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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:18.12.2017
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/5-2017
Rechtsgrundlage:MVG-K § 40 Ziffer 16
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakoni-schen Werke ev. Kirchen in Niedersachsen, Oldenburg und Schaumburg-Lippe Kammer Diakonisches Werk ev. Kirchen in Niedersachsen e.V., Beschluss vom 2. November 2016, Az.: 4 VR MVG 37/16
Schlagworte:Mitbestimmungsrecht bei Streichung einer Beihilferegelung
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Leitsatz:

1) Bei der Beihilfe handelt es sich um einen Teil der betrieblichen Lohnordnung im Sinne des § 40 Zif-fer 16 MVG-K.
2) Die Mitarbeitervertretung ist neben der Dienststellenleitung im Sinne des § 26 Abs. 1 AVR-DD „zuständiges Organ“.
3) Die Regelungszuständigkeit der Mitarbeitervertretung entfällt auch dann nicht, wenn die Beihilfe ganz abgeschafft werden soll.

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke ev. Kirchen in Niedersachsen, Oldenburg und Schaumburg-Lippe, Kammer Diakonisches Werk ev. Kirchen in Niedersachsen e.V. vom 2. November 2016 - Az.: 4 VR MVG 37/16 – wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitarbeitervertretung bei einer Beihilferegelung nach § 26 Abs. 1 AVR-DD zu beteiligen ist.
Die Dienststellenleitung gewährte den Beschäftigten Beihilfen nach § 26 Abs. 2 und 3 AVR-DD. Mit Schreiben vom 29. April 2016 teilte sie Folgendes mit:
„Für die Beschäftigten … wird von der Geschäftsführung folgende Regelung getroffen:
Gem. § 26 Abs. 1 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evange-lischen Kirchen in Deutschland werden ab dem 01.01.2017 keine Beihilfen oder Unterstützungen bei Krankheits-, Geburts- oder Todesfällen gewährt.“
Die Mitarbeitervertretung hat die Auffassung vertreten, dass ihr Mitbestimmungsrecht durch die vorstehende Maßnahme verletzt worden sei.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass die Antragsgegnerin mit der Streichung von Beihilfen gem. § 26 AVR-DD das Mitbestimmungsrecht der Antragstellerin verletzt und diese Maßnahme unwirksam ist.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat gemeint, dass ein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nicht bestehe.
Das Kirchengericht hat dem Antrag der Mitarbeitervertretung mit Beschluss vom 2. Novem-ber 2016 stattgegeben. Gegen diesen Beschluss, der der Dienststellenleitung am 27. Dezember 2016 zugestellt wurde, hat diese mit Schriftsatz vom 27. Januar 2017, beim Kirchengerichtshof, eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.
Die Dienststellenleitung hält den Beschluss des Kirchengerichts für falsch, weil es sich bei Beihilferegelungen nicht um Lohnregelungen handele, die § 40 Ziffer 14 MVG-K unterfielen. Bei Beihilfen handele es sich nicht um Bezüge mit Vergütungscharakter. Im Übrigen sei in § 40 Ziffer 16 MVG-K von derartigen Bezügen keine Rede. Ferner unterliege der Dotierungsrahmen keiner Mitbestimmung. Die Entscheidung, ob überhaupt Beihilfe geleistet werde, tref-fe die Dienstgeberin allein. Gerade weil § 26 Abs. 1 AVR-DD keine Vorgaben für eine Höhe der Beihilfen mache, müsse es möglich sein, dass gar keine Beihilfe gezahlt werde.
Die Dienststellenleitung beantragt,
den Beschluss vom 2. November 2017 aufzuheben.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 63 Abs. 1 MVG-EKD statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kirchengerichtshof der EKD hat sie zur Ent-scheidung angenommen.
2) Die Beschwerde ist unbegründet, weil der Antrag der Mitarbeitervertretung zulässig und be-gründet ist.
Die Mitarbeitervertretung hat nach § 40 Ziffer 16 MVG-K bei einer Regelung der Beihilfen nach § 26 Abs. 1 AVR-DD mitzubestimmen. Bei der Beihilfe handelt es sich um einen Teil der be-trieblichen Lohnordnung im Sinne des § 40 Ziffer 16 MVG-K. Das Mitbestimmungsrecht entfällt nicht deshalb, weil die Dienststellenleitung mit der Maßnahme keine Mittel für die Maßnahme mehr bereitstellen will. Auch bei einer derartigen Streichung des „Topfes“ für die Leistung bleibt das Mitbestimmungsrecht bestehen.
Bei der Beihilfe handelt es sich um einen Teil der betrieblichen Lohnordnung. Unter Lohnord-nung ist die Gesamtheit aller Formen der Vergütung mit Ausnahme des Auslagenersatzes zu verstehen. Der insoweit gleichlautende § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG enthält eine Generalklau-sel, die nicht nur den unmittelbaren Austausch von Arbeitsleistung und Lohn betrifft, sondern alle Formen der Vergütung aus Anlass des Arbeitsverhältnisses. In diesem Bereich soll ein um-fassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sichergestellt werden. Dazu zählen auch Leistungen des Arbeitgebers, die im weiteren Sinne gelegentlich als "Soziallohn" bezeichnet werden (BAG, Beschluss vom 22. Oktober 1981, 6 ABR 69/79, Rdnr. 25, Juris). Bei der Ge-währung von Beihilfen handelt es sich um derartigen Soziallohn. Es ist eine Leistung, die – ohne unmittelbare Gegenleistung zu sein – in Bezug auf das Arbeitsverhältnis erbracht wird. Sie ist Teil dessen, was die Arbeitgeberin an die Beschäftigten im Arbeitsverhältnis leistet. Wie im Be-triebsverfassungsgesetz ist die Regelung auch im Mitarbeitervertretungsgesetz dahingehend auszulegen, dass sie die Gesamtheit derartiger Gegenleistungen umfassen soll, mithin auch einen Soziallohn im Sinne von Beihilfeleistungen.
Für die Beihilfeleistungen ergibt sich bereits aus § 26 Abs. 1 AVR-DD, dass sie nur unter Be-achtung der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung abgeschafft werden können. Wegen § 40 Ziffer 16 MVG-K ist die Mitarbeitervertretung in dessen Anwendungsbereich nämlich „zuständiges Organ“ im Sinne des § 26 Abs. 1 AVR-DD. Wenn dort bestimmt ist, dass für die Gewährung von Beihilfen die durch die zuständigen Organe getroffenen Beihilferegelungen gelten, bedeutet dieses, dass im Bereich des MVG-K die Mitarbeitervertretung bei diesen Regelungen mitzubestimmen hat.
Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Dienststellenleitung Beihilfeansprüche durch die Regelung ganz abschaffen wollte. Die Dienststellenleitung ist dadurch nicht allein „zuständiges“ Organ im Sinne des § 26 Abs. 1 AVR-DD. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass für die Zuständigkeit nach § 26 Abs. 1 AVR-DD unterschiedliche Maßstäbe gelten, je nachdem wie weitreichend eine Regelung der Beihilferegelungen erfolgen soll. Die Arbeitsvertragsbedingun-gen wollen sicherstellen, dass eine Abweichung von der in § 26 Abs. 3 AVR-DD enthaltenen Regelung nur vorgenommen werden kann, wenn sie von den zuständigen Organen geschaffen wird. Zu diesen zuständigen Organen im Sinne von § 26 Abs. 1 AVR-DD gehört aber gerade auch die Mitarbeitervertretung. Ihre Zuständigkeit gerade dann nicht annehmen zu wollen, wenn die Abweichung von § 26 Abs. 3 AVR-DD besonders weitreichend ist, kann nicht ange-nommen werden. Im Übrigen bleibt die Zuständigkeit der Mitarbeitervertretung unabhängig von diesem Verständnis des § 26 Abs. 1 AVR-DD auch dann bestehen, wenn die Beihilfe ganz ab-geschafft werden soll. Da ohne eine betriebliche Regelung nach § 26 Abs. 1 AVR-DD die Bei-hilfen nach § 26 Abs. 3 AVR-DD zu zahlen wären, ist ein „Topf“ vorhanden, über dessen Vertei-lung die Mitarbeitervertretung mitzubestimmen hat. Anders als bei freiwilligen Leistungen, die nicht gesetzlich oder tariflich vorgesehen sind, gibt es nach § 26 Abs. 3 AVR-DD zu erfüllende Ansprüche. Für die Änderung dieses tariflich vorgesehenen Topfes bedarf es der Mitbestim-mung nach § 40 Ziffer 16 MVG-K.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).
Nause Neuendorf Bock