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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:17.02.2020
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/50-2019
Rechtsgrundlage:§ 21 Abs. 1 MVG-EKD, § 42g MVG-EKD
Vorinstanzen:Kirchengericht -MVG- für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes, Kammer für das Diakonische Werk evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland e.V.
Schlagworte:Versetzung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung, Zustimmungserfordernis der Mitarbeitervertretung
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Leitsatz:

Die Versetzung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung im Sinne von § 21 Abs. 1 MVG-EKD setzt die Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes bei einer anderen Dienststelle voraus.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertreung gegen den Beschluss des Kirchengerichts - MVG - für Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes - Kammer für das Diakonische Werk Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland e.V. - vom 6. August 2019, Az. II-16-2019, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Beteiligung der antragstellenden Mitarbeitervertretung nach § 21 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD bei der Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes an ein Mitglied der Mitarbeitervertretung.
Die Beteiligte zu 2) betreibt eine große diakonische Einrichtung in D. Das Büro und viele Bereiche der Beteiligten zu 2) liegen in dem namensgebenden Ortsteil. Die Beteiligte zu 2) hat dem teilfreigestellten Mitglied der Beteiligten zu 1), der zuvor als Gruppenleiter tätig war, ohne Beteiligung der Beteiligten zu 1) eine Tätigkeit als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen in D zugewiesen. Der Mitarbeiter hat dieser Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes nicht zugestimmt. Er ist nach wie vor Mitglied der MAV.
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt festzustellen,
dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, dem Mitglied der Antragstellerin anstelle seiner bisherigen Tätigkeit als Gruppenleiter in der Grünanlagengruppe (Landschaftspflege) die Tätigkeit als Gruppenleiter in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung „ERAS“ in D zuzuweisen, sofern nicht die Mitarbeitervertretung zugestimmt hat.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen
und die Auffassung vertreten, das Mitbestimmungsrecht nach § 21 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD greife nicht bei der streitgegenständlichen Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes.
Das Kirchengericht hat den Antrag zurückgewiesen, auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung vom 6. August 2019 wird Bezug genommen. Mit der frist- und formgerecht eingereichten und begründeten Beschwerde verfolgt die antragstellende Mitarbeitervertretung ihr Antragsbegehren weiter.
Sie vertritt die Auffassung, der Begriff der „Versetzung“ sei im Rahmen von § 21 Absatz 1 MVG-EKD wie im Zusammenhang von § 95 Absatz 3 BetrVG auszulegen. Werde er entsprechend § 42 Buchstabe g MVG-EKD ausgelegt und würde nur die Zuweisung eines Arbeitsplatzes in einer anderen Dienststelle das Zustimmungserfordernis der MAV auslösen, bestehe eine Rechtsschutzlücke und sei die Arbeit im Gremium der MAV gefährdet.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1) beantragt,
den Beschluss des Kirchengerichts vom 6. August 2019 – Az. II-16-2019 - abzuändern und festzustellen, dass die Antraggegnerin nicht berechtigt war, dem Mitglied der An-tragstellerin anstelle seiner bisherigen Tätigkeit als Gruppenleiter in der Grünanlagengruppe (Landschaftspflege) die Tätigkeit als Gruppenleiter in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung „ERAS“ in D zuzuweisen, sofern nicht die Mitarbeitervertretung zustimmt.
Die Antraggegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Begriff der „Versetzung“ sei entsprechend der Regelung in § 42 Buchstabe g MVG-EKD zu verstehen und setze die Zuweisung eines Arbeitsplatzes in einer anderen Dienststelle voraus. Sinn des Zustimmungserfordernisses sei es, die Mitarbeitervertretung vor dem unfreiwilligen Verlust eines Mitgliedes durch Ausscheiden aus der Dienststelle nach § 18 Buchstabe d MVG-EKD zu schützen. Dieses Schutzes bedürfe die Mitarbeitervertretung nicht, sofern ein Arbeitsplatz innerhalb derselben Dienststelle zugewiesen werde. Schutz vor einer Beeinträchtigung der Arbeit der Mitarbeitervertretung gewähre zudem § 19 Absatz 1 Satz 2 MVG-EKD, weil Mitglieder der Mitarbeitervertretung nicht in der Ausübung ihrer Aufgaben oder Befugnisse behindert werden dürften.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die wechselseitigen zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung.
II. Die Beschwerde ist unbegründet, das Kirchengericht hat den Antrag mit Recht zurückge-wiesen. Die antragstellende Mitarbeitervertretung war nicht nach § 21 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD um Zustimmung zu ersuchen, ob sie der Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes zustimmt.
1. Nach § 21 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD dürfen Mitglieder der Mitarbeitervertretung ohne ihre Zustimmung nur abgeordnet oder versetzt werden, wenn dies aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidbar ist und die Mitarbeitervertretung zustimmt. Das Mitglied der Mitarbei-tervertretung hat der Zuweisung des neuen Arbeitsbereiches nicht zugestimmt, so dass die Antragstellerin zu beteiligen gewesen wäre, wenn eine „Versetzung“ im Sinne der Norm vor-liegt. Dies ist nicht der Fall.
a) Das MVG-EKD beschreibt in § 42 Buchstabe g MVG-EKD, wann eine die Mitbestimmung der MAV auslösende Versetzung im Sinne des MVG-EKD vorliegen soll. Danach kommt es darauf an, ob die Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes bei einer anderen Dienststelle vorge-nommen werden soll. Das MVG-EKD definiert gleichfalls, wann eine Dienststelle vorliegt. Dienststellen im Sinne des MVG-EKD sind nach § 3 Absatz 1 MVG-EKD Körperschaften, Anstalten und Stiftungen und Werke sowie rechtlich selbständige Einrichtungen der Diakonie innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Gliedkirchen, gemäß § 3 Absatz 2 MVG-EKD können unter den dort geregelten Voraussetzungen auch Dienststellenteile als Dienststellen im Sinne von Absatz 1 gelten. Nimmt das MVG-EKD in § 42 Buchstabe g MVG-EKD auf den Begriff der Dienststelle Bezug, so unterfällt nur die Zuweisung eines Arbeitsplatzes bei einem anderen Rechtsträger der Mitbestimmung des § 42 Buchstabe g MVG-EKD. Darin unterscheidet sich die Regelung von den vergleichbaren Vorschriften des Bundesper-sonalvertretungsgesetzes, da dort nach § 6 Absatz 1 BPersVG einzelne Behörden und damit die Untergliederungen eines Rechtssubjektes Dienststellen sein können.
b) Damit gibt es für das Mitbestimmungsrecht des § 42 Buchstabe g MVG-EKD bei einer Versetzung mit Ausnahme der Situation, dass Dienststellenteile nach § 3 Absatz 2 MVG-EKD als Dienststellen im Sinne von § 3 Absatz 1 MVG-EKD gelten, regelmäßig keinen Anwendungsbereich, weil die Zuweisung eines Arbeitsplatzes an einen anderen Rechtsträger durch Ausübung des Direktionsrechtes nach § 106 GewO individualvertraglich in der Regel nicht möglich ist. Diese durch den kirchlichen Gesetzgeber vermutlich nicht gesehenen Auswirkungen der Beschränkung des Begriffs der Dienststelle auf den eines Rechtsträgers können angesichts des klaren Wortlauts von § 42 Buchstabe g und § 3 Absatz 1 MVG-EKD nicht korrigiert werden, die Normen sind insoweit keiner Auslegung zugänglich.
c) Dies gilt auch im Rahmen von § 21 Absatz 1 MVG-EKD, wonach u.a. nur eine Versetzung das Zustimmungserfordernis der MAV auslöst. Es gibt keine greifbaren Anhaltspunkte, über die Regelungssystematik des MVG-EKD hinaus dem Begriff der „Versetzung“ im Sinne von § 21 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD einen anderen Regelungssinn (etwa den des § 95 Absatz 3 BetrVG) zu geben als im Rahmen von § 42 Buchstabe g MVG-EKD. Eine rechtserhebliche Rechtschutzlücke besteht auch nicht. Sinn des Zustimmungserfordernisses ist es, bei unfreiwilligen Zuweisungen eines anderen Arbeitsplatzes das Gremium der Mitarbeitervertretung vor dem Verlust von Mitgliedern durch Ausscheiden aus der Dienststelle zu schützen (§ 18 Buchstabe d MVG-EKD). Bleibt das Mitglied der Mitarbeitervertretung in der Dienststelle, bleibt es im Gremium, so dass ein weitergehender Schutz durch Zustimmungserfordernis der Mitarbeitervertretung nicht besteht. Darüber hinaus sind die Mitarbeitervertretung und das Mitglied der Mitarbeitervertretung nach § 19 Absatz 1 Satz 2 MVG-EKD vor einer Benachteiligung durch eine Umsetzung geschützt. Mitglieder der Mitarbeitervertretung dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht behindert werden, aus der Norm können Unterlassungsansprüche resultieren. Eine Rechtsschutzlücke besteht deshalb nicht.
Dieser Regelungszusammenhang korrespondiert mit der Parallelvorschrift des § 103 Absatz 3 BetrVG. Zustimmungsbedürftig ist die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds auch nur dann, wenn es der Versetzung nicht zustimmt und die Versetzung zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde. Damit besteht ein Gleichklang mit dem Regelungszweck des § 21 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD. Die antragstellende Mitarbeitervertretung war deshalb in Be-zug auf die Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes an ihr Mitglied nicht nach § 21 Absatz 1 Satz 1 MVG-EKD zu beteiligen.
2. Ob mit dem streitgegenständlichen Antrag geltend gemacht werden soll, dass ggf. auch ein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 42 Buchstabe f MVG-EKD besteht, kann dahinstehen. Umsetzungen innerhalb einer Dienststelle sind nur unter gleichzeitigem Ortswechsel mitbestimmungspflichtig. Der Ortsteil, in dem der betroffene Mitarbeiter seine Tätigkeit als Gruppenleiter beginnen soll, ist Teil der politischen Gemeinde D, so dass keine Umsetzung im Sinne der Norm vorliegt.
Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung war deshalb zurückzuweisen.
III. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 63 Abs. 1 MVG.EKD i.d.F. vom 6. November 2003, § 12 Abs. 5 ArbGG). Die Wertfestsetzung beruht auf § 23 Abs. 3 RVG i.V.m. § 22 Abs. 2 KiGG.EKD, wobei der Antrag unterstellt wurde.