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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:10.07.1997
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/B4-97
Rechtsgrundlage:MVG.K § 3, §§ 10, 11; §§ 15 ff., 24 ff.; § 62 Abs. 1 Nr. 1; § 65 Abs. 1 Nrn. 3 und 4, VGG.EKD §§ 3, 13, 16, VwGO § 125 Abs. 2, BRAGO § 8 Abs. 2
Vorinstanzen:Schiedsstelle DW der Ev-luth. Landeskirche Hannovers e.V., Az.: 1 VR MVG 46/96; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 5/97 S. 245
Schlagworte:Dienststelleneigenschaft eines Teiles einer diakonischen Einrichtung
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Leitsatz:

Gegen Beschlüsse der Schiedsstelle nach § 3 Abs. 4 MVG.K ist kein Rechtsmittel gegeben.

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß der Schiedsstelle des Diakonischen Werkes der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers e.V. vom 29. Oktober 1996 - 1 VR MVG 46/96 - wird verworfen.
2. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, welche Teileinrichtungen der Antragsgegnerin als Dienstellen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.K in Betracht kommen.
Die Antragsgegnerin unterhält Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung und beschäftigt fast 1.800 Dienstnehmer.
Die Antragstellerin hat sich mit Anwaltsschriftsatz vom 1. Oktober 1996 an die Schiedsstelle gewandt und geltend gemacht, nur fünf Teileinrichtungen lägen räumlich weit entfernt im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.K vom Dienstort des Rechtsträgers, die übrigen Standorte könnten mitarbeitervertretungsrechtlich nicht als selbständig angesehen werden, da es ihnen an einer aus dem Aufgabenbereich oder der Organisation sich ergebenden Eigenständigkeit mangele.
Die Antragstellerin hat, soweit vorliegend noch von Bedeutung, beantragt
1. festzustellen, daß nur fünf Teileinrichtungen räumlich weit entfernt im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.K sind,
2. festzustellen, daß die weiteren Teileinrichtungen nicht aus Gründen ihres Aufgabenbereichs und ihrer Organisation eigenständig sind.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Sie verfolge bereits seit mehreren Jahren das Ziel einer dezentralen Struktur der Gesamteinrichtung. Die Einrichtung sei in die Betreuungsbereiche, die Werkstatt für Bewohner und die Fachdienste gegliedert. Den Dienstleitungen der Betreuungsbereiche sei eine weitgehende Verantwortung übertragen. Die Eigenständigkeit der Aufgabenstellung folge aus dem persönlich und lokal abgrenzbaren Personenkreis von Bewohnerinnen und Bewohnern, denen in den verschiedenen Betreuungsbereichen Eingliederungshilfe geleistet werde. Die organisatorische Eigenständigkeit folge aus der Verantwortungsverteilung. Zwar werde in allen Betreuungsbereichen Eingliederungshilfe gewährt, daraus folge aber nicht die Unselbständigkeit der jeweiligen Einrichtung. Maßstab seien vielmehr die in den Betreuungsbereichen lebenden Bewohner; deren Art der Behinderung und deren individueller Behinderungsgrad seien sehr unterschiedlich. Urlaubsanträge seien erst nach Genehmigung durch die Abteilungs-/Betreuungsdienst-/Fachdienstleitung zur Personalabteilung zu senden. Die Auswahl von Bewerbern vor Einstellung werde durch die Bereichsleitungen getroffen. Diese müßten sich lediglich die Zustimmung zur Einstellung beim Verwaltungsdirektor oder dessen Vertreter holen.
