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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.08.2019
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/20-2019
Rechtsgrundlage:§ 22 Abs. 2 MVG-K; § 626 BGB; § 106 GewO
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Oldenburg und Schaumburg-Lippe, 4 VR MVG 43/18
Schlagworte:Zustimmungsersetzung zur außerordentlichen Kündigung eines Mitgliedes der Mitarbeiter-vertretung (Pflegehilfskraft)
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Leitsatz:

1. Pflegerische Tätigkeiten wie das Verteilen und Anreichen von Medikamenten, das An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen, (einfache) Tätigkeiten der Stomaversorgung und der Wechsel von Ka-theterbeuteln gehören im Anwendungsbereich des TV DN nicht zu den von einer Pflegehilfskraft in der Entgeltgruppe E3 TV DN geschuldeten Tätigkeiten.
2. Weigert sich eine Pflegehilfskraft, selbstständig diese Leistungen zu erbringen, verstößt sie damit re-gelmäßig nicht gegen die ihr vertraglich obliegenden Pflichten.

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke ev. Kirchen in Niedersachsen, Oldenburg und Schaumburg-Lippe vom 24. Januar 2019, Az. 4 VR MVG 43/18, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung der Zustimmung der Beteiligten zu 2, der bei der Dienststelle gebildeten Mitarbeitervertretung, zur außerordentlichen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist, der Beteiligten zu 3, eines Mitglieds der Beteiligten zu 2.
Die Beteiligte zu 3 ist seit dem 1. August 2008 in dem von der Beteiligten zu 1 betriebenen Alten- und Pflegeheim als Pflegehelferin beschäftigt. Die Beteiligten zu 1 und 3 bindet der Arbeitsvertrag vom 31. Juli 2008. Nach § 1 wird die Beteiligte zu 3 als Pflegehelferin beschäf-tigt, nach § 4 bedürfen Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform.
Über die von einer Pflegehelferin in der Dienststelle der Beteiligten zu 1 zu erbringenden Tä-tigkeiten verhält sich die Stellenbeschreibung für die Pflegehilfskraft (Anlage K4 zur Antrags-schrift vom 13. Dezember 2018, Bl. 33 ff. d. Vorakte). Danach gehören zum Aufgabenbild u.a. bewohnerbezogene Aufgaben der Körperpflege bzw. Hilfe bei der Körperpflege, das Betten und Lagern bei Bewohnern geringer Pflegebedürftigkeitsgrade bzw. Unterstützen der Fachkräfte bei schwerpflegebedürftigen Bewohnern, Hilfe bei Bewegung und Fortbewegung. Unter dem Punkt „Ausführung ärztlicher Verordnung/Behandlung“ heißt es wie folgt:
„Mithilfe bei Vorbereiten und Durchführen physikalischer Maßnahmen wie Wärmeanwendung, Kälteanwendung, feuchte Packungen und Inhalationen
- Urinbeutel leeren
- Durchführen prophylaktischer Maßnahmen (z.B. Dekubitus, Thrombose, Pneu-monie, Immobilität etc.) nach Anleitung und Anweisung durch die Pflegefachkraft
- Durchführen einfacher Kontrollen: Puls, Temperatur, Gewicht
- Einträufeln von Augen-, Ohren- und Nasentropfen
- auf Anordnung der Fachkraft Einführung von Suppositorien“
In der von den Beteiligten zur Verfahrensakte gereichten Stellenbeschreibung für die Pflege-fachkraft (Bl. 214-219), die als fachliche Qualifikation die abgeschlossene Ausbildung als Altenpfleger/in oder Krankenschwester/-pfleger und einer erfolgreichen Arbeit während einer Probezeit von sechs Monaten voraussetzt, heißt es unter dem Unterpunkt „Ausführen ärztlicher Verordnungen/Behandlung“:
- Medikamente stellen, Verteilen und Verabreichen
- …
In der weiteren Stellenbeschreibung „Altenpflegehelfer/in“ (Blatt 220 ff. d. Verfahrensakte) heißt es:
„Fachliche Qualifikation:
Erfolgreich abgeschlossene einjährige Berufsfachschule Altenpflegehelferin als „staat-lich geprüfte Altenpflegehelferin“
Unter dem Punkt „Mitarbeit bei der ärztlichen Diagnostik und Therapie“ heißt es:
- Verabreichung von Medikamenten.
