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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:03.11.2014
Aktenzeichen:KGH.EKDII-0124/V52-13
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 41 Abs. 1 AVR-Bayern § 32, Anlage 2
Vorinstanzen:Az.: 26/0-6/4-801 Kirchengericht der Ev.-luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz Beschluss vom 10. Juli 2013
Schlagworte:Eingruppierung eines Wohnbereichsleiters im Gruppendienst
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Leitsatz:

Die Tätigkeit eines Wohnbereichsleiters erfüllt regelmäßig das Anforderungsprofil der Entgelt-gruppe 9 der Anlage 2 zu den AVR-Bayern. Eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 10 kommt in Betracht, wenn nicht nur "übliche" Aufgaben eines Wohnbereichsleiters sondern darüber hinaus "komplexe" Aufgaben i.S.d. Anmerkung 16 zu den AVR-Bayern übertragen sind.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss des Kirchengerichts der Ev.-luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz vom 10. Juli 2013 - 26/0-6/4-801 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Eingruppierung des Mitarbeitenden E.
Die Antragstellerin besteht aus acht Dienststellen in Nordbayern. Sie beschäftigt ca. 1800 Mitarbeitende, davon 400 in der streitgegenständlichen Dienststelle. Dort leben, lernen und arbeiten körper- und mehrfachbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die stationäre Unterbringung erfolgt in Wohngruppen mit sechs bis zehn Personen. Bis zum Jahr 2010 hatte jede Gruppe einen Gruppenleiter, der in die Entgeltgruppe 10 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Bayern (AVR-Bayern) eingruppiert war. Im Jahr 2010 hat die Dienststellenleitung die Wohnbereiche umstrukturiert. Sie hat zum 1. Januar 2013 den Erzieher E eingestellt und ihm die Stelle der Wohnbereichsleitung im Gruppendienst übertragen. Er stand als Wohnbereichsleiter zunächst drei Gruppen mit insgesamt 22 Bewohnern und 35 Mitarbeitenden vor; derzeit sind ihm 14 Bewohner und 18 Mitarbeitende (inkl. Teilzeitkräfte) unterstellt.
Herr E untersteht der Dienst- und Fachaufsicht des Leiters Wohnen, ihm unterstehen die Fach- und Hilfskräfte des Wohnbereiches. Nach der Stellenbeschreibung für die Stelle Wohnbereichsleitung im Gruppendienst ist Ziel der Stelle die Leitung des Wohnbereichs durch Planung und Steuerung des Alltags und Führung der unterstehenden Mitarbeitenden aus fachlicher und organisatorischer Sicht. Zu den Kernaufgaben gehören die Einsatzplanung der Mitarbeitenden, die Ausbildung und Anleitung, die Sicherstellung und Kontrolle der Leistungserbringung, der Austausch von Informationen und die Organisation und Verwaltung; auch der Wohnbereichsleiter ist zudem als Fachkraft im Schichtdienst tätig. Der Arbeitszeitanteil für die Erbringung der organisatorischen Arbeiten schwankt (nach Darstellung der Mitarbeitervertretung) zwischen 30 und 80%.
Die bei der Dienststelle gebildete Mitarbeitervertretung, hat der Einstellung, nicht jedoch der beabsichtigten Eingruppierung des Mitarbeiters E in die Entgeltgruppe 9 AVR-Bayern zugestimmt. Sie hat die beabsichtigte Eingruppierung unter Hinweis darauf abgelehnt, in der Ver-gangenheit seien die Wohnbereichsleiter nach altem Zuschnitt (alte Gruppenleiter) in die Entgeltgruppe 10 der AVR-Bayern eingruppiert gewesen; die Stellenbeschreibung für Gruppen- und Wohnbereichsleiter würden sich lediglich in quantitativer Hinsicht unterscheiden.
Die Dienststellenleitung hat beantragt
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund vorliegt, die Zustimmung zur Eingruppierung von Herrn E in die Entgeltgruppe 9, Basisstufe, zu verweigern.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Das Kirchengericht der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz hat dem Antrag stattgegeben und die Auffassung vertreten, zutreffend sei die Eingruppierung der Wohnbereichsleiter in die Entgeltgruppe 9 AVR-Bayern (Beschluss vom 10. Juli 2013 - Az. 26/0-6-4/801). Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Mitarbeitervertretung.
II. Die frist- und formgerecht eingelegte und begründete und vom Kirchengerichtshof der EKD zur Entscheidung angenommene Beschwerde ist unbegründet. Die dem Mitarbeitenden E übertragenen Aufgaben sind solche der Entgeltgruppe 9 der Anlage 2 zu den AVR-Bayern. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne von § 41 Abs. 1 MVG-EKD besteht nicht.
1. Nach § 32 Abs. 1 AVR-Bayern ist der Dienstnehmer/die Dienstnehmerin nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in eine der Entgeltgruppen E1 bis E14 gemäß An-lage 2 eingruppiert. Nach § 32 Abs. 2 AVR-Bayern erfolgt die Eingruppierung in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale überwiegend auszuüben sind und die der Gesamttätigkeit des Dienstnehmers/der Dienstnehmerin das Gepräge geben. Für die Eingruppierung ist nach § 32 Abs. 3 AVR-Bayern nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit des Dienstnehmers/der Dienstnehmerin maßgebend. Entscheidend ist die für die Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel erforderliche Qualifikation, nicht die formale Qualifikation des Dienstnehmers/der Dienstnehmerin. Die Eingruppierung richtet sich dabei nach den Obersätzen der Entgeltgruppe, die in den Tätigkeitsbereichen und in den Untersätzen beschrieben werden. Den Sätzen sind Richtbeispiele zugeordnet, die häufig anfallende Tätigkeiten in dieser Eingruppierung benennen. Diese Richtbeispiele sind nicht abschließend (vgl. § 32 Abs. 4 AVR-Bayern).
Die allgemeinen Merkmale einer Vergütungsgruppe sind grundsätzlich erfüllt, wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin eine Tätigkeit ausübt, die als Regel-, Richt- oder Tätigkeitsbeispiel zu dieser Vergütungsgruppe genannt ist (Kirchengerichtshof der EKD (KGH.EKD), Beschluss vom 29. Oktober 2012 - II-0124/T16-11, www.kirchenrecht-ekd.de). Enthält eine Ein-gruppierungsbestimmung neben einem Obersatz Richtbeispiele, ist deshalb zunächst zu prüfen, ob ein Richtbeispiel einschlägig ist. Wird die Tätigkeit vom Richtbeispiel nicht oder nicht vollständig erfasst, ist auf allgemeine Merkmale zurückzugreifen (KGH.EKD, Beschluss vom 3. Februar 2014 - II-0124/V36-13, www.kirchenrecht-ekd.de.).
2. Nach der Anlage 2 der AVR-Bayern bauen die Entgeltgruppen E8 bis E10 wie folgt aufeinander auf:
Entgeltgruppe 8
A) Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen mit Tätigkeiten, die Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen.
Richtbeispiel:
- Erzieherin
Entgeltgruppe 9
A) Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen mit Tätigkeiten, die vertieftes oder erweitertes Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen.
Hierzu gehören Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen
1. mit eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 7) von schwierigen Aufgaben (Anm. 15) in den Tätigkeitsbereichen
a. Pflege/Betreuung/Erziehung
B) Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen in der Entgeltgruppe 8,
1. mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben (Anm. 7) und Leitungsaufgaben (Anm. 12) in den Tätigkeitsbereichen
a. Pflege / Betreuung / Erziehung
Richtbeispiel:
- Stationsleiterin
- Wohnbereichsleiterin
Entgeltgruppe 10
A) Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen mit Tätigkeiten, die anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzen.
Richtbeispiele:
- Sozialpädagogin / Sozialarbeiterin
- Gruppenleiterin in der Jugend- und Behindertenhilfe
B) Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen in der Entgeltgruppe 9,
2. mit eigenständiger Wahrnehmung (Anm. 7) von schwierigen (Anm. 15) oder komple-xen (Anm. 16) Aufgaben und Leitungsaufgaben (Anm. 12) in den Tätigkeitsbereichen Pflege / Betreuung / Erziehung und nichtärztlicher medizinischer Dienst
3. in der Leitung (Anm. 11) eines großen Wohnbereiches, einer kleinen Einrichtung, eines kleineren Dienstes…
Richtbeispiele:
- Leitung eines kleinen Verwaltungsbereiches
- Leitung einer kleineren Schule für Alten-, Kranken- oder Entbindungspflege
Nach Anmerkung 11 zu den AVR-Bayern umfasst die Leitung die fachliche, personelle, organisatorische und wirtschaftliche Verantwortung für eine Organisationseinheit, nach Anmerkung 12 werden Leitungsaufgaben Dienstnehmern und Dienstnehmerinnen neben ihrer Tätigkeit ausdrücklich übertragen und umfassen nicht alle in der Anmerkung 11 beschriebenen Aspekte der Leitung. Nach Anmerkung 16 beinhalten komplexe Aufgaben vielschichtige und verschiedene Tätigkeiten, in denen Wissen und Fähigkeiten aus unterschiedlichen Bereichen miteinander verknüpft werden müssen.
