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Kirchengericht:Verwaltungssenat bei dem Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss(rechtskräftig)
Datum:03.05.2011
Aktenzeichen:(VGH.EKD) 0135/18-2011 (vormals VGH 24/10)
Rechtsgrundlage:Art. 22 Abs. 1 Satz 1 GO (Baden) § 18 KVwGG (Baden)
Vorinstanzen:Verwaltungsgericht der Ev. Landeskirche in Baden - VG 1/2010
Schlagworte:Feststellungsklage, Gemeindeversammlung, Klagebefugnis
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Leitsatz:

Ein einzelnes Mitglied einer Gemeindeversammlung ist nicht befugt, mit Hilfe der Verwaltungsgerichte für eine korrekte Amtsführung innerhalb der Gemeinde zu sorgen.

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 21. Juni 2010 wird zurückge-wiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Gegenstandswert wird für das Revisionsverfahren auf 5.000,- € festge-setzt.

Gründe:

I. Der Kläger ist Mitglied einer Gemeinde, deren Mitglieder darüber streiten, ob im Rahmen von Renovierungsmaßnahmen in der im Eigentum der Beklagten zu 1. stehenden Kirche eine Treppe vom Altarraum zur Orgelempore eingebaut werden soll. Das bislang nicht verwirklichte Bauvorhaben war Gegenstand mehrerer Erörterungen in Gemeindeversammlungen der Gemeinde.
Der Kläger steht dem Bauvorhaben neutral gegenüber, leidet aber unter dem Streit der Gemeindemitglieder. Mit Schreiben vom 4./6. Mai 2009 übersandte er an den Vorsitzenden der auf den 10. Mai 2009 anberaumten Gemeindeversammlung der Gemeinde einen Antrag zur Abstimmung, wonach die Gemeindeversammlung die für die Renovierung Verantwortlichen u.a. darum bitten möge, dass der Bau der Treppe bis auf Weiteres nicht in Angriff genommen werden solle.
Am 7. Mai 2009 war der geplante Umbau der Kirche Gegenstand der Erörterung in der Synode. Die Synode beschloss mehrheitlich, der „Finanzierung des Projekts der Renovierung und baulichen Veränderung der Kirche“ zuzustimmen. Weitere Beschlüsse zu der streitigen Frage fasste sie nicht.
In der Gemeindeversammlung am 10. Mai 2009 wurde der Antrag des Klägers verlesen. Er lautet: „Die Gemeindeversammlung bittet die für die Renovierung der Kirche Verantwortlichen, auf allen Beratungs- und Entscheidungsebenen dafür Sorge zu tragen, dass im Interesse der Wiederherstellung des Gemeindefriedens der bis heute streitige Bau einer Stufenanlage, die über den bisherigen Altarraum hinaus zur Orgelempore führen soll, bis auf weiteres nicht in Angriff zu nehmen. Im gleichen Geist bittet die GV alle in diesem Zusammenhang Verantwortung tragenden, gewählten oder bestellten Amtsträger, bereits beschlossene Handlungs- und Haushaltsermächtigungen für die Kirchenrenovierung nur für deren unstrittigen Teil, nicht aber für die strittige Stufenanlage auszuschöpfen.“ Der Antrag wurde mit 114 Ja-Stimmen gegen 60 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. Die Vorsitzende der Gemeindeversammlung, die bereits zu Beginn der Versammlung darauf aufmerksam gemacht hatte, dass der Antrag nach dem Beschluss der Synode vom 7. Mai 2009 keine Relevanz mehr besitze, wies erneut darauf hin, dass der Antrag für den Bauantrag keine Auswirkungen mehr habe, versprach aber seine Weitergabe.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2009 an den Evangelischen Oberkirchenrat beanstandete der Kläger, dass der Beschluss der Synode vom 7. Mai 2009 vor der Gemeindeversammlung am 10. Mai 2009 gefasst worden sei. Die Terminabfolge habe der Gemeindeversammlung das Recht auf aktive Beratung der Synode genommen. Der Beschluss der Synode sei daher nicht ordnungsgemäß erfolgt. Er, der Kläger, verlange eine rechtsaufsichtliche Überprüfung. Unter dem 9. Juli 2009 erteilte der Evangelische Oberkirchenrat dem Kläger die „Rechtsauskunft“, dass die Beschlussfassung der Synode nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt sei, zumal lediglich ein Beschluss zur Finanzierung, nicht aber zur konkreten Ausgestaltung des Bauvorhabens gefasst worden sei. Eine frühere Terminierung sei nicht möglich gewesen. Der Kläger legte gegen das Schreiben des Oberkirchenrats, das er als ihn belastenden kirchlichen Verwaltungsakt wertete, Beschwerde ein.
