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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.02.2003
Aktenzeichen:VerwG.EKD I-0124/G15-02
Rechtsgrundlage:ZPO § 511, VwGO § 125, 173, VGG.EKD § 16, MVG.EKD § 34 Abs. 1
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev.-Luth. Kirche in Bayern und des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Kirche in Bayern e.V., Az.:26/0-6/4-299; Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 5/04, S. 238
Schlagworte:Unzulässigkeit der Beschwerde wegen Austausches des Sachantrags
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Leitsatz:

1. Eine Beschwerde gegen einen Beschluss der Schlichtungsstelle ist unzulässig, wenn mit ihr nicht mehr der dort gestellte Sachantrag, sondern nur ein anderes Sachbegehren verfolgt wird.
2. Der erstinstanzliche Antrag festzustellen, dass mangels Auskunftserteilung eine Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 34 Abs. 1 MVG.EKD vorgelegen hat, und der zweitinstanzlich gestellte Antrag auf Verurteilung zur Erteilung dieser Auskunft stellen zwei verschiedene Anträge und nicht etwa nur den Übergang vom Feststellungs- zum Leistungsantrag dar.

Tenor:

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev.-Luth. Kirche in Bayern und des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Kirche in Bayern e.V. - 26/0-6/4-299 - wird als unzulässig verworfen.
2. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
3. Der Verfahrenswert beträgt 4.000,-- EURO.

Gründe:

I. Die Mitarbeitervertretung (Antragstellerin) sieht ihr Informationsrecht nach § 34 MVG.EKD verletzt und begehrt Auskunft über die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen.
Mit ihrem Schreiben vom 28. Januar 2002 begehrte die Mitarbeitervertretung von der Leiterin der Fachschule für Heilerziehungspflege der Dienststelle A Auskunft über die mutmaßliche Teilnahme von Lehrern an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen außerhalb der gültigen Dienstvereinbarung "Fort- und Weiterbildungsrichtlinien". Die Leiterin teilte ihr im Brief vom 7. Februar 2002 mit, das Schreiben an das für die Fachschule A zuständige Direktoriumsmitglied weitergeleitet zu haben. Dieser teilte mit, im Hinblick darauf, dass die Mitarbeitervertretung "in dieser Angelegenheit" die Schlichtungsstelle angerufen habe und der Schlichtungstermin am 26. Februar 2002 Klarheit bringen solle, sehe er "im Moment weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit, die Fragen der Mitarbeitervertretung zu beantworten".
Nach nochmaliger Aufforderung, die gewünschten Auskünfte zu erteilen, wandte sich die Antragstellerin unter der Bezeichnung "Mitarbeitervertretung A" mit ihrer Antragsschrift vom 13. Februar 2002 an die Schlichtungsstelle; darin gab sie als Antragsgegnerin an: "Diakonie B, Fachschule für Heilerziehungspflege". Sie macht geltend, wegen der Nichterteilung der aus dem Antrag ersichtlichen Auskünfte in ihrem Informationsrecht nach § 34 Abs. 1 MVG.EKD verletzt zu sein, und hat beantragt,
festzustellen, dass die Dienststellenleitung die Informationsrechte der Antragstellerin verletzt habe, weil sie folgende Fragen nicht beantwortet habe:
1. Namen der Lehrkräfte, die mutmaßlich an einer Fort- und Weiterbildungsmaßnahme außerhalb der gültigen Dienstvereinbarung "Fort- und Weiterbildungsrichtlinien" teilnehmen,
2. Titel, Beginn und Ende dieser Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen (der jeweiligen Lehrkraft zugeordnet),
3. Kosten der einzelnen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie der von der jeweiligen Lehrkraft zu tragenden Eigenanteile,
4. sonstige zwischen dem Diakoniewerk B und den betroffenen Lehrkräften getroffene Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit den oben erwähnten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen stehen.
Die Dienststellenleitung Evang.-Luth. Diakoniewerk B hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es gäbe keine "Dienststelle A". Die Mitarbeitervertretung stelle unsubstantiierte Behauptungen auf, die nicht überprüfbar seien, deshalb könne die Dienststellenleitung dazu nicht Stellung nehmen.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag durch ihren am 7. Mai 2002 verkündeten Beschluss mangels Bestimmtheit des Antrags zurückgewiesen.
Gegen diesen am 21. Mai 2002 zur Zustellung gegebenen Beschluss hat die Mitarbeitervertretung am Montag, den 24. Juni 2002 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, sie habe den begründeten Verdacht, dass die Dienststellenleitung unter Missachtung des Mitbestimmungsrechts nach § 39 Buchst. c und d MVG.EKD Entscheidungen über die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen getroffen habe. Sie gründe ihren Verdacht u.a. auf den Sachverhalt, der Gegenstand des Schlichtungsverfahrens 26/0-6/4-281 sei, und darauf, dass die "Dienststellenleiterin" der Fachschule für Heimerziehungspflege in der Sitzung der Mitarbeitervertretung gefragt habe, wie denn mit der Mitbestimmung bei Fort- und Weiterbildungen der Lehrkräfte umzugehen sei. Zudem habe die Dienststellenleitung die Frage, ob die Antragstellerin nach § 39 Buchst. c und d MVG.EKD zu beteiligen sei, verneint.
Die Beschwerdeführerin beantragt, unter Abänderung des Beschlusses der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Bayern und des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche in Bayern - 26/0-6/4- 299 -
festzustellen, dass die Dienststellenleitung
1. Namen der Lehrkräfte, die mutmaßlich an einer Fort- und Weiterbildungsmaßnahme außerhalb der gültigen Dienstvereinbarung "Fort- und Weiterbildungsrichtlinien" teilnehmen,
2. Titel, Beginn und Ende dieser Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen (der jeweiligen Lehrkraft zugeordnet),
3. Kosten der einzelnen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie der von der jeweiligen Lehrkraft zu tragenden Eigenanteile,
4. sonstige zwischen dem Diakoniewerk B und den betroffenen Lehrkräften getroffene Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit den oben erwähnten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen stehen,
der Antragstellerin bekannt zu geben hat.
Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie meint, die Antragstellerin habe mangels "Rechtspersönlichkeit" die Beschwerde nicht einlegen können. Der Antrag der Beschwerdeführerin sei zu unbestimmt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die in beiden Rechtszügen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
II. Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Erhebung der Beschwerde und die Einreichung des Antrags durch die beteiligte Mitarbeitervertretung "A" begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
a) Die Antragstellerin tritt vorliegend unter einer ihre Existenz und Zuständigkeit umschreibenden, allerdings die Zugehörigkeit zur Einrichtung selbst - Evang.-Luth. Diakoniewerk B - nicht wiedergebenden Bezeichnung auf. Eine eindeutigere Bezeichnung ergibt sich auch nicht aus den Wahlunterlagen für ihre im Jahr 1999 durchgeführte Wahl. Der Wahlvorstand ist darin als "Wahlvorstand für die Mitarbeitervertretungswahl 1999 in A" aufgetreten. Der Wahlvorschlag trägt die Bezeichnung "Gesamtvorschlag zur Wahl der Mitarbeitervertretung für die Dienststellen: A, Fachschule für Heilerziehungspflege, WfB A". Ob für diese Teile des Evang.-Luth. Diakoniewerkes B zu Recht eine gesonderte Mitarbeitervertretung gewählt werden durfte oder ob insoweit der Begriff der Dienststelle (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 MVG.EKD) verkannt worden ist, war vorliegend nicht zu prüfen. Die Verkennung des Dienststellenbegriffs kann zwar die Anfechtung einer Mitarbeitervertretungswahl begründen, sie hat jedoch nicht die Nichtigkeit einer solchen Wahl zur Folge. Wird eine u.U. anfechtbare Wahl nicht angefochten, so ist sie wirksam. Vorliegend ist die Wahl nicht angefochten worden. Von daher ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin für die bezeichneten Teile des Evang.-Luth. Diakoniewerks B, deren Mitarbeiter zusammen eine einheitliche Mitarbeitervertretung gewählt haben, zumindest für die derzeitige Amtszeit nach § 3 Abs. 2 MVG.EKD zuständig ist.
b) Entgegen der Ansicht der Dienststellenleitung begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Antragstellerin unter der Sammelbezeichnung "Mitarbeitervertretung A" unter Angabe der Person auftritt, die den Vorsitz führt, und nicht unter Angabe der Namen aller ihrer Mitglieder. Die Angabe der Namen (und Anschriften) aller Mitglieder einer Mitarbeitervertretung ist solange erforderlich, als sich diese Mitarbeitervertretung nicht konstituiert hat. Die Konstituierung hat zu unterbleiben, wenn die Wahl der Mitarbeitervertretung angefochten worden ist, denn die Wahlanfechtung hat aufschiebende Wirkung (§ 14 Abs. 1 MVG.EKD). In der Regel konstituiert sich eine Mitarbeitervertretung auf Einladung des Wahlvorstandes unmittelbar nach der Wahl; sie entscheidet dann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD über den Vorsitz. Der oder die Vorsitzende führt die laufenden Geschäfte und vertritt die Mitarbeitervertretung im Rahmen der von ihr gefassten Beschlüsse (§ 23 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD). Darauf, ob die Mitarbeitervertretung eine "Rechtsperson" ist, kommt es entgegen der Annahme der Beteiligten nicht an. In Verfahren über Streitigkeiten aus dem MVG.EKD ist die Mitarbeitervertretung antrags- und beteiligungsfähig und wird, sobald sie konstituiert ist, auch in solchen Verfahren durch den oder die Vorsitzende vertreten. Dorthin sind auch gerichtliche Zustellungen zu richten.
2. Die Antragstellerin hatte den Antrag gegen "Diakonie B Fachschule für Heilerziehungspflege", gerichtet. Dies bedurfte der Auslegung, denn es ist auf den ersten Blick unklar, ob sich der Antrag gegen die Dienststellenleitung Evang.-Luth. Diakoniewerk B richtet, weil von "Diakonie B" die Rede ist, oder ob sie sich gegen den Dienststellenteil "Fachschule für Heilerziehungspflege" richtet, weil die hierfür zutreffende Kurzbezeichnung und die dazugehörige Anschrift genannt werden. Zu Recht hat die Schlichtungsstelle erkannt, dass sich der Antrag gegen die von ihr als "Hauptverwaltung" bezeichnete Leitung der (Haupt-)Dienststelle Evang.-Luth. Diakoniewerk B richtet und nicht gegen die Leitung der dem genannten Diakoniewerk angehörenden Fachschule für Heilerziehungspflege.
3. Die Beschwerde ist jedoch nach § 16 VGG.EKD, § 125, § 173 VwGO, § 511 ZPO unter dem rechtlichen Gesichtspunkt unzulässig, dass die Beschwerdeführerin mit ihr nicht die Beschwer beseitigen will, die ihr durch den angefochtenen Beschluss auferlegt worden ist, sondern nur noch einen in erster Instanz nicht gestellten neuen Antrag verfolgt.
a) Eine Berufung - im MVG.EKD "Beschwerde" genannt (Gehring, ZMV-Sonderheft Tagung 1998, S. 43, 45) - ist nur zulässig, wenn mit ihr die Beseitigung der in der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer verfolgt wird. Das in der Vorinstanz abgewiesene Sachbegehren muss hierzu wenigstens teilweise weiterverfolgt werden. Stellt die Beschwerde die Richtigkeit der erstinstanzlichen Abweisung des Sachantrags überhaupt nicht in Frage, so ist sie unzulässig, auch wenn der neue Sachantrag mit dem bisherige Sachbegehren zusammenhängt. Ohne Weiterverfolgