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Kirchengericht:Verwaltungssenat bei dem Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss(rechtskräftig)
Datum:02.07.2013
Aktenzeichen:(VGH.EKD) 0135/1-2013
Rechtsgrundlage:§ 95 Abs. 1 PfDG.EKD
Vorinstanzen:Verwaltungsgericht der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 12.11.2012, VG 13/11
Schlagworte:, Pfarrer im Ruhestand; erneute Übertragung einer Pfarrstelle; Wiederverwendung; Reaktivierung
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Leitsatz:

Die Bestimmungen des § 95 Abs. 1 PfDG.EKD über die Wiederverwendung von Pfarrerinnen und Pfarrern im Ruhestand dienen allein den Interessen des Dienstherrn und begründen nicht auch subjektive Rechte der Betroffenen.

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz vom 12. November 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Gegenstandswert wird für das Revisionsverfahren auf 58.302 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Übertragung einer Pfarrstelle in Anspruch.
Der im Jahre 1958 geborene Kläger wurde am 16. August 2002 in ein Pfarrdienstverhältnis auf Lebenszeit berufen. Nachdem ihn das zuständige Versorgungsamt als Schwerbehinderten anerkannt hatte, versetzte ihn die Beklagte mit - inzwischen bestandskräftigem - Bescheid vom 26. Januar 2005 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Der Kläger erstrebt mit der Begründung, er sei zur Ausübung des Pfarrdienstes seit Februar 2007 gesundheitlich wieder in der Lage, seine Reaktivierung.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 teilte das Konsistorium der Beklagten dem Kläger mit, dass seinem Begehren nicht entsprochen werden könne. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies es zurück. Zur Begründung führte es aus, aufgrund wiederholter realitätsferner, unhaltbarer und zwanghafter Ausführungen in zahlreichen Schreiben stehe zu seiner Überzeugung fest, dass der Kläger weiterhin dienstunfähig sei. Nur beispielhaft sei genannt, dass der Kläger leitende Mitarbeiter der Beklagten verschiedener Straftaten in Verbindung mit versuchtem Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie eines strafbaren Versuchs der "Zwangshospitalisierung" bezichtigt habe. Außerdem leide er an der Zwangsvorstellung, dass seine Versetzung in den Ruhestand in Weiterführung der nationalsozialistischen Verbrechen an Behinderten erfolgt sei. Selbst bei Vorliegen von Dienstfähigkeit sei es im Hinblick auf die vom Kläger erhobenen Anschuldigungen nicht zu verantworten, ihm im Rahmen der Ermessensentscheidung eine Pfarrstelle zu übertragen.
Der Kläger hat gegen die ablehnende Entscheidung des Konsistoriums Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Pfarrstelle zu übertragen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe weder einen Anspruch auf Reaktivierung noch einen Anspruch auf Nachprüfung des rechtmäßigen Ermessensgebrauch durch das Konsistoriums. § 95 Abs. 1 Satz 1 PfDG.EKD, der zur erneuten Übertragung eines Pfarrstelle ermächtige, wenn die Gründe für die Versetzung in den Ruhestand weggefallen seien, und § 95 Abs. 1 Satz 2 PfDG, wonach Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand, die ihre Dienstfähigkeit wieder erlangt hätten, nach Aufforderung des Dienstherrn verpflichtet seien, sich um eine Pfarrstelle zu bewerben, dienten allein dem Interesse des Dienstherrn und begründeten nicht auch subjektive Rechte zur Ruhe gesetzter Betroffener.
Mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Seiner Ansicht nach verstößt das vorinstanzliche Urteil sowohl gegen nationales Verfassungsrecht als auch gegen europäisches Völkerrecht.
II. Der Verwaltungssenat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Da die Revision auch keine grundsätzlichen Fragen aufweist, weist sie der Senat gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 und 3 VwGG.EKD durch Beschluss zurück. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden. Ihrer Zustimmung bedarf es nicht. Dem Antrag des Klägers, das Verfahren ruhen zu lassen, d.h. die Bearbeitung zurückzustellen, bis das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg über den dort gestellten Antrag entschieden hat, das Ende der Behinderung zum Februar 2007 festzustellen, entspricht der Senat nicht. Für die Entscheidung über die Revision ist nicht von Bedeutung, ob der Kläger inzwischen wieder dienstfähig oder nach wie vor dienstunfähig ist.
Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Reaktivierung.
a) Nach § 95 Abs. 1 Satz 2 PfDG.EKD sind Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand verpflichtet, sich um eine ihrer Ausbildung entsprechenden Stelle zu bewerben und sich eine solche Stelle übertragen zu lassen, wenn zu erwarten ist, dass sie den gesundheitlichen Anforderungen genügen werden. Die Vorschrift ist § 46 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz - BBG - nachgebildet, wonach Beamtinnen und Beamten, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, verpflichtet sind, einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis Folge zu leisten, wenn ihnen im Dienstbereich ihres früheren Dienstherrn ein Amt ihrer früheren oder einer anderen Laufbahn mit mindestens demselben Endgrundgehalt übertragen werden soll und zu erwarten ist, dass sie den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügen. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu der mit § 46 Abs. 1 Satz 1 BBG im Wesentlichen gleich lautenden Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden, dass ihr keine vom Gesetz gewollte Begünstigung des in den Ruhestand versetzten Beamten zu entnehmen sei (BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 - Buchholz 237.7, § 48 NWLBG Nr. 1). Als Rechtsfolge sei ausschließlich eine Verpflichtung des Beamten vorgesehen, der erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis Folge zu leisten. Diese eine einseitige Verpflichtung begründende Regelung lasse schon nach dem Wortlaut nicht erkennen, dass Rechte des Beamten auf Reaktivierung konstituiert werden sollten. Vielmehr sei dem Beamten nur das Recht eingeräumt worden, eine erneute Begründung des Beamtenverhältnisses abzuwehren, wenn sie nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entspreche. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und überträgt sie auf § 95 Abs. 1 Satz 2 PfDG.EKD.
b) Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 PfDG.EKD kann Pfarrern und Pfarrerinnen im Ruhestand erneut eine ihrer Ausbildung entsprechende Stelle übertragen werden, wenn die Gründe für die Versetzung in den Ruhestand weggefallen sind. Die Vorschrift stellt die Reaktivierung in das Ermessen des Konsistoriums und vermittelt darauf keinen Anspruch. Eine Regelung nach dem Vorbild des § 46 Abs. 5 BBG enthält das Pfarrdienstrecht nicht. Gemäß § 46 Abs. 5 BBG ist, wenn Beamtinnen oder Beamte nach Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit die erneute Berufung in das Beamtenverhältnis beantragen, diesem Antrag zu entsprechen, falls nicht zwingende Gründe entgegenstehen.
aa) Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass das Pfarrdienstgesetz hinter dem Bundesbeamtengesetz zurückbleibt. Es besteht daher keine Notwendigkeit, § 95 Abs. 1 Satz 1 PfDG.EKD im Wege verfassungskonformer Auslegung - ihre Zulässigkeit insoweit unterstellt - der Regelung des § 46 Abs. 5 BBG anzugleichen. Zweifelhaft ist bereits, ob der Kirchengesetzgeber im Bereich des kirchlichen Dienstrechts überhaupt an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden ist (vgl. VGH der EKU - Urteil vom 27. November 1992 - VGH 3/91 - RsprB ABl.EKD 1994, 16 <18>). Das kann indes offen bleiben. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG scheidet jedenfalls deshalb aus, weil der Gleichheitssatz die Hoheitsträger nur innerhalb ihres jeweiligen Kompetenzbereichs bindet (BVerfG, Beschluss vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 -, BVerfGE 79, 127 <158>; BVerwG, Urteil vom 18. September 1984 - 1 A 4.83 - BVerwGE 70, 127 <132>). Einem normsetzenden Hoheitsträger kann daher nicht entgegengehalten werden, dass andere Hoheitsträger dieselbe Frage anders geregelt haben (Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 3 Rn. 8).
Artikel 33 Abs. 5 GG gibt zu Gunsten des Klägers ebenfalls nichts her. Nach Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Die Vorschrift kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse der Kirchen weder unmittelbar noch entsprechend zur Anwendung (BVerfG, Beschlüsse vom 29. November 1978 - 2 BvR 316/78 - NJW 1980, 1041, vom 5. Juli 1983 - 2 BvR 514/83 -, NJW 1983, 2569 <2570> und vom 9. Dezember 2008 - 2 BvR 717/08 - NJW 2009, 1195 <1196>), sondern enthält inhaltliche Vorgaben lediglich für die Regelung des öffentlichen Dienstes als Bestandteil der Staatsverwaltung (vgl. Masing, in: Dreier, GG, 2. Aufl., 2006, Art. 33 Rn. 43; Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl., 2007, Art. 33 Rn. 46; BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 2 C 38.81 -, NJW 1983, 2582 <2583>).
bb) Auch die vom Kläger in Anspruch genommene Richtlinie 2000/78/EG verpflichtet nicht dazu, § 95 Abs. 1 Satz 1 PfDG.EKD so auszulegen, dass er nach Wiedererlangung der Dienstfähigkeit einen Anspruch auf Reaktivierung vermittelt, das Ermessen des Konsistoriums mithin "auf Null" reduziert ist. Dies gilt bereits deshalb, weil die Richtlinie keine unmittelbare Anwendung findet. Die Richtlinie ist durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - AGG - in innerstaatliches Recht umgesetzt worden (Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 1. Aufl., I. Rn. 3, S. 22), so dass sich Ansprüche nur aus diesem Gesetz ergeben können. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz gilt jedoch nicht für die Beschäftigten der Religionsgesellschaften (Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 24 Rn. 21, S. 649), weil kirchenrechtliche Dienstverhältnisse keine öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse im Sinne des § 24 AGG sind. Abgesehen davon ist der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes nicht eröffnet, wenn ein Betroffener nach Wiedererlangung der Dienstfähigkeit Reaktivierung verlangt; denn das Allgemeine Gleichstellungsgesetz will die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt u.a. zu Gunsten von Personen herstellen, die gesundheitlich gehandicapt sind (Däubler/Bertzbach, a.a.O., § 1 Rn. 72, S. 120).
2. Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Prüfung, ob das Konsistorium für den unterstellten Fall, dass er zur Ausübung des Pfarrdienstes gesundheitlich wieder in der Lage ist, sein Ermessen ordnungsgemäß betätigt hat. § 95 Abs. 1 Satz 1 PfDG.EKD räumt einem Ruhestandspfarrer, dem entgegen seinem Wunsch keine Pfarrstelle übertragen werden soll, nicht das Recht ein, die sachgerechte Ausübung des Ermessens einfordern zu dürfen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, begründen Rechtsvorschriften, die der Verwaltung Ermessen einräumen, einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nur dann, wenn die das Ermessen einräumende Norm - zumindest auch - dem Interesse des Betroffenen zu dienen bestimmt ist (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 4. November 1976 - 2 C 40.74 - BVerwGE 51, 264 <267>, vom 29. Juni 1990 - 8 C 26.89 - BVerwGE 85, 220 <222 f.> = Buchholz 448.0 § 13a WPflG Nr. 20, und vom 30. September 1993 - 5 C 41.91 - BVerwGe 94, 202 <204 f.> = Buchholz 436.0 § 93 BSHG Nr. 1; Beschluss vom 5. November 2012 - 2 VR 1.12 - juris Rn. 18). Eine lediglich mittelbar-tatsächliche Begünstigung, hier die Eröffnung einer Reaktivierungsmöglichkeit, reicht zur Begründung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht aus.
§ 95 Abs. 1 Satz 1 PfDG.EKD stattet das Konsistorium mit der Befugnis aus, über die Reaktivierung von Pfarrerinnen und Pfarrern im Ruhestand, die wieder dienstfähig geworden sind, in beide Richtungen zu entscheiden. Es kann für die erneute Übertragung einer Pfarrstelle optieren, wenn es den Betroffenen nicht durch Versorgungsleistungen alimentieren, sondern nach dessen Wiedereingliederung in den Dienstbetrieb für die zu zahlenden Dienstbezüge eine "Gegenleistung" erhalten will. In diesem Fall trifft den Ruheständler die Verpflichtung aus § 95 Abs. 1 Satz 2 PfDG.EKD. Das Konsistorium darf aber auch z.B. aus haushalterischen Gründen aus Gründen der Stellenbewirtschaftung oder Gründen, die in der Person des Betroffenen liegen, von der Reaktivierung absehen. Das Interesse einer Pfarrerin oder eines Pfarrers, den gewählten und auf Lebenszeit übertragenen Beruf ausüben zu können, hat § 95 Abs. 1 Satz 1 PfDG.EKD nicht im Blick. Die Norm will Ruheständlern nicht die Möglichkeit eröffnen, nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit auf ihre Reaktivierung hinzuwirken. Sie sieht nämlich nicht vor, dass die erneute Übertragung einer Pfarrstelle beantragt werden kann. Bei dieser Rechtslage, die sich von derjenigen des § 46 Abs. 5 BBG unterscheidet, ist davon auszugehen, dass § 95 Abs. 1 Satz 1 PfDG.EKD nicht auch rechtliche Belange von Pfarrerinnen und Pfarrern im Ruhestand regelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Februar 1982 - 3 C 19.81 - BVerwGE 65, 19 <22>), sondern sich eine Reaktivierung als Reflex aus dem objektiven Recht darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 60 Abs. 3 VwGG.EKD und die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 63 GKG. Der Senat folgt im Interesse der Einheitlichkeit und Berechenbarkeit von Entscheidungen zum Gegenstandswert dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327), der in Nr. 10.1 für Streitigkeiten um die Begründung oder Umwandlung eines Dienstverhältnisses auf Lebenszeit ("großer" Gesamtstatus) den 13-fachen Betrag des (monatlichen) Endgrundgehalts der maßgeblichen Besoldungsgruppe - hier: A 13 BBesO - bezogen auf den Monat der Klageerhebung als Streitwert vorschlägt.