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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:27.11.1997
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/B7-97
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 40 Buchst. n), § 63 Abs. 1, MVO.DW.EKD i.d.F. vom 8. Oktober 1982 § 32 Buchst. j), § 35 Abs. 1, VGG.EKD § 13 Abs. 2, § 16 Satz 1, VwGO § 108 Abs. 1
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der EKD,Az.: 2708/B3-97; Fundstellen: Die Mitarbeitervertretung 4/98 S. 189; Kirche und Recht 4/98 S. 257
Schlagworte:Beweisführung bei lange zurückliegendem Zustimmungsverfahren
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Leitsatz:

Bestreitet die Mitarbeitervertretung, daß die Zustimmung zur allgemeinen Festlegung der Nutzungsbedingungen bei Mietverhältnissen erteilt worden ist und liegen nach nunmehr zehn Jahren keine schriftlichen Unterlagen mehr vor, so müssen die Gerichte für ihre Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht nur die allgemeinen Grundsätze der Beweislast, sondern dazu alle Umstände des Einzelfalles, auch das Verhalten der Beteiligten in der Folgezeit gegenüber einander sowie die Lebenserfahrung berücksichtigen.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der Schlichtungsstelle der EKD vom 3. Juni 1997 - 2708/B 3 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I. Die Antragsgegnerin verlangte mit Schreiben vom 14. Januar 1997 eine bestimmte Mieterhöhung. Dabei nahm sie Bezug auf einen Beschluß vom 11. März 1987, wonach sich die Mieten aller Dienst-wohnungen am jeweils aktuellen Mietspiegel zu orientieren haben. Die Betroffenen wandten sich an die Antragstellerin mit der Bitte um Unterstützung. Die Beteiligten führten Gespräche über die Frage der Mieterhöhung, die jedoch zu keinem Erfolg führten. Daraufhin rief die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 24. März 1997 die Schlichtungsstelle an.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe nachzuweisen, daß ein ordnungs-gemäßes Beteiligungsverfahren als Rechtsgrundlage für die Mieterhöhungen durchgeführt worden sei. Bei ihr, der Antragstellerin, seien entsprechende Unterlagen nicht vorhanden. Sie müsse daher bestrei-ten, daß ihre Rechtsvorgängerin im Amt im Jahre 1987 mit einem ordentlichen Mitbestimmungsver-fahren an der Festlegung der Miete und an künftigen Mietanpassungen beteiligt gewesen sei.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß das von der Geschäftsführung mit Datum vom 14. Januar 1997 gestellte Mieterhöhungsverlangen unwirksam ist,
2. festzustellen, daß die Geschäftsführung sämtliche, aufgrund des Beschlusses gestellten Miet-erhöhungsverlangen oder einseitig erklärten Mieterhöhung zurückzunehmen hat,
hilfsweise hat die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, daß die Geschäftsführung Mieterhöhungsverlangen für an Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter mietweise überlassene Wohnungen in Orientierung an den Mietspiegel derzeit zu unterlassen hat,
festzustellen, daß die Geschäftsführung sämtliche, aufgrund des Beschlusses von 1987 gestellten Mieterhöhungsverlangen und einseitigen Mieterhöhungserklärungen zurückzunehmen hat,
höchsthilfsweise hat die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, daß die Entscheidung aus dem Jahr 1987, die Mieten der an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vermieteten Wohnungen müßten sich am jeweiligen Mietspiegel orientieren, derzeit unwirksam ist.
Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Antrags verlangt und geltend gemacht, daß Mitbe-stimmungsrecht der Mitarbeitervertretung (§ 32 Abs. 1 Buchst. j) MVO) sei bei der Festlegung der Mieten und bei Festlegung des Prinzips der künftigen Mietanpassung beachtet worden. Auf der Ta-gesordnung der Sitzung, in der der Beschluss gefasst wurde, sei ein Erledigungsvermerk für die Betei-ligung der Mitarbeitervertretung notiert. Danach seien die Mieten in der Folgezeit entsprechend dem Mietspiegel angepaßt worden. Im Jahre 1991 sei in einer Hausmitteilung auch darauf hingewiesen worden, daß sich die Mieten an dem Mietspiegel zu orientieren hätten. In der Folgezeit habe die Mit-arbeitervertretung bei Vergabe der Werkmietwohnungen ihr Mitbestimmungsrecht ausgeübt, ohne die Miethöhe oder die Grundsätze für die Mieterhöhung zu beanstanden. Auch daraus, so hat die An-tragsgegnerin vorgetragen, sei auf eine ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung zu schließen.
