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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:11.01.2010
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/R41-09
Rechtsgrundlage:MVG.K § 36 Abs. 1 Satz 1 = (MVG.EKD § 35 Abs. 1 Satz 1) MVG.K § 37 Abs. 1 Satz 3 = (MVG.EKD § 36 Abs. 1 Satz 3) MVG.K § 63 Abs. 8 ARRGD.K § 6
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg Lippe, Kammer Diakonisches Werk Hannovers, 1 VR MVG 71/08; Fundstelle: ZMV 3/2010, S. 320
Schlagworte:
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Leitsatz:

1. Die Unterrichtung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über Verhandlungen der Arbeitsrechtlichen Kommission zu Entgeltfragen zählt ebenso wenig zu den Aufgaben der Mitarbeitervertretung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 MVG.K (entspricht § 35 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD) wie die Vergütungsfindung oder die Herbeiführung von Regelungen zur Vergütung.
2. Aus dem Umstand, dass die Mitarbeitervertretung – über die Gesamtmitarbeitervertretung – an der Entsendung von Vertretern der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Arbeitsrechtliche Kommission mitwirkt, ist nicht zu folgern, dass die Arbeit in der und für die Arbeitsrechtliche Kommission und die Unterrichtung der Mitarbeiter der Einrichtung über den Stand von Verhandlungen in der Arbeitsrechtlichen Kommission zum Aufgabenbereich der Mitarbeitervertretung zählt.
3. Ob und inwieweit es einem Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission i. S. des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie vom 11. Oktober 1997, zuletzt geändert durch das Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Änderung des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes Diakonie vom 27. September 2008 (KABl.Hannover 2008, S. 196 (ARRGD.K) nach den Regelungen dieses Gesetzes oder nach dieses Gesetz ausfüllenden gesetzlichen oder sonstigen normativen Bestimmungen gestattet ist oder gar obliegt, Mitarbeiter der Einrichtung, der es angehört, über den (Zwischen-)Stand der Verhandlungen in der Arbeitsrechtlichen Kommission zu unterrichten, bleibt vorliegend dahingestellt.
4. Eine Kostentragungsentscheidung nach § 63 Abs. 8, § 31 Abs. 2 Satz 1 MVG.K setzt einen entsprechenden Antrag der Mitarbeitervertretung voraus.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg Lippe, Kammer Diakonisches Werk Hannovers vom 21. April 2009 - Az.: 1 VR MVG 71/08 - unter Aufhebung der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die Kostentragung durch die Dienststellenleitung insoweit abgeändert, als dem Antrag zu 1 stattgegeben worden ist, und insgesamt wie folgt gefasst:
Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:

I. Im in die Beschwerde gelangten Teil des Rechtsstreits streiten die Beteiligten zu 1 und 3 darüber, ob die Fahrten des Antragsstellers zu 2 am 27. Februar 2007 und am 19. März 2007 in Einrichtungen der zu 3 beteiligten Dienststelle zwecks Unterrichtung der dort tätigen Mitarbeiter über den Stand von Verhandlungen der Arbeitsrechtlichen Kommission über Arbeitsentgelte notwendige Mitarbeitervertretungsarbeit war, und ob die Beteiligte zu 3 die erstinstanzlichen Verfahrenskosten einschließlich der Kosten des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsstellerin zu 1 und des Antragstellers zu 2 zu tragen hat.
Die Antragsteller zu 1 und zu 2 haben erstinstanzlich beantragt festzustellen
1. dass es sich bei den vom Antragsteller zu 2 am 27. Februar 2007 und am 19. März 2007 durchgeführten Fahrten in die Einrichtungen der Beteiligten zu 3 um erforderliche Mitarbeitervertretungsarbeit gehandelt hat,
2. dass für die Zeit der Durchführung der Fahrten am 27. Februar 2007 und am 19. März 2007 dem Antragsteller zu 2 ein Vergütungsanspruch zusteht,
3. dass die Beteiligte zu 3 verpflichtet ist, dem Antragsteller zu 2 die entstandenen Fahrkosten zu vergüten
4. dass in dem Ausspruch der Abmahnungen vom 30. Januar, 3. April, 27. November, 28. November und 1. Dezember 2008 eine Behinderung der Mitarbeitervertretung i.S. von § 19 MVG.K zu sehen ist.
