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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.06.2018
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/50-2017
Rechtsgrundlage:§ 40m MVG-EKD; § 26 AVR DD
Vorinstanzen:Schieds- und Schlichtungsstelle Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V., Beschluss vom 25. September 2017, Az.: I-13/17
Schlagworte:Beihilfeleistungen, Mitbestimmung der MAV
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Leitsatz:

1. Die Gewährung von Beihilfen nach § 26 Absatz 1 AVR DD an die in Anstalten und Einrichtungen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Grundlage einer eigene Beihilferegelung unterliegt der Mitbestimmung nach § 40m MVG-EKD.
2. Der Anwendungsbereich von § 40m MVG-EKD ist nicht auf die Gewährung von Unterstützungen in Notlagen beschränkt. Diese Auffassung findet im Wortlaut keine Stütze.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. vom 25. September 2017 - Az. I-13/17 - abgeändert:
Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Beteiligung der Antragsgegnerin, der bei der Antrag-stellerin gebildeten MAV, zu einer Beihilferegelung nach § 26 Abs. 1 AVR – DD, hilfsweise begehrt die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung zu einer durch den Vorstand ge-troffenen Beihilferegelung.
Die Antragstellerin ist seit dem 1. Januar 2005 Mitglied des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. Auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeitenden finden die Arbeitsvertragsrichtlinien der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland – Fassung Sachsen (nachfolgend AVR Sachsen) Anwendung. Bis zum 1. April 2017 galten die Beihilferegelungen der AVR-DD nicht für die östlichen Gliedkirchen. Der Schlich-tungsausschuss der arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland hat am 12. September 2016 beschlossen, die Bereichsausnahme zum 1. April 2017 zu streichen. § 26 AVR – Sachsen regelt nunmehr wie folgt:
„§ 26 Beihilfen bei Krankheits-, Geburts- und Todesfällen, Unterstützungen
(1) Für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie von Unterstützungen gelten die für die in Anstalten und Einrichtungen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die zuständigen Organe getroffenen Beihilferegelungen.
(2) In Ermangelung einer Regelung nach Abs. 1 erhalten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die im Rahmen der Familienversicherung mitversicherten Angehörigen Beihilfe nach Abs. 3, ...“
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Durch Vorstandsbeschluss vom 23. März 2017 traf die Antragstellerin, nachdem der Ab-schluss einer Dienstvereinbarung nicht zustande gekommen war, eine einrichtungsbezogene eigene Beihilferegelung, diese Regelung wurde mit Vorstandsbeschluss vom 18. April 2017 erweitert. Nunmehr sind gegenüber § 26 Abs. 3 AVR Sachsen reduzierte Beihilfen bei Geburt von 155 Euro brutto (statt 256 Euro brutto), bei Tod eines Angehörigen von 205 Euro brutto (statt 332 Euro brutto) und eine Beihilfe bei Zahnersatz von 105 Euro brutto pro Kalenderjahr (statt 511 Euro brutto pro Kalenderjahr) vorgesehen, darüber hinaus sind Beihilfeleistungen nur für Mitarbeitende und nicht für familienversicherte Angehörige vorgesehen.
Mit Schreiben vom 25. April 2017 wurde die Antragsgegnerin über die Neuregelung informiert und um Zustimmung gebeten. Die Antragsgegnerin beantragte am 2. Mai 2017 Erörterung, nach einem Erörterungstermin vom 23. Mai 2017 erklärte die Antragsgegnerin die Erörterung für abgeschlossen, eine Zustimmung wurde nicht erteilt.
Mit dem streitgegenständlichen Antrag verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass weder die Aufstellung noch die Umsetzung der durch Vorstandsbe-schlüsse vom 23. März 2017 und vom 18. April 2017 getroffenen Beihilferegelungen im Sinne der § 26 Abs. 1 AVR DD – Fassung Sachsen – der Zustimmung der An-tragsgegnerin bedarf,
2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1, die Zustimmung der An-tragsgegnerin zu den durch Vorstandsbeschlüsse vom 23. März 2017 und 18. April 2017 getroffenen Beihilferegelungen im Sinne des § 26 Abs. 1 AVR DD – Fassung Sachsen – zu ersetzen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Die Schieds- und Schlichtungsstelle hat dem Hauptantrag durch Beschluss vom 25. Septem-ber 2017 entsprochen.
Mit der frist- und formgerecht eingereichten und begründeten Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin weiterhin vollumfängliche Zurückweisung der Anträge, die Antragstellerin bean-tragt, die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise Ersetzung der Zustimmung der An-tragsgegnerin zur beschlossenen Beihilferegelung. Die wirtschaftliche schlechte Lage der Antragstellerin lasse es nicht zu, die in § 26 Abs. 2 und 3 AVR Sachsen geregelten Beihilfe-leistungen auszuzahlen. Bereits die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung 2016 habe die Antragstellerin nicht zahlen können, weil bei voller Zahlung der Jahressonderzahlung ein ne-gatives betriebliches Ergebnis für das Jahr 2016 eingetreten wäre. Auch die zweite Hälfte der Jahressonderzahlung 2017 werde allenfalls zu einem Drittel zur Auszahlung kommen. Die Kosten der vollständigen Umsetzung der Beihilferegelung seien für die Antragstellerin nicht kalkulierbar, weil sie nicht vorhersehen könne, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zahnersatz benötigen würden, ein Kind bekommen oder sterben würden; insbesondere für mitversicherte Familienangehörige seien die Kosten nicht kalkulierbar. Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die wechselseitigen zu den Akten ge-reichten Schriftsätze sowie auf die Erörterung in der mündlichen Anhörung.
II. Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung ist begründet. Die Aufstellung einrichtungseige-ner Beihilferegelungen ist mitbestimmungspflichtig (1); die hilfsweise begehrte Zustimmung der Antragsgegnerin war nicht zu ersetzen (2). Die Anträge hatten deshalb vollumfänglich der Abweisung zu unterliegen.
(1) Die Mitarbeitervertretung hat nach § 40 m MVG-EKD ein Mitbestimmungsrecht bei der Gewährung von Unterstützungen und sonstigen Zuwendungen, auf die kein Rechtsan-spruch besteht. Die Gewährung einer Beihilfe ist eine „Unterstützung“ i.S.d. Norm. Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf Kommentarliteratur (Frey/Rehren, MVG-EKD § 40 Rn. 63) die Auffassung vertritt, ein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach § 40 MVG-EKD bestehe nur bei Leistungen des Arbeitgebers, mit denen Mitarbeitende in einer sozialen oder wirtschaftlichen Notlage geholfen werde, ist ihr nicht zu folgen. Diese Einschränkung findet im Wortlaut der Norm keine Stütze. Danach wird das Mitbestimmungsrecht bei der Gewährung von Unterstützungen oder sonstigen Zuwendungen ausgelöst. Eine Beihilfeleis-tung ist eine klassische Unterstützung in einer Situation, wo sozialversicherungsrechtliche Leistungen nicht die Kosten decken (Zahnersatz) bzw. ein besonderer finanzieller Bedarf ent-steht (Geburt, Tod), der durch das regelmäßige Gehalt nicht immer gedeckt werden kann. Es geht deshalb nicht nur um Grundsätze einer Notlagenunterstützung, sondern generell um Grundsätze für die Gewährung von Unterstützungen oder sonstigen Zuwendungen. Möchte der Arbeitgeber solche Grundsätze aufstellen, unterliegt dies der Mitbestimmung der Mitarbei-tervertretung.
Auf individuell einrichtungsbezogen gewährte Beihilfen besteht ohne entsprechende Regelung kein sonstiger Rechtsanspruch; damit wird das Mitbestimmungsrecht aus § 40 MVG-EKD ausgelöst (ständige Rechtsprechung, vgl. KGH.EKD Beschluss vom 26. Februar 2018, Az. II-0124/32-2017; zu § 40 MVG-K vgl. KGH.EKD Beschluss vom 18. Dezember 2017, Az. I-0124/5-2017.) und ist eine Regelung nur mit Zustimmung der MAV möglich. Dass § 26 AVR auf Regelungen der „zuständigen Organe“ Bezug nimmt, kann deshalb nicht dahingehend verstanden werden, dass die entscheidungsbefugten Organe der Einrichtungen ohne Einbe-zug der Mitarbeitervertretung eigene Beihilferegelungen in Kraft setzen können; Bestimmun-gen in den AVR können ein Mitbestimmungsrecht nicht verdrängen.
(2) Auch der Hilfsantrag der Antragstellerin ist unbegründet, die Zustimmung der Antragsgegnerin zu den Beihilferegelungen vom 18. April 2017 und vom 23. März 2017 war nicht zu ersetzen.
Gemäß § 60 Abs. 6 MVG-EKD entscheiden in den Fällen der Mitbestimmung die Kirchenge-richte über die Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Die Entscheidung muss sich im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften und im Rahmen der Anträge von Mitarbei-tervertretung und Dienststellenleitung halten; innerhalb dieses Rahmens entscheidet das Kir-chengericht nach eigenem Ermessen (Fey/Rehren, MVG.EKD § 60, Rn. 10).
In Bezug auf die Beihilferegelung vom 23. März 2017 fehlt es bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, weil diese Beihilferegelung bereits abgelöst ist und damit ein Bedürfnis für die Ersetzung der Zustimmung nicht besteht; darüber hinaus fehlt jeg-licher Vortrag dazu, welchen Inhalt diese Beihilferegelung gehabt haben soll.
In Bezug auf die Beihilferegelung vom 18. April 2017 lässt der Vortrag der Antragstellerin nicht erkennen, dass es sich um eine angemessene, den Interessen aller Beteiligten Rechnung tragende Reglung handelt. Die Antragstellerin hat weder substantiiert, welches Gesamtvolu-men Beihilfeleistungen nach § 26 Abs. 2 und 3 AVR-DD auslösen, noch, welche Beihilfeleis-tungen durch die vorgesehene einrichtungsbezogene Beihilferegelung ausgelöst werden. Die Antragstellerin trägt diesbezüglich sogar vor, sie wisse nicht, im welchen Umfang die Beihilfe-leistungen in Anspruch genommen werden. Eine Beurteilung der Angemessenheit ist damit nicht möglich, so dass eine Ersetzung der Zustimmung der MAV nicht in Betracht kommt und die Beteiligten nach neuen mitbestimmten Lösungen suchen müssen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i. V. m. § 22 Abs. 1 KiGG. EKD).
Mestwerdt Dr. Triebel Neuendorf