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Kirchengericht: Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:12.04.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R71-09
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 32 Abs. 2 Satz 1
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster, 2 M 24/09; Fundstellen: KuR 2/2010, S 287, ZMV 1/2011, S. 40
Schlagworte:Erforderlichkeit der Kosten eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten
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Leitsatz:

1. Prozesskosten sind nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD als Kosten der Mitarbeitervertretung von der Dienststelle zu tragen, wenn sie „erforderlich“ sind.
2. Die Erforderlichkeit ist nicht nach dann erkennbaren objektiven Gründen im Rückblick festzustellen. Vielmehr steht der Mitarbeitervertretung insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Kommt sie bei Anwendung eines verständigen Maßstabes aus der Sicht eines vernünftigen Dritten zu dem Ergebnis, dass die kostenverursachende Maßnahme erforderlich war, so sind die damit verbundenen notwendigen Kosten von der Dienststelle zu tragen.
3. Geht es darum, dass sich die Mitarbeitervertretung in einem Verfahren, in welchen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, rechtsanwaltlicher Hilfe bedienen will, so ist bei Prüfung der Erforderlichkeit darauf abzustellen, ob der Rechtsstreit nach der Sach- und Rechtslage Schwierigkeiten aufweist, die nur mit Hilfe eines Rechtsanwalts überwunden werden können.

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster - vom 7. August 2009 - Az.: 2 M 24/09 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die antragstellende Mitarbeitervertretung begehrt, die Dienststellenleitung zu verpflichten, zwei Mitglieder zwecks Teilnahme an dem Seminar „Mobbing und Konflikte am Arbeitsplatz“ (Veranstalter Dia e.V.) von der Arbeit und allen Kosten der Seminarteilnahme freizustellen. Nachdem die Dienststellenleitung dies zunächst mündlich abgelehnt hatte, hat die Mitarbeitervertretung ihr unter dem 12. März 2009 geschrieben
„…
Begründung für die am 06.02.2009 beschlossenen Lehrgangsthemen:
1. Mobbing und Konflikte am Arbeitsplatz ……
2. …..
Für die erste Schulungsveranstaltung sehen wir eine klare Erforderlichkeit gegeben. Aufgrund von betrieblichen Konflikten besteht ein aktueller Handlungsbedarf, und somit eine Schulung, die Lösungen für derartige Konflikte vermittelt, notwendig (BAG v. 15.1.1997, DB 1997, S. 1475). Bezugnehmend auf ein LAG-Urteil vom 7.7.2006 sind für uns daher Anhaltspunkte gegeben, die zeigen, dass Mitarbeiter Mobbingsituationen ausgesetzt sind (LAG Hamm v. 7.7.006, NZA-RP 2007, S. 202). Da die MAV in ihrer Sitzung vom 6.3.09 zwei MAV-Mitglieder zudem als Mobbingbeauftragte bestellt hat, ist eine qualitative Ausbildung zur Ausführung dieses Bereichs unabdingbar.
Der zweite Lehrgang …“
Mit Schreiben vom 20. März 2009 hat sie ohne rechtsanwaltliche Vertretung einen Antrag bei der Schlichtungsstelle eingereicht.
Nachdem die Dienststellenleitung sich dem Begehren der Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 27. März 2009 entgegengestellt hatte, weil es keine entsprechende Konfliktlage in der Dienststelle gebe, ist für die Antragstellerin ihre Verfahrensbevollmächtigte aufgetreten. Sie hat mit ihrem Schriftsatz vom 27. April 2009 näher zur Begründung des Antrags vorgetragen. Zuvor hatte die Mitarbeitervertretung die Hinzuziehung dieser Verfahrensbevollmächtigten beschlossen und bei der Dienststellenleitung die Übernahme der dadurch verursachten Kosten beantragt. Die Dienststellenleitung lehnte die Kostenübernahme ab, sie bediente sich ihrerseits auch keines rechtsanwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten. Vor der Schlichtungsstelle schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach nicht beide, sondern nur ein Mitglied der Mitarbeitervertretung an dem Seminar teilnehmen werde und die Dienststelle hierfür Arbeitsbefreiung erteilt und die Teilnahmekosten übernimmt. Die Frage, ob die Dienststelle auch die Kosten für die Inanspruchnahme der Verfahrensbevollmächtigten der Mitarbeitervertretung zu tragen hat, blieb strittig.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt
festzustellen, dass die Dienststellenleitung verpflichtet ist, die Kosten für den Rechtsbeistand der Antragstellerin zu tragen.
Die Dienststellenleitung hat beantragt, den Kostentragungsantrag zurückzuweisen.
Die Vorinstanz hat den Kostentragungsantrag durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes sei nicht erforderlich gewesen. Der Fall biete keine rechtlichen oder tatsächlichen Sdchwierigkeiten. Aus der vorgelegten Korrespondenz, insbesondere aus dem Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 12. März 2009 ergebe sich, dass die Mitarbeitervertretung hinreichende Kenntnisse besitze, um die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme begründen zu können.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, der Beschluss sei unrichtig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift vom 27. November 2009 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EGMVG.Westfalen (KABl.Westf. 2003, S. 404).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen die verfahrensbeendenden Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.
3. Die Beschwerde war insbesondere nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses (§ 63 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 MVG.EKD) anzunehmen.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer gegenteiligen Entscheidung genügt nicht. (std. Rspr. des KGH.EKD, z. B. Beschluss vom 7. April 2008 - I-0124/P5-08 - ZMV 2009, S. 37; Beschluss vom 10. November 2008 - I-124/P37-08 - ZMV 2009, S. 36; Beschluss vom 20. April 2008 - I-124/R10-09; Beschluss vom 01. September 2009 - I-0124/R26-09, beide www.ekd.de, z.V.v.)
Die Auffassung der Beschwerde, es genüge, wenn bei summarischer Prüfung die Unrichtigkeit der angefochtnen Entscheidung zumindest ähnlich wahrscheinlich erscheine wie deren Richtigkeit, findet im Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD keine Stütze.
b) Solche Zweifel liegen nicht vor. Vielmehr hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass die Kosten für die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten nicht von der Dienststelle zu tragen sind, weil es für die Mitarbeitervertretung nicht erforderlich war, sich im Verfahren über die Schulungsteilnahme einer rechtsanwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten zu bedienen.
aa) Prozesskosten sind nach § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD als Kosten der Mitarbeitervertretung von der Dienststelle zu tragen, wenn sie „erforderlich“ sind. Die Erforderlichkeit ist nicht nach dann erkennbaren objektiven Gründen im Rückblick festzustellen. Vielmehr steht der Mitarbeitervertretung insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Kommt sie bei Anwendung eines verständigen Maßstabes aus der Sicht eines vernünftigen Dritten zu dem Ergebnis, dass die kostenverursachende Maßnahme erforderlich war, so sind die damit verbundenen notwendigen Kosten von der Dienststelle zu tragen. Geht es - wie hier - darum, dass sich die Mitarbeitervertretung in einem Verfahren, in welchen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, rechtsanwaltlicher Hilfe bedienen will, so ist bei Prüfung der Erforderlichkeit darauf abzustellen, ob der Rechtsstreit nach der Sach- und Rechtslage Schwierigkeiten aufweist, die nur mit Hilfe eines Rechtsanwalts überwunden werden können (vgl. zum BetrVG: BAG in ständiger Rechtsprechung seit Beschluss vom 26. November 174 - 1 ABR 16/74 - BAGE 26, 376, 382 = AP Nr. 6 zu § 20 BetrVG 1972; LAG Hamm, Beschluss vom 8. Oktober 1976 - 3 TaBV 29/76 - EzA § 40 Nr. 31; Richardi/Thüsing, § 40 BetrVG Rn. 25).
bb) Von diesem Maßstab ist auch die Vorinstanz ausgegangen. Sie hat ihn auch richtig angewendet. Der Sachverhalt wie die Rechtsfragen wiesen hinsichtlich der in Rede stehenden Schulungsteilnahme keine Schwierigkeiten aus. Zudem zeigt das Schreiben der Mitarbeitervertretung an die Dienststellenleitung vom 12. März 2009, dass die Mitarbeitervertretung durchaus in der Lage war, die Auseinandersetzung auch gerichtlich zu führen. Auch dies hat die Vorinstanz zutreffend erkannt.
cc) Den Hinweis auf die „Waffengleichheit“ hat die Beschwerde gründlich missverstanden. Die Vorinstanz hat damit keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass eine anwaltlich Vertretung schon deshalb nicht geboten gewesen sei, weil die Dienststelle ohne anwaltliche Hilfe gehandelt habe, sondern - umgekehrt - dass es unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ geboten sein kann, auch der Mitarbeitervertretung rechtsanwaltliche Hilfe zuzubilligen, wenn die Dienstgeberseite sich solcher Hilfe bedient. Diesem verbreiteten Gedanken vermag der Senat nicht ohne Weiteres zu folgen. Auch in einem solchen Fall bleibt zu prüfen, ob der Rechtsstreit rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist, der die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts i.S. des § 32 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD erforderlich macht.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).