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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 22.02.2013 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/ U26-12 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 38 Abs. 3 S. 6 |
Vorinstanzen: | Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland - Kammern für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten - Beschluss vom 17. Juli 2012 |
Schlagworte: | Erörterung |
Leitsatz:
1. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung, nach beantragter Erörterung die Maßnahme ernsthaft mit dem Willen zur Einigung zu erörtern.
2. Bestimmte Mindestanforderungen oder eine bestimmte "Mindestqualität" der Erörterung bestimmt § 38 Abs. 3 MVG.EKD hingegen nicht; nach § 38 Abs. 3 Satz 7 MVG.EKD ist eine Erörterung regelmäßig unabhängig vom Ablauf der Verhandlungen abgeschlossen, wenn eine Seite dies schriftlich mitteilt.
Tenor:
Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss des Kirchengerichts der Evangelischen Kirche in Deutschland - Kammern für mitarbeitervertretungsrechtli-che Streitigkeiten - vom 17. Juli 2012, Az. I-2708/U1-12 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung von Pflegehelfern und Pflegehelferinnen in die Entgeltgruppe 4 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD (AVR.DW.EKD). Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob die Zustimmung der Mitarbeiter-vertretung gemäß § 38 Abs. 3 Satz 6 MVG.EKD als gebilligt gilt. Die Dienststellenleitung hat für eine Reihe von Mitarbeitenden die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Eingruppie-rung in die Entgeltgruppe 4 der AVR.DW.EKD beantragt. Die Mitarbeitervertretung hat inner-halb der Frist des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD die Erörterung beantragt. Am 1. August 2011, 19. September 2011, 5. Dezember 2011 und 19. Dezember 2011 fanden zwischen den Betei-ligten Gespräche über die beabsichtigten Eingruppierungen statt. Mit Schreiben vom 6. Januar 2012, der Mitarbeitervertretung zugegangen am 9. Januar 2012, hat die Dienststel-lenleitung die Erörterung für beendet erklärt. Mit der am 23. Februar 2012 beim Kirchengericht der EKD eingegangenen Antragsschrift hat die Mitarbeitervertretung das vor-liegende Verfahren eingeleitet und die Auffassung vertreten, die zwischen den Beteiligten geführten Gespräche hätten den Erörterungsanspruch der Mitarbeitervertretung nicht erfüllt, weil eine ernsthafte einzelfallbezogene Erörterung nicht stattgefunden habe. Zutreffend sei eine Eingruppierung der Mitarbeitenden in die Entgeltgruppe 5 der AVR.DW.EKD. Die von der Dienststellenleitung geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe seien im Rahmen der Ein-gruppierung nicht maßgeblich.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass die Antragstellerin der Eingruppierung der im Einzelnen aufgeführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zugestimmt hat und die Dienststellenleitung verpflichtet ist, das Verfahren gemäß § 42 lit. b i.V.m. § 38 MVG.EKD fortzusetzen.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
diesen Antrag zurückzuweisen
und die Auffassung vertreten, die Zustimmungsfiktion des § 38 Abs. 3 Satz 6 MVG.EKD grei-fe, weil die Mitarbeitervertretung die Zustimmung nach Abschluss der Erörterung nicht schriftlich verweigert habe. Tatsächlich sei der Vorgang kontrovers und mit unterschiedlicher tariflicher Einschätzung erörtert worden und eine Einigung habe nicht erreicht werden können.
Das Kirchengericht hat den Antrag unter Hinweis darauf, dass die Zustimmung der Mitarbei-tervertretung zu der beabsichtigten Eingruppierung der im Antrag benannten Mitarbeitenden nach § 38 Abs. 3 Satz 6 MVG.EKD als erteilt zu gelten habe, zurückgewiesen. Nachdem sich die Dienststellenleitung auch in dem vierten Gesprächstermin nicht von ihrer Rechtsposition wegbewegt habe, sei es folgerichtig gewesen, die Erörterung für beendet zu erklären. Hiergegen wendet sich die Mitarbeitervertretung mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen.
1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MVG.EKD
a) Der Annahmegrund der grundsätzlichen Bedeutung bezieht sich nicht auf den Fall ins-gesamt, sondern auf die Rechtsfrage, die sich in dem Fall stellt und beantwortet werden muss. Für den Annahmegrund “grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage“ muss die Rechtsfrage so genau bezeichnet sein, dass sie grundsätzlich mit “Ja“ oder mit “Nein“ be-antwortet werden kann (ständige Rechtsprechung des KGH.EKD, Beschluss vom 27. Januar 2010, II-0124/P36-08 - www.kirchenrecht-ekd.de). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung dieser Rechtsfrage abhängt, diese klärungsbedürftig und klärungsfähig und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche oder die diakonische Rechtsordnung ist (ständige Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 18. Juni 2012 - I-0124/U3-12 - www.kirchenrecht-ekd.de).
b) Die Beschwerde meint, klärungsbedürftig sei die Frage,
“ob die Erklärung über die Beendigung der mündlichen Erörterung auch dann geeignet sei, die Zustimmungsfiktion gemäß § 38 Abs. 3 Satz 6 MVG.EKD auszulösen, wenn die von den Beteiligten geführten Gespräche keine Erörterungen im Sinne des § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD gewesen sei.“
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Beschwerde damit eine Rechtsfrage darlegt, die mit “Ja“ oder mit “Nein“ beantwortet werden könnte; tatsächlich hängt nach der Rechtsauffassung der Antragstellerin die Beantwortung davon ab, welche Anforderungen an eine mündliche Erörte-rung im Sinne von § 38 Abs. 3 MVG.EKD gestellt werden müssen. Ob eine “ausreichende“ Erörterung stattgefunden hat, bemisst sich sodann nach den Umständen des Einzelfalls. Darum geht es der Antragstellerin. Sie meint, die zwischen den Beteiligten geführten Ge-spräche seien nicht zielführend gewesen. Damit zeigt sie aber keine Rechtsfrage von grund-sätzlicher Bedeutung auf.
c) Unabhängig davon ist die vermeintliche Rechtsfrage auch nicht klärungsbedürftig. Das Gesetz definiert keine Mindestanforderungen an eine “Erörterung“. Dem Gesetz ist auch nicht zu entnehmen, dass eine Erörterung nur abgeschlossen werden “darf“, wenn die Erör-terungsgespräche vorab eine bestimmte “Mindestqualität“ gehabt haben. Nach § 38 Abs. 3 Satz 7 MVG.EKD ist die Erörterung vielmehr abgeschlossen, wenn “dies“ schriftlich mitgeteilt wird. Damit hat der kirchliche Gesetzgeber es in die Entscheidung der Beteiligten gestellt, ob eine Erörterung abgeschlossen werden kann oder nicht.
Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit in einer Dienstgemeinschaft verpflichtet die Beteiligten zwar, die Sache ernsthaft mit dem Willen zur Herbeiführung eines Konsenses zu erörtern. Einen bestimmten Erörterungsablauf schreibt das Gesetz jedoch nicht vor. Beharrt einer der Beteiligten auf einer bestimmten Rechtsposition - wie vorliegend die Dienst-stellenleitung - so ist dieses Verhalten im Rahmen der Erörterungsphase zulässig und führt dazu, dass der Rechtsstandpunkt nach Abschluss der Erörterung im Rahmen eines schieds-gerichtlichen Verfahrens überprüft wird.
3. Es bestehen nach vorstehenden Erwägungen deshalb auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung im Sinne von § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD. Das Kirchengericht hat zutreffend erkannt, dass die Dienststellenleitung die Erörterung für abge-schlossen erklären konnte, nachdem ein Konsens nicht herbeizuführen war und die Dienst-stellenleitung an der von ihr vertretenen Position festhalten wollte.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).