.
Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:07.06.2001
Aktenzeichen:VerwG.EKD II-0124/F4-01
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 33 Abs. 1, § 34 , § 35 Abs. 3 Buchst. b und d
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) - 2. Kammer - , Az.: 2 M 121/00
Schlagworte:Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Untersagung der Durchführung einer Wahl zur Mitarbeitervertretung , Antragsbefugnis
#

Leitsatz:

1. § 35 Abs. 3 Buchst. b und d MVG.EKD gibt der Mitarbeitervertretung nicht nur einen umfassenden Überwachungsauftrag, sondern schließt ein, im Rahmen eines Gleichstellungsverfahrens nach dem Schwerbehindertengesetz im Stadium des Widerspruchsverfahrens auf Aufforderung des zuständigen Landesarbeitsamtes unmittelbar eine Stellungnahme an dieses abzugeben, nachdem eine Stellungnahme der Mitarbeitervertretung bislang deswegen unterblieben war, weil die Dienststelle die Mitarbeitervertretung entgegen § 34 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 3 Buchst. b und d MVG.EKD nicht informiert hatte.
2. Nicht jede Äußerung, die der anderen Seite nicht passt, ist ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die Mitarbeitervertretung ist im Zuge einer von ihr verlangten Stellungnahme berechtigt, die Situation aus der Sicht des Mitarbeiters und aus ihrer Sicht zu schildern. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitsverwaltung einer der Hauptkostenträger der Einrichtung ist

Tenor:

Die Beschwerde der Dienststellenleitung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen in Münster (Westf.) - 2. Kammer - vom 16. Februar 2001 - 2 M 121/00 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Gegenstand der Beschwerde ist der von der Dienststellenleitung verfolgte Feststellungsantrag, dass die Mitarbeitervertretung mit ihrem, den Gleichstellungsantrag des Mitarbeiters B betreffenden Schreiben an das Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen vom 25. September 2000 gegen § 33 Abs. 1 MVG.EKD verstoßen habe.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der am 12. Mai 1949 geborene Mitarbeiter B ist Leiter der Abteilung EDV und Kommunikation. Er leidet an einer Beeinträchtigung des Gehörs. Direkter Vorgesetzter des Herrn B ist der Kaufmännische Vorstand, Verwaltungsdirektor C.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2000 stellte Herr B beim Arbeitsamt einen Antrag auf Gleichstellung nach dem Schwerbehindertengesetz. Das Arbeitsamt gab der Stiftung A mit Schreiben vom 28. Juni 2000 Gelegenheit zur Stellungnahme und bat die Einrichtung, auch eine Stellungnahme der Mitarbeitervertretung herbeizuführen. Dem Schreiben war ein Formular beigefügt, das verschiedene vom Arbeitgeber zu beantwortende Fragen und - auf einem besonderen Blatt - verschiedene vom "Betriebsrat/ Personalrat/Schwerbehindertenvertretung" zu beantwortende Fragen vorsah. Die Stiftung A nahm zu dem Antrag des Herrn B keine Stellung. Sie leitete den für die Mitarbeitervertretung bestimmten Teil des Formulars nicht an die Mitarbeitervertretung weiter. Das Arbeitsamt lehnte den Antrag des Herrn B mit Bescheid vom 14. August 2000 ab. Daraufhin wandte sich Herr B spätestens Ende August 2000 an die Mitarbeitervertretung, bat um Rat und schilderte die Gründe, die ihn zur Stellung des Antrages auf Gleichstellung veranlasst hätten. Bei dieser Gelegenheit erfuhr die Mitarbeitervertretung, dass die Antragstellerin sie über das Schreiben des Arbeitsamt vom 28. Juni 2000 nicht informiert und ihr damit eine Stellungnahme gegenüber dem Arbeitsamt unmöglich gemacht hatte. Nachdem Herrn B gegen den ablehnenden Bescheid des Arbeitsamtes mit Schreiben vom 25. August 2000 Widerspruch eingelegt hatte, wandte sich das Landesarbeitsamt telefonisch an die Mitarbeitervertretung und forderte sie zu einer Stellungnahme auf. Mit Schreiben vom 25. September 2000 nahm die Mitarbeitervertretung unmittelbar gegenüber dem Landesarbeitsamt Stellung und führte u.a. aus:
"Wir unterstellen die Kenntnis über den Gesundheitszustand des Herrn B. Dieser stellt sich in der Folge seiner schweren Erkrankung als unter bestimmten Belastungen instabil dar; hierbei ist insbesondere zu beachten, dass er dem psychischen Druck durch die Dienststellenleitung im Hinblick auf die Entziehung der Aufgaben bis hin zur Darlegung der Schließung der Abteilung im Hinblick auf die Existenzgrundlage Arbeitsplatz, dies allein schon wegen seiner hohen fachlichen Spezialisierung in der übertragenen Sache, nur schwerlich widerstehen kann, zumal seine Erkrankungen, s.o., durch den Dienstgeber argumentativ gegen ihn verwendet werden. ..."
Nachdem die Dienststellenleitung auf Nachfrage von der Mitarbeitervertretung eine Kopie dieses Schreibens erhalten hatte, forderte die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 25. Oktober 2000 auf, darzulegen, welche Person der Dienststellenleitung psychischen Druck auf Herrn B ausgeübt und seine Erkrankung argumentativ gegen ihn verwendet habe. Dies lehnte die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 18. November 2000 ab, "es sei denn, dass eine Offenbarung aller Beteiligten sich an anderer Stelle als notwendig ergebend zeigt".
Mit am 29. November 2000 bei der Schlichtungsstelle eingegangenem Antrag vom 28. November 2000 rief die Dienststellenleitung die Schlichtungsstelle an. Die Vorgehensweise der Mitarbeitervertretung, zum einen solche Behauptungen in die Welt zu setzen und zum anderen dann die beschuldigten Personen nicht zu benennen, verstoße gegen § 33 MVG.EKD, der die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung einfordere.
Sie hat beantragt,
festzustellen, dass die Mitarbeitervertretung mit ihrem den Gleichstellungsantrag des Herrn B betreffenden Schreiben an das Landesarbeitsamt vom 25. September 2000 gegen § 33 Abs. 1 MVG.EKD verstoßen hat.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
den Antrag der Dienststellenleitung abzulehnen,
und hat entgegnet, sie habe nach ihrem Dafürhalten sachlich geantwortet.
Die Mitarbeitervertretung hat in der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle klargestellt, gegen wen sich ihre Ausführungen in ihrem Schreiben an das Landesarbeitsamt gerichtet hätten. Die Dienststellenleitung hat in der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle erklärt, sie erkenne an, dass sie das ihr vom Arbeitsamt übersandte, für die Mitarbeitervertretung bestimmte Formularblatt an diese hätte weiterleiten müssen.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Dienststellenleitung. Sie meint, das zwar berechtigte energische Eintreten der Mitarbeitervertretung für Herrn B in Wahrnehmung ihrer Aufgaben könne nicht dazu führen, dass die Antragstellerin derartig "verunglimpft" werde. Die gegenüber dem Landesarbeitsamt gemachten Ausführungen seien äußerst subjektiv gefärbt und stärkten die Position des betroffenen Mitarbeiters im Gleichstellungsverfahren sicherlich nicht. Eine objektive Darstellung der gesundheitlichen Probleme von Herrn B sei ausreichend gewesen. Es bestünden auch noch andere Beziehungen zwischen der Stiftung A und dem Landesarbeitsamt. Das Landesarbeitsamt sei der Kostenträger ihres Berufsbildungswerkes. Derartige, wie die gemachten Vorwürfe, könnten zu einer Belastung des Verhältnisses der Antragstellerin zu einem ihrer Hauptkostenträger führen. Dies könne auch nicht im Sinne der Mitarbeitervertretung sein.
Die Mitarbeitervertretung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält den angefochtenen Beschluss für richtig.
II. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 16 VGG.EKD, § 130a VwGO i.V.m. § 125 Abs. 2 VwGO). Die nach § 63 Abs. 1 Buchst. b MVG.EKD statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat den Antrag zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. In der Beschwerde sind keine wesentlich neuen Gesichtspunkte zu erkennen. Der von der Antragstellerin beanstandete Teil des Schreibens der Mitarbeitervertretung vom 25. Sep¬tember 2000 an die Bundesanstalt für Arbeit verstieß nicht gegen § 33 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD.
1. Der in § 33 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD normierte Grundsatz der vertrauensvollen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit gilt für beide Seiten, Dienststelle und Mitarbeitervertretung. Er stellt die gesetzförmige Ausprägung der Zusammenarbeit in der Dienstgemeinschaft dar, wie sie in der Präambel des MVG.EKD festgehalten ist. So darf die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung nicht öffentlich mit pauschalen Vorwürfen angreifen. Umgekehrt muss auch die Mitarbeitervertretung sich in jeder Weise fair verhalten, darf also z.B. nicht den Dienstgeber bei einem Konflikt öffentlich mit unberechtigten pauschalen Vorwürfen überziehen.
2. Hiermit ist es zu vereinbaren, wenn die Mitarbeitervertretung im Rahmen eines Gleichstellungsverfahrens nach dem Schwerbehindertengesetz in der von ihr gewählten Weise gegenüber dem zuständigen Landesarbeitsamt Stellung nimmt.
a) Nach § 35 Abs. 3 Buchst. b MVG.EKD soll die Mitarbeitervertretung insbesondere für die Einhaltung sozialrechtlicher Bestimmungen eintreten. Die Mitarbeitervertretung hat insbesondere auch die Eingliederung hilfs- und schutzbedürftiger Personen, vor allem Behinderter oder Älterer in die Dienststelle zu fördern und für eine ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung einzutreten (§ 35 Abs. 3 Buchst. d MVG.EKD). Das ist nicht nur ein umfassender Überwachungsauftrag, sondern schließt ein, im Rahmen eines Gleichstellungsverfahrens im Stadium des Widerspruchsverfahrens auf Aufforderung des zuständigen Landesarbeitsamtes unmittelbar eine Stellungnahme an dieses abzugeben, nachdem eine Stellungnahme der Mitarbeitervertretung bislang unterblieben war, weil die Antragstellerin die Mitarbeitervertretung über das Schreiben des Arbeitsamtes vom 28. Juni 2000 entgegen § 34 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 3 Buchst. b und d MVG.EKD nicht informiert hatte. Es gilt insoweit im Ergebnis nichts anderes, wenn der Arbeitgeber eine Anzeige nach § 17 KSchG unterlässt und der Betriebrat das Arbeitsamt unmittelbar unterrichtet.
b) Das Gebot des § 33 MVG.EKD, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, mag Grund genug sein, um Dienstgeber und Mitarbeitervertretung gleichermaßen dazu anzuhalten, sich von Fall zu Fall genau zu überlegen, wie sie sich äußern. § 33 MVG.EKD schreibt aber nicht im Vorhinein und verbindlich vor, wie die einzelne Äußerung, Stellungnahme auszusehen hat. Nicht jede Äußerung, die der anderen Seite nicht passt, ist ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die Mitarbeitervertretung musste sich in Anbetracht der Fragestellungen nicht mit der Schilderung des Gesundheitszustandes des Mitarbeiters begnügen, sondern durfte - entsprechend den Feststellungen der Schlichtungsstelle - gestützt auf die Angaben des Mitarbeiters und ihren eigenen Beobachtungen bezüglich der Abteilung EDV und Kommunikation entsprechend vortragen, mochte das auch zu Vorwürfen gegen die Dienststelle oder ihre Leitung führen. Die von der Antragstellerin beanstandeten Formulierungen in dem Schreiben vom 25. September 2000 enthalten bei objektivierter Betrachtungsweise keine Verunglimpfungen der Dienststelle oder ihrer Leitung und vermochten daher nicht zu einer, entgegen dem in § 33 MVG.EKD enthaltenen Gebot, Störung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Mitarbeitervertretung zu führen, sondern hielten sich im von den Fragestellungen des Landesarbeitsamtes her vorgegebenen Rahmen der erbetenen Stellungnahme im Widerspruchsverfahren über die Ablehnung des Gleichstellungsantrages des Mitarbeiters. Zwar haben Dienststelle und Mitarbeitervertretung alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Aufgabe der Dienststelle, der Dienstgemeinschaft und den Arbeitsfrieden zu beeinträchtigen. Davon kann bei den von der Mitarbeitervertretung gewählten Formulierungen keine Rede sein. Sie ist im Zuge der von ihr verlangten Stellungnahme berechtigt gewesen, die Situation aus der Sicht des Mitarbeiters und aus ihrer Sicht zu schildern.
Daran ändert auch der Vortrag der Antragstellerin nichts, derartige Vorwürfe könnten zu einer Belastung des Verhältnisses der Antragstellerin zu einem ihrer Hauptkostenträger führen. Anhaltspunkte dafür sind nicht vorgetragen und sonst auch nicht ersichtlich. Die Mitarbeitervertretung hat sich im Rahmen eines gesetzlich vorgesehenen Verfahrens geäußert, in dem es um die Feststellung des Grades der Behinderung eines Mitarbeiters geht. Ein Bezug zur Kostenträgerschaft des Landesarbeitsamtes hinsichtlich des Berufsbildungswerkes der Antragstellerin erscheint einmal als nicht gegeben, zum anderen vermag das nicht dazu zu führen, die Mitarbeitervertretung in Hinblick auf § 33 MVG.EKD für verpflichtet zu halten, trotz der Fragestellungen der Arbeitsverwaltung bei der Durchführung des Schwerbehindertengesetzes ihre Stellungnahme auf den Gesundheitszustand des Mitarbeiters zu reduzieren. Die Mitarbeitervertretung musste sich insoweit nicht zurücknehmen und sich gegebenenfalls vorhalten lassen, nur eine verkürzte Stellungnahme abgegeben zu haben.