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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:09.04.2018
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/29-2017
Rechtsgrundlage:MVG § 40 d
Vorinstanzen:Kirchengericht für Mitarbeitervertretungssachen der Diakonie Hessen Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V., K 1 F 18/2016
Schlagworte:Mitbestimmungsrecht bei Stundenplänen
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Leitsatz:

Es handelt sich bei der Festlegung und Anordnung von Unterrichtszeiten in Stundenplänen um Bestimmungen zur Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen im Sinne des § 40 Buchst. d MVG-EKD.

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Kirchengerichts für Mitarbeitervertretungssachen der Diakonie Hessen - Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V. vom 8. Mai 2017, Az. K 1 F 18/2016 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten sich über die Frage, ob die Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Unterrichtsstunden der in der Dienststelle beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer hat.
Bei der Dienststelle handelt es sich um eine Diakonische Bildungsstätte, die unter anderem die Fachschule für Sozialpädagogik, die höhere Berufsfachschule für Sozialpädagogik und ein berufliches Gymnasium betreibt. Insgesamt werden etwa 35 Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt.
Die Beteiligte zu 2. teilte mit Schreiben an die Lehrkräfte vom 12. September 2016 eine Vertretungsregelung mit, an der sie die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt hatte. Diese vertrat die Auffassung, ein Mitbestimmungsrecht zu haben. Nach vergeblichen Einigungsbemühungen erklärte die Mitarbeitervertretung diese mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 für gescheitert.
Die Mitarbeitervertretung hat die Auffassung vertreten, dass sie ein Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung der Stundenpläne für die Lehrerinnen und Lehrer habe.
Die Mitarbeitervertretung hat zuletzt beantragt,
3) …
4) festzustellen, dass sämtliche Festlegungen und Anordnungen von Unterrichtszeiten der Lehrerinnen in der Fachschule für Sozialpädagogik, der höheren Berufsfachschule für Sozialpädagogik und dem Beruflichen Gymnasium der uneingeschränkten Mitbestimmung unterliegen;
5) die Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu unterlassen, Unterrichtszeiten von Lehrerinnen in der Fachschule für Sozialpädagogik, der höheren Berufsfachschule für Sozialpädagogik und dem Beruflichen Gymnasium anzuordnen oder innerhalb dieser Zeiten deren Arbeitsleistung entgegenzunehmen, solange die Zustimmung der Antragstellerin nicht vorliegt oder kirchengerichtlich ersetzt worden ist oder kein Fall des § 38 Abs. 5 MVG-EKD vorliegt.
Die Beteiligte zu 2. hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Meinung vertreten, dass sich die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 13 Abs. 4 AVR.HN nach den Bestimmungen für Beamtinnen und Beamte richte. Daraus folge, dass die §§ 60, 61 Hessisches Beamtengesetz und die Regelungen über die Pflichtstunden der Lehrkräfte anzuwenden seien. Die §§ 74, 75 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes sähen keine Mitbestimmung des Personalrats vor. Entsprechend der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Dezember 1982 bestehe kein Beteiligungsrecht. Auch verteile der Stundenplan nur einen Teil der Arbeitsstunden der Lehrkräfte. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 Hessisches Schulgesetz sei die Gesamtkonferenz der Schule zuständig.
Das Kirchengericht hat mit Beschluss vom 8. Mai 2017 unter Zurückweisung des Antrags zu 3) den Anträgen zu 4) und 5) stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der der Beteiligten zu 2. am 6. Juni 2017 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 3. Juli 2017, eingegangen beim Kirchengerichtshof am selben Tag, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz von Montag, dem 7. August 2017, eingegangen am selben Tage, begründet.
Die Beteiligte zu 2. hält den Beschluss des Kirchengerichts für unzutreffend. Der Gesetzestext des § 40 Buchst. d MVG-EKD entspreche der Regelung des § 74 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 3 Hessisches Personalvertretungsgesetz und nicht der weitergehenden Regelung in § 87 BetrVG. Demgemäß müsste das Verständnis von § 74 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 3 Hessisches Personalvertretungsgesetz zur Auslegung von § 40 Buchst. d MVG-EKD herangezogen werden. Im Gegensatz zu einer generellen Regelung, die der Mitbestimmung unterliege, enthalte der Lehrerstundenplan ein Bündel einzelner Festsetzungen. Überdies sei er ein reiner Reflex auf die Klassenstundenpläne, die ihrerseits auf schulrechtlichen Grundlagen und pädagogischen Erwägungen beruhten. Ein Mitbestimmungsrecht könne sich allenfalls auf eine Abstimmung von Grundsätzen beziehen. Im Übrigen sei der Tendenzschutz zu beachten.
Die Beteiligte zu 2. beantragt,
den Beschluss K 1 F 18/2016 des Kirchengerichts für Mitarbeitervertretungssachen der Diakonie Hessen – Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck vom 8. Mai 2017 abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den kirchengerichtlichen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Abs. 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof der EKD hat sie zur Entscheidung angenommen.
2. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Anträge der Mitarbeitervertretung, soweit das Kirchengericht ihnen stattgegeben hat, zulässig und begründet sind.
a) Die Anträge sind zulässig.
Die Anträge sind hinreichend bestimmt. Es ergibt sich aus ihnen, für welche Maßnahmen die Mitarbeitervertretung ein uneingeschränktes Recht zur Mitbestimmung reklamiert bzw. welche Maßnahmen die Beteiligte zu 2. unterlassen will. Das für den Antrag zu 4) erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem aktuellen Streit der Beteiligten über den Umfang der Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung. Aus den regelmäßigen Bedarfen nach Erstellung von Stundenplänen und deren Veränderung folgt die für den Antrag zu 5) erforderliche Wiederholungsgefahr.
b) Die Anträge sind begründet.
aa) Für den Antrag zu 4) folgt dieses daraus, dass die Mitarbeitervertretung nach § 40 Buchst. d MVG-EKD an der Aufstellung von Stundenplänen und der Anordnung von Unterrichtszeiten der Lehrkräfte im Rahmen uneingeschränkter Mitbestimmung zu beteiligen ist.
Es handelt sich bei der Festlegung und Anordnung von Unterrichtszeiten um Bestimmungen zur Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen im Sinne des § 40 Buchst. d MVG-EKD. Die Regelung ist insoweit wortgleich mit § 87 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sich auf die Erstellung der Stundenpläne der angestellten Lehrer erstreckt, und zwar sowohl auf die Festlegung des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit, also die Stundenblöcke, als auch auf die Verteilung dieser Unterrichtszeiten auf die einzelnen Lehrer. Ob und ggf. innerhalb welcher Zeiten Lehrerinnen und Lehrer Unterrichts- und Betreuungsstunden geben müssen, betrifft die zeitliche Lage ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitszeit, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege. Dem steht nicht entgegen, dass es sich dabei nur um die zeitliche Festlegung eines Teils der Arbeitszeit handelt. Es wird nämlich durch die Festlegung von Unterrichts- und Betreuungsstunden gleichzeitig bestimmt, welche Zeiten dem Lehrer oder der Lehrerin für die Freizeit oder für die Vor- oder Nachbearbeitung der Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen (BAG, Beschluss vom 23. Juni 1992, 1 ABR 51/91; Rn. 29; Juris). Diesen Überlegungen folgt der Senat für das Mitbestimmungsrecht aus § 40 Buchst. d MVG-EKD.
Anders als die Beteiligte zu 2. meint, handelt es sich beim Stundenplan nicht um ein Bündel einzelner Festlegungen, sondern um eine kollektive Regelung, weil die Gesamtheit der Unterrichtserfordernisse in den zur Verfügung stehenden Zeiten auf die Lehrkräfte verteilt werden muss. Dabei ist stets eine gerechte und den individuellen Bedürfnissen angepasste Verteilung der Unterrichtsstunden auf die Beschäftigten anzustreben. Es ist demgemäß keineswegs so, dass sich aus den Unterrichtserfordernissen gleichsam automatisch der Stundenplan ergibt. Es handelt sich auch nicht um einzelne, voneinander unabhängige Festlegungen, sondern ein Gesamtsystem aufeinander abgestimmter und zusammenhängender Arbeitszeitanordnungen.
Dem steht nicht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts der EKD vom 19. November 1998 (0124/C20-98) entgegen, nach der ein Mitbestimmungsrecht nur für die Grundsätze der Dienstplangestaltung bestehen soll. Diese Entscheidung betrifft § 40 Ziffern 4 und 5 MVG-K, der anders als § 40 Buchst. d MVG-EKD den personalvertretungsrechtlichen Regelungen nahestehen mag. Allein diese Einschränkung hat aber das Verwaltungsgericht veranlasst, ein Mitbestimmungsrecht an Dienstplänen abzulehnen.
Ein anderes Verständnis lässt sich nicht aus § 74 Abs. 1 und 3 sowie § 75 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 BPersVG ableiten, weil es sich dabei nicht nur um Regelungen handelt, die nicht anwendbar sind, sondern vor allem um solche, die einen anderen Regelungsinhalt haben als § 40 Buchst. d MVG-EKD. § 40 Buchst. d MVG-EKD enthält gerade keine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts auf die Grundsätze die Dienstplangestaltung.
§ 133 Hessisches Schulgesetz steht dem Mitbestimmungsrecht aus § 40 Buchst. d MVG-EKD nicht entgegen. Es ist kein rechtlicher Gesichtspunkt erkennbar, nach dem das Hessische Schulgesetz im Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts ein Kirchengesetz verdrängen könnte.
Schließlich ist auch der Hinweis der Beteiligten zu 2. auf § 13 Abs. 4 AVR HN unbehelflich, weil es sich dabei nicht um einen Verweis auf die kollektivrechtlichen Regelungen handelt, die die Lage der Arbeitszeit bestimmen. Vielmehr betrifft § 13 Abs. 4 AVR HN ausschließlich die Dauer der Arbeitszeit. Im Übrigen könnten die AVR keine kirchengesetzlichen Regelungen über die Mitbestimmung abändern.
bb) Aus der Begründetheit des Antrags zu 4) folgt zugleich die Begründetheit des Antrags zu 5), weil die Beteiligte zu 2. sich rechtswidrig verhielte, wenn sie Arbeitszeiten anordnete oder entgegennähme, ohne dass das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung gewahrt oder ein Fall des § 38 Abs. 5 MVG-EKD vorläge. Ein solches rechtswidriges Verhalten ist ihr gegenüber der Beteiligten zu 1. verboten.