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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.06.2012
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/S51-10
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 40 Buchst. d)
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.), Beschluss vom 1. Juli 2010 - 2 M 6/10
Schlagworte:Vorübergehende Änderung der regelmäßigen Arbeitszeit zwecks Durchführung einer Mitarbeiterschulung
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Leitsatz:

Einem Feststellungsantrag kann nur stattgegeben werden, wenn der der begehrten Feststellung zugrunde gelegte, behauptete Sachverhalt vorliegt; dies schließt die begehrte rechtliche Würdigung ein, wenn die Feststellung auch diese umfassen soll.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster (Westf.) - vom 1. Juli 2010 - Az. 2 M 6/10 - wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I. Die Dienststellenleitung ließ im Januar 2010 für ihre einschlägig tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am 7., 12., 14. und 21. Januar 2010 jeweils bis 15.00 Uhr innerbetriebliche fachliche Fortbildungen durchführen. Die Teilnahme daran war freiwillig, wurde jedoch als Arbeitszeit vergütet. An den Veranstaltungen nahmen Mitarbeiterinnen teil, deren regelmäßiger Schichtdienst, intern "F4" genannt, an diesen Tagen um 14.45 Uhr geendet hätte. Die Dienststellenleitung hat die antragstellende Mitarbeitervertretung über die Erhöhung der Arbeitszeiten um jeweils 15 Minuten zwecks Durchführung der Mitarbeiterfortbildungen durch Übergabe des Entwurfes des Dienstplanes für Januar 2010 unterrichtet.
Am 11. Dezember 2009 fand eine Erörterung des Dienstplanes für Januar 2010 zwischen der Dienststellenleitung und der Mitarbeitervertretung statt. In der darüber erstellten Niederschrift heißt es auszugsweise:
"F4 Dienste zum Teil mit 7,75 Stunden anstelle von 7,5 Stunden hinterlegt. Wird überprüft und ggf. geändert."
Am 15. Dezember 2009 schrieb die Mitarbeitervertretung an die Dienststellenleitung:
"Protokoll Erörterung DP Januar
(Anrede)
In der oben genannten Angelegenheit nimmt die MAV wie folgt zu der Überprüfung der Ergebnisse Stellung:
...
Einen F4 Dienst mit 7,75 Stunden gibt es nicht. Insofern handelt es sich laut Auffassung der MAV um einen Verstoß gegen die Mitbestimmung, da wir weder dieser DZ zugestimmt haben, noch diese von der Schlichtungsstelle ersetzt worden ist.
...
(Grußformel)"
Die Dienststellenleitung antwortete unter dem 21. Dezember 2009, die Überschreitung der Dienstzeit F4 im Dienstplan für Januar 2010 sei ausschließlich auf die geplante Fortbildungsveranstaltung C zurückzuführen. Ein Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte sei nicht beabsichtigt gewesen, vielmehr würden die genehmigten Dienstzeiten grundsätzlich eingehalten. Die Mitarbeitervertretung teilte ihr unter dem 22. Januar 2010 mit, sie habe beschlossen, wegen der Einführung einer neuen Dienstzeit F4 mit 7,75 Stunden ohne Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung die Schlichtungsstelle anzurufen und einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen; sie bitte um Kostenübernahme. Mit ihrem Schreiben vom 27. Januar 2010 wiederholte die Dienststellenleitung ihre Einlassung im Schreiben vom 21. Dezember 2009 und bat die Mitarbeitervertretung, ihre Entscheidung zur Anrufung der Schiedsstelle (sc. Schlichtungsstelle) zu überprüfen.
Mit dem Schreiben ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 1. Februar 2010 rief die Mitarbeitervertretung die Schlichtungsstelle an. Sie hat geltend gemacht, sie hätte wegen der Erhöhung der Stundenkontingente nach § 40 Buchstabe d) MVG.EKD (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ...) angehört werden müssen.
