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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 18.07.2011 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/S33-10 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD a.F. § 21, § 63 Abs. 1 Buchstabe h), BGB § 626 |
Vorinstanzen: | Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V., I-49/09, Fundstelle: KuR 2/2011, S. 301, ZMV 6/2011, KuR 4/2011, S. 138 |
Schlagworte: | Außerordentliche Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung |
Leitsatz:
1. Einem Mitglied der Mitarbeitervertretung kann nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden. Erstattet ein Dienstnehmer eine Anzeige gegen seinen Dienstgeber, kann dieses ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Es ist stets aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, aus welcher Motivation die Anzeige erfolgt ist und ob darin eine verhältnismäßige Reaktion des Dienstnehmers auf das Verhalten des Dienstgebers liegt.
2. Die Dienststelleleitung trägt die Behauptungslast dafür, ob eine Anfrage an die zuständige Aufsichtsbehörde mit der Bitte um Auskunft über gesetzliche Grundlagen unter gleichzeitiger Schilderung von Gegebenheiten ohne Nennung des Namens der Dienststelle eine gegen die Dienststelle gerichtete Anzeige darstellt.
3. Wenn eine solche Anfrage eine Vertragspflichtverletzung darstellen sollte, liegt kein Grund für eine außerordentliche Kündigung "als solche" vor, wenn ein leitender Physiotherapeut damit bei einer Meinungsverschiedenheit mit der Dienststelle die Klärung von Ausbildungserfordernissen erreichen möchte.
Tenor:
Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. vom 20. Oktober 2009 - I-49/09 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ihres Mitglieds Herrn D.
Herr D ist seit 1995 als Physiotherapeut bei der Antragstellerin tätig. Seit 2000 ist Herr D, der Mitglied der Mitarbeitervertretung ist, leitender Physiotherapeut und führt zusammen mit einem Kollegen den Bereich Physiotherapie in dieser Einrichtung.
Die Antragstellerin unterhält einen Kooperationsvertrag mit der Fa. E, die eine Schule für Physiotherapie und Massage betreibt und der sie Ausbildungsplätze für Praktikantinnen und Praktikanten zur Verfügung stellt.
Die Dienstellenleitung und Herr D streiten sich seit längerem darüber, ob die Physiotherapeuten diese Praktikantinnen und Praktikanten betreuen können. Im Juni 2008 kündigte Herr D eigenmächtig und ohne Rücksprache mit der Dienststellenleitung den Kooperationsvertrag mit der Fa. E. Mit Schreiben vom 26. Juni 2008 erteilte die Antragstellerin ihm deshalb eine Abmahnung.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 wies die Antragstellerin Herrn D an, den Einsatzplan für fünf Schüler der Fa. E in den Stationsablauf einzuarbeiten. Daraufhin wies Herr D mit einem Schreiben vom 20. Dezember 2008 die Schulleitung der Fa. E darauf hin, dass er nicht die Verantwortung für den Praktikumseinsatz der Schüler übernehme, weil 11 Physiotherapeuten mit vollem eigenen Therapieplan nicht 14 nicht professionelle Personen (Schüler, Zivis, Praktikanten) betreuen könnten, wobei die Schüler ihren eigenen Therapieplan im 30-Minutentakt abarbeiten müssten. Zugleich kündigte Herr D an, das Landesamt für Gesundheit und Soziales zu unterrichten, sollte die Schule ihm ihre Schüler zur Ausbildung schicken. Mit Schreiben vom 5. Januar 2009 erklärte Herr D gegenüber der Antragstellerin, dass er der Anordnung vom 19. Dezember 2008 Folge leisten werde. Die Antragstellerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Herrn D mit Schreiben vom 27. Februar 2009 fristlos, hilfsweise zum 30. September 2009. Eine hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage von Herrn D war beim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht erfolgreich. Herr D wird wieder von der Antragstellerin beschäftigt.
Am 15. Juli 2009 erhielt die Antragstellerin mit einem Schriftsatz von Herrn D im Kündigungsschutzverfahren eine von ihm am 5. Januar 2009 begonnene E-Mail-Korrespondenz mit Frau F vom Landesamt für Gesundheit und Soziales. Am 8. Januar 2009 hatte Herr D unter anderem Folgendes an Frau F geschrieben:
„Sehr geehrte Frau F,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Wir sind bereits als Einrichtung für die praktische Ausbildung von Physiotherapeuten anerkannt. Mein Problem als Leitung der Physiotherapie ist, dass ich stark an der verantwortlichen Durchführung des Praktikums in unserer Klinik zweifele. Im Lehranstaltsgesetz § 8 Abs. 3 steht, dass examinierte Physiotherapeuten dafür verantwortlich sind. Aber, was heißt das konkret, wie soll das aussehen? Haben Sie irgendwelche Verordnungen/Gesetze, die das genau beschreiben? Ist das ordnungsgemäß, wenn die betreuenden Therapeuten einen vollen eigenen Therapieplatz abzuarbeiten haben und die Praktikanten zu 85 % selbständig behandeln müssen….“
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 23. Juli 2009 bei der Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur vorsorglichen fristlosen Kündigung von Herrn D. Eine Erörterung am 28. Juli 2009 führte nicht zur Erteilung der Zustimmung. Mit einem am 5. August 2009 bei der Schieds- und Schlichtungsstelle des DWBO e.V. eingegangenem Antrag begehrt die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung von Herrn D zu ersetzen sei. Der kündigungsberechtigte Geschäftsführer habe erst am 22. Juli 2009 von der E-Mail-Korrespondenz zwischen Herrn D und Frau F Kenntnis genommen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn D sei unzumutbar, weil er mit der E-Mail vom 8. Januar 2009 seine Drohung aus dem Schreiben vom 20. Dezember 2008 wahr gemacht und gegenüber der Behörde eine unberechtigte Anzeige erstattet habe. Er habe damit eine Schädigung des Rufs, der Geschäftsbeziehungen der Antragstellerin und ihres finanziellen Erfolgs bewusst in Kauf genommen. Die von ihm angenommenen Missstände in der Physiotherapie existierten nicht.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung von Herrn D zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten sei, weil nicht nachvollziehbar sei, dass der Geschäftsführer erst am 22. Juli 2009 von der Korrespondenz zwischen Herrn D und Frau F Kenntnis erlangt habe. Auch die weitere Geschäftsführerin sei kündigungsberechtigt. Ferner liege in den von Herrn D in der E-Mail vom 8. Januar 2009 gestellten Fragen kein Kündigungsgrund. Außerdem fehle es an einer einschlägigen Abmahnung.
Die Schieds- und Schlichtungsstelle hat den Antrag zurückgewiesen, weil ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht vorliege, jedenfalls aber die Interessenabwägung zugunsten von Herrn D vorzunehmen sei. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 14 bis 22 der Beschwerdeakte verwiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Antragstellerin am 4. Mai 2010 zugegangen ist, hat diese mit Schriftsatz vom 27. Mai 2010 an den Kirchengerichtshof der EKD, per Fax eingegangen am selben Tage, Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2010, beim Kirchengerichtshof der EKD per Fax eingegangen am selben Tag, hat die Antragstellerin die Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung bis zum 4. August 2010 beantragt, die ihr bewilligt wurde. Mit Schriftsatz vom 4. August 2010, beim Kirchengerichtshof eingegangen am selben Tage, hat die Antragstellerin die Beschwerde begründet.
Die Antragstellerin meint, dass der Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle falsch sei. Herr D habe durch seine E-Mail vom 8. Januar 2009 eine Anzeige gegen die Antragstellerin erstattet. Zwar habe er in der E-Mail den Namen der Antragstellerin nicht angegeben. Es sei aber über eine Suchmaschine im Internet unschwer zu ermitteln, wo Herr D beschäftigt sei. Außerdem habe das Landesamt für Gesundheit und Soziales üblicherweise Kenntnis von den arbeitenden Therapeuten. Damit liege ein Kündigungsgrund an sich vor. Herr D habe mit dieser Anzeige Druck auf die Antragstellerin ausüben wollen, damit diese eine Verkürzung der Therapiezeit pro Patient von 45 auf 30 Minuten zurücknähme. Somit habe er mit der Anzeige eigene Interessen verfolgt. Da die Missstände in der Physiotherapie keineswegs existierten und die ordnungsgemäße Betreuung der Praktikanten ohne Weiteres möglich sei, sei das Vertrauensverhältnis zwischen Herrn D und der Antragstellerin so erschüttert, dass die zugunsten von Herrn D bei einer Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände zurückträten. Auch bei einer Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz sei das Vertrauen nicht wiederherstellbar.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle des DWBO e.V. vom 20. Oktober 2009 zum Az. I-49/09 aufzuheben und die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn D zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt vor, dass die Antragstellerin den Sachverhalt auch zum Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses gemacht habe. Damit wolle die Antragstellerin nunmehr die Zustimmung zu einer unzulässigen Wiederholungskündigung erhalten.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 Buchstabe h) MVG.EKD a.F. statthaft; sie ist auch zulässig.
Einer Annahme durch den Kirchengerichtshof bedurfte die Beschwerde nicht. Vorliegend ist das MVG.EKD ohne die ab 1. Januar 2004 und später in Kraft getretenen Änderungen maßgeblich. Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat - bisher - die Bestimmungen über die Beschwerde im MVG.EKD durch Artikel 5 Nummer 31 des Kirchengerichtsgesetzes der EKD vom 6. November 2003, das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, nicht übernommen (§§ 1 und 16 des Kirchengesetzes über die Anwendung des MVG.EKD in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 16. April 2010 (KABl.EKBO S. 108 = ABl.EKD S. 158) i. V. m. der Rechtsverordnung zum MVG-Anwendungsgesetz zur Anpassung von Regelungen des Mitarbeitervertretungsrechts der EKD und der EKiBB an die Verhältnisse im Bereich des Diakonischen Werks Berlin Brandenburg vom 11. November 1994 (ABl.EKiBB S. 221), geändert durch Verordnung vom 19. Februar 1999 (ABl.EKiBB S. 47)). Daher kommt es für die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde auf die anzuwendenden Regelungen nach dem MVG.EKD a.F. an, während sich die Durchführung des Verfahrens selbst in der Zeit nach dem 1. Januar 2004 nach den mit diesem Tag für das Verfahren in Streitigkeiten nach dem MVG.EKD geltenden Verfahrensvorschriften, nämlich gemäß § 63 Abs. 7 MVG.EKD nach den Vorschriften über das Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, richtet.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur außerordentlichen Kündigung von Herrn D nicht zu ersetzen ist. Die Voraussetzungen, die nach § 626 BGB für eine außerordentliche Kündigung vorliegen müssen, sind nicht gegeben.
Es gelten folgende Grundsätze: Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes kommt es darauf an, ob Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer der Kündigenden die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Diese Tatsachen müssen an sich geeignet sein, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen und das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belasten. Es kommt nicht auf das Motiv des Kündigenden oder seinen Kenntnisstand an (KR-Fischermaier, § 626 BGB, Rn. 105). Die Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als nicht zumutbar erscheinen lassen. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 109). Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt stets ein vertragswidriges Verhalten des Gekündigten voraus. Die Vertragspflichtverletzung muss rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein, wobei Fahrlässigkeit ausreicht (KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 137). Es besteht die gesetzliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis nicht durch ein steuerbares Verhalten konkret zu beeinträchtigen. Demgemäß hat ein Arbeitnehmer die Pflicht, auf die Interessen der Arbeitgeberin Rücksicht zu nehmen (KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn. 115), ihnen also nicht bewusst zuwider zu handeln. Erstattet ein Arbeitnehmer eine Anzeige gegen die Arbeitgeberin, kann dieses ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Es ist stets aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles zu prüfen, aus welcher Motivation die Anzeige erfolgt ist und ob darin eine verhältnismäßige Reaktion des Arbeitnehmers auf das Verhalten der Arbeitgeberin liegt. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer vor der Einschaltung Dritter den Versuch der innerbetrieblichen Bereinigung des Vorgangs unternehmen (KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn 408). Die außerordentliche Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen, nachdem ein Kündigungsberechtigter von dem für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat, ausgesprochen werden, § 626 Abs. 2 BGB.
Nach diesen Grundsätzen ist ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht gegeben. Es fehlt bereits an einer Vertragspflichtverletzung von Herrn D. Er hat mit seinem Schreiben an Frau F keine Anzeige gegen die Antragstellerin erstattet. Ob eine Anzeige erstattet oder eine Auskunft verlangt wird, kann sich nur aus der ausdrücklich genannten oder mit hinreichender Sicherheit feststellbaren Zielrichtung eines Schreibens ergeben. Seinem Wortlaut nach ist die E-Mail vom 8. Januar 2009 keine Anzeige, weil Herr D damit eine Auskunft begehrt, nämlich darüber, ob es eine gesetzliche Beschreibung der Verantwortung von Physiotherapeuten für die Durchführung von Praktika gibt. Gegen das Vorliegen einer Anzeige spricht ferner, dass Herr D den Namen der Antragstellerin nicht nennt und nicht zum Ausdruck bringt, dass er der Auffassung sei, dort werde rechtswidrig gehandelt. Allein der Umstand, dass Herr D auf seine starken Zweifel an der verantwortlichen Durchführung des Praktikums in der Klinik zum Ausdruck bringt und wissen möchte, ob es ordnungsgemäß sei, wenn Therapeuten mit einem vollen Therapieplatz Praktikanten mit 85 % selbständiger Behandlung zu betreuen hätten, soll ein Hinweis darauf sein, dass es sich doch um eine Anzeige handeln sollte. Das ist aber nicht der Fall. Im Text- und Sinnzusammenhang der E-Mail vom 8. Januar 2009 handelt es sich dabei vielmehr um die Erklärung, aus welchen Gründen Herr D die Information vom Landesamt erhalten möchte. Herrn D konnte es in dem Streit mit der Antragstellerin nicht verwehrt sein, sich selbst Klarheit über die Rechtslage zu verschaffen. Dass er sich dabei an die zuständige Aufsichtsbehörde wandte, den Grund seines Anliegens nannte und um Mitteilung der Rechtsgrundlagen bat, ist ein nicht zu beanstandender Versuch, solche Klarheit herzustellen. Dem Wortlaut und Textzusammenhang der E-Mail kann danach nicht entnommen werden, dass es sich um eine gegen die Antragstellerin gerichtete Anzeige handelt. Es ist nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass Herr D gleichwohl eigentlich mit der E-Mail die Zielrichtung verfolgte, die Antragstellerin anzuzeigen. Es ist möglich, dass er dieses wollte, aber es ist auch nicht auszuschließen, dass er nur eine Auskunft begehrte. Der Streit zwischen ihm und der Antragstellerin darüber, ob die Physiotherapeuten die Verantwortung für die Praktika zu übernehmen in der Lage waren, ließ sich nicht im Rahmen einer internen Auseinandersetzung lösen. Es war deshalb naheliegend, dass Herr D sich an Dritte wandte, um sich über die Rechtsgrundlagen kundig zu machen. Allein der Umstand, dass Herr D in dem Schreiben an die Fa. E mit die Erstattung einer Anzeige angekündigt hatte, reicht nicht aus, um annehmen zu können, dass die E-Mail vom 8. Januar 2009 eigentlich über ihren Wortlaut hinaus doch eine Anzeige sein sollte. Die bei einer Gesamtwürdigung doch eher vorsichtige Formulierung der E-Mail deutet darauf hin, dass sie auf die Erteilung einer Auskunft gerichtet war. Die Zweifel daran, dass die E-Mail eine Anzeige sein sollte, gehen zulasten der Antragstellerin, die die Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes trägt. Nicht ausreichend ist jedenfalls, dass das Landesamt durch die E-Mail von Herrn D zu weiteren Ermittlungen hätte veranlasst werden können. Diese Möglichkeit wäre ein bloßer Reflex auf die E-Mail von Herrn D, die sein Verhalten nicht vertragswidrig gemacht hätte.
Selbst wenn die E-Mail vom 8. Januar 2009 eine Vertragspflichtverletzung darstellte, bedeutete dieses gleichwohl nicht, dass ein Kündigungsgrund als solcher gegeben wäre. Bei der intern nicht geklärten Auseinandersetzung zwischen der Antragstellerin und Herrn D belastete es das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes, dass der Kläger sich mit der Bitte um Klärung der Rechtsgrundlagen an die zuständige Behörde wendete. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich auch nicht ansatzweise um eine Strafanzeige handelte, sondern um die bloße Klärung von Ausbildungserfordernissen, die die Antragstellerin einzuhalten hat. Wenn der leitende Physiotherapeut in einem solchen Konflikt um eine Klärung bemüht ist, kann dieses regelmäßig nicht das Gewicht eines wichtigen Grundes haben, also die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Soweit die Antragstellerin meint, eigentliches Motiv von Herrn D sei es, die Verkürzung von Therapiezeiten rückgängig zu machen, kann dieses nicht berücksichtigt werden, weil keine Tatsachen ersichtlich sind, die das Vorliegen eines solches Motivs hinreichend sicher erscheinen lassen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein solches „eigentliches“ Motiv zur Begründung eines wichtigen Grundes an sich führen könnte.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).