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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.06.1997
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/B11-97
Rechtsgrundlage:MVG.EKD §§ 2, 33 Abs. 3, 38 Abs. 1, 42, 44, 46, 60 Abs. 3, 61 Abs. 9, 63 Abs. , VGG.EKD § 13 Abs. 2
Vorinstanzen:Schieds- und Schlichtungsstelle des Nordelbischen DW e. V. - Kammer Schleswig-Holstein, Az.: 9/96 (RD)); Fundstellen: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - Rechtsprechungsreport 7/98 S. 335; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 1999 S. 29; Die Mitarbeitervertretung 3/98 S. 136
Schlagworte:Endgültige Entscheidung der Schlichtungsstelle in Fällen des § 42
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Leitsatz:

Eine der eingeschränkten Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegende Einstellung im Sinne von § 42 Buchst. a) MVG.EKD kann auch vorliegen, wenn zwar eine unmittelbare vertragliche Bindung zwischen Dienstnehmer und Dienstgeber nicht begründet worden ist, der Dienstnehmer (Arbeitnehmer) der Fremdfirma aber derart in die Dienststelle (in den Betrieb) eingegliedert ist, daß er zusammen mit anderen Dienstnehmern der Dienststelle (des Betriebes) eine weisungsgebundene Tätigkeit zu verrichten hat, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks der Dienststelle (des Betriebes) dient und vom Dienstgeber organisiert werden muß (im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des BAG).

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß der Schieds- und Schlichtungs-stelle des Nordelbischen Diakonischen Werkes e. V. - Kammer Schleswig-Holstein - vom 5. Juni 1997 - 9/96 (RD) - wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert beträgt auch für die Beschwerdeinstanz 4.000,- DM.

Gründe:

I. Die Antragsgegnerin ist Trägerin der Einrichtung C. Die Antragstellerin ist die dort gewählte Mitarbeitervertretung. Die Beteiligten streiten, soweit jetzt noch von Bedeutung, über ein Beteili-gungsrecht der Antragstellerin.
In der Zeit von April bis September 1996 wurden ohne Beteiligung der Antragstellerin zwei betriebs-fremde Personen für die Einrichtung tätig. Es handelte sich bei ihnen um Angestellte des von der Ehe-frau des Einrichtungsleiters betriebenen Vermietungsservice (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 25. Februar 1997). Der Einrichtungsleiter der Antragsgegnerin ist, wie er selbst bei der mündlichen Anhörung im Termin vom 11. September 1997 vortrug, gleichzeitig Geschäftsführer des genannten Unternehmens. Auf die Anfrage der Antragstellerin vom 24. April 1996, welche Tätigkeiten hier von wem verrichtet würden, antwortete der Einrichtungsleiter mit Schreiben vom gleichen Tage, es hande-le sich um Tätigkeiten, die nicht dem Einflußbereich der Mitarbeitervertretung unterlägen.
Die Antragstellerin hat mit Anwaltsschriftsatz vom 13. Mai 1996 die Schieds- und Schlichtungsstelle angerufen und vorgetragen, die neuen Mitarbeiter hätten Arbeiten erledigt, die vorher von anderen Mitarbeitern der Einrichtung ausgeführt worden seien. Das verletze ihr Mitbestimmungsrecht.
Die Antragstellerin hat, soweit jetzt noch von Interesse, beantragt, die Schieds- und Schlichtungsstelle möge beschließen:
Es wird festgestellt, daß die Vergabe von Arbeiten an Dritte, die vorher von eigenem Personal der Einrichtung durchgeführt wurden, der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterlag.
Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Antrags verlangt. Sie hat geltend gemacht, die beiden betriebsfremden Personen hätten leihweise in der Einrichtung gearbeitet und seien ausschließlich zur Entlastung des Einrichtungsleiters tätig geworden. So hätten sie die telefonische Beratung durchge-führt, die vorher der Einrichtungsleiter erledigt habe. Sie hätten Basiskuren terminiert und die ent-sprechende Post versandt. Jedenfalls hätten sie keine Arbeit erbracht, die vorher Mitarbeiter der Ein-richtung verrichtet hätten und die diesen entzogen worden wäre. Eine Vergabe von Arbeiten an Dritte habe nicht vorgelegen (Schriftsatz vom 25. Februar 1997).
Die Schieds- und Schlichtungsstelle hat, soweit hier noch von Bedeutung, dem Antrag der Mitarbei-tervertretung durch Beschluß vom 5. Juni 1997 im wesentlichen stattgegeben. Sie hat den Antrag als zulässig und begründet angesehen und dazu ausgeführt: Es bestehe ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, daß ein Fall der Mitberatung nach § 46 Buchst. h) in Verbindung mit § 60 Abs. 3 MVG vorliege, das Mitberatungsrecht der Antragstellerin jedoch nicht gewahrt sei. Schon nach dem eigenen Vorbringen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 25. Februar 1997 seien jeden-falls die Arbeitsbereiche Vorsortieren der Posteingänge, Terminieren von Basiskuren und das Versenden der entsprechenden Post, die bislang von Mitarbeitern erledigt worden seien, auf betriebs-fremde Personen übertragen worden. Auch wenn dies nur für die Zeit von April bis September 1996 geschehen sei, handele es sich um eine dauerhafte Vergabe von Arbeit an Dritte im Sinne des § 46 Buchst. h) MVG. Daß es sich bei der Vergabe zum Teil um Tätigkeiten gehandelt haben solle, die zuvor der Einrichtungsleiter selbst ausgeführt habe, sei unerheblich; denn auch er gehöre zu den Mit-arbeitern der Einrichtung. Die sich aus der getroffenen Feststellung ergebende Rechtsfolge beschreibe § 45 Abs. 2 MVG.
Gegen den am 18. Juni 1997 zugestellten Beschluß hat die Antragsgegnerin mit Anwaltsschriftsatz vom 16. Juli 1997, eingegangen am 18. Juli, Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin trägt vor: Die Schieds- und Schlichtungsstelle habe nicht richtig entschieden. Die beiden betriebsfremden Personen hätten in der Zeit von April bis Sep-tember 1996 ausschließlich zur Entlastung des Einrichtungsleiters beigetragen. Der Einrichtungsleiter sei nicht Mitarbeiter im Sinne des § 2 Abs. 1 MVG. Er sei im Sinne von § 4 MVG mit Dienststellen-leitungsaufgaben betraut. Daher finde nach § 44 MVG auch keine Beteiligung in Personalangelegen-heiten des Einrichtungsleiters statt.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluß der Schieds- und Schlichtungsstelle des Nordelbischen Diakonischen Werkes e. V. - Kammer Schleswig-Holstein - vom 5. Juni 1997 - Az. 9/96 (RD) - abzuändern und den Feststellungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie wiederholt und ergänzt ihren bisherigen Vortrag und verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Im Termin zur Anhörung der Beteiligten vom 11. September 1997 ist unstreitig geworden, daß ge-genwärtig ebenfalls zwei betriebsfremde Personen, die Angestellte des bereits genannten Vermie-tungsservice sind, für die Einrichtung der Antragsgegnerin in gleicher Weise arbeiten, wie dies in der Zeit von April bis September 1996 der Fall war.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten, insbesondere wegen aller Einzelheiten, wird zur Dar-stellung des Sachverhalts auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft (§ 63 Abs. 1 Buchst. a) MVG.EKD), sie ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben, weil eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts der Antragstellerin vorliegt.
1. Die Schieds- und Schlichtungsstelle hat das rechtliche Interesse der Antragstellerin an der begehrten Feststellung zutreffend bejaht. Das rechtliche Interesse folgt daraus, daß im Zeitpunkt der Antragstellung eine Wiederholung des Vorgehens der Antragsgegnerin zu erwarten war. Die Mitar-beitervertretung kann einen allgemeinen Antrag auf Feststellung ihres Mitbestimmungsrechts stellen, wenn sie eine Klärung für künftig zu erwartende vergleichbare Fälle erstrebt (im Anschl. an BAG, B. v. 30. August 1994 - 1 ABR 3/94 - AP Nr. 6 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, zu I der Gründe; st. Rechtspr. des BAG). Daß die Erwartung künftiger Wiederholung berechtigt war, wird bestätigt durch die Tatsache, daß die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der mündlichen Anhörung der Beteiligten in der Einrichtung ebenfalls zwei betriebsfremde Personen in der gleichen Weise für sich arbeiten ließ wie in der streitbefangenen Zeit von April bis September 1996.
Die Schieds- und Schlichtungsstelle hat den Sachverhalt als Vergabe von Arbeiten an Dritte im Sinne des § 46 Buchst. h) MVG.EKD gewürdigt mit der Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Maßnahme nach § 60 Abs. 3 Satz 2 MVG.EKD (Verletzung eines Mitberatungsrechts). Die Kammer kommt ebenfalls zu dem Ergebnis der Unwirksamkeit der Maßnahme, allerdings nach § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD (Verletzung eines Mitbestimmungsrechts). Das zeigen die folgenden Überlegungen:
2. Hervorzuheben ist zunächst, daß die Kammer ihrer Rechtsfindung das Vorbringen der An-tragsgegnerin in ihren Schriftsätzen vom 25. Februar und vom 16. Juli 1997 zugrunde gelegt hat. Da-nach ergibt sich, daß in der Einrichtung C in der Zeit von April bis September 1996 leihweise zwei Personen beschäftigt worden sind, die zur Entlastung des Einrichtungsleiters Arbeiten ausgeführt haben, die sonst zu dessen Aufgabenbereich gehörten: telefonische Beratung, Terminieren von Basis-kuren und Versenden der entsprechenden Post.
3. Dieser Sachverhalt ist als der eingeschränkten Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung un-terliegende Einstellung im Sinne von § 42 Buchst. a) MVG.EKD zu werten. Eine Einstellung liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn eine unmittelbare vertragliche Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber begründet worden ist, sie ist vielmehr - wie besonders bei Leiharbeitsverhältnissen - auch dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer der Fremdfirma in den Betrieb derart eingegliedert ist, daß er zusammen mit bereits im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern eine Tätigkeit zu verrichten hat, die weisungsgebunden ist, der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes dient und vom Arbeitgeber des Betriebes organisiert werden muß (BAG ständig, vgl. nur B. v. 30. August 1994 - 1 ABR 3/94 - AP Nr. 6 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, zu II 1 der Gründe, mit zahlreichen weite-ren Nachweisen; B. v. 18. Oktober 1994 - 1 ABR 9/94 - AP Nr. 5 zu § 99 aaO, zu I 1, 2 der Gründe, ebenf. m. w. N.).
Die beiden betriebsfremden Arbeitnehmer haben in der Zeit von April bis September 1996 Arbeiten aus dem Aufgabenkreis des Einrichtungsleiters verrichtet. Diese Tätigkeiten dienten jedoch allein dem Zweck des Betriebes der Antragsgegnerin. Das gilt nicht nur für die Arbeiten, die außer dem Leiter ebensogut von einem anderen Arbeitnehmer hätten erledigt werden können, sondern auch für die Arbeiten, für deren Erledigung die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen eines Einrichtungslei-ters erforderlich sind. Denn um eine Einrichtung ordnungsgemäß führen zu können, muß auch eine Leitungsfunktion wahrgenommen werden.
Die fremden Arbeitnehmer waren ferner weisungsgebunden. Sie erhielten ihre Weisungen vom Ein-richtungsleiter. Daß dieser gleichzeitig Geschäftsführer des Vermietungsservice, also des vertragli-chen Arbeitgebers der beiden fremden Arbeitnehmer, war, ist ohne Bedeutung. Die erforderlichen inhaltlich-sachlichen Weisungen konnte nur der Einrichtungsleiter in dieser seiner Eigenschaft ertei-len, nicht aber als Geschäftsführer des Vermietungsservice. Ein Geschäftsführer dieses Unterneh-mens, der nicht gleichzeitig Leiter der Einrichtung ist, könnte überhaupt keine Weisungen für die hier in Rede stehenden Arbeiten geben, weil ihm dafür die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen fehl-ten. Man kann sich einen Geschäftsführer des Vermietungsservice ohne weiteres hinwegdenken, ohne daß dies die geringsten Auswirkungen auf die vom Einrichtungsleiter der Antragsgegnerin angewie-senen und beaufsichtigten Arbeiten der betriebsfremden Arbeitnehmer gehabt hätte. Daraus folgt, daß es im vorliegenden Fall für die inhaltlich-sachliche Weisungsbefugnis allein auf die Person des Ein-richtungsleiters der Antragsgegnerin ankommt und daß dessen formale Eigenschaft als Geschäftsfüh-rer des Vermietungsservice außer Betracht bleiben kann.
Die Tätigkeitsbereiche des Einrichtungsleiters, die den beiden betriebsfremden Personen übertragen waren, waren auch nicht aus dem Betriebsgeschehen der Einrichtung in der Weise ausgegliedert, daß sie für sich eine selbständige betriebliche Einheit mit eigenem arbeitstechnischen Zweck hätten bilden können. Aufgabenbereich und Verantwortung des Einrichtungsleiters kann man vorliegend nicht so aufspalten, daß der eine Teil von einem Angestellten in leitender Funktion wahrgenommen und der andere Teil von einem selbständigen Betrieb mit eigener Organisation und Weisungsbefugnis gegen-über eigenen Arbeitnehmern ausgeführt würde.
Es ging bei der Beschäftigung der fremden Arbeitnehmer weiter nicht um eine Personalangelegenheit des Einrichtungsleiters, die nach § 44 MVG.EKD der Beteiligung der Mitarbeitervertretung entzogen ist. Was unter Personalangelegenheiten zu verstehen ist, zeigen die §§ 42, 43 MVG.EKD. Hier han-delte es sich aber nicht um Fragen der Einstellung, Eingruppierung, Kündigung usw. aus dem Rechts-verhältnis zwischen dem Einrichtungsleiter (als Angestellten) und der Antragsgegnerin (als Arbeitge-berin), sondern um die Ausführung betrieblicher Arbeiten durch betriebsfremde Personen, die der Weisung des Einrichtungsleiters unterstanden.
4. Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht darauf berufen, daß die Antragstellerin die Schlich-tungsstelle zu früh angerufen habe. Dem Hinweis auf § 33 Abs. 3 MVG.EKD, wonach in strittigen Fragen eine Einigung durch Aussprache anzustreben ist, andere Stellen erst angerufen werden dürfen, wenn die Bemühungen um eine Einigung gescheitert sind und das Scheitern schriftlich erklärt sein muß, ist entgegenzuhalten, daß der Einrichtungsleiter die Anfrage der Antragstellerin vom 24. April 1996, welche Tätigkeiten hier von wem verrichtet würden, noch am gleichen Tage dahin beantwortet hat, es handele sich um Tätigkeiten, die nicht dem Einflußbereich der Mitarbeitervertretung unterlä-gen. Bei dieser schroff abweisenden Entgegnung, die nichts zur Unterrichtung der Antragstellerin beitragen konnte, war dieser nicht zuzumuten, weitere Versuche zur Unterrichtung und Erörterung zu unternehmen. Sie konnte sich nunmehr, wie geschehen, an die Schlichtungsstelle wenden.
5. Nach § 61 Abs. 9 Satz 2 MVG.EKD trägt die Dienststelle die zur Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Kosten des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle. Über die Not-wendigkeit entscheidet der Vorsitzende abschließend (Satz 3). Das ist hier geschehen: der Vorsitzen-de der Schieds- und Schlichtungsstelle hat den Gegenstandswert auf 4.000,- DM festgesetzt und über die außergerichtlichen Kosten entschieden. Diese Entscheidung ist nicht rechtsmittelfähig.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 13 Abs. 2 VGG.EKD. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt ebenfalls 4.000,- DM (§ 8 Abs. 2 BRAGO).