Sie hat beantragt festzustellen,
1. dass die Verlängerung der Dienstzeit des F4-Dienstes von 7,5 auf 7,75 Stunden arbeitstäglich der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegt,
2. dass die Dienststellenleitung nicht berechtigt ist, Arbeiten/Dienste nach einem F4-Dienst mit 7,75 Stunden arbeitstäglich gegenüber Mitarbeiter/-innen anzuordnen oder duldend entgegenzunehmen, solange hierfür die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht vorliegt oder durch die hiesige Schlichtungsstelle oder den Kirchengerichtshof rechtskräftig ersetzt worden ist,
hilfsweise
der Dienststellenleitung aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeiten/Dienste nach einem F4-Dienst mit 7,75 Stunden arbeitstäglich gegenüber Mitarbeiter/-innen anzuordnen oder duldend entgegenzunehmen, solange hierfür die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht vorliegt oder durch die hiesige Schlichtungsstelle oder den Kirchengerichtshof rechtskräftig ersetzt worden ist;
3. dass für das hiesige Verfahren die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten/Beistandes durch die Mitarbeitervertretung erforderlich war.
Die Dienststellenleitung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, der Vorgang aus dem Januar 2010 sei einmalig gewesen. Er habe sich durch Zeitablauf erledigt; ein derartiger Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte sei künftig nicht mehr zu besorgen.
Die Schlichtungsstelle hat die Anträge als unbegründet zurückgewiesen. Die Fortbildungsveranstaltung habe bei vier betroffenen Mitarbeiterinnen zu jeweils Mehrarbeit von einer Viertelstunde geführt. Hiermit seien die Mitarbeiterinnen einverstanden gewesen. In der Vergangenheit habe die Mitarbeitervertretung Mehrarbeit stets genehmigt, wenn die Einwilligungserklärung des betroffenen Mitarbeiters oder der betroffenen Mitarbeiterin vorgelegen habe. Hier hätte die Mitarbeitervertretung erklären müssen, diese Mehrarbeit nicht zu genehmigen. Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil die Dienstverlängerung nicht angeordnet worden sei. Die Mitarbeiterinnen hätten die Fortbildungsveranstaltung bei ihrem regulären Dienstschluss abbrechen dürfen.
Gegen diesen Beschluss vom 1. Juli 2010 wendet sich die Beschwerde. Sie meint, die Beschwerde sei vor allem wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses anzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil hierfür kein Grund gegeben ist.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 EG MVG-Lippe (Ges. u. VOBl. 1997 Bd. 11 S. 257, 2004 Bd. 13 S. 269, 2005 Bd. 13 S. 352).
2. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD bedarf die Beschwerde gegen Beschlüsse der Kirchengerichte der Annahme durch den Kirchengerichtshof der EKD. Sie ist nach § 63 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD anzunehmen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen, 2. die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, 3. der Beschluss von einer Entscheidung des Kirchengerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland, einer Entscheidung eines obersten Landesgerichts oder eines Bundesgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem der Beschluss beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.
3. Die Voraussetzungen für eine Annahme der Beschwerde nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MVG.EKD sind nicht gegeben.
a) Ernstliche Zweifel an der materiell-rechtlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses sind nur anzunehmen, wenn die Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich anders zu treffen sein wird; die bloße Möglichkeit einer entgegen gesetzten Entscheidung genügt nicht. (st. Rechtsprechung des KGH.EKD, zuletzt Beschluss vom 28. November 2011 - I-0124/T40-11 - www.kirchenrecht-ekd.de). Maßgeblich ist, dass die Entscheidung in der Sache, nicht aber nur deren Begründung, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anders ausgehen wird. Die Gründe, aus denen sich die ernstlichen Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung ergeben sollen, müssen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schriftsätzlich vorgetragen worden sein.
b) Solche Zweifel liegen hier nicht vor. Nach dem Vorbringen der Mitarbeitervertretung im Beschwerderechtszug ist nicht zu erwarten, dass die Entscheidung im Ergebnis anders ausfallen würde, als die Vorinstanz entschieden hat.
aa) Der Antrag zu 1. ist auf eine Feststellung gerichtet. Einem Feststellungsantrag kann nur stattgegeben werden, wenn der der begehrten Feststellung zugrunde gelegte, behauptete Sachverhalt vorliegt; dies schließt die begehrte rechtliche Würdigung ein, wenn die Feststellung auch diese umfassen soll. Fehlt es daran, ist der Feststellungsantrag unbegründet.
