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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:19.12.2001
Aktenzeichen:VerwG.EKD I-0124/F27-01
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 3 Abs. 1, Abs. 2, UmwG § 321
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle DW der Ev. Kirche von Westfalen, Az.: 2 M 24/01; Fundstelle: Rechtsprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2003, S. 18
Schlagworte:Übernahme eines als selbständige Dienststelle geltenden Dienststellenteiles in andere Dienststelle - Übergangsmandat
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Leitsatz:

1. Wird ein nach § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD als selbständige Dienststelle geltender Dienststellenteil unter Anwendung des Umwandlungsgesetzes in eine andere Dienststelle übernommen, so ist neu zu klären, inwieweit der Dienststellenteil im Verhältnis zur neuen Dienststelle die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD erfüllt.
2. Ein Übergangsmandat einer MAV endet spätestens mit ihrem Rücktritt (Abgrenzung zu VerwG.EKD Beschluss vom 19. Februar 1998 - 0124/B23-97 - ZMV 1998, 195ff).

Tenor:

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen vom 18. Mai 2001 - 2 M 24/01 - wird zurückgewiesen.
2. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
3. Der Gegenstandswert beträgt 8.000,-- DM.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die bei der beteiligten Dienststelle bestehende Mitarbeitervertretung A auch für das von der Dienststelle nach dem Umwandlungsgesetz übernommene, am selben Ort gelegene Altenzentrum D zuständig ist. Die Dienststelle A und das Altenzentrum D liegen in einer Entfernung von nur wenigen hundert Metern.
Das aus dem Haus E und dem Haus F bestehende Altenzentrum D war eine Einrichtung des Diakonischen Werkes im Kirchenkreis G, das seinen Sitz in der etwa 20 km von H entfernten Stadt I hat. Es wurde mitarbeitervertretungsrechtlich als eine als selbständig geltende Dienstsstelle gemäß § 3 Abs. 2 MVG.EKD geführt; dort bestand eine eigene Mitarbeitervertretung.
Aufgrund eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 23. August 1998 übertrug das DW G "die Vermögenseinheit Haus E und Haus F als Gesamtheit" mit den in dem vorgenannten Vertrag näher bezeichneten Aktiva und Passiva "im Wege der Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG unter Fortbestand des übertragenden Vereins" der Dienststelle A. Mit Schreiben vom 2. November 1998 teilte das DW G seinen Mitarbeitervertretungen mit, dass das Haus E und das Haus F aus dem DW G ausgegliedert und von der Krankenhaus gGmbH A übernommen werde; so entstehe eine "regionale diakonische Verbundeinrichtung". Ausgliederung und Übernahme wurden am 30. Dezember 1998 in die Register eingetragen und in der Presse bekannt gemacht.
Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung des Altenzentrums D waren zunächst ebenso wie die beteiligte Dienststellenleitung der Ansicht, dass die Existenz der MAV Altenzentrum von der Übernahme unberührt geblieben sei und sie als eigenständige Mitarbeitervertretung fortbestehe. Die Mitglieder der MAV Altenzentrum legten am 16. Oktober 2000 einstimmig ihre Ämter nieder. Zu einer Neuwahl kam es nicht. Die vom Heimleiter des Altenzentrums D zwecks Bildung eines Wahlvorstandes am 14. Dezember 2000 einberufene Mitarbeiterversammlung blieb ohne Ergebnis.
Die antragstellende MAV A ist der Ansicht, auch für das Altenzentrum D zuständig zu sein, weil es Teil der Dienststelle A sei.
Sie hat beantragt
festzustellen, dass die bei der Dienststelle A gebildete Mitarbeitervertretung auch für das Altenzentrum D (Haus E und Haus F) zuständig ist.
Die Dienststellenleitung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, die antragstellende MAV A sei für das Altenzentrum D nicht zuständig. Der "Betrieb" des Altenzentrums D sei von der Ausgliederung und Übernahme unberührt geblieben. Die MAV Altenzentrum sei im Amt geblieben und müsse infolge der Niederlegung der Ämter sämtlicher Mitglieder neu gewählt werden. Komme es nicht zur Neuwahl, so bleibe das Altenzentrum D ohne Mitarbeitervertretung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im ersten Rechtszug eingereichten Schriftsätze und Anlagen hierzu Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag durch Beschluss vom 18. Mai 2001 stattgegeben. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen. Er wurde der beschwerdeführenden Dienststellenleitung am 31. Mai 2001 zugestellt. Sie hat hiergegen am 27. Juni 2001 Beschwerde eingelegt und trägt zu deren Begründung im wesentlichen vor, aus der entsprechenden Anwendung des § 321 UmwG folge, dass die antragstellende MAV A nicht zuständig sei, weil das Altenzentrum nicht in den Betrieb der Dienststelle eingegliedert worden, deren Leitung am Verfahren beteiligt sei. Es fehle an einer organisatorischen Eingliederung, die lediglich rechtliche Eingliederung genüge nicht.
Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen vom 18. Mai 2001 - 2 M 24/01 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die antragstellende Mitarbeitervertretung beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie meint, es liege kein Fall des § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD vor, sondern sogar ein gegenteiliges Votum der Mitarbeiter des Altenzentrums D.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Über die Beschwerde war ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss der Kammer zu entscheiden (§ 16 VGG.EKD, § 130a VwGO).
III. Die nach § 63 Abs. 1 Buchst. h MVG.EKD statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag zu Recht stattgegeben.
1. Der Antrag bedarf der Auslegung in zeitlicher Hinsicht. Der Antrag richtet sich erkennbar erst auf die Zeit nach dem 16. Oktober 2000, als sich die MAV Altenzentrum aufgelöst hat.
2. Die Unzuständigkeit der antragstellenden MAV A für das übernommene Altenzentrum D folgt nicht schon aus § 321 UmwG. Es kann dahingestellt bleiben, ob die MAV Altenzentrum im Wege des - im MVG.EKD nicht ausdrücklich geregelten - Übergangsmandates (vgl. § 321 UmwG) weiterbestanden hat und ob dieses Übergangsmandat bis zur nächsten ordentlichen Neuwahl Bestand haben kann (vgl. VerwG.EKD Beschluss vom 19. Februar 1998 - 0124/B23-97 - ZMV 1998, 195 ff) oder gemäß dem Rechtsgedanken des § 321 UmwG (vgl. nunmehr auch § 21a BetrVG) nur bis zur unverzüglich durchzuführenden Neuwahl, längstens jedoch für sechs Monate besteht. Ein solches Übergangsmandat schützt nicht die bisherige strukturelle Eigenständigkeit des Dienststellenteiles bzw. die der auf dieser Grundlage gebildeten Mitarbeitervertretung als einer Einrichtung, sondern hat nur die Aufgabe, den Mitarbeitern den Schutz durch das Mitarbeitervertretungsrecht dadurch zu erhalten, dass die bisher gewählte Mitarbeitervertretung im Amt bleibt, obwohl die Voraussetzungen hierfür wegen der organisatorischen Neuordnung nicht länger gegeben sein müssen. Demgemäß endet das Übergangsmandat der Mitarbeitervertretung, wenn sie sich selbst durch Amtsniederlegung auflöst (arg. § 16 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c MVG.EKD). Dies ist hier mit der Niederlegung der Ämter aller Mitglieder der MAV Altenzentrum am 16. Oktober 2000 geschehen. Spätestens mit der Beendigung des Übergangsmandates ist zu klären, ob und inwieweit eine neue eigene Mitarbeitervertretung für den übernommenen Dienststellenteil zu wählen ist oder ob es einer Neuwahl nicht bedarf, weil die Mitarbeitervertretung der übernehmenden Dienststelle auch für den durch Übernahme hinzugekommenen Teil der Dienststelle zuständig ist.
3. Die Zuständigkeit der antragstellenden Mitarbeitervertretung A folgt aus § 3 Abs. 1 MVG.EKD. Die rechtliche Zuordnung der Einrichtungen des Altenzentrums D zur Dienststelle A hat zur Folge, dass das Altenzentrum D zum Bestandteil der Dienststelle A geworden ist. Zu Recht hebt die angefochtene Entscheidung heraus, dass es für die Bildung von Mitarbeitervertretungen nach der Grundregel des § 3 Abs. 1 MVG.EKD auf die rechtliche Trägerschaft von Einrichtungen ankommt. Auf eine etwaige tatsächliche Eingliederung "des Betriebs" Altenzentrums in den "Betrieb" der Dienststelle A kommt es aus rechtlichen Gründen auch unter dem Gesichtspunkt nicht an, dass die Übernahme nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes gestaltet und vollzogen wurde. Denn die Bildung oder Beibehaltung von Strukturen der Mitarbeitervertretungen richtet sich nach dem speziellen Dienststellenbegriff des MVG.EKD, der auf die rechtliche Zuordnung abstellt.
4. Nichts anderes ergibt sich im vorliegenden Fall aus § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD. Nach dieser Bestimmung gelten "als selbständige Dienststellen im Sinne von § 3 Abs. 1 Dienststellenteile, die durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig oder räumlich weit entfernt vom Sitz des Rechtsträgers sind und bei denen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 MVG.EKD vorliegen, wenn die Mehrheit der Mitarbeiter dies in geheimer Abstimmung beschließt und darüber Einvernehmen mit der Dienststellenleitung herbeigeführt wird".
a) Für die Zeit bis zum Übergang des Altenzentrums D kann unterstellt werden, dass es sich hierbei in Relation zur Dienststelle DW G um einen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD als selbständige Dienststelle geltenden Dienststellenteil gehandelt hat. Indessen besagt dies nichts darüber, ob dies auch im Verhältnis zum neuen Rechtsträger, nämlich der Dienststelle A anzunehmen ist. Wegen des Wechsels des Rechtsträgers muss dies neu geklärt werden.
b) Nach dem Vorbringen der Beteiligten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD hinsichtlich der einen Dienststellenteil darstellenden Einrichtungen des Altenzentrums D im Verhältnis zur Dienststelle A gegeben sind. Von einer räumlich weit entfernten Lage zum Sitz der Dienststelle kann nicht die Rede sein, denn es befinden sich alle Einrichtungen in der politischen Gemeinde, in der die Dienststelle ihren Sitz hat, nämlich in H. Ob die Eigenständigkeit des Altenzentrums D nach Aufgabenbereich und Organisation gegeben ist oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man dies unterstellt, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD nicht vor. Denn es fehlt an dem dort vorausgesetzten Mehrheitsbeschluss der dem Dienststellenteil zugeordneten wahlberechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Dienststellenfiktion. Die betreffenden Mitarbeiter haben vielmehr dadurch geradezu das Gegenteil zum Ausdruck gebracht, dass die von der Heimleitung Altenzentrum D am 14. Dezember 2000 zwecks Bildung einer eigenen Mitarbeitervertretung einberufene Versammlung ohne Ergebnis blieb.
IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 13 VGG.EKD, § 8 BRAGO.