD unerheblich.
Eine Einstellung i.S. des § 42 Buchstabe a) MVG.EKD setzt nicht voraus, dass sie auf der Grundlage eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages mit der „einstellenden“ Dienststelle erfolgt. Zwar könnten die Überschrift und der Eingangssatz des § 42 MVG.EKD dies nahe legen: Ein Vergleich mit der Überschrift und dem Eingangssatz des § 43 MVG.EKD macht indessen deutlich, dass damit nur zwischen der Mitarbeit auf privatrechtlicher Grundlage und der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis („Kirchenbeamte“) unterschieden werden soll.
2. Voraussetzung für eine Einstellung i.S. des § 42 Buchstabe a) MVG.EKD ist jedoch, dass der „Eingestellte“ dem Weisungsrecht der Dienststelle im Hinblick auf den Umgang mit den „Klienten“ der Einrichtung, z.B. den Patienten des von der Dienststelle betriebenen Krankenhauses, unterliegt. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn Tätigkeiten zeitlich oder inhaltlich oder in anderer Hinsicht von der Dienststelle vorgegeben werden, mag die konkrete Durchführung auch im Einzelfall abgesprochen sein,
a) Daran fehlt es hier. Es liegt deshalb keine Einstellung i.S. des § 42 Buchstabe a) MVG.EKD vor, weil die Ärzte der Einrichtung nicht als von der Dienststellenleitung weisungsgebundene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses eingesetzt werden. Sie haben vielmehr radiologische ärztliche Dienstleistungen auf der Grundlage des jeweils einzelnen Dienstleistungsvertrags zu erbringen. Dabei entscheiden sie selbst, wann und wie sie diese Dienstleistung erbringen. Das unterscheidet die vorliegende Konstellation von der sog. Anästhesisten-Entscheidung (KGH.EKD, Beschluss vom 29. Januar 2007 - II-0124/M38-06 - a.a.O.). Dort arbeiteten die Anästhesisten zeitgleich entsprechend dem Operationsplan des Krankenhauses zusammen mit den Krankenhausärzten am selben Patienten. Hier liegen die Dinge deshalb grundlegend anders, weil die radiologischen Leistungen selbständig und aufgrund eigener Organisation von der Einrichtung erbracht werden. Der Umstand, dass sich deren Entscheidungsspielraum aus medizinischen Gründen u.U. stark verengen kann, ändert an der grundsätzlichen Freiheit und Aufgabe der Einrichtung, die Erbringung ihrer Dienste selbst zu organisieren, nichts. Bestimmte radiologische Leistungen müssen aus fachlichen Gründen zeitgerecht erbracht sein, damit die Behandlung durch die angestellten Krankenhausärzte sach- und zeitgerecht durchgeführt werden kann. Das aber hat kein Weisungsrecht des Krankenhauses oder der Dienststellenleitung des Krankenhauses zur Folge. Vielmehr ist es Sache der Einrichtung, ihre ärztlichen Dienstleistungen auch unter diesem Gesichtspunkt fach-, sach- und zeitgerecht zu organisieren.
b) Der Umstand, dass die Einrichtung ihre Dienste in den Räumen und mit Geräten des Krankenhauses erbringt, ist für die Frage der Einstellung i.S. des § 42 Buchstabe a) MVG.EKD ebenfalls unerheblich. Diese räumliche Nähe und die nötigen vertraglichen Regelungen über die Benutzung, Wartung, Bereitstellung der Geräte, Verbrauchsmaterialien, Dokumentationen usw. setzen eine Einstellung in das Krankenhaus weder voraus, noch haben sie eine solche zur Folge. Auch insoweit fehlt es an der nötigen Weisungsbefugnis der Krankenhausleitung hinsichtlich des persönlichen Einsatzes der ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung.
c) Die Tatsache, dass die Einrichtung zumindest für eine Übergangszeit nichtärztliches radiologisches Personal der Klinik einsetzt, führt ebenfalls nicht dazu, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung als im Krankenhaus „eingestellt“ anzusehen. Inwieweit sich insoweit andere Mitbestimmungsfragen stellen können, hatte der Senat angesichts des in die Beschwerde gelangten Streitgegenstandes nicht zu prüfen.
d) Aus dem Begriff der Dienstgemeinschaft, wie er in der Präambel zum MVG.EKD verwendet wird, lässt sich vorliegend nichts zu Gunsten der Rechtsansicht der Mitarbeitervertretung herleiten.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).