3. Der Mitarbeitende E ist zutreffend ist die Entgeltgruppe 9 der AVR-Bayern eingruppiert. Die ihm übertragene fachliche Tätigkeit eines Erziehers ist nach dem Richtbeispiel eine Tätigkeit der Entgeltgruppe 8 (Richtbeispiel Erzieher). Darüber hinaus sind ihm Leitungsaufgaben im Sinne der Anmerkung 12 in fachlicher und organisatorischer Hinsicht übertragen worden. Er nimmt die Aufgaben der Wohnbereichsleitung eigenständig wahr; die ihm übertragene Tätigkeit entspricht damit in vollem Umfang dem Richtbeispiel Wohnbereichsleiter/in.
4. Die übertragene Tätigkeit erfüllt nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 10 AVR-Bayern.
a) Unerheblich ist, wie in der Vergangenheit vormalige Gruppenleiter eingruppiert worden sind. Maßgeblich sind die Entgeltgruppen der Anlage 2 zu den AVR-Bayern. Aus einer (möglicherweise unzutreffenden) höheren Eingruppierung anderer Mitarbeitender im Rahmen einer anderen Organisationsstruktur erwächst kein Anspruch auf Beibehaltung dieser Praxis.
b) Dass die dem Mitarbeitenden E übertragene Tätigkeit anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzt (Entgeltgruppe 10 Buchstabe A) ist nicht erkennbar. Die Mitarbeitervertretung bezieht sich zwar auf das Richtbeispiel im zweiten Spiegelstrich: "Gruppenleiterin in der Jugend- und Behindertenhilfe". Weitergehender Vortrag dazu, dass die Tätigkeit dem Richtbeispiel entspricht und anwendungsbezogene wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzt, fehlt; diesbezüglich bestehen auch keine Anhaltspunkte.
c) Die übertragenen Tätigkeiten erfüllen auch nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 10 Buchstabe B Ziffer 3; dem Mitarbeiter sind nicht sämtliche Aufgaben der "Leitung" im Sinne von Anmerkung 11 zu den AVR-Bayern sondern lediglich einige Leitungsaufgaben übertragen worden. Ob es sich bei dem von dem Mitarbeitenden E verantworteten Wohnbereich um einen "großen Wohnbereich" im Sinne der Entgeltgruppe 10 handelt, kann deshalb dahinstehen.
d) Schließlich lässt der Vortrag der Mitarbeitervertretung keinen Rückschluss darauf zu, dass die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 10 Buchstabe B Ziffer 2 erfüllt sind. Bereits das Kirchengericht hat darauf hingewiesen, dass die reine Aufzählung der in der Stellenbe-schreibung aufgeführten Tätigkeiten keinen Rückschluss auf das Vorliegen der Tätigkeits-merkmale der Entgeltgruppe 10 Buchstabe B Ziffer 2 ermöglicht. Die Entgeltgruppe 10 Buchstabe B Ziffer 2 baut auf der Entgeltgruppe 9 Buchstabe B Ziffer 1 auf, indem zusätzlich schwierige oder komplexe Aufgaben und Leitungsaufgaben verlangt werden. Es erschließt sich vorliegend nicht, welche Aufgaben eines Wohnbereichsleiters eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 rechtfertigen und inwieweit dem Mitarbeitenden E darüber hinaus "komplexe" Aufgaben im Sinne von Anmerkung 16 der AVR-Bayern übertragen worden sind. Auch die Beschwerdebegründung ist insoweit unergiebig; welche Aufgaben zusätzlich zu dem eines "normalen" Wohnbereichsleiters übertragen worden sind, wird nicht erkennbar. Tatsächlich handelt es sich um typische Aufgaben, die ein Wohnbereichsleiter zu erledigen hat. Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).