Am 16. September 2009 beschloss der Bauausschuss der Synode nach Anhörung u.a. des Gesamtältestenkreises mit Mehrheit, dem Baukonzept zur Neugestaltung der Kirche zuzustimmen.
Am 19. November/9. Dezember 2009 wies der Evangelische Landeskirchenrat die Beschwerde des Klägers als unzulässig zurück. Das Schreiben vom 9. Juli 2009 beinhalte keine verwaltungsrechtliche Entscheidung, sondern lediglich eine Rechtsauskunft, gegen die eine Beschwerde nicht möglich sei. Außerdem gehöre die Frage, ob die Gemeindeversammlung durch die Vorgänge um die beabsichtigte Umgestaltung der Kirche in ihren Kompetenzen betroffen sei, nicht in den Bereich der subjektiven Rechte der Gemeindeglieder.
Der Kläger hat Klage erhoben und erstinstanzlich beantragt,
1. den Beschluss der Synode vom 7. Mai 2009 und den Rechtsauskunftsbescheid des Evangelischen Oberkirchenrats vom 9. Juli 2009 sowie den diesbezüglichen Beschwerdebescheid des Landeskirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 9. Dezember 2009 aufzuheben;
2. festzustellen, dass die Synode nicht berechtigt war, durch Beschluss vom 7. Mai 2009 über die Baumaßnahme ohne die zu diesem Zeitpunkt bereits auf den 10. Mai 2009 terminierte Anhörung der Gemeindeversammlung zu entscheiden;
3. festzustellen, dass der Mehrheitsbeschluss der Gemeindeversammlung der Gemeinde vom 10. Mai 2009 einen Antrag im Sinne von Art. 22 Abs. 1 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Baden enthält, der gemäß Satz 2 der genannten Vorschrift zu behandeln und zu bescheiden ist.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil er nicht geltend machen könne, in eigenen Rechten verletzt worden zu sein. Da das Mitglied einer Kirche nicht berechtigt sei, im Klagewege die bestimmte Ausgestaltung einer kirchlichen Einrichtung zu begehren, könne er auch das Verwaltungsverfahren, das zu dieser Ausgestaltung führe oder geführt habe, nicht im kirchlichen Verwaltungsrechtsweg überprüfen lassen. Im Übrigen ergebe sich in der Sache selbst, dass durch den vom Kläger beanstandeten Beschluss der Synode vom 7. Mai 2009 über die konkrete Bauausgestaltung der Kirche nicht entschieden worden sei, sondern lediglich über die Finanzierung des Projekts, das auch andere, unumstrittene Baumaßnahmen umfasst habe. Erst der dafür zuständige Bauausschuss der Synode habe am 16. September 2009 über die konkrete Baugestaltung nach umfangreicher Anhörung der Beteiligten entschieden. Auch aus dem Mehrheitsbeschluss der Gemeindeversammlung vom 10. Mai 2009 könne der Kläger keine eigenen einklagbaren Rechte herleiten. Nach Art. 22 Abs. 1 der Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden (GO) könne die Gemeindeversammlung durch Mehrheitsbeschluss den Leitungsorganen der Pfarrgemeinde, der Kirchengemeinde, des Kirchenbezirks und der Landeskirche schriftlich begründete Vorschläge machen und Anträge stellen, auf die ein Bescheid zu erteilen sei. Die Rechte der Gemeindeversammlung nehme regelmäßig der Vorsitzende wahr. Dem einzelnen Gemeindemitglied erwüchsen aus einem Beschluss der Gemeindeversammlung keine Rechte.
Der Kläger hat gegen das erstinstanzliche Urteil Revision eingelegt. Er berühmt sich eines subjektiven Klagerechts aus Art. 22 GO und beantragt,
1. festzustellen, dass der von ihm mit Schreiben vom 4./6. Mai 2009 eingereichte Antrag für die Gemeindeversammlung vom 10. Mai 2009 und der auf dieser Grundlage ergangene Mehrheitsbeschluss einen Antrag im Sinne von Art. 22 Abs. 1 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Baden begründen, der gemäß Satz 2 der genannten Vorschrift zu behandeln und zu bescheiden ist;
2. festzustellen, dass die Synode nicht berechtigt war, durch Beschluss vom 7. Mai 2009 über die Baumaßnahme ohne die zu diesem Zeitpunkt bereits auf den 10. Mai 2009 terminierte Anhörung der Gemeindeversammlung zu entscheiden;
3. hilfsweise den Beschluss der Synode vom 7. Mai 2009 und den Rechtsauskunftsbescheid des Evangelischen Oberkirchenrats vom 9. Juli 2009 sowie den diesbezüglichen Beschwerdebescheid des Landeskirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 9. Dezember 2009 aufzuheben.
II. Der Verwaltungssenat hält die Revision des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Da die Revision auch keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft, weist der Senat sie gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 VwGG.UEK i.V.m Art. 1 Nr. 2 des Kirchlichen Gesetzes zur Änderung des Kirchengesetzes über die Ordnung der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 20. Oktober 2010, der für Verfahren, die am 31. Dezember 2010 beim Verwaltungsgerichtshof der UEK gerichtshängig waren, weiterhin gilt, durch Beschluss zurück. Die Beteiligten sind hierzu nach § 57 Abs. 2 Satz 2 VwGG.UEK gehört worden. Ihrer Zustimmung bedarf es nicht.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist mit allen im Revisionsverfahren gestellten Anträgen unzulässig, weil der Kläger nicht klagebefugt ist. Er kann nicht, wie von § 18 Abs. 1 des Kirchlichen Gesetzes über die Ordnung der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit (KVwGG.Baden) gefordert, geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Auf das Erfordernis der Klagebefugnis kann auch bei Feststellungsklagen nicht verzichtet werden (VGH der UEK, Beschluss vom 5. Mai 2008 - VGH 4/08 -).
1. Mit dem Antrag zu 1. beanstandet der Kläger einen Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Satz 2 GO. Danach kann die Gemeindeversammlung durch Mehrheitsbeschluss den Leitungsorganen der Pfarrgemeinde, der Kirchengemeinde, des Kirchenbezirks und der Landeskirche schriftlich begründete Vorschläge machen und Anträge stellen, auf die ein Bescheid zu erteilen ist. Das Recht auf einen Bescheid steht nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung der Gemeindeversammlung, nicht den einzelnen Mitgliedern zu. Diese sind ferner nicht befugt, die Rechte der Gemeindeversammlung aus Art. 22 Abs. 1 Satz GO im eigenen Namen geltend zu machen.
Ob der Kläger berechtigt gewesen wäre, die Klage namens der Gemeindeversammlung zu erheben, kann offen bleiben. Denn dem Klagevorbringen kann entgegen der Behauptung im Revisionsverfahren nicht entnommen werden, dass der Kläger hilfsweise im Namen der Gemeindeversammlung geklagt hat. In der Klageschrift vom 14. Januar 2010 heißt es, der Kläger mache ein eigenes rechtliches Interesse an den beantragten Feststellungen geltend (S. 4), er sei persönlich beschwert (S. 5), er habe aufgrund der Beeinträchtigung seiner Rechte als Gemeindemitglied ein berechtigtes Interesse an den erstrebten Feststellungen (S. 5) und es gehe ihm vor allem darum, dass die Verfahrensregeln eingehalten werden (S. 9). Im Revisionsverfahren darf er die Gemeindeversammlung nicht statt seiner zur Verfahrensbeteiligten erklären. Darin läge eine Klageänderung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Januar 1993 - BVerwG 7 B 158.92 - DVBl. 1993, 563), die im Revisionsverfahren nach § 71 VwGG.UEK i.V.m § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht zulässig ist.
2. Mit dem Antrag zu 2. will der Kläger die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses der Synode wegen Nichtbeteiligung der Gemeindeversammlung festgestellt wissen. Für diesen Antrag mag die Gemeindeversammlung klagebefugt sein, der Kläger ist es nicht. Dem einzelnen Mitglied der Gemeindeversammlung ist es nämlich verwehrt, mit Hilfe der Verwaltungsgerichte für eine korrekte Amtsführung innerhalb der Kirchengemeinde zu sorgen (vgl. VGH der UEK, Beschluss vom 5. Mai 2008 - VGH 4/08 -).
3. Der hilfsweise gestellte Antrag zu 3. ist aus denselben Gründen unzulässig wie die Anträge zu 1. und 2; denn er ist, wenn auch in anderem Gewand, auf dasselbe Klageziel gerichtet wie die Hauptanträge. Darüber hinaus ist er als Anfechtungsantrag unstatthaft, weil die angefochtenen Schreiben keine Verwaltungsakte sind. Sie enthalten keine Regelung, sondern haben Auskunftscharakter. Das hat der Landeskirchenrat in seinem Schreiben vom 9. Dezember 2009 in aller Deutlichkeit klargestellt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 3 VwGG.UEK und die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 69 VwGG.UEK.