In der Dienststelle sind Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ wie etwa das An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen, das Verteilen und Anreichen von Medikamenten, einfache Tätigkeiten der Stomaversorgung und der Wechsel von Katheterbeuteln durchzuführen. Die Beteiligte zu 1 muss gegenüber der Qualitätskontrolle durch den Medizinischen Dienst und der Heimaufsicht dokumentieren, dass die eingesetzten Kräfte für diese Tätigkeit fachlich geeignet sind und sie ausüben können. Diesbezüglich bedient sich die Beteiligte zu 1 eines Formulars, welches von der Dienststellenleitung und der eingesetzten Kraft unterschrieben wird.
Die Beteiligte zu 3. hat das Formular acht Jahre lang bis 2016 unterschrieben und Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ wahrgenommen. Seit 2016 verweigert die Beteiligte zu 3 die Übernahme der Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ und die Unterschrift unter das Formular.
Auf die Arbeitsverhältnisse in der Dienststelle findet der TV DN Anwendung, die Beteiligte zu 3. bezieht eine Vergütung aus E3. Ein Höhergruppierungsverfahren vor dem Arbeitsgericht endete in einem Güterichterverfahren durch einen Vergleich, wonach man sich an der Einschätzung des Diakonischen Werkes in Hannover orientieren wolle. Diese kam zum Ergebnis, allenfalls 16% der Tätigkeiten seien höherwertig, und die Beteiligte zu 3 zutreffend in die E 3 TVDN eingestuft.
Die Beteiligte zu 3 weigerte sich auch nachfolgend, Tätigkeiten der „delegierbaren Behand-lungspflege“, insbesondere das Anreichen und Verabreichen von Medikamenten und das An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen sowie einfache Tätigkeiten der Stomaversorgung zu übernehmen. Die Beteiligte zu 1. erteilte der Beteiligten zu 2. diesbezüglich vielfache Abmahnungen. Ausweislich begleitender Gesprächsnotizen berief sich die Beteiligte zu 3. da-rauf, dass sie sich nicht qualifiziert genug fühle und dass sie nach ihrer Stellenbeschreibung nicht verpflichtet sei, diese Leistungen durchzuführen. Ihre jahrelange Bereitschaft zur Übernahme bei der Durchführung der zusätzlichen Tätigkeiten sei freiwillig und ehrenamtlich erfolgt.
Die Antragstellerin hat bereits in einem Vorverfahren die Ersetzung der Zustimmung der Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen Kündigung aufgrund vielfacher Weigerung und mehrfa-cher Abmahnungen im Zeitraum vom 2016 bis Februar 2018 begehrt (Schiedsstelle der Kon-föderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen - Az. 4 VR MVG 39/18). Die Schiedsstelle hat den Antrag am 8. November 2018 zurückgewiesen, die dagegen eingelegte Beschwerde ist vom Kirchengerichtshof der EKD nicht zur Entscheidung angenommen worden (KGH.EKD, Beschluss vom 13. Februar 2019 - I-0124/69-2018).
Nach dem Beschluss der Schiedsstelle vom 8. November 2018 weigerte sich die Beteiligte zu 3. weiterhin, Medikamente zu verteilen und Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Nach der Weigerung der Beteiligten zu 3, am 3. Dezember 2018, am 5. Dezember 2018 und am 6. De-zember 2018 an acht Bewohner Medikamente zu verteilen und zu verabreichen sowie nach Weigerung vom 3. Dezember 2018, 5. Dezember 2018 und 6. Dezember 2018, drei Bewoh-nern Kompressionsstrümpfe anzuziehen, beantragte die Beteiligte zu 1 bei der Beteiligten zu 2 mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 erneut die Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen, hilfsweise zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Die Beteiligte zu 2 hat die Zustimmung mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 nicht erteilt.
Mit dem am 13. Dezember 2018 bei der Schiedsstelle eingegangenen zweiten Antrag auf Ersetzung der Zustimmung hat die Beteiligte zu 1 beantragt,
die durch die Beteiligte zu 2, verweigerte Zustimmung vom 10. Dezember 2018 zu der außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise zu der außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist entsprechend der fiktiven Kündigungsfrist der Beteiligten zu 3. zu ersetzen.
Die Beteiligte zu 2 hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Die Schiedsstelle hat durch Beschluss vom 24. Januar 2019 den Antrag zurückgewiesen. Mit der frist- und formgerecht eingereichten und begründeten Beschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1. ihr erstinstanzliches Antragsbegehren weiter. Die Beteiligte zu 2. und die Beteiligte zu 3. beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die wechsel-seitigen in der Beschwerdeinstanz zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Schiedsstelle hat den Antrag der Dienststellenleitung auf Ersetzung der Zustimmung der Beteiligten zu 2. mit Recht vollumfänglich zurückgewie-sen.
1. Die Schiedsstelle hat mit Recht die Beteiligte zu 3 am Verfahren beteiligt. Zwar fehlt im MVG-K (wie auch im MVG-EKD) eine § 103 Absatz 2 Satz 2 BetrVG entsprechende Vor-schrift, in einem Zustimmungsersetzungsverfahren den betroffenen Arbeitnehmer zu beteiligen. Die Verpflichtung zur Beteiligung der Beteiligten zu 3 am Verfahren ergibt sich vorliegend aber bereits aus § 1 Abs. 1 der Verordnung des Rates der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über das Verfahren vor der Schiedsstelle in Verbindung mit § 83 Ab-satz 3 ArbGG (bzw. aus § 62 MVG-EKD i.V.m. § 83 Abs 3 BetrVG). Die Beteiligte zu 3 ist zumindest insoweit in ihrer Rechtsstellung aus dem MVG-K (bzw. MVG-EKD) betroffen, als auch ihr Amt als Mitglied der Mitarbeitervertretung durch die beabsichtigte außerordentliche Kündigung der Beteiligten zu 1 ihr Ende finde würde, sie deshalb am Verfahren zu beteiligen.
Anders als eine Entscheidung des Arbeitsgerichts im Beschlussverfahren kann eine Ent-scheidung eines Kirchengerichtes über die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung in einem nachfolgenden Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht allerdings keine präjudizielle Wirkung mit der Folge haben, dass eine abweichende Sachentscheidung in einem arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutz-verfahren regelmäßig nicht mehr in Betracht kommt (vgl. zu § 103 BetrVG: BAG 15. August 2002 2 AZR 214/01 Rn. 18; FESTL § 103 Rn. 47); dies ergibt sich bereits aus der nur einge-schränkten Möglichkeit der Kirchengerichte, einen Sachverhalt durch Zeugeneinvernahme abschließend aufzuklären. Vorschriften über staatliche Zwangsmaßnahmen sind in kirchen-gerichtlichen Verfahren nicht anwendbar, so dass ein Fernbleiben von Zeugen nicht sanktioniert werden kann und damit Möglichkeiten einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung nur eingeschränkt vorhanden sind.
2. Die Voraussetzungen von § 22 Absatz 2 MVG-K für eine Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3. durch die Beteiligte zu 1. liegen nicht vor.
a) Nach § 22 Absatz 2 MVG-K darf ein Mitglied der Mitarbeitervertretung (u.a.) nur gekündigt werden, wenn ein Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt. Nach § 626 Absatz 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zuge-mutet werden kann. Mangels ordentlicher Kündbarkeit von MAV-Mitgliedern ist auf die fiktive Kündigungsfrist des § 622 BGB bzw. der maßgeblichen Kündigungsfrist nach der einschlägi-gen Arbeitsrechtsregelung, vorliegend dem TV DN abzustellen.
b) Die beharrliche Weigerung einer Mitarbeiterin, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfül-len, ist grundsätzlich „an sich“ geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfer-tigen. Eine Mitarbeiterin weigert sich beharrlich, ihre vertraglichen Pflichten nachzukommen, wenn sie sie bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will. Welche Pflichten sie treffen, bestimmt die objektive Rechtslage. Verweigert die Mitarbeiterin die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, sie handele rechtmäßig, hat sie grundsätzlich selbst das Risiko zu tragen, falls sich ihre Rechtsauffassung als falsch erweist (ständige Rechtsprechung BAG, zuletzt Urteil vom 28. Juni 2018 - 2 AZR 436/17 Rn. 16).
c) Die Beteiligte zu 3 hat, soweit sie die Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ wie das An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen, das Verteilen und Anreichen von Me-dikamenten und weitere Tätigkeiten verweigert hat, ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt. Sie gehören nicht zum vertraglich vereinbarten Aufgabenbereich der Beteiligten zu 3 als Pflegehelferin (aa), durften ihr auch nicht einseitig durch Ausübung des Direktionsrecht übertra-gen werden (bb) und sind auch nicht deshalb einvernehmlich geschuldete Tätigkeit geworden, weil die Beteiligte zu 3 sie über acht Jahre hinweg ausgeübt hat (cc).
aa). Die Beteiligte zu 3 ist nach dem Arbeitsvertrag vom 31. Juli 2008 als (ungelernte) Pflege-helferin eingestellt worden. Welche Tätigkeiten die Beteiligte zu 3. als Pflegehilfskraft schul-det, regelt die Stellenbeschreibung der Beteiligten zu 1. für Pflegehilfskräfte. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 gerade nicht, dass die Beteiligte zu 3 die Übernahme von Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ schuldet. Im Tätigkeitsbe-reich „Ausführung ärztlicher Verordnung/Behandlung“ sind in den nachfolgenden Spiegelstrichen die Tätigkeiten im Einzelnen aufgeführt. Dort ist weder das Anreichen bzw. Verabreichen von Medikamenten, noch das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen als ver-traglich geschuldete Tätigkeit einer Pflegehilfskraft aufgeführt. Lediglich die „Mithilfe beim Vorbereiten und Durchführen physikalischer Maßnahmen wie Wärme-, Kälteanwendungen, das Leeren von Urinbeutel, einfache Kontrollen, Einträufeln von Augen-, Ohren- und Nasen-tropfen“ sind der Pflegehilfskraft als selbstständig zu erbringende Tätigkeit zugewiesen. So-weit das An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen als Durchführung einer prophylakti-schen Maßnahme bei Thrombose angesehen werden kann, so ist diese Tätigkeit nur nach Anleitung und Anweisung durch eine Pflegefachkraft übertragen. Das eigenständige An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen gehört damit auch nicht zur geschuldeten Tätigkeit ei-ner Pflegehilfskraft in der Altenpflegeeinrichtung der Beteiligten zu 1.
Bestätigt wird dieses Verständnis der geschuldeten Tätigkeit einer Pflegehilfskraft durch die Stellenbeschreibung für die Pflegefachkraft; dort ist ausdrücklich als geschuldete Tätigkeit einer Pflegefachkraft das Stellen, Verteilen und Verabreichen von Medikamenten aufführt. Auch Altenpflegehelfer/innen mit einer erfolgreich abgeschlossenen einjährigen Berufsfach-schule schulden nach der Stellenbeschreibung für Altenpflegehelferinnen die Verabreichung von Medikamenten. Im Zusammenspiel der Stellenbeschreibungen für Pflegehilfskräfte, Al-tenpflegehelfer/innen und Pflegefachkräfte ergibt sich für das Altenpflegeheim der Beteiligten zu 1. eindeutig, dass zur vertraglich geschuldeten Tätigkeit einer Pflegehilfskraft in der Dienststelle der Beteiligten zu 1 nicht die Aufgaben einer „delegierbaren Behandlungspflege“ gehören.
bb). Die Beteiligte zu 1 war entgegen ihrer Auffassung auch nicht befugt, der Beteiligten zu 3 durch einseitige Leistungsbestimmung im Wege der Ausübung von Direktionsrecht nach § 106 GewO Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ zu übertragen.
(1). Nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber einseitig u.a. den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht u.a. durch den Arbeitsvertrag festgelegt sind. Vorliegend ergibt sich die Begrenzung des Di-rektionsrechts der Beteiligten zu 1. aus dem zwischen der Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 3 geschlossenen Arbeitsvertrag. Nach vorstehenden Erwägungen schuldet die Beteiligte zu 3 ausschließlich die nach Arbeitsvertrag und ergänzender Stellenbeschreibung vereinbar-ten Leistungen für Pflegehilfskräfte, dies sind nicht solche der „delegierbaren Behandlungs-pflege“.
(2). Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ wie das An- und Ablegen von Kom-pressionsstrümpfen, das Verteilen und Anreichen von Medikamenten, einfache Tätigkeiten der Stomaversorgung und der Wechsel von Katheterbeuteln sind nach dem TV DN gegen-über den Tätigkeiten einer Pflegehilfskraft höherwertige Tätigkeiten. Für die Zuweisung hö-herwertiger Tätigkeiten durch Ausübung des Direktionsrechts, die außerhalb des vertraglich mit der Beteiligten zu 3. vereinbarten Arbeitsinhalts liegen, fehlt vorliegend eine Rechtsgrund-lage.
(2.1). Pflegehilfskräfte sind eingruppiert in der Vergütungsgruppe E 3 (Arbeitnehmer/innen auf Arbeitsplätzen mit Tätigkeiten, die ohne berufliche Vorbildung oder Ausbildung nach einer fachlichen Einarbeitung ausgeführt werden können), in den Richtbeispielen wird die Pflege-helferin in der Alten- und Krankenpflege ausdrücklich aufgeführt. Pflegefachkräfte mit einer 3jährigen Ausbildung (Altenpflegerin) sind in die Vergütungsgruppe E 7.1 eingruppiert, Alten-pflegehelferinnen (einjährige Ausbildung) in die Vergütungsgruppe E 4. Tätigkeiten der „dele-gierbaren Behandlungspflege“ sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AltPflG ausdrücklich Bestand-teil einer Ausbildung zur Altenpflegefachkraft; sie sind gegenüber den originären Tätigkeiten einer Pflegehilfskraft damit höherwertig.
(2.2). Für die Übertragung dieser höherwertigen Tätigkeiten auf Dauer durch die Beteiligte zu 1. fehlt eine Rechtsgrundlage. Der TV DN gestattet (Teil B. I. § 4 TV DN) lediglich die vo-rübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten.
(2.3). Selbst wenn zu Gunsten der Beteiligte zu 1. unterstellt wird, dass es ihr durch Direktionsrecht möglich wäre, der Beteiligten zu 3. dauerhaft eine höherwertige Tätigkeit zu übertra-gen, so widerspräche die Zuweisung billigem Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB und wäre unbillig, weil die Dienststellenleitung der nach E 3 vergüteten Beteiligten zu 3 höherwertige Tätigkeiten dauerhaft übertragen möchte, ohne dafür eine nach dem TV DN geschuldete höhere Vergütung zu zahlen. Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Ent-scheidung, ob die Wahrnehmung der Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe E 4 rechtfertigt; jedenfalls die Zahlung einer Zulage zwischen der Vergütungsgruppe E 3 und E 4 entsprechend Teil B. I. § 2 TV DN wäre geschuldet, weil die zusätzlich übertragenen Tätigkeiten tariflich höher bewertet sind. Die Beteiligte zu 3 war deshalb nicht verpflichtet, der einseitigen Anordnung der Beteiligten zu 1. zu folgen und die Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ zu übernehmen. Eine Bindung der Mitarbeiterin an unbillige Weisungen besteht nicht (BAG 18. Oktober 2017 - 10 AZR 330/16 – Rn. 63).
bb). Die Beteiligten zu 1 und 3 haben die arbeitsvertraglich dauerhaft geschuldeten Tätigkei-ten auch nicht einvernehmlich dadurch um die der „delegierbaren Behandlungspflege“ erweitert, dass die Beteiligte zu 3 diese Tätigkeiten über acht Jahre wahrgenommen und das For-mular für den Medizinischen Dienst gegengezeichnet hat. Eine Änderung des Arbeitsvertrages, der grundsätzlich schriftformbedürftig ist, hat die Beteiligte zu 1 damit nicht substantiiert. Allein die Übertragung von Tätigkeiten und deren Wahrnehmung führt nicht dazu, dass sich der Arbeitsvertrag dahingehend verändert, dass dauerhaft höherwertige Leistungen ohne zu-sätzliche Vergütung geschuldet werden.
Da die Beteiligte zu 3 nicht verpflichtet ist, die ihr angedienten Tätigkeiten der „delegierbaren Behandlungspflege“ zu übernehmen, hat sie auch keine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen, so dass die beabsichtigte außerordentliche Kündigung an einem wichtigen Grund mangelt und die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen war.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 65 Absatz 7 MVG-K i.V.m. § 22 Absatz 1 KiGG.EKD).