Weiter hat die Antragsgegnerin vorgetragen, keine Akten über die Mitarbeitervertretung aus dem Jah-re 1987 mehr zu besitzen. Zusätzlich hat sie sich noch auf Verwirkung berufen.
Die Schlichtungsstelle hat die Anträge der Antragstellerin durch Beschluß vom 3. Juni 1997 zurück-gewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Anträge seien unbegründet. Der Antragstellerin stehe nach § 40 Buchst. n) MVG.EKD u.a. ein Mitbestimmungsrecht zu für die allgemeine Festsetzung der Nutzungsbedingungen sowie für die Kündigung von Nutzungsverhältnissen. Das Mieterhöhungsverlangen der Antragsgegnerin vom 14. Januar 1997 an verschiedene Dienstnehmer sei - wie zwischen den Beteiligten auch gar nicht strei-tig - einer Kündigung des Nutzungsverhältnisses nicht gleichzusetzen. Auch von einer allgemeinen Festsetzung der Nutzungsbedingungen im Sinne von § 40 Buchst. n) MVG.EKD sei vorliegend nicht die Rede. Die Antragsgegnerin habe lediglich das in der Vergangenheit angewendete Prinzip der An-passung der Mieten im Zeitabstand von zwei Jahren nach Maßgabe des Mietspiegels weiterhin ange-wendet. Dabei sei sie unstreitig von dem seit 1987 praktizierten Verfahren nicht abgewichen. Somit sei festzustellen, daß die Antragsgegnerin mit der regelmäßig erfolgenden Mietanpassung nicht das Mitbestimmungsrecht aus § 40 Buchst. n) MVG.EKD ausgelöst habe. Im Gegenteil: sie habe sich an die seit 1987 geltende Regelung gehalten und von den Mietern individuell die rechnerisch unstreitige Mieterhöhung verlangt.
Gegen den ihr am 29. Juli 1997 zugestellten Beschluß der Schlichtungsstelle hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20. August 1997, eingegangen bei Gericht am 26. August, (erneut) Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig (nochmals) begründet.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin trägt vor: Die Antragsgegnerin müsse beweisen, daß die Mitarbeitervertretung im Jahre 1987 entsprechend den Vorschriften der damaligen Mitarbeitervertre-tungsordnung beteiligt worden sei. Diesen Beweis habe sie nicht erbracht. Folglich könne sie sich bei ihren Mieterhöhungsverlangen auch nicht auf eine allgemeine Festsetzung der Nutzungsbedingungen berufen. Bei dieser Sachlage ergebe sich ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluß der Schlichtungsstelle vom 3. Juni 1997 zu ändern und nach den Anträgen im Schrift-satz vom 24. März 1997 zu beschließen.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß und wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, insbesondere wegen aller Einzelheiten, wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft nach § 63 Abs. 1 Buchst. b) MVG.EKD. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden und damit insgesamt zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.
1. Der Schlichtungsstelle ist zunächst darin beizupflichten, daß das Mieterhöhungsverlangen der An-tragsgegnerin gegenüber verschiedenen Dienstnehmern keinen unmittelbaren Mitbestimmungstatbe-stand aus § 40 Buchst. n) MVG.EKD erfüllt. Es geht vorliegend nicht unmittelbar um die allgemeine Festsetzung von Nutzungsbedingungen und erst recht nicht um Kündigungen von Nutzungsverhältnis-sen, nämlich von Mietverhältnissen.
2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Beschwerdegegnerin könne nicht beweisen, daß die Mitarbeitervertretung im Jahre 1987 ihre nach § 32 Abs. 1 Buchst. j) MVO (i.d. Fassung vom 8. Oktober 1982) erforderliche Zustimmung zu der Festlegung allgemeiner Nutzungsbedingungen (nämlich die Anwendung des Mietspiegels bei Mieterhöhungen) erteilt hat. Da sie den Beweis hierfür schuldig geblieben sei, könne sie sich auf die Zustimmung nicht berufen.
Richtig ist der Ausgangspunkt der Überlegungen der Beschwerdeführerin, wonach derjenige, welcher ein Recht für sich behauptet, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechts nach-weisen muß. Dieser Satz gilt aber nicht ohne Einschränkungen. Vielmehr sind auch die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen, dabei vor allem auch das Verhalten, das die Beteiligten in der Folgezeit gegenüber einander gezeigt haben. Auch kann die Lebenserfahrung bei der Beweisfüh-rung eine Rolle spielen.
Nach § 32 Abs. 1 Buchst. j) MVO (a.F.) hat die Mitarbeitervertretung mitzubestimmen über Zuwei-sung und Kündigung von Mietwohnungen, über welche die Einrichtung zugunsten der Mitarbeiter verfügt, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen. Nach § 35 Satz 2 MVO (a.F.) „unterrichtet“ die Leitung der Einrichtung die Mitarbeitervertretung und beantragt die Zustimmung. Die Maßnahme gilt als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht binnen zwei Wochen die Zu-stimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung erbittet (Satz 3). Schweigt die Mitarbeitervertretung, so gilt folglich die Zustimmung als erteilt. Können sich die Beteiligten nicht einigen, so kann die Schlichtungsstelle angerufen werden (§ 35 Abs. 6 MVO).
Dafür, daß die Mitarbeitervertretung im Jahre 1987 die erforderliche Zustimmung erteilt hat, spricht folgendes: Die Antragsgegnerin kann ihr zur Verfügung stehende Mietwohnungen nur zu den ortsüb-lichen Bedingungen vermieten. Andernfalls ist eine Beanstandung durch die Rechnungsprüfung zu erwarten, auch kann das Finanzamt sich einschalten mit der Begründung, der besonders günstige Mietzins stelle teilweises Arbeitsentgelt dar, das als solches versteuert werden müsse. Diese Umstän-de sind einer Mitarbeitervertretung bekannt.
Vorliegend wird eine Zustimmung seitens der Mitarbeitervertretung wenigstens durch Schweigen erteilt worden sein. Dafür spricht auch, daß die Antragsgegnerin in den Folgejahren mehrfach Mieter-höhungen verlangt und sich auf den Mietspiegel berufen hat sowie daß die Mitarbeitervertretung da-gegen keine Einwendungen erhoben hat. Daß die Mitarbeitervertretung davon nichts gewußt hat, ist unwahrscheinlich. Mieterhöhungen sind (wie alle Preiserhöhungen) für die davon Betroffenen uner-freuliche Angelegenheiten, über die im Kollegenkreis gesprochen wird, insbesondere dann, wenn sie mehrere Kollegen in gleicher Weise angehen. Es ist nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen, daß die jeweilige Mitarbeitervertretung von den früheren Mieterhöhungen keine Kenntnis gehabt hat. Hinzu kommt, daß wegen der Nutzungsbedingungen und der darauf beruhenden Mieterhöhungen of-fensichtlich kein Schlichtungsverfahren eingeleitet worden ist.
Alle diese Umstände deuten darauf hin, daß die erforderliche Zustimmung hinsichtlich der Mietanpassungen vorliegt. Diese, auf der Lebenserfahrung beruhenden Überlegungen führen eher dazu, daß die Antragstellerin die fehlende Zustimmung nachweisen muß, weil eine Umkehr der Beweislast ein-getreten ist. Das ist ihr jedoch nicht gelungen. Negatives ist bekanntlich immer schwer zu beweisen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, die Sekretärin der Mitarbeitervertretung habe in den Akten nach einem Zustimmungsverlangen geforscht und nichts gefunden, ist insoweit nicht schlüssig, so daß dem Beweisantrag auch nicht nachgegangen zu werden brauchte. Die Zustimmung der Mitarbeiterver-tretung kann damals im Jahre 1987 mündlich beantragt (die MVO spricht nur davon, daß die Leitung der Einrichtung die Mitarbeitervertretung „unterrichtet“ und die Zustimmung „beantragt“, was auch mündlich geschehen kann) und auch mündlich erteilt oder stillschweigend gegeben worden sein. In derartigen Fällen finden sich nach zehn Jahren meistens keine schriftlichen Unterlagen mehr.
Die Kammer ist aus den vorgenannten Gründen davon überzeugt (§ 16 Satz 1 VGG.EKD, § 108 Abs. 1 VwGO), daß die umstrittene Zustimmung vorliegt. Jedenfalls sprechen mehr Umstände dafür als dagegen. Dann kann die Antragsgegnerin - aus mitarbeitervertretungsrechtlicher Sicht, und nur darum geht es hier - eine Mieterhöhung verlangen.
Die Kostenregelung folgt aus § 13 Abs. 2 VGG.EKD. Einer Festsetzung des Gegenstandswertes be-durfte es nicht, da keiner der Beteiligten anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat.