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Kirchengericht: | Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 09.03.2000 |
Aktenzeichen: | VerwG.EKD 0124/D31-99 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 42 Buchst. d), e) |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen - 1. Kammer, Az.: 1 M 8/99; Fundstelle: ZMV 4/00, S. 179; Rechtsprechnungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2002, S. 26 |
Schlagworte: | Dauernde Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit |
Leitsatz:
Auch die drei Monate überschreitende, dauernde Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit unterliegt dem eingeschränkten Mitbestimmungsrecht nach § 42 Buchst. d) MVG.EKD.
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen - 1. Kam¬mer - vom 12. August 1999 - 1 M 8/99 - wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, daß die Übertragung der Leitung des Fachbereichs „Beratung“ auf den Mitarbeiter A. ab 1. Juni 1999 mitbestimmungspflichtig ist nach § 42 Buchst. d) MVG.EKD.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Gegenstandswert wird auf 8.000,- DM festgesetzt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der dauernden Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit um eine der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegende Personalmaßnahme gehandelt hat.
Die Dienststelle (Antragsgegnerin) hat im Rahmen von Strukturveränderungen den Mitarbeiter A. mit Wirkung ab 1. Juni 1999 auf unbestimmte Zeit mit der Leitung des Fachbereichs "Beratung" betraut. Wegen der damit verbundenen Höhergruppierung hat sie bereits im Laufe dieses Verfahrens vor der Schlichtungsstelle das Recht der Antragstellerin auf eingeschränkte Mitbestimmung nach § 42 Buchst. c) MVG.EKD anerkannt und das Mitbestimmungsverfahren nachgeholt. Soweit es sich bei dieser Personalmaßnahme zugleich um die Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit handelt, hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht um ihre Zustimmung ersucht.
Mit Antrag vom 8. Februar 1999 hat die Mitarbeitervertretung (Antragstellerin) die Schlichtungsstelle angerufen.
Sie hat (soweit noch von Interesse) vorgetragen, die Übertragung der Leitung des Fachbereichs "Beratung" unterliege der eingeschränkten Mitbestimmung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Höhergruppierung, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit. Die Personalmaßnahme bedürfe daher der Zustimmung zu beiden Mitbestimmungstatbeständen, mithin zu § 42 Buchst. c) MVG.EKD und zu Buchst. d).
Die Dienststelle ist dieser Rechtsauffassung mit dem Hinweis entgegengetreten, die höher bewertete Tätigkeit sei dem Mitarbeiter A. zwar für eine Dauer von mehr als drei Monaten übertragen worden, jedoch dauernd und nicht lediglich befristet. Erfolge die Übertragung der Tätigkeit jedoch nicht auf Zeit, sondern unbefristet, handele es sich nicht um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme im Sinne von § 42 Buchst. d) MVG.EKD. Ein Vergleich zwischen § 42 Buchst. d) MVG.EKD und Buchst. e), der ausdrücklich den Fall einer dauernden Übertragung einer Personalmaßnahme regele, mache deutlich, daß es ein Recht auf Mitbestimmung nach Buchst. d) bei dauernder Übertragung gerade nicht geben solle.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf ihren Sachvortrag Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen - 1. Kammer - hat durch Beschluß vom 12. August 1999 den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Sie folgt im wesentlichen der Argumentation der Antragsgegnerin: Die dauernde, unbefristete Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit sei nicht mitbestimmungspflichtig nach § 42 Buchst. d) MVG.EKD. Tatbestandlich gehe es hier um eine über drei Monate hinausgehende, jedoch zeitlich begrenzte, also vorübergehende Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit. Hätte auch die dauernde Übertragung mitbestimmungspflichtig sein sollen, hätte der Gesetzgeber dies auch sprachlich zum Ausdruck gebracht wie in § 42 Buchst. e) und § 43 Buchst. j) MVG.EKD. Es wäre auch nicht logisch, zumindest jedoch unklar, wenn trotz der in § 42 Buchst. d) gewählten Formulierung ("von mehr als drei Monaten Dauer") der Mitarbeitervertretung auch bei dauernder Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit das Recht auf eingeschränkte Mitbestimmung zustehen solle. Das Argument, die Art der von einem Mitarbeiter geschuldeten Tätigkeit unterliege der Mitbestimmung, sei nicht überzeugend, weil die Tatbestände der Mitbestimmung und Mitberatung hinsichtlich des Inhalts des Arbeitsvertrags und des Direktionsrechts durch das MVG.EKD abschließend geregelt worden seien.
Gegen den am 20. August 1999 zugestellten Beschluß hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20. September 1999, eingegangen per Telefax am selben Tag, Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 4. November 1999, eingegangen am 5. November 1999, begründet hat.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin ergänzt und vertieft ihren Sachvortrag erster Instanz: Dem Wortlaut der Norm sei nicht zu entnehmen, daß das Mitbestimmungsrecht sich nicht auf die Fälle einer dauernden Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit erstrecken solle. Mitbestimmungspflichtig sei vielmehr jede Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit von mehr als drei Monaten Dauer. Der Gesetzgeber habe sowohl den Fall einer unbefristeten als auch den einer befristeten Übertragung einer Tätigkeit regeln wollen, sofern die Dauer von drei Monaten überschritten sei. Diese Auslegung sei auch nicht unlogisch und unklar. Rechtsprechung und Fachliteratur zum Bundespersonalvertretungsgesetz seien sich für den Bereich des öffentlichen Dienstes ebenfalls darin einig, daß die dauernde Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit mitbestimmungspflichtig sei.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluß der 1. Kammer der Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen vom 12. August 1999 - 1 M 8/99 - abzuändern und festzustellen, daß die Übertragung der Leitung des Fachbereichs "Beratung" durch die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin ab 1. Juni 1999 auf den Mitarbeiter A. der eingeschränkten Mitbestimmung nach § 42 Buchst. d) MVG.EKD unterliegt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und wiederholt im wesentlichen ihr Vorbringen erster Instanz. Im übrigen widerspricht sie der Auslegung durch die Beschwerdeführerin und beruft sich für die Richtigkeit ihrer Auffassung ausdrücklich auf die entsprechende Kommentierung zu § 42 MVG.EKD durch Fey/Rehren.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.
II. Über die Beschwerde war ohne mündliche Verhandlung entsprechend § 130 a VwGO i. V. m. § 16 VGG.EKD zu entscheiden. Die nach § 63 Abs. 1 Buchst. a) MVG.EKD zulässige Beschwerde ist begründet. Nicht nur die zum 1. Juni 1999 erfolgte Höhergruppierung des Mitarbeiters A., sondern auch die damit zugleich erfolgte dauernde Übertragung der Leitung des Fachbereichs "Beratung" ist mitbestimmungspflichtig. Dieser genau genommen einheitliche Akt der mit einer Höhergruppierung verbundenen Übertragung einer Tätigkeit ist zwei Mitbestimmungstatbeständen zuzuordnen, so daß im Verfahren nach § 38 MVG.EKD die Zustimmung zu dieser Personalmaßnahme nach Abs. 2 Satz 1 dieser Norm sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 42 Buchst. c) MVG.EKD als auch des Buchst. d) zu beantragen ist. Die angefochtene Entscheidung war daher antragsgemäß abzuändern.
1. Nach § 42 Buchst. d) MVG.EKD hat die Mitarbeitervertretung bei Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit von mehr als drei Monaten Dauer ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht, sofern diese Personalangelegenheit einen privatrechtlich angestellten Mitarbeiter betrifft. Mitbestimmungspflichtig ist nicht nur die befristete, sondern auch die dauernde Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit. Das ergibt die Auslegung dieser Norm. Maßgebend für die Auslegung sind der Wortsinn der Rechtsnorm, der Bedeutungszusammenhang und der Zweck der Norm (Palandt/ Heinrichs, BGB, 58. Aufl., Einleitung, Rz. 34, m. w. Nachw.).
a) Die Beschwerdeführerin hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Wortsinn der hier auszulegenden Norm offen in dem Sinne ist, daß er beide der hier erörterten Fallgestaltungen erfaßt. Auch die dauernde Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit ist eine Übertragung "von mehr als drei Monaten Dauer". Sollen von einem gesetzlichen Tatbestand mehrere Alternativen erfaßt werden, ist es nicht unüblich, daß der Gesetzgeber zu entsprechenden Formulierungen greift.
b) Der ausdrücklichen Erwähnung der "dauernden Übertragung" in § 42 Buchst. e) MVG.EKD, mithin dem Normzusammenhang, läßt sich kein überzeugendes Gegenargument entnehmen, weil Buchst. e) einen anderen Tatbestand regelt. Hier geht es um die dauernde Übertragung einer zulagepflichtigen Tätigkeit. Es handelt sich um die Fälle, in denen das Tarifrecht für bestimmte Varianten einer Tätigkeit eine Zulage vorsieht, die Fallgruppe und damit die Eingruppierung aber bestehen bleiben (Kleingünther, in: Fey/Rehren, MVG.EKD, 8. Erg.Lieferung, Stand: Sept. 1999, Rz. 52 zu § 42).
c) Vor allem aber der Normzweck gebietet die hier vertretene Auffassung. Der Zweck der Norm ergibt sich aus den Zustimmungsverweigerungsgründen des § 41 Abs. 1 MVG.EKD. Nach Buchst. a) darf die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung verweigern, wenn die Maßnahme gegen eine Rechtsvorschrift, eine Vertragsbestimmung, eine Dienstvereinbarung, eine Verwaltungsanordnung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt. Nach Buchstabe b) ist das Recht zur Zustimmungsverweigerung gegeben, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß der oder die durch die Maßnahme betroffene oder andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen benachteiligt werden, ohne daß dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Würde man nun der Mitarbeitervertretung das Recht auf eingeschränkte Mitbestimmung im Falle einer befristeten Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit (sofern sie die Dauer von drei Monaten überschreitet) zubilligen, im Falle einer dauernden Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit jedoch nicht, könnte die Zustimmung aus den in § 41 Abs. 1 Buchst. a) und b) MVG.EKD aufgeführten Gründen nicht verweigert werden, obwohl sich der Normverstoß oder die Benachteiligung infolge der Übertragung der Tätigkeit wegen der Dauerhaftigkeit des dadurch eingetretenen Zustands in der Regel als schwerwiegender erweisen dürfte. Das aber wäre unvernünftig und vor allem sinnwidrig, weil beispielweise eine vorübergehende Benachteiligung als Folge der Übertragung einer höher oder niedriger bewerteten Tätigkeit eher hinzunehmen ist als eine andauernde. Das Gesetz würde der Mitarbeitervertretung also gerade in den in der Regel gravierenderen Fällen die Möglichkeit einer Zustimmungsverweigerung versagen, die er ihr in den eher hinnehmbaren zubilligte. Das kann nicht richtig sein.
d) Die Antragsgegnerin irrt sich, wenn sie meint, sich für die Richtigkeit ihrer Auffassung auf die Kommentierung bei Fey/Rehren berufen zu können. Die Ausführungen unter den Randziffern 50 und 51 zu § 42, die ersichtlich aufeinander bezogen sind, rechtfertigen die Schlußfolgerung der Antragsgegnerin nicht. Der Konflikt, der hier erstmalig durch das erkennende Gericht zu entscheiden war, wird dort gar nicht behandelt.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 Abs. 2 VGG.EKD, die Entscheidung über den Gegenstandswert aus § 8 Abs. 2 BRAGO.