Die zu 3 beteiligte Dienststellenleitung hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Die Vorinstanz hat den von der Antragstellerin zu 1 gestellten Antrag zu 1, festzustellen, dass es sich bei den vom Antragsteller zu 2 am 27. Februar 2007 und am 19. März 2007 durchgeführten Fahrten in die Einrichtungen der Beteiligten zu 3 um erforderliche Mitarbeitervertretungsarbeit gehandelt hat, für begründet erachtet, deren Antrag zu 4 mangels Feststellungsinteresses und deren Anträge zu 2 und 3 sowie alle Anträge der Antragstellers zu 2 mangels Zuständigkeit der Schlichtungsstelle als unzulässig erachtet (Beschluss vom 21. April 2009). Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss hat nur die Dienststellenleitung Beschwerde eingelegt. Der Senat hat die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 2. November 2009).
II. Die Beschwerde ist begründet.
1. Der Antrag zu 1 ist unbegründet. Die Schlichtungsstelle hat die Unterrichtung der Mitarbeiter über den Stand der Verhandlungen der Arbeitsrechtlichen Kommission über Arbeitsentgelt zu Unrecht den allgemeinen Aufgaben der Mitarbeitvertretung i. S. des § 36 Abs. 1 MVG.K (entspricht § 35 Abs. 1 MVG.EKD) zugeordnet. Die Unterrichtung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über Verhandlungen der Arbeitsrechtlichen Kommission zu Entgeltfragen zählt ebenso wenig zu den Aufgaben nach § 36 Abs. 1 Satz 1 MVG.K (entspricht § 35 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD) wie die Vergütungsfindung oder die Herbeiführung von Regelungen zur Vergütung, wie sie in den Arbeitsrechtsregelungen getroffen werden (vgl. KGH-EKD, Beschluss vom 23. August 2001 – II-0124/F28-01 – NZA-RR 2002, (7), 392 – Ls).
a) Für die unzutreffende Ansicht der Vorinstanz sind die von ihr bemühten Bestimmungen der §§ 38 ff MVG.K unbehelflich. In Frage kommt höchsten die Regelung in § 36 Abs. 1 Satz 1 (entspricht § 35 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). Sie lautet:“ Die Mitarbeitervertretung hat die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu fördern“. Der damit umrissene Rahmen der Aufgaben der Mitarbeitervertretung ist einerseits weit gefasst und geht in Teilen über die Einzelregelungen vor allem in § 36 Abs. 2 ff, §§ 40 bis 43 und 47 bis 48 MVG.K (vergleichbar: §§ 35 Abs. 2 ff; §§ 39 bis 43 und 46 bis 47 MVG.EKD) hinaus. Indessen werden der Grundregel des § 36 Abs. 1 Satz 1 MVG.K auch deutliche Grenzen gesetzt, sei es ausdrücklich wie z.B. in § 37, § 44 und § 46 MVG.K (entspricht § 36, § 44 und § 45 MVG.EKD), nicht zuletzt aber auch durch den Zweck des gesamten Mitbestimmungsrechts, nämlich durch die geordnete Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an sie betreffende Entscheidungen der Dienststellenleitung i.S. einer kircheneigenen „Betriebsverfassung“ (vgl. zur Wortwahl: Berliner Kommentar zum MVG.EKD, 2007, Richter, Einl. Rn. 79). Die gemeinsame Klammer für alle Aufgaben der Mitarbeitervertretung besteht darin, dass es sich stets um Angelegenheiten handeln muss, die der Entscheidung oder Regelung durch die Dienststellenleitung unterliegen. Das bedeutet jedoch nicht, dass alles, was der Entscheidung der Dienststellenleitung unterliegt, ihrerseits auch der Mitbestimmung unterläge, wie insbesondere die Bestimmungen des MVG.K wie auch des MVG.EKD zeigen, die die Mitbestimmung ausdrücklich ausschließen oder einschränken. Bereits daran fehlt es hier. Entgeltregelungen der Arbeitsrechtlichen Kommission unterliegen als solche nicht der Entscheidung durch die Dienststelle.
b) Dass die Vergütungsfindung oder die Aufstellung von Regeln zur Vergütungsfindung durch die Arbeitsrechtliche Kommission nicht Aufgabe der Mitarbeitervertretung ist, zeigt – unabhängig von dem allgemeinen Prinzip – auch § 37 Abs. 1 Satz 3 MVG.K (entspricht § 36 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD), indem dort bestimmt ist: „Arbeitsentgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen, die durch eine Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein, es sei denn, die Regelung durch die Arbeits- und Dienstrechtliche Kommission lässt eine Dienstvereinbarung ausdrücklich zu.“ Um eine im letzten Halbsatz erwähnte Öffnungsklausel geht es vorliegend nicht, sondern um die Entgeltfindung durch die Arbeitsrechtliche Kommission selbst. Die Bedeutung des § 37 Abs. 1 Satz 3 MVG.K besteht darin, dass eine Auseinandersetzung über Entgelte oder sonstige allgemeine Arbeitsbedingungen nicht innerhalb der Dienststellen stattfinden soll, sondern auf dienststellenübergeordneter Ebene. Die Vorinstanz hat § 37 Abs. 1 Satz 3 MVG.K (entspricht § 36 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD) und dessen Bedeutung für die grundsätzliche Genese von Regelungen über Entgelte und allgemeine Arbeitsbedingungen nicht in Betracht gezogen.
c) Aus dem Umstand, dass die Mitarbeitervertretung – über die Gesamtmitarbeitervertretung (§ 7 KirchenG der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Regelung des Arbeitsrechts für Einrichtungen der Diakonie vom 11. Oktober 1997, zuletzt geändert durch das KirchenG der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen zur Änderung des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes Diakonie vom 27. September 2008 – KABl.Hannover 2008, S. 196 - ARRGD.K) an der Entsendung von Vertretern der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Arbeitsrechtliche Kommission mitwirkt, ist entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht zu folgern, dass die Arbeit in der und für die Arbeitsrechtliche Kommission und die Unterrichtung der Mitarbeiter der Einrichtung über den Stand von Verhandlungen in der Arbeitsrechtlichen Kommission zum Aufgabenbereich der Mitarbeitervertretung zählt. Die (mittelbare) Mitwirkung an der Entsendung besagt nichts darüber, dass die Mitarbeitervertretung oder deren Mitglieder in dieser Amtsstellung an der Arbeit der Arbeitsrechtlichen Kommission oder deren Mitglieder materiell beteiligt wären. Die in die Arbeitsrechtliche Kommission entsandten Vertreter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können zugleich Mitglieder der Mitarbeitervertretung sein; gleichwohl unterliegen auch die Mitglieder der Mitarbeitervertretung keinem der Rechtfertigung bedürfenden imperativen Mandat, sondern sie sind „unabhängig und an Weisungen nicht gebunden“ (§ 6 Abs. 3 ARRGD.K).
d) Ob und inwieweit es einem Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission i. S. des ARRGD.K nach diesem Gesetz oder nach dieses Gesetz ausfüllenden gesetzlichen oder sonstigen normativen Bestimmungen gestattet ist oder gar obliegt, Mitarbeiter der Einrichtung, der es angehört, und/oder Mitarbeiter anderer Einrichtungen über den (Zwischen-)Stand der Verhandlungen in der Arbeitsrechtlichen Kommission zu unterrichten oder sich seinerseits dort selbst über deren Meinungen Kenntnis zu verschaffen, ob deshalb der nach näherer Maßgabe von § 6 Abs. 2 ARRGD.K für Sitzungen der Arbeitsrechtlichen Kommission und zur Wahrnehmung der mit einer Mitgliedschaft verbundenen Aufgaben bestehende Freistellungsanspruch einschlägig ist und ob nach näherer Maßgabe von § 6 Abs. 6 ARRGD.K ein Anspruch auf Reisekostenvergütung besteht, kann dahingestellt bleiben. Denn darum geht es vorliegend nicht. Strittig ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren allein, ob es sich bei der in Rede stehenden Unterrichtung um Mitarbeitervertretungstätigkeit gehandelt hat oder nicht. Die ist zu verneinen. Die Aufgaben des Mitgliedes der Arbeitsrechtlichen Kommission zählen nicht zu den gesetzlichen Aufgaben als Mitglied der Mitarbeitervertretung. Die Personenidentität ändert daran nichts.
2. Die Entscheidung über die Kosten war aufzuheben. Eine Entscheidung nach § 63 Abs. 8 MVG.K setzt einen entsprechenden Antrag der Mitarbeitervertretung voraus (vgl. §1 VerOSchst i.V.m. § 81 ArbGG, § 31 Abs. 2 Satz 1 MVG.K, vgl. auch § 3 VerOSchst-K). Daran fehlt es hier. Überdies waren die Kosten der Heranziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigter des zu 2 beteiligten Mitgliedes der Mitarbeitervertretung zur Durchsetzung schon deshalb nicht als „erforderlich“ i.S. des § 31 Abs. 2 Satz 1 MVG.K anzusehen, weil alle diese Anträge an der zumindest für den Verfahrensbevollmächtigten dieses Beteiligten erkennbaren Unzuständigkeit der Schiedsstelle zu Recht gescheitert sind.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).