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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:10.06.1999
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/D1-99
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 48, VGG.EKD § 13 Abs. 2, § 16, VwGO § 101 Abs. 2
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen in Münster (Westf.), Az.: 2 M 82/98; Fundstelle: ZMV 5/99 S. 232; KuR 1999, 261 = 985, S. 77
Schlagworte:Überprüfbarkeit der Behandlung einer Beschwerde der Mitarbeitervertretung durch das Leitungs- oder Aufsichtsorgan nach § 48 MVG.EKD
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Leitsatz:

1. Die Behandlung der Beschwerde der Mitarbeitervertretung durch das Leitungs- oder Aufsichtsorgan (§ 48 MVG.EKD) unterliegt der gerichtlichen Überprüfbarkeit.
2. Dem Leitungs- oder Aufsichtsorgan steht hinsichtlich der Entscheidung, ob die Beschwerde der Mitarbeitervertretung als berechtigt anzusehen ist, ein Beurteilungsermessen zu.
3. Bei berechtigten Beschwerden hat das Leitungs- oder Aufsichtsorgan nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden, inwieweit es Abhilfe schafft oder auf Abhilfe hinwirkt.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Schiedsspruch der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) vom 18. Dezember 1998 - 2 M 82/98 - abgeändert.
2. Es wird festgestellt, daß der beteiligte Aufsichtsrat - vormals: „Vorstand“ - rechtswidrig gehandelt hat, indem er wegen des ohne vorherige Zustimmung der Mitarbeitervertretung und entgegen der Entscheidung der o.g. Schlichtungsstelle zum Az.: 2 M 70/97 durchgeführten „Wohnungstausches“ der Mitarbeiterin W. und des Mitarbeiters F. weder Abhilfe geschaffen noch auf Abhilfe hingewirkt hat.
3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf DM 8.000,- festgesetzt.

Gründe:

I. Die Ev. Stiftung wollte eine Werkmietwohung dem Mitarbeiter F. zuweisen. Nachdem die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung verweigert hatte, beantragte die Dienststellenleitung, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Zuweisung der genannten Wohnung an den Mitarbeiter F. zu ersetzen. Diesen Antrag lehnte die Schlichtungsstelle durch Schiedsspruch vom 19. Dezember 1997 - 2 M 70/97 - ab, weil soziale Belange für eine Zuweisung der Wohnung an die Mitarbeiterin W. sprächen.
Entgegen dem Schiedsspruch wies die Ev. Stiftung die eine Wohnung dem Mitarbeiter F. zu und eine andere an die Mitarbeiterin W.. Die zuletzt genannte Wohnung ist inzwischen von der Mitarbeiterin W. wieder geräumt und mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung anderweitig vermietet worden.
Auf einen Unterlassungsantrag der Mitarbeitervertretung teilte die Schlichtungsstelle dieser mit Schreiben vom 2. Februar 1998 mit, die Sache sei abgeschlossen, das Mitarbeitervertretungsgesetz kenne ebenso wie das Personalvertretungsrecht keinen Unterlassungsanspruch.
Mit Schreiben vom 27. Februar 1998 wandte sich die Mitarbeitervertretung an den Leiter der Ev. Stiftung und bat um Beachtung des Schiedsspruchs. Da der Leiter der Ev. Stiftung nicht reagierte, wandte sich die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 29. Mai 1998 an den Vorsitzenden des Aufsichtsrates - vormals: "Vorstandes" der Ev. Stiftung. Dieser antwortete mit Schreiben vom 27. Juli 1998 wie folgt: Seines Wissens sei der Tausch der Wohnungen im Interesse der Mitarbeiter geschehen. Da die Mitarbeitervertretung die Interessen der Mitarbeiter zu wahren habe, sei ihm die Beschwerde nicht nachvollziehbar. Er habe dennoch die Dienststellenleitung gebeten, in der Sache noch einmal Kontakt aufzunehmen.
Daraufhin hat die Mitarbeitervertretung am 2. September 1998 das vorliegende Verfahren eingeleitet. Sie hat beantragt,
festzustellen, daß der Aufsichtsrat - vormals: "Vorstand" des Antragsgegners rechtswidrig gehandelt hat, indem er wegen des ohne vorherige Zustimmung der Mitarbeitervertretung und entgegen der Entscheidung der Schlichtungsstelle zum Az.: 2 M 70/97 durchgeführten "Wohnungstausches" der Mitarbeiterin W. und des Mitarbeiters F. weder Abhilfe geschaffen noch auf Abhilfe hingewirkt hat.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Ansicht, er habe die Beschwerde der Mitarbeitervertretung beschieden. Ein Anspruch auf Abhilfe stehe der Mitarbeitervertretung nicht zu.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag abgelehnt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die antragstellende Mitarbeitervertretung habe kein subjektives Recht bzw. keinen Verfahrensanspruch dahin, die Entscheidung des Leitungs- oder Aufsichtsorgans durch die Schlichtungsstelle überprüfen zu lassen.
Gegen diesen ihr am 11. Januar 1999 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie meint, ihr stehe das Recht zu, die Entscheidung des Aufsichtsrats - vormals: "Vorstandes" - über ihre Beschwerde nach § 48 MVG.EKD gerichtlich überprüfen zu lassen. Sie beantragt sinngemäß,
den erstinstanzlichen Beschluß abzuändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung der Schlichtungsstelle für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit der Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
II. 1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist gegeben gegen Beschlüsse der Schlichtungsstelle bei grundsätzlicher Bedeutung von Rechtsfragen (§ 63 Abs. 1 Buchst. h MVG.EKD). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne dieser Vorschrift ist zu bejahen, wenn die Entscheidung der mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeit von der Beantwortung einer klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung von allgemeiner Bedeutung für die kirchliche Rechtsordnung ist (VerwG.EKD v. 10.07.1997 - 0124/B3-97 - ZMV 1997, S. 246). Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Die Frage, ob und inwieweit der Mitarbeitervertretung das Recht zusteht, rechtlich überprüfen zu lassen, ob das Leitungs- oder Aufsichtsorgan seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 2 MVG.EKD Genüge getan hat, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die einschlägige gesetzliche Regelung ist insoweit nicht eindeutig. Die grundsätzliche Bedeutung ist auch nicht dadurch entfallen, daß diese Frage gerichtlich geklärt wäre.
Die Beschwerde ist auch sonst zulässig.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Schlichtungsstelle hat den Antrag der Mitarbeitervertretung zu Unrecht abgelehnt. Der Antrag ist zulässig und begründet.
a) Der Mitarbeitervertretung steht nicht nur das Recht zu, sich gemäß § 48 Abs. 1 MVG.EKD beschwerdeführend an das zuständige Leitungs- oder Aufsichtsorgan zu wenden, sondern entgegen der durchaus vertretbaren Ansicht der Schlichtungsstelle auch das Recht auf eine gerichtliche Überprüfung, inwieweit das Leitungs- oder Aufsichtsorgan seinen objektiven Pflichten nach § 48 Abs. 2 MVG.EKD nachgekommen ist. Diese Berechtigung der Mitarbeitervertretung folgt aus ihrem in § 48 Abs. 1 MVG.EKD ausdrücklich normierten Beschwerderecht in Verbindung mit der ebenso ausdrücklich formulierten Verpflichtung des Leitungs- oder Aufsichtsorgans nach § 48 Abs. 2 MVG.EKD, bei berechtigten Beschwerden im Rahmen seiner Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen oder auf Abhilfe hinzuwirken. Sinn der Regelung des § 48 MVG.EKD ist nicht nur, Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde bei einer "übergeordneten Instanz" zu beseitigen, sondern vor allem, den Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht zu verbessern (vgl. Fey/Rehren MVG.EKD § 48, Rz 1). Dem widerspricht es, wenn die Einhaltung der objektiven Pflichten des Leitungs- oder Aufsichtsorgans nach § 48 Abs. 2 MVG.EKD jeder gerichtlichen Überprüfbarkeit auf Antrag der Mitarbeitervertretung entzogen wäre.
Andererseits geht das Recht der Mitarbeitervertretung auf Überprüfung der Einhaltung des § 48 Abs. 2 MVG.EKD nicht so weit, daß sie von dem zuständigen Leitungs- oder Aufsichtsorgan eine bestimmte Abhilfe oder das Hinwirken hierauf verlangen könnte. Überprüfbar ist insoweit nur, ob das Leitungs- oder Aufsichtsorgan sein Beurteilungsermessen hinsichtlich der Berechtigung der Beschwerde zutreffend ausgeübt hat und ob es, wenn es die Beschwerde als berechtigt anerkannt hat, angemessen im Rahmen seiner Möglichkeiten Abhilfe schaffen oder auf Abhilfe hingewirkt hat. Welche Maßnahmen das Leitungs- oder Aufsichtsorgan insoweit ergreift, steht in seinem Ermessen. Dabei hat das Leitungs- oder Aufsichtsorgan abzuwägen, inwieweit es in bisheriges Geschehen eingreift oder inwieweit es sich darauf beschränkt, die Dienststellenleitung für künftige Fälle anzuweisen oder sie durch Anleitung zu künftigem rechtmäßigen Verhalten zu führen.
b) Der als Antragsgegner beteiligte Aufsichtsrat - vormals: "Vorstand" - hat die Beschwerde der Mitarbeitervertretung als "nicht nachvollziehbar" angesehen, weil der Tausch der Wohnungen "im Interesse der Mitarbeiter" geschehen sei (Schreiben des Vorsitzenden des Antragsgegners vom 27.07.1998). Diese Betrachtung wird der Rechtslage nicht gerecht. Nach § 40 Buchst. n MVG.EKD hat die Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht bei der Zuweisung von Mietwohnungen an Mitarbeiter, wenn die Dienststelle darüber verfügt. Hinsichtlich der hier anstehenden Wohnungen und Mieter war es zu einem Schlichtungsverfahren gekommen, das durch rechtskräftig gewordenen Schiedsspruch der Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) vom 19. Dezember 1997 - 2 70/97 - geendet hat. Hiernach ist der Antrag der Dienststellenleitung der Ev. Stiftung, die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Zuweisung einer bestimmten Wohnung an den Mitarbeiter F. zu ersetzen, abgelehnt worden. Zur Begründung hat die Schlichtungsstelle ausgeführt, dem dienstlichen Interesse, daß der Mitarbeiter F. möglichst nah an der Dienststelle wohnt, ist durch die Zuweisung einer anderen Wohnung Genüge getan; bei der Abwägung der sozialen Belange habe die Entscheidung zugunsten der Mitarbeiterin W. ausfallen müssen. Wenn sich sodann die Mitarbeiter anderweitig geeinigt haben, so hätte die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung erneut nach § 40 Buchst. n MVG.EKD beteiligen müssen. Das darin normierte Mitbestimmungsrecht entfällt nicht dadurch, daß sich die Arbeitnehmer über eine anderweitige Vergabe der Mietwohnungen durch die Dienststelle geeinigt haben. Ob allerdings die Mitarbeitervertretung im Fall ihrer erneuten Beteiligung die Zustimmung unter ansonsten unveränderten Umständen hätte verweigern dürfen, ist die Frage. Sie ist jedoch für die Entscheidung, inwieweit ihr Mitbestimmungsrecht zu wahren gewesen ist, unerheblich.
Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung an den Aufsichtsrat - vormals: "Vorstand" - ist auch gewichtig genug, daß der Aufsichtsrat Abhilfe schaffen oder auf Abhilfe hätte dringen müssen. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung sich gerade über die Vergabe dieser beiden Wohnungen an die beiden Bewerber nicht haben verständigen können und deshalb die Schlichtungsstelle entscheiden mußte.
3. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 16 VGG.EKD i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 Abs. 2 VGG.EKD, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 8 Abs. 2 BRAGO.