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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 15.04.2013 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD II-0124/U15-12 |
Rechtsgrundlage: | § 3 Abs.2, § 7 Abs. 2 MVG |
Vorinstanzen: | Kirchengericht der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für Streitigkeiten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz Beschluss vom 31. Januar 2012 |
Schlagworte: | Wirksamkeit einer Mitarbeitervertretungswahl |
Leitsatz:
1. Ein Beschluss der wahlberechtigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eines Dienststel-lenteils nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD ist bei der nächsten turnusgemäß stattfindenden Wahl einer Mitarbeitervertretung zu beachten.
2. Eine - verdrängende - Neuwahl einer Mitarbeitervertretung in einem Dienststellenteil während der laufenden Amtsperiode einer auch für den Dienststellenteil gewählten Mitarbei-tervertretung auf Grundlage eines Beschlusses nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD ist nichtig, weil für eine solche Wahl keine gesetzliche Grundlage besteht. Es liegt kein Fall einer "Spaltung" einer Dienststelle nach § 7 Abs. 2 MVG.EKD vor.
vgl. auch BAG, Beschluss vom 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 -
Tenor:
Auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung wird der Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer - in Münster (Westf.) vom 2. Juli 2012, Az. 2 M 14/11, abgeändert und der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
Gründe:
I. I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Mitarbeitervertretungswahl.
Bei der Beteiligten zu 2. bestehen in einigen Einrichtungen eigene Mitarbeitervertretungen. Im Jahr 2011 wurde für die übrigen Einrichtungen - wie in der Vergangenheit auch - eine aus sieben Mitgliedern bestehende Mitarbeitervertretung, die Beteiligte zu 1., gewählt. Diese Wahl wurde nicht angefochten.
Mit Schreiben vom 6. September 2011 sind fünf Mitglieder der Beteiligten zu 1. von ihrem Amt zurückgetreten. Nach Eintritt aller noch zur Verfügung stehenden Ersatzmitglieder hat die Beteiligte zu 1. derzeit vier Mitglieder. Eine Nachwahl wurde versucht.
Am 29. September 2011 erfolgte in den von der Beteiligten zu 2. betriebenen Wohnheimen eine Abstimmung nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD. Mit großer Mehrheit wurde beschlossen, dass der Dienststellenteil als Dienststelle im Sinne von § 3 Abs. 1 MVG.EKD gelten und eine eigene Mitarbeitervertretung gewählt werden soll. Die Beteiligte zu 2. hat ihr Einvernehmen erteilt. Am 17. Oktober 2011 erfolgte in den Wohnheimen die Wahl einer eigenen Mitarbei-tervertretung, der Beteiligten zu 3. Mit dem am 28. Oktober 2011 beim Kirchengericht einge-gangenen Antrag macht die Beteiligte zu 1. die Nichtigkeit der Wahl geltend, sie hat zudem die Anfechtung der Wahl erklärt.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, dass die am 17. Oktober 2011 durchgeführte Wahl einer Mitarbeitervertretung, der Beteiligten zu 3., unwirksam ist.
Die Beteiligten zu 2. und 3. haben beantragt,
diesen Antrag zurückzuweisen.
Die Wahl sei wirksam. Der betroffene Bereich sei ein eigenständiger Aufgabenbereich, der sich von den übrigen Aktivitäten der Beteiligten zu 2. trennen lasse und einer eigenständigen Leitung unterstehe. Die Leitung verantworte ein eigenes Budget, sei konzeptionell, strukturell und organisatorisch verantwortlich und trage die Personalverantwortung für die im Bereich der Wohnheime angestellten 53 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Das Kirchengericht hat den Antrag zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, die Wahl sei weder nichtig noch wirksam angefochten. Mit der vom Senat angenommenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Antragsbegehren weiter, die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen die Zurückweisung der Beschwerde. Bezüglich des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf die wechselseitig zu den Akten gereichten Schriftsätze und auf die Erörterung in der mündlichen Anhörung Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Die am 17. Oktober 2011 stattgefundene Wahl der Be-teiligten zu 3. ist nichtig.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Kirchengerichtshofs der EKD und des Bundesar-beitsgerichts ist eine Betriebsratswahl nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden Wahlverstößen angenommen werden. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen" (BAG, Beschluss vom 21. September 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn 26, NZA - RR 2012, 186; KGH.EKD, Beschluss vom 6. September 2010 - I-0124/S53-10 Rn 23 - www.kirchenrecht-ekd.de).
2. Ein solcher Wahlverstoß liegt vor. Die am 17. Oktober 2011 stattgefundene Wahl der Beteiligten zu 3. ist erkennbar und offenkundig ohne gesetzliche Grundlage erfolgt. Für die Dienststelle ist auch für den betroffenen Bereich im Jahr 2011 eine Mitarbeitervertretung, die Antragstellerin und Beteiligte zu 1., gewählt worden. Diese Wahl ist nicht angefochten worden; damit ist die Beteiligte zu 1. für die gesamte Amtszeit als Mitarbeitervertretung für die Dienststelle gewählt.
3. Für eine - verdrängende - Neubildung einer Mitarbeitervertretung in einem Teilbereich der Dienststelle der Beteiligten zu 2. fehlt eine gesetzliche Grundlage. Eine Neubildung von Mitarbeitervertretungen während der Amtszeit einer gewählten Mitarbeitervertretung ist nach § 7 MVG.EKD nur bei Stillegung, Spaltung oder Zusammenlegung der Dienststelle möglich, nicht aber auf Grundlage eines Beschlusses nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD über die mitarbeiter-vertretungsrechtliche Verselbständigung eines Dienststellenteils. Dies ergibt die Auslegung der Norm.
a) Bereits der Wortlaut von § 7 Abs. 2 MVG.EKD ist eindeutig. Neben einer Zusammenle-gung von Dienststellen führt nur die "Spaltung" einer Dienststelle zu einer Neubildung der Mitarbeitervertretung; § 3 Abs. 2 MVG.EKD wird nicht erwähnt, obwohl das Verselbständi-gungsverfahren dem Kirchengesetzgeber bekannt gewesen ist. Zu einer "Spaltung" der Dienststelle kommt es auf Grundlage eines mitarbeitervertretungsrechtlichen Verselbständi-gungsbeschlusses nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD nicht, die Dienststelle bleibt als rechtlich selbstständige Einrichtung i.S.v. § 3 Abs. 1 MVG.EKD "ungespalten" erhalten. Lediglich mit-arbeitervertretungsrechtlich gibt es eine Verselbständigung, die im Rahmen der nächsten ordnungsgemäßen Wahl zu berücksichtigen ist.
b) Die Systematik des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD bestätigt dies. Die Ver-selbständigung nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD ist im I. Abschnitt "Allgemeine Bestimmungen" geregelt, Bildung und Neubildung einer Mitarbeitervertretung jedoch im II. Abschnitt; das Verselbständigungsverfahren nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD wird in § 7 MVG.EKD nicht erwähnt. Nach § 14 MVG.EKD können zudem lediglich drei Wahlberechtigte oder die Dienststellenleitung eine Wahl zu einer Mitarbeitervertretung anfechten, durch eine verdrängende Neuwahl in einem Dienststellenteil in ihren Rechten betroffen wäre aber in erster Linie die bereits gewählte Mitarbeitervertretung. Diese wäre bei anderem Normverständnis nicht in der Lage, rechtlich prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 MVG.EKD für eine Verselbständigung vorliegen, es bliebe dem Zufall überlassen, ob drei Wahlberechtigte mit der Verselbständigung nicht einverstanden sind und die Wahl anfechten. Indem § 14 MVG.EKD keine Anfechtungsberechtigung für eine bereits gewählte Mitarbeitervertretung vorsieht, wird deutlich, dass der kirchliche Gesetzgeber den Fall der Neubildung von Mitarbeitervertretun-gen auf Grundlage von § 3 Abs. 2 MVG.EKD während der laufenden Amtszeit nicht für denkbar gehalten hat. Auch die in § 14 Abs. 2 MVG.EKD bestimmte Wiederholung der Wahl macht keinen Sinn, wenn unter Verkennung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 MVG.EKD eine Mitarbeitervertretung neu gebildet worden ist.
c) Ein anderes Normverständnis widerspräche dem Demokratieprinzip. Die Beteiligte zu 1. ist ordnungsgemäß gewählt und ihre Wahl nicht angefochten worden. Sie ist deshalb bis zur turnusgemäß anstehenden Neuwahl die ordnungsgemäß gewählte und demokratisch legitimierte Mitarbeitervertretung, ein Verselbständigungsbeschluss nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD ist deshalb bei der nächsten ordnungsgemäßen Wahl einer Mitarbeitervertretung zu berücksichtigen (vgl. § 6 Abs. 3 BPersVG; zur Nichtigkeit einer Wahl in einem Betriebsteil, wenn bereits ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt worden ist, wie hier auch BAG, Beschluss vom 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - Rn. 36).
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).