Die Schiedsstelle hat durch Beschluß vom 29. Oktober 1996 den Anträgen der Antragsstellerin stattgegeben und festgestellt, daß nur fünf Teileinrichtungen, nicht aber die weiteren Teileinrichtungen der Antragsgegnerin Dienststellen im Sinne des § 3 Abs. 2 MVG.K sein können. Zur Begründung ist - im wesentlichen - ausgeführt: Voraussetzung für die Bildung einer Dienststelle im Sinne des § 3 Abs. 1 MVG.K sei bei Teileinrichtungen, daß diese entweder aufgrund ihres Aufgabenbereichs und ihrer Organisation eigenständig oder räumlich weit entfernt vom Sitz des Rechtsträgers sind. Die fünf im Tenor genannten Teileinrichtungen kämen aufgrund ihrer Entfernung vom Sitz der Antragsgegnerin als Dienststellen in Betracht. Die weiteren Teileinrichtungen seien räumlich in der Nähe der Antragsgegnerin gelegen, so daß die Bildung einer Dienststelle aus Gründen räumlicher Entfernung entfalle. Diese Teileinrichtungen seien aber auch nicht aus Gründen ihres Aufgabenbereichs und ihrer Organisation eigenständig. Eine Eigenständigkeit hinsichtlich des Aufgabenbereichs sei bereits deswegen fraglich, weil in allen Teileinrichtungen Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung gewährt werde. Jedenfalls aber fehle es an der Eigenständigkeit ihrer Organisation, denn die Leitungen der Teileinrichtungen hätten keine entscheidenden personalrechtlichen Befugnisse.
Gegen den Beschluß der Schiedsstelle, zugegangen am 4. März 1997, hat die Antragsgegnerin mit Anwaltsschriftsatz vom 13. März 1997, eingegangen am folgenden Tage, Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin trägt vor: Sie sei Träger von 14 für sich gesehen selbständigen Betreuungsbereichen, von der Werkstatt für Bewohner mit Außenstellen, von einer Schule und von zentralen Fachdiensten, die übergreifend für die vorbeschriebenen Einrichtungen tätig seien. Jeder der 14 Betreuungsbereiche werde verantwortlich geleitet von einem Betreuungsdienstleiter. Dieser habe außer der Leitungsbefugnis auch erhebliche Entscheidungsbefugnisse in sozialpolitischen und der Mitbestimmung unterliegenden Fragen. Bei allen 14 Betreuungsbereichen liege Eigenständigkeit aus Gründen ihrer Organisation vor.
Zwar seien alle 14 Betreuungsbereiche im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 39 f BSHG tätig, sie seien aber aufgrund ihres Aufgabenbereichs eigenständig. Bestimmte Betreuer seien bestimmten zu betreuenden Personen zugeordnet. Dadurch sei in dieser Beziehung ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut worden, so daß die Mitarbeiter der Betreuungsbereiche nicht beliebig untereinander ausgetauscht werden könnten.
Auch die "Werkstatt für Bewohner" sei eigenständig organisiert. Die Hauptwerkstatt und die Zweigwerkstätten hätten jeweils eine eigenverantwortliche Leitung. Der Aufgabenkatalog, der zur selbständigen Erledigung übertragen sei, entspreche dem der Betreuungsdienstleiter der 14 Betreuungsbereiche.
Bei der Schule handele es sich um eine staatlich anerkannte Schule für geistig Behinderte. Sie stehe unter eigenverantwortlicher Leitung und decke auch einen eigenen selbständigen Aufgabenbereich ab.
Damit lägen die von § 3 Abs. 2 MVG.K geforderten Voraussetzungen bei den von ihr aufgeführten Einrichtungen vor. Das habe die Schiedsstelle verkannt. Ihre Entscheidung müsse daher aufgehoben werden.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen,
1. daß die Einrichtungen "Werkstatt für Bewohner" mit Außenstellen und eine weitere Einrichtung Dienststellen im Sinne des § 3 Abs. 2 MVG.K seien, für die gesonderte Mitarbeitervertretungen zu wählen seien,
2. daß über die im angefochtenen Beschluß unter Ziffer 1 genannten Teileinrichtungen hinaus weitere sieben Einrichtungen
jeweils Dienststellen im Sinne des § 3 Abs. 2 MVG.K seien, für die eigene Mitarbeitervertretungen zu wählen seien unter der Voraussetzung, daß die Mehrheit der wahlberechtigten Mitarbeiter der genannten Schule und der genannten Betreuungsbereiche dieses in geheimer Abstimmung im Einvernehmen mit dem Antragsgegner beschließen.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Beschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Sie macht nähere Ausführungen zu den materiellen Voraussetzungen für eine mitarbeitervertretungsrechtliche Verselbständigung der von der Antragsgegnerin aufgeführten Teileinrichtungen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, insbesondere wegen aller Einzelheiten, wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht statthaft und mußte daher als unzulässig verworfen werden (§§ 16 Satz 1 VGG.EKD, 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
1. Die Enumeration des § 65 Abs. 1 MVG.K kennt kein ausdrückliches Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nach §§ 3 Abs. 4, 62 Abs. 1 Nr. 1 MVG.K.
2. Der vorliegende Sachverhalt ist auch nicht zu subsumieren unter § 65 Abs. 1 Nr. 3 MVG.K, denn es handelt sich hier nicht um Fragen der Zuständigkeit, der Geschäftsführung oder der Rechtsstellung einer bestimmten Mitarbeitervertretung, wie sie aufgrund von Wahlen in einer bestimmten Gestalt existiert.
3. Der Sachverhalt ist weiter nicht zu subsumieren unter § 65 Abs. 1 Nr. 4 MVG.K. Hiernach können Beschlüsse der Schiedsstelle angegriffen werden, wenn sie "über Wahlberechtigung und Wählbarkeit" ergangen sind. Diese Begriffe werden von den §§ 10 und 11 des Gesetzes definiert. Sie sind eng gefaßt. Das spricht dafür, daß sie auch eng auszulegen sind. Zwar wirkt die Behandlung einer Einrichtung der Diakonie als Dienststelle nach § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.K auf das Wahlverfahren ein und führt auch zu bestimmten Wahlergebnissen, gleichwohl geht es hierbei aber nicht um die "Wahlberechtigung" und die "Wählbarkeit" im Sinne der §§ 10 und 11 des Gesetzes. Diese beiden Bestimmungen setzen für die Wahl der Mitarbeitervertretung die genaue Abgrenzung der "Dienststelle" voraus. Das steht einer ausdehnenden Auslegung des § 65 Abs. 1 Nr. 4 MVG.K schon begrifflich entgegen.
4. Aber auch aus anderen Gründen erscheint eine ausdehnende Auslegung vorliegend nicht zulässig. Wenn auch der kirchliche Gesetzgeber den Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht durch die Errichtung einer zweiten Instanz erweitern wollte mit dem Ziel der Herstellung und Wahrung der Rechtseinheit, so darf dieser Umstand doch nicht dahin verstanden werden, daß von ihm klar abgegrenzte Begriffe ausgedehnt werden dürften. Denn es ist auch folgendes zu beachten:
Während im staatlichen Mitarbeitervertretungsrecht gegen alle das Verfahren beendende Beschlüsse der ersten Instanz die Beschwerde an die höhere Instanz gegeben ist (§ 87 Abs. 1 ArbGG, vgl. ferner Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 87 Rdnr. 4), hat der kirchliche Gesetzgeber die Rechtsmittelinstanz nur eröffnet für eine Reihe von abschließend aufgezählten Tatbeständen (vgl. Jessen in Fey/Rehren (Hrsg.), MVG.EKD, 4. Erg.-Lfg. Jan. 1997, § 63 Rdnr. 3 a; Baumann-Czichon/Germer, MVG.K (1997), § 65 Rdnr.3). Da dem kirchlichen Gesetzgeber die einschlägigen Regelungen des staatlichen Rechts bei Erlaß des Mitarbeitervertretungsgesetzes bekannt waren, muß davon ausgegangen werden, daß er die Begrenzung des Rechtsmittels in der vorliegenden Weise bewußt angeordnet hat. Auch dieser - teleologisch bestimmte - Gesichtspunkte verbietet es, die beiden Enumerationen des § 65 Abs. 1 Nr. 4 MVG.K extensiv auszulegen.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß auch keiner der zum Mitarbeitervertretungsgesetz der Konföderation veröffentlichten Kommentare die Auffassung vertritt, Tatbestände gemäß § 3 Abs. 2 und Abs. 4 des Gesetzes fielen ebenfalls unter die Begriffe "Wahlberechtigung" und "Wählbarkeit" (vgl. Baumann-Czichon/Germer, aaO, § 65 Rdnr. 6; Fey/Rehren (Hrsg.), MVG.K (1997), § 65 Rdnr.10).
5. Die Kostenregelung folgt aus § 13 Abs. 2 VGG.EKD, die Bestimmung des Gegenstandswertes aus § 8 Abs. 2 BRAGO.