Vorliegend ist der Feststellungsantrag zu 1. mindestens im Ergebnis zu Recht als unbegründet zurückgewiesen worden. Mit diesem Antrag zielt die Mitarbeitervertretung auf eine "Verlängerung der Dienstzeit des F4-Dienstes arbeitstäglich". Damit wird eine Verlängerung der arbeitstäglichen, d.h. regelmäßigen Dauer des F4-Dienstes zum Gegenstand der Mitbestimmung gemacht. Eine solche Verlängerung liegt nach den objektiven Gegebenheiten nicht vor. Die Mitarbeitervertretung meint, eine solche Verlängerung der "arbeitstäglichen" Dienstzeit des F4-Dienstes daraus ableiten zu können, dass die regelmäßige Dienstzeit durch die Fortbildungsveranstaltungen im Januar 2010 um 0,25 Stunden von 14.45 Uhr bis 15.00 Uhr verlängert worden sei. Diese Ansicht ist nicht haltbar. Von einer Verlängerung des regelmäßigen "F4-Dienstes" kann nicht die Rede sein. Zwar hat die Arbeitszeit der betroffenen Mitarbeiterinnen infolge der Fortbildungsveranstaltungen an den vier Tagen im Januar 2010 15 Minuten länger gedauert; dadurch ist aber der "F4-Dienst" als regelmäßige "arbeitstägliche" Dienstplaneinteilung nicht verlängert worden, sondern eben nur an den vier Tagen im Januar und dies auch nur wegen der Fortbildungsveranstaltungen. Sonstige Tatsachen, aus denen zu schließen sein könnte, die Dienststellenleitung habe die regelmäßige arbeitstägliche Dauer des F4-Dienstes auf 7,75 Stunden arbeitstäglich erhöht, liegen nicht vor.
Die Mitarbeiterschulung hat bei den Mitarbeiterinnen, die F4-Dienst hatten, hinsichtlich der letzten Viertelstunde zu einer vorübergehenden Verlängerung ihrer Arbeitszeit geführt, weil die Schulungen nicht bereits mit dem Ende des F4-Dienstes um 14.45 Uhr geendet haben, sondern erst um 15.00 Uhr. Dies stellt grundsätzlich eine vorübergehende Veränderung der Arbeitszeit unter dem Gesichtspunkt der Mehrarbeit dar. Auch eine solche Änderung fällt grundsätzlich nicht unter § 40 Buchstabe d) MVG.EKD. Indessen ist der Antrag zu 1. auf diesen Gesichtspunkt nicht gerichtet.
bb) Gleiches wie zum Antrag zu 1. gilt für den Hauptantrag zu 2.
cc) Auch der Hilfsantrag zu 2. (Unterlassungsantrag) setzt voraus, dass der F4-Dienst "arbeitstäglich" auf 7,75 Stunden verlängert worden wäre. Daran fehlt es jedoch. Auf die Ausführungen zum Antrag zu 1. wird Bezug genommen.
dd) Auch hinsichtlich des - in der Beschwerde modifizierten - Antrags zu 3. ist die Beschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Tatsachen, aus denen zu folgern wäre, dass die Mitarbeitervertretung im vorliegenden Fall ihre rechtsanwaltliche Vertretung im ersten Rechtszug als erforderlich ansehen durfte, sind nicht vorgetragen. Es ist nicht ersichtlich, welche Erwägungen die Mitarbeitervertretung insoweit überhaupt angestellt hat.
Die rechtlichen Erwägungen der Beschwerde tragen § 30 Abs. 2 MVG.EKD nicht Rechnung. Die Kosten einer rechtsanwaltlichen Vertretung der Mitarbeitervertretung sind von der Dienststelle nur zu tragen, wenn die Vertretung erforderlich gewesen war. Das kann nur bejaht werden, wenn es der Mitarbeitervertretung nicht möglich wäre, die ihr zustehenden Rechte aus dem Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD ohne rechtsanwaltliche Hilfe nicht wahrzunehmen. Letzteres ist nur anzunehmen, wenn der Sachverhalt tatsächlich und/oder rechtlich schwierig gelagert ist. Das wiederum muss sich aus Tatsachen ergeben. Bei der Beurteilung, ob die Mitarbeitervertretung rechtsanwaltlicher Hilfe im Einzelfall bedarf, steht ihr ein Beurteilungsspielraum zu.
4. Tatsachen, aus denen folgen könnte, dass die Beschwerde aus einem anderen Grund zur Entscheidung anzunehmen sei, liegen nicht vor.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).