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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:10.02.2016
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/34-2015
Rechtsgrundlage:MVG-EKD § 41 Abs. 1 AVR.DD § 12 Anlage 1, Entgeltgruppen 2 und 3 Anmerkungen 2 und 3
Vorinstanzen:Az.: 2 Sch 1/2015 Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden Beschluss vom 9. Juni 2015
Schlagworte:Eingruppierung einer im Patientenbegleitdienst beschäftigten Mitarbeiterin in die Entgeltgruppe 2 der Anlage 1 AVR.DD
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Leitsatz:

Die krankenhausinterne Begleitung rollstuhlbedürftiger und bettlägeriger Patienten, die beim Transport keine fachmedizinische Betreuung benötigen, zwischen der Station, dem operativen Bereich, der Funktionsdiagnostik oder dem Labor (Patientenbegleitdienst), ist eine sehr einfache Tätigkeit i.S.d. Entgeltgruppe 2 der Anlage 1 zu den AVR.DD.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Dienststellenleitung wird der Beschluss der Kirchengerichtlichen Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden vom 9. Juni 2015 - 2 Sch 1/2015 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung von Frau D in die Entgeltgruppe 2 der Anlage 1 AVR.DD hat.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweige-rung der Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Entgeltgruppe 2 Basisstufe der Anlage 1 AVR.DD (nachfolgend "E 2") zusteht.
Die antragstellende Dienststelle unterhält ein Krankenhaus. Sie hat Frau D zum 1. Oktober 2014 eingestellt und ihr eine Tätigkeit im Patientenbegleitdienst übertragen. Der Patientenbegleitdienst begleitet hausintern rollstuhlbedürftige und bettlägerige Patienten, die keine Betreuung durch medizinisches Fachpersonal benötigen, in den operativen Bereich, die Funktionsdiagnostik, in das Labor und wieder zurück. Auch patientenbezogenes Material wird transpor-tiert. Für diese Tätigkeit ist eine Schul- oder Ausbildung nicht erforderlich. Jede/r neue Mitar-beitende begleitet in den ersten zwei Wochen eine als Bezugsperson bestimmte Pflegekraft auf einer Station und macht sich mit dem Ablauf und den Transportvorgängen vertraut. In weiteren zwei bis vier Wochen erfolgt sodann eine Einweisung in den Patientenbegleitdienst. Zusätzlich erhalten alle Mitarbeitenden im Patientenbegleitdienst - wie auch alle sonstigen Mitarbeitenden der Dienststelle - eine hausinterne Basishygieneschulung und nehmen an einem hausinternen Reanimationskurs teil. Beide Schulungen dauern ein bis anderthalb Stunden und werden jährlich aufgefrischt.
Nach vier bis sechs Wochen Einarbeitungszeit werden die neuen Mitarbeitenden eigenverantwortlich im Patientenbegleitdienst eingesetzt. Patienten werden durch den Patientenbegleitdienst im Bett von der Station in den Operationsbereich verbracht. Soweit die Patienten nach dem operativen Eingriff und der Aufwachphase wieder auf die Station verbracht werden, fordert die Pflegefachkraft im Aufwachzimmer den Patientenbegleitdienst an. Dieser verbringt den Patienten sodann zurück auf die Station. In diesem Zustand ist der Patient an Sauerstoff angeschlossen und es liegen regelmäßig Drainageleitungen. Während des Transportes hat der Patientenbegleitdienst darauf zu achten, dass sich Drainagen, Schläuche und angebrachte Fusionen nicht verändern. Der Transport erfolgt mit Schutzkleidung, Hand- und Mundschutz. Patienten, die auf der Intensivstation weiterbetreut werden müssen, werden mit einer Pflegefachkraft und einem Arzt in die Intensivstation verbracht.
Die Dienststelle ist der Auffassung, es handele sich um eine sehr einfache Tätigkeit im Sinne der E 2. Sie hat die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Einstellung und zur Eingruppierung der Frau D in die E 2 ab dem 1. Oktober 2014 beantragt. Die Mitarbeitervertretung hat die Zustimmung verweigert.
Die Dienststelle vertritt die Auffassung, die Tätigkeit im Patientenbegleitdienst sei eine solche des Hol- und Bringdienstes, der nach einer kurzen Einarbeitungszeit von vier bis sechs Wochen wahrgenommen werden könne.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung keinen Grund zur Verweigerung der Zu-stimmung zur Eingruppierung von Frau D in die Entgeltgruppe 2 der Anlage 1 AVR.DD hat.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Funktional sei die Tätigkeit des Patientenbegleitdienstes der Pflege zugeordnet. Es sei bei dem Patientenbegleitdienst eine gesteigerte Aufmerksamkeit erforderlich, der sich signifikant unterscheide von dem des "normalen" Hol- und Bringdienstes. Auch die gesteigerte Verant-wortung für den frischoperierten Patienten müsse bei der Eingruppierung berücksichtigt werden.
Die Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle hat den Antrag nach Durchführung einer Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingereichten und begründeten Beschwerde verfolgt die Dienststelle ihr Begehren weiter.
II. Die Beschwerde ist begründet. Die der Mitarbeiterin D übertragenen Aufgaben sind Tätigkeiten, die nach einer fachlichen Einarbeitung ausgeführt werden können und die nach E 2 zu bewerten sind. Die vorgesehene Eingruppierung verstößt deshalb nicht gegen eine Rechtsvorschrift oder Vertragsbestimmung; ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 41 Abs. 1 MVG-EKD besteht nicht.
1. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 AVR.DD ist die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen gemäß der Anlage 1 eingruppiert. Nach § 12 Abs. 2 AVR.DD erfolgt die Eingruppierung in die Entgeltgruppe, deren Tätig-keitsmerkmale die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter erfüllt und die der Tätigkeit das Gepräge geben. Für die Eingruppierung ist nach § 12 Abs. 3 AVR.DD nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters maßgebend; entscheidend ist die für die Ausübung der Tätigkeiten in der Regel erforderliche, nicht die formale Qualifikation. Die allgemeinen Merkmale einer Vergütungsgruppe sind grundsätzlich erfüllt, wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin eine Tätigkeit ausübt, die als Regel-, Richt- oder Tätigkeits-beispiel zu dieser Entgeltgruppe genannt ist (ständige Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 3. Februar 2014 - II-0124/V36-13 - www.kirchenrecht-ekd.de).
2. Es liegt nahe, dass die Tätigkeit des Patientenbegleitdienstes bereits das Richtbeispiel der Stationshilfe im Sinne der Entgeltgruppe 2 erfüllt, da der Patientenbegleitdienst keine echte pflegerische Tätigkeit wahrnimmt, sondern aus einem Ausschnitt der begleitenden "Hilfstätigkeiten" einen Teilbereich abdeckt, nämlich den Transport von Patienten, die sich im Rollstuhl oder im Bett befinden. Jedenfalls erfüllt die der Mitarbeiterin D übertragene Tätigkeit des Patientenbegleitdienstes aber die Obersätze der Entgeltgruppe 2 Anmerkung 2 der Anlage 1 zu den AVR.DD.
a) In die Entgeltgruppe 2 sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten eingruppiert, die nach einer fachlichen Einarbeitung ausgeführt werden können. Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sehr einfachen Tätigkeiten in den Tätigkeitsbereichen u.a. des Hol- und Bringdienstes. Nach der Anmerkung 2 zu der Anlage 1 der AVR.DD setzen sehr einfache Tätigkeiten eine fachliche Einarbeitung, jedoch keine Berufsausbildung voraus. In der fachli-chen Einarbeitung wird das für die Tätigkeit erforderliche Wissen (Umgang mit arbeitsspezifi-schen Hilfsmitteln oder mit Klienten, organisatorischen Zusammenhängen, Regelungen und Arbeitsabläufen) erworben.
b) Exakt diese fachliche Einarbeitung erfolgt bei den Mitarbeitern des Patientenbegleitdienstes. Nach der mündlichen Erörterung vor dem Senat ist es unstreitig, dass die Mitarbeitenden maximal sechs Wochen eingearbeitet werden und in dieser Zeit den Ablauf des Patiententransportes, die organisatorischen Zusammenhänge und die Arbeitsabläufe kennenlernen. Die Tätigkeit entspricht deshalb der Entgeltgruppe 2.
3. Entgegen der Auffassung der Mitarbeitervertretung sind die Voraussetzungen der Ent-geltgruppe 3 zur Anlage 1 AVR.DD nicht erfüllt. In die Entgeltgruppe 3 sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die Fertigkeiten und einfache Kenntnisse voraussetzen, eingruppiert. Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einfachen Tätigkeiten in den Tätigkeitsbereichen u.a. der Pflege. Nach Anmerkung 3 zur Anlage 1 der AVR.DD setzen einfache Tätigkeiten, Fertigkeiten und einfache Kenntnisse voraus, die in erweiterter fachlicher Einarbeitung über einen längeren Zeitraum, in Schulungen oder durch einschlägige Tätigkeitserfahrungen erlangt werden. Es kann dahinstehen, welche Zeitspanne tatsächlich ein längerer Zeitraum im Sinne der Anmerkung 3 zur Anlage 1 der AVR.DD ist; der Umkehrschluss aus der Anmerkung 1, wonach einfachste Tätigkeiten nach einer kurzen Einübung ausgeführt werden und diese eine bis zu zweimonatige Anleitung und Einweisung in die Arbeit ausmachen kann, zeigt jedenfalls, dass eine sechswöchige Einarbeitung keine fachliche Einarbeitung über einen längeren Zeitraum darstellen kann. Nach spätestens sechs Wochen sind neue Mitarbeitende aber in der Lage, die Tätigkeit im Patientenbegleitdienst zu übernehmen.
4. Soweit die Mitarbeitervertretung darauf verweist, dass im Patientenbegleitdienst eine gegenüber dem reinen Sachmitteltransport gesteigerte Aufmerksamkeit erforderlich sei und die gesteigerte Verantwortung berücksichtigt werden müsse, führt dies nicht zu einer höheren Eingruppierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Patientenbegleitdienst. Der Eingrup-pierungskatalog der Anlage 1 zu den AVR.DD stellt - jedenfalls an dieser Stelle - nicht auf eine gesteigerte Verantwortung und erforderliche erhöhte Aufmerksamkeit ab. Entscheidend ist die erforderliche fachliche Einarbeitung, die über einen längeren Zeitraum zu erfolgen hat. Eine solche Einarbeitung ist vorliegend nicht erforderlich. Letztlich spricht auch der unstreitige Umstand, dass es beim Patiententransport nach Kenntnis der Beteiligten zu keinem echten Notfall gekommen ist, dafür, dass die von der Dienststelle vorgenommene fachliche Einweisung ausreichend und geboten ist. Eine abstrakte Gefährdungslage führt für sich genommen nicht zu einer höheren Eingruppierung.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG-EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).