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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:07.03.2002
Aktenzeichen:VerwG.EKD I-0124/F33-01
Rechtsgrundlage:MVG.K § 63 Abs. 9, ArbGG § 83 Abs. 1, ZPO § 256 Abs. 1, VwGO § 43 Abs. 1
Vorinstanzen:Schiedsstelle der Konföderation ev. Kirche in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - 3. Kammer der Kirchen, Az.: 3 K 15/01; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 5/04, S 237; Rechtssprechungsbeilage zum Amtsblatt der EKD 2003, S. 22
Schlagworte:Wegfall des Feststellungsinteresses infolge Umorganisation der MAV-Struktur
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Leitsatz:

1. Eine Sachentscheidung über einen Feststellungsantrag setzt das Feststellungsinteresse noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung voraus.
2. Das Feststellungsinteresse fällt weg, wenn die behauptete Zuständigkeit einer Mitarbeitervertretung eines Mitbetreibers für einen sogenannten "Gemeinschaftsbetrieb" (hier: BGB-Gesellschaft) spätestens dadurch entfallen ist, dass die Mitarbeitervertretungen der Betreiber des "Gemeinschaftsbetriebs" für diese eine eigene Mitarbeitervertretung gebildet haben.

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Dienststelle A wird der Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg - 3. Kammer der Kirchen vom 16. August 2001 - 3 K 15/01 - abgeändert:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert beträgt 8.000,-- €.

Gründe:

I. Die antragstellende Mitarbeitervertretung A beansprucht das (eingeschränkte) Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung von Mitarbeitern für die ambulante Pflege durch Diakoniestationen im Stadtgebiet.
Sie ist bei der Dienststelle A und dem Diakonischen Werk D gebildet. Der Beschwerdeführer hat Ende 1998 eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma „Diakoniestationen gGmbH“ gegründet, die ihrerseits mit ihm einen Kooperationsvertrag vom 29. Juni 2000 abgeschlossen hat. Hiernach wird die ambulante Pflege (künftig) von beiden Vertragspartnern betrieben; stufenweise sollen die Rechte und Pflichten auf die Diakoniestationen gGmbH übertragen werden, so dass die Dienststelle A nicht länger berechtigt und verpflichtet ist. Unter dem 27. August 2001 haben beide einen „Vertrag zur gemeinschaftlichen Betriebsführung“ für den Betrieb von Diakoniestationen geschlossen, wonach u.a. „die ambulante Pflege durch Diakoniestationen in Form einer BGB-Gesellschaft betrieben“ (§ 1 Abs. 1) und beide Parteien „zum gemeinsamen Betrieb ... die Dienste der Beschäftigten zur Verfügung stellen, die bei ihnen jeweils für eine Tätigkeit in den Diakoniestationen angestellt sind“ (§ 1 Abs. 3). Bis Ende des Jahres 2001 war die Dienststelle A alleiniger Gesellschafter der Diakoniestationen gGmbH, seitdem sind das Stift E und das Stift F mit jeweils 20% am Kapital beteiligt.
Seit dem 1. Februar 2001 besteht bei der Diakoniestationen gGmbH eine Mitarbeitervertretung. Sie hat am 5. September 2001 zusammen mit der antragstellenden Mitarbeitervertretung für den Bereich der Diakoniestationen eine „Gesamtmitarbeitervertretung“ gebildet.
Seit dem 1. März 1999 - so die von der Antragstellerin im zweiten Rechtszug in Frage gestellte Feststellung der Schiedsstelle - nimmt die Diakoniestationen gGmbH Einstellungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor. Die Mitarbeitervertretung A ist der Ansicht, weil die Diakoniestationen gemeinsam betrieben werden, sei sie an diesen Einstellungen gemäß § 42 Nr. 1 MVG.K zunächst allein, seit dem 1. Februar 2001 zusammen mit der Mitarbeitervertretung der Diakoniestationen gGmbH zu beteiligen gewesen bzw. noch zu beteiligen. Sie hat in ihrer Antragsschrift vom 14. Juni 2001 unter laufender Nummerierung 99 Personen als in der Zeit vom 1. März 1999 bis zum 15. Juni 2001 eingestellt benannt, hinsichtlich deren Einstellung sie eine solche Beteiligung beansprucht. Hinsichtlich der zu den Nummern 1 bis 9 und zu Nummer 11 genannten Personen hat sie ihr Begehren mit ihrem Schriftsatz vom 16. August 2001 zurückgenommen.
Die Antragstellerin hat beantragt
1. die Schiedsstelle möge feststellen,
a) die Tätigkeit in einer der Diakoniestationen der Antragsgegnerin durch die in der Antragsschrift vom 14. Juni 2001 genannten Personen - mit Ausnahme der in dem Schriftsatz vom 16. August 2001 genannten Personen - bedarf der Zustimmung der Antragstellerin,
b) die Antragstellerin ist vor der Aufnahme der Tätigkeit von Mitarbeiterinnen der Diakoniestationen gGmbH in den Diakoniestationen der Antragsgegnerin nach § 45 Nr. 1 MVG.K i.V.m. § 39 MVG.K beteiligen,
2. den Streitwert des Verfahrens festzusetzen.
Die Dienststelle A hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hält die Antragstellerin für unzuständig.
Die Schlichtungsstelle hat im angefochtenen Beschluss vom 16. August 2001 wie folgt beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass es für die Einstellung der in der Antragsschrift vom 14. Juni 2001 genannten Personen - mit Ausnahme der in dem Schriftsatz vom 16. August 2001 genannten Personen - vor der Bildung einer Mitarbeitervertretung für die Diakoniestationen gGmbH der Zustimmung der Antragstellerin bedurft hätte.
2. Es wird festgestellt, dass es für die Einstellung der übrigen in der Antragsschrift vom 14. Juni 2001 genannten Personen (lfd. Nrn. 80 bis 99) - das gilt auch für zukünftige Einstellungen - der Zustimmung der Antragstellerin bedurfte bzw. bedarf.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Der Beschluss nebst Begründung ist dem Beschwerdeführer am 29. August 2001 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 1. Oktober 2001 Beschwerde eingelegt.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens hebt er hervor, dass die Antragstellerin für die Einstellungen nicht zuständig gewesen sei, weil sie nicht in der Dienststelle der Diakoniestationen gGmbH gebildet sei. Dort und nicht in der Dienststelle der Antragstellerin seien die Einstellungen vorgenommen worden.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Schiedsstelle der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Diakonischen Werke Braunschweig, Hannover und Oldenburg, 3. Kammer der Kirchen vom 16. August 2001 - 3 K 15/01 - aufzuheben und den Antrag abzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt weitere Einzelheiten zur tatsächlichen Entwicklung der „Kooperation“ und deren Rechtsgrundlagen zwischen dem Beschwerdeführer und der Diakoniestationen gGmbH vor.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten in beiden Rechtszügen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Über die Beschwerde war ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss der Kammer zu entscheiden (§ 16 VGG.EKD, § 130a VwGO).
III. Die nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 MVG.K statthafte und auch sonst zulässig Beschwerde ist begründet. Der Antrag war als unzulässig zurückzuweisen. Er ist - auch in Gestalt der Tenorierung im angefochtenen Beschluss - spätestens mit der Bildung der „Gesamtmitarbeitervertretung“ für die Diakoniestationen am 5. September 2001 unzulässig geworden. Es fehlt am hinreichenden Feststellungsinteresse.
1. Die Antragstellerin hat einen Feststellungsantrag gestellt. Über einen Feststellungsantrag kann eine Sachentscheidung nur ergehen, wenn das nötige Feststellungsinteresse besteht. Ob das Feststellungsinteresse besteht, ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Es setzt voraus, dass die begehrte Entscheidung künftig (noch) Rechtsfrieden unter den Beteiligten schaffen kann. Das ist nur der Fall, wenn der begehrten Feststellung auch in Zukunft noch rechtliche Wirkung und Bedeutung zukommt. Daran fehlt es hier. Der Antrag ist allein auf abgeschlossene Sachverhalte in der Vergangenheit gerichtet. Die strukturellen Voraussetzungen, aus denen die Antragstellerin ihre Zuständigkeit für eine Mitbestimmung bei der Einstellung herleitet, liegen nicht (mehr) vor. Für eine Wiederholung des Geschehens, aus dem die antragstellende Mitarbeitervertretung ihre Recht herleiten will, bestehen nicht die geringsten Anhaltspunkte.
2. Nach § 63 Abs. 9 MVG.K i.V.m. der VO des Rates der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über das Verfahren vor der Schiedsstelle (VerfOSchst) vom 16. Dezember 1996 (KABl.Hannover 1996, S. 300) gelten für das Verfahren vor der Schiedsstelle die §§ 80 bis 84 ArbGG mit Ausnahme des § 82 ArbGG (örtliche Zuständigkeit) entsprechend, soweit nicht kirchliche Rechtsvorschriften entgegenstehen. Dies betrifft den ersten Rechtszug.
§ 83 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO setzt für eine Sachentscheidung über einen Feststellungsantrag das Feststellungsinteresse voraus (st. Rspr., statt vieler: BAG Beschluss vom 26. März 1991 - 1 ABR 43/90 - AP BPersVG § 75 Nr. 32). Hier ist schon zweifelhaft, ob hinsichtlich der Feststellung, wie sie noch am 16. August 2001 zu 1.) im angefochtenen Beschluss ausgesprochen worden ist, noch ein Feststellungsinteresse bestanden hat, obwohl bei der Diakoniestationen gGmbH seit dem 1. Februar 2001 eine eigene Mitarbeitervertretung besteht. Doch selbst wenn dies im Hinblick auf den Beschlusstenor zu 2. (noch) bestanden haben sollte, ist es spätestens mit der Bildung der "Gesamtmitarbeitervertretung" für die von der BGB-Gesellschaft betriebenen Diakoniestationen entfallen.
3. Für den zweiten Rechtszug richtet sich das Verfahren gemäß § 16 VGG.EKD nach der VwGO in entsprechender Anwendung. § 43 Abs. 1 VwGO setzt ebenfalls das Feststellungsinteresse voraus.
4. Auch wenn abgeschlossene Sachverhalte Gegenstand des Feststellungsantrags sind, kann ein Feststellungsinteresse (weiter-)bestehen, wenn der Entscheidung materiell-rechtliche Wirkung für die Zukunft zukommt (st. Rspr., statt vieler: BAG Beschluss vom 26. März 1991 - 1 ABR 43/90 - AP BPersVG § 75 Nr. 32). Das hängt vom Umfang der Rechtskraft der Entscheidung ab. Insoweit kommt es primär auf den erstrebten Tenor (Ausspruch) der Feststellungsentscheidung an. Denn die Gründe, die zu der Entscheidung führen, nehmen an der Rechtskraft nicht teil, mögen die Beteiligten sie auch respektieren. Spätestens mit der Bildung der „Gesamtmitarbeitervertretung“ ist das Feststellungsinteresse entfallen. Denn damit hat die antragstellende Mitarbeitervertretung ihrerseits zum Ausdruck gebracht, für die Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gemeinschaftsbetrieb nicht (mehr) zuständig zu sein.
5. Im übrigen wäre der Antrag auch unbegründet gewesen. Die antragstellende Mitarbeitervertretung ist nicht in der Dienststelle der Diakoniestationen gGmbH gebildet worden, sondern - soweit hier von Interesse - für die Dienststelle A. Auch wenn bei der Diakoniestationen gGmbH zunächst keine Mitarbeitervertretung bestanden hat und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Dienststelle A zusammen mit solchen der Diakoniestationen gGmbH eingesetzt werden, begründet dies keine Allein- oder Mitzuständigkeit der antragstellenden Mitarbeitervertretung.
IV. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 8 BRAGO.