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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:10.08.2000
Aktenzeichen:VerwG.EKD 0124/E5-00
Rechtsgrundlage:MVG.BEK § 41 Abs. 1 Buchst. a, § 42 Buchst. c, § 63 Abs. 1 Buchst. c, § 60 Abs. 5 Satz 1
Vorinstanzen:Gemeinsame Schlichtungsstelle der Bremischen Ev. Kirche und des Diakonischen Werkes Bremen e.V., Az.: D III - 7/98; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 6/00, S. 282; Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2001, S. 43
Schlagworte:Prüfungskompetenz der Mitarbeitervertretung
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Leitsatz:

1. Auch nach § 41 Abs. 1 Buchst. a, § 42 Buchst. c MVG.BEK ist die eingeschränkte Mitbestimmung bei der Eingruppierung mit Mitarbeitern lediglich als Kontrolle der Anwendung von Entlohnungsregelungen ausgestaltet.
2. Die Mitarbeitervertretung hat dagegen nicht das Recht, die Zustimmung zur Eingruppierung mit der Begründung zu verweigern, die neue Regelung der Berufsgruppeneinteilung W verstoße gegen höherrangiges Recht (Fortsetzung von VerwG.EKD Beschluss vom 4. Mai 2000 - 0124/D39-99 - ZMV 2000, S. 183 f).

Tenor:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Bremischen Ev. Kirche und des Diakonischen Werkes Bremen e.V. vom 17. Januar 2000 - D III - 7/98 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG.BEK zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Berufsgruppe W 1 der Anlage 1d AVR entsprechend dem Zustimmungsantrag vom 11. November 1998 vorliegt.
2. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Eingruppierung einer Küchenhilfe in die Berufsgruppeneinteilung W (Anlage 1d) AVR mit der Begründung verweigern durfte, die Berufsgruppeneinteilung W sei wegen der generellen erheblichen Absenkung der Vergütungen gegenüber der Berufsgruppeneinteilung H verfassungswidrig und mittelbar geschlechtsdiskriminierend, weil diese Berufsgruppeneinteilung wesentlich mehr Frauen als Männer erfasst.
Die Berufsgruppeneinteilung W wurde durch Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD vom 8./9. Juli 1998 mit Wirkung zum 1. September 1998 im Rahmen der "Beschäftigungssicherungsordnung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschaftsbereiche diakonischer Einrichtungen" eingeführt. Sie löste die Berufsgruppeneinteilung H ab, ausgenommen die Vergütungsgruppe H 3 Fallgruppen 1 bis 3. Die Einführung der Berufsgruppeneinteilung W verfolgt den Zweck, der Ausgliederung der Wirtschaftsbereiche aus den Einrichtungen oder der Auftragsvergabe an Drittunternehmen außerhalb der Diakonie und dem damit verbundenen Abbau von Arbeitsplätzen innerhalb der diakonischen Einrichtungen entgegenzuwirken, indem die Entgelte denen angenähert werden, die in der gewerblichen Wirtschaft (Gastronomie, Wäschereien, Reinigungen u.s.w.) tarifüblich sind.
Die bisherige Vergütungsregelung in der Berufsgruppeneinteilung H erfasste u.a. Tätigkeiten im Haus-, Reinigungs- und Küchendienst, in Wäschereien, Nähstuben oder vergleichbaren Nebenbetrieben oder Betriebsteilen diakonischer Einrichtungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einfacher Tätigkeit konnten nach dreijähriger Bewährung aus der Vergütungsgruppe H 1 Fallgruppe 1 in die Vergütungsgruppe H 2 Fallgruppe 2 und nach weiterer vierjähriger Bewährung in die Vergütungsgruppe H 2a aufsteigen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung erforderlich ist (Vergütungsgruppe H 2 Fallgruppe 1), konnten nach dreijähriger Bewährung in die Vergütungsgruppe H 3 Fallgruppe 2 und nach weiterer vierjähriger Tätigkeit in die Vergütungsgruppe H 3a aufsteigen. Demgegenüber sieht die Berufsgruppeneinteilung W bei einfachen Tätigkeiten wie Putzen, Waschen, Nähen, Bügeln, einfachen Küchenarbeiten, für die nur eine kurze Einweisung nötig ist (Vergütungsgruppe W 1), wie auch bei Tätigkeiten, für die eine eingehende Einweisung erforderlich ist (Vergütungsgruppe W 3), nur eine einmalige Höhergruppierung nach vierjähriger Bewährung in die nächsthöheren Vergütungsgruppen W 2 bzw. W 4 vor. Zudem liegen die Vergütungen in der Berufsgruppeneinteilung W erheblich, nämlich um etwa 1/10 bis 1/6, niedriger als die nach der Berufsgruppeneinteilung H. Zur Besitzstandswahrung erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bisher in den weggefallenen Vergütungsgruppen H eingruppiert waren, eine aufzehrbare persönliche Zulage.
Unter dem 11. November 1998 beantragte die Dienststelle bei der Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Einstellung der am 25. Mai 1970 geborenen Frau D als Küchenhilfe in der Großküche mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden und zu deren Eingruppierung in die Vergütungsgruppe W 1 der Anlage 1d AVR. Der Einstellung stimmte die Mitarbeitervertretung am 17. November 1998 zu. Sie verweigerte gleichzeitig die Zustimmung zur Eingruppierung mit der Begründung, die neu geschaffenen Vergütungsgruppen seien rechtswidrig. Weil diese Vergütungsgruppen vorwiegend Frauen beträfen, verstießen sie u.a. gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Gleichberechtigung (Art. 119 Abs. 1, nunmehr Art. 141 Abs. 1 EG-Vertrag, Art. 3 Abs. 1 und 2 GG) und gegen den Lohngleichheitsgrundsatz des § 612 Abs. 3 BGB.
Die Dienststelle stellte daraufhin die Nichteinigung fest und rief am 7. Dezember 1998 die Schlichtungsstelle an. Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgebracht: Es sei zweifelhaft, ob zu den Aufgaben der Mitarbeitervertretung gehöre, die Rechtmäßigkeit eines der Dienststelle vorgegebenen allgemeinen Vergütungssystems zu prüfen. Die Einführung der Berufsgruppeneinteilung W beruhe auf objektiven wirtschaftlichen Gründen und sei nicht rechtswidrig. Die Neuregelung diene dazu, Auslagerungen oder Fremdvergaben der betreffenden Tätigkeiten zu vermeiden und den betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Arbeitsplätze nebst im Vergleich zur Privatwirtschaft höheren Neben- und Sozialleistungen zu sichern. Es liege auch keine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung vor, denn die Regelung sei weder geschlechtsbezogen noch betreffe sie überwiegend Frauen. In den landwirtschaftlichen und gärtnerischen Bereichen, die ebenfalls unter diese Berufsgruppeneinteilung fielen, seien überwiegend Männer beschäftigt.
Die Dienststelle hat beantragt,
festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG.BEK zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Berufsgruppe W 1 der Anlage 1d AVR entsprechend dem Zustimmungsantrag vom 11. November 1998 vorliegt.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie hat im wesentlichen geltend gemacht, zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der umstrittenen Berufsgruppeneinteilung W befugt zu sein, und hat ihre vorgerichtliche Argumentation wiederholt und vertieft.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag durch ihren Beschluss vom 17. Januar 2000 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 6. März 2000 zugestellten Beschluss hat die Dienststelle am 6. April 2000 19. November 1999 Beschwerde eingelegt. Sie hält den angefochtenen Beschluss für rechtswidrig und wiederholt im übrigen ihre vorinstanzliche Argumentation. Sie beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses der Gemeinsamen Schlichtungsstelle der Bremischen Evangelischen Kirche vom 17. Januar 2000 - D III - 7/98 - festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG.BEK zur Eingruppierung der Mitarbeiterin D in die Berufsgruppe W 1der Anlage 1d AVR entsprechend dem Zustimmungsantrag vom 11. November 1998 vorliegt.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie hält die Beschwerde für nicht statthaft, weil die Schlichtungsstelle abschließend entschieden habe, und verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Rechtszügen und auf die ausführlichen Gründe des angefochtenen Beschlusses (ZMV 2000 S. 127 f) Bezug genommen.
II. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist begründet. Die Vorinstanz hat den Antrag zu Unrecht abgelehnt. Die Mitarbeitervertretung hatte keinen Grund, die Zustimmung zur Eingruppierung in die Berufsgruppe W 1 Anlage 1d AVR zu verweigern.
1. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 16 VGG.EKD, § 125 Abs. 2, § 130a VwGO).
2. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 Buchst. b MVG.BEK statthaft. Zwar entscheidet die erstinstanzliche Schlichtungsstelle in den Fällen der eingeschränkten Mitbestimmung nach § 42 MVG.BEK gemäß § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG.BEK grundsätzlich abschließend. Zur Prüfung in den Fällen des § 42 MVG.BEK gehört auch die Vorfrage, ob überhaupt eine Eingruppierung nach der behaupteten Vergütungsordnung zu erfolgen hatte, wie das erkennende Gericht zu den sinngleichen Vorschriften der §§ 42, 60 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD erkannt hat (VerwG.EKD, Beschluss vom 17. März 1999 - 0124/D7-99 - ZMV 1999, 294f). Darum geht es vorliegend jedoch nicht. In der Sache geht der Streit darum, ob es zu den gesetzlichen Aufgaben der Mitarbeitervertretung (§ 63 Abs. 1 Buchst. c MVG.BEK) zählt, im Rahmen der eingeschränkten Mitbestimmung (§§ 41, 42 MVG.BEK) die Zustimmung zur Eingruppierung mit der Begründung zu verweigern, dass die der Dienststelle vorgegebene Vergütungsordnung gegen höherrangiges Recht verstoße. Dieser Gegenstand des Rechtsstreits eröffnet den Weg in die Beschwerde. Dies hat das erkennende Gericht für einen insoweit gleichgelagerten Fall am 4. Mai 2000 entschieden (VerwG.EKD, Beschluss vom 4. Mai 2000 - 0124/D39-99 - ZMV 2000, S. 183 f); ein Abdruck jenes Beschlusses wurde den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens am 22. Mai 2000 übersandt.
3. Die Beschwerde ist begründet. Die Mitarbeitervertretung durfte die Zustimmung zur hier in Rede stehenden Eingruppierung nicht deshalb verweigern, weil sie meint, die Dienststelle dürfe die Berufsgruppeneinteilung W (Anlage 1d AVR) nicht anwenden, weil dies gegen höherrangiges Recht, vor allem gegen Art. 141 EG-Vertrag, Art. 3 Abs. 1 und 2 GG, gegen § 611a und § 612 Abs. 3 BGB und gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Ein solches Recht steht der Mitarbeitervertretung nicht zu.
a) Die Eingruppierung von Mitarbeitern unterliegt gemäß § 42 Buchst. c MVG.BEK der eingeschränkten Mitbestimmung und ist lediglich als Kontrolle der Anwendung von Entlohnungsregelungen ausgestaltet. Der Mitarbeitervertretung steht insoweit nur zu, darauf zu achten, dass die Entlohnungsregelungen eingehalten werden, die der Dienststelle ggf. zur Auswahl vorgegeben sind oder die die Dienststelle selbst aufgestellt hat bzw. aufgrund äußerer Vorgaben aufstellen muss. Werden sie verletzt, so liegt ein die Zustimmungsverweigerung nach § 41 Abs. 1 Buchst. a MVG.BEK rechtfertigender Grund vor. Die Mitarbeitervertretung hat dagegen nicht das Recht, die Zustimmung zur Eingruppierung mit der Begründung zu verweigern, die neue Regelung der Berufsgruppeneinteilung W verstoße gegen höherrangiges Recht. Denn damit verlässt die Mitarbeitervertretung den ihr gesetzten rechtlichen Rahmen.
b) Gegenstand der eingeschränkten Mitbestimmung bei der Eingruppierung von Mitarbeitern ist die erstmalige Zuordnung in ein für die Eingruppierung vorgegebenes Vergütungssystem. Insoweit gilt nichts anderes als für die Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder den Personalvertretungsgesetzen. Deshalb kann auf die Rechtsprechung zu diesen Gesetzen zurückgegriffen werden. Die erstmalige Zuordnung bei der Eingruppierung erschöpft sich in der Anwendung vorgegebener Vergütungsmerkmale. Es handelt sich insoweit nicht um rechtliche Gestaltung, sondern um die Anwendung strikter rechtlicher Regeln (vgl. BAG, Urt. v. 27.5.1987 - 4 AZR 613/86 - AP BAT § 74 Nr. 6, ihm folgend: BVerwG, Beschluss vom 15.2.1988 - 6 P 21.85 - AP LPVG Baden-Württemberg § 79 Nr. 2; BVerwG, Beschluss vom 14.6.1995 - 6 P 43.93 - AP LPVG Baden-Württemberg § 76 Nr. 2 m.w.N.). Entsprechend dem erkennbaren Schutzzweck der eingeschränkten Mitbestimmung bei der Eingruppierung (§ 42 Buchst. c MVG.BEK) soll die Mitarbeitervertretung bei der Eingruppierung einschließlich der Festlegung der Fallgruppe, aber auch beim Wechsel der Fallgruppe und bei der Umgruppierung von Mitarbeitern nicht nur nachvollziehend mitprüfen, dass die Eingruppierung mit dem anzuwendenden Vergütungssystem im Einklang steht, sondern auch auf die Wahrung des Vergütungsgefüges in der Dienststelle achten und insoweit zur Verwirklichung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes innerhalb des vorgegebenen Vergütungssystems beitragen. Vor allem soll verhindert werden, dass durch unsachliche Beurteilungen innerhalb der Auslegungsspielräume einzelne Arbeitnehmer bevorzugt bzw. benachteiligt werden (vgl. BAG, Beschluss vom 3.12.1985 - 4 ABR 60/85 - BAGE 50, 258, 273 = AP BAT § 74 Nr. 2; BVerwG, Beschluss vom 14.6.1995 - 6 P 43.93 - AP LPVG Baden-Württemberg § 76 Nr. 2). Diese Aufgaben schließen aber nicht ein, im Mitbestimmungsverfahren die Rechtmäßigkeit des Vergütungssystems selbst in Frage zu stellen. Vielmehr ist dies der Auseinandersetzung des jeweiligen einzelnen Mitarbeiters mit seinem Dienstgeber vorbehalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.6.1995 - 6 P 43.93 - AP LPVG Baden-Württemberg § 76 Nr. 2).
c) Der Dienststelle vorgegeben sind die auf dem Weg der einschlägigen Arbeitsrechtsregelungsgesetze geschaffenen Vergütungsregelungen, hier die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD. Dazu gehört auch die Änderung hinsichtlich der Ablösung großer Teile der Berufsgruppeneinteilung H durch die neue Berufsgruppeneinteilung W einschließlich der Übergangsregelungen nach Anlage 1d AVR.
d) Die Mitbestimmung nach § 42 Buchst. c MVG.BEK besteht dann darin, kontrollierend mitzuprüfen, ob die Vorgaben, die sich aus der vorgegebenen Vergütungsregelung ihrerseits ergeben, eingehalten sind. In diesem Rahmen ist auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Unter den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Vorgaben der anzuwendenden Vergütungsregelung im vorliegenden Fall eingehalten worden sind. Streitig ist allein, ob die Vergütungsregelung selbst diskriminierend ist oder wirkt oder sonst gegen höherrangiges Recht verstößt.
III. Die Entscheidung über die Kostentragung beruht auf § 13 VGG.EKD, § 8 BRAGO.