.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:03.11.2014
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/W24-14
Rechtsgrundlage:Rechtsverordnung über die Geltung des MVG-Anwendungsgesetzes für das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. vom 13. Dezember 2013 (RVO über die Geltung des MVG-Anwendungsgesetzes) für das DWBO § 1 MVG.EKD § 23
Vorinstanzen:Az.: I-21/14 Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. Beschluss vom 4. Juni 2014
Schlagworte:Vertretung der Mitarbeitervertretung durch den stellvertretenden Vorsitzenden bei Verhinderung der Vorsitzenden; Mitgliedschaft in einer Kirche
#

Leitsatz:

Darf nach § 1 Abs. 1 der RVO über die Geltung des MVG-Anwendungsgesetzes von der Verpflichtung der Mitglieder der Mitarbeitervertretung zur Mitgliedschaft in einer Kirche abgewichen werden, muss nur der/die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung (§ 23 MVG.EKD) Mitglied einer Kirche sein, nicht aber der/die Stellvertreter/in bzw. das nach § 23 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKG für den Fall der Verhinderung zur Vertretung bestimmte Mitglied der Mitarbeiterver-tretung.

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. vom 4. Juni 2014 - I-21/14 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der von der Mitarbeitervertretung als stellvertretender Vorsitzender der Mitarbeitervertretung benannte Herr D die Mitarbeitervertretung im Fall der Verhinderung der Vorsitzenden vertreten kann.
Die Antragstellerin ist Mitglied des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (DWBO) und betreibt ein Krankenhaus. Durch die Rechtsverordnung über die Geltung des MVG-Anwendungsgesetzes für das Diakoni-sche Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (im Folgenden "Rechts-verordnung") vom 13. Dezember 2013 ist bestimmt worden, dass mit Wirkung ab 1. Januar 2014 das Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD mit bestimmten Maßgaben für das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. gilt. Nach § 1 Abs. 1 der Rechtsverordnung müssen die Mitglieder einer Mitarbeitervertretung grundsätzlich Mitglied einer Kirche sein, die Mitglied im ökomenischen Rat Berlin-Brandenburg oder einer Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in einer anderen Gliedkirche oder einem anderen Bundesland ist. Auf Antrag des Trägers kann davon im Einzelfall abgewichen werden. In diesem Fall ist bei der Wahl zur Mitarbeitervertretung (§ 11 MVG.EKD) sicherzustellen, dass die Mitarbeitervertretung zu mehr als der Hälfte aus Mitgliedern besteht, die die Voraussetzungen von Satz 1 erfüllen. § 1 Abs. 2 der Rechtsverordnung hat nachstehenden Wortlaut:
"Der oder die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung (§ 23 MVG.EKD) muss Mitglied einer Kirche nach Absatz 1 sein".
Durch Beschluss des DWBO vom 24. Februar 2014 wurde der Antragstellerin die Genehmigung erteilt, von den Vorgaben des § 1 Abs. 1 der Rechtsverordnung vom 13. Dezember 2013 abzuweichen.
Nach der Wahl zur Mitarbeitervertretung bei der Antragstellerin wurde die einer christlichen Kirche angehörende Frau E in der konstituierenden Sitzung der Mitarbeitervertretung am 30. April 2014 als Vorsitzende gewählt, als Stellvertreter wurde Herr D gewählt, der nicht Mitglied einer christlichen Kirche ist. Herr D hat im November 2013 an der Fortbildung "Christliche Tradition und Arbeitswelt in der Diakonie" in einem Umfang von 32 Stunden teilgenommen. Er war in der Vergangenheit Vorsitzender der Mitarbei-tervertretung; dies war möglich, weil das Krankenhaus zuvor ein öffentliches Kranken-haus war.
Die Dienststellenleitung hat die Auffassung vertreten, die Wahl von Herrn D zum stellvertretenden Vorsitzenden sei unwirksam; nicht nur der oder die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung sondern im Verhinderungsfall auch der Stellvertreter/die Stellvertreterin müssten Mitglied einer christlichen Kirche sein.
Sie hat beantragt,
die Wahl von Herrn D zum stellvertretenden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung vom 30. April 2014 für unwirksam zu erklären.
Die bei der Antragstellerin gebildete Mitarbeitervertretung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen und die Auffassung vertreten, ein Anfechtungsrecht bestehe in Bezug auf die nachgelagerte Wahl des (stellvertretenden) Vorsitzenden nicht; nach Erteilung der Ausnahmegenehmigung müsse auch nur der oder die Vorsitzende Mitglied einer christlichen Kirche sein.
Die Schieds- und Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. hat durch Beschluss vom 4. Juni 2014 (Az. I-21/14) den Antrag zurückgewiesen. Mit der frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Antragsbegehren weiter. Sie hat in der Beschwerdeinstanz hilfsweise weiter beantragt
festzustellen, dass Herr D im Fall der Verhinderung der Vorsitzenden der Mitar-beitervertretung die Mitarbeitervertretung nicht vertreten kann.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete und vom Kirchengerichtshof der EKD angenommene Beschwerde ist unbegründet. Eine Rechtsgrundlage für die Anfechtung der "Wahl" des stellvertretenden Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung besteht nicht (1.); die Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz ist zulässig (2.), der Antrag ist aber unbegründet (3.).
1. Nach § 14 Abs. 1 MVG.EKD kann die Wahl der Mitarbeitervertretung innerhalb von zwei Wochen vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet angefochten werden. Die Anfechtung der Wahl der oder des Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung nach § 23 Abs. 1 MVG.EKD ist im Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD nicht vorgesehen; auch in Bezug auf die Festlegung der Reihenfolge der Vertretung im Vorsitz nach § 23 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD ist eine Anfechtungsmöglichkeit nicht geregelt. Ob - vergleichbar zu § 19 BetrVG - für Mitglieder der Mitarbeitervertretung in analoger Anwendung von § 14 MVG.EKD die Möglichkeit der Anfechtung der Wahl des oder der Vorsitzenden nach § 23 Abs. 1 Satz 1 bzw. der Festlegung der Vertretung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD besteht (zu § 19 BetrVG vgl. BAG, Beschluss vom 13. November 1991 - 7 ABR 8/91; BAG, Beschluss vom 16. November 2005 - 7 ABR 11/05), kann dahinstehen; für ein Anfechtungsrecht der Dienststellenleitung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, die Meinungsbildung in der Mitarbeitervertretung ist dem Einfluss der Dienststellenleitung regelmäßig entzogen. Soweit als Folge eines Beschlusses der Mitarbeitervertretung im Rechtsverhältnis zur Dienststellenleitung klärungsbedürftige Fragen auftreten, können diese einer kirchengerichtlichen Klärung zugeführt werden.
2. Der Hilfsantrag ist zulässig, er konnte auch im Wege einer Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz anhängig gemacht werden. Nach §§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, 87 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz, 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG können Anträge geändert oder erweitert werden, soweit die Beteiligten zustimmen oder das Gericht Änderungen für sachdienlich hält. Der Hilfsantrag ist vorliegend sachdienlich, weil er die zwischen den Beteiligten klärungsbedürftige Rechtsfrage, ob Herr D im Fall der Verhinderung der Vorsitzenden die Mitarbeitervertretung im Verhältnis zur Dienststellenleitung wirksam vertreten kann, einer Entscheidung zuführt.
3. Der Antrag ist unbegründet.
a) Nach § 1 Abs. 2 der Rechtsverordnung vom 13. Dezember 2013 muss der oder die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung (§ 23 MVG.EKD) Mitglied einer Kirche nach Absatz 1 sein. Dies gilt auch, wenn von der grundsätzlichen Festlegung des § 1 Abs. 1 der Rechtsverordnung, wonach Mitglieder der Mitarbeitervertretung Mitglied einer Gliedkirche sein müssen, abgewichen werden darf. Der Wortlaut der Norm ist eindeutig. Nur der oder die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung werden genannt.
b) Für ein weitergehendes Verständnis der Norm, dass auch der oder die Stellvertretende bzw. weitere von der Mitarbeitervertretung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD benannte Mitglieder der Mitarbeitervertretung Mitglied einer Gliedkirche sein müssen, wenn von der Festlegung des § 1 Abs. 1 der Rechtsverordnung abgewichen werden darf, gibt es keinen Ansatzpunkt. Der oder die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung bleibt auch bei Urlaub oder krankheitsbedingter Abwesenheit im Amt, sodass die Vorgabe des § 1 Abs. 2 der Rechtsverordnung vom 13. Dezember 2013 auch bei Verhinderung erfüllt ist.
c) Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, die Mitgliedschaft in einer Gliedkirche müsse jederzeit in der Funktion des Vorsitzes und nicht nur in der Person der oder des jeweiligen Vorsitzenden gewahrt sein, ist ihr nicht zu folgen. Diese Auffassung widerspricht nicht nur dem eindeutigen Wortlaut der Rechtsverordnung; dieser ist auch im Übrigen nicht zu entnehmen, dass Mitglieder der Mitarbeitervertretung, die nicht Mitglied einer Gliedkirche sind, aber aufgrund Ausnahmegenehmigung gewählt werden konnten, in ihrer Amtsausübung so beschnitten sein sollen, dass gegenüber der Dienststellenleitung eine wirksame Vertretung der Mitarbeitervertretung bzw. Wahrnehmung von Aufgaben nicht möglich ist. Dies bedeutete eine dauerhafte Beschränkung von Rechten der Mitarbeitervertretung, ein solches Verständnis der Rechtsverordnung ist fernliegend. Gegen die von der Dienststellenleitung vertretene Auffassung spricht schließlich, dass § 23 Abs. 1 MVG.EKD ausdrücklich zwischen "dem Vorsitz" und "der oder die Vorsitzende" unterscheidet. Hätte der Verordnungsgeber ein vergleichbares Verständnis von § 1 Abs. 2 der Rechtsverordnung gehabt, hätte er es vor diesem Hintergrund deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Daran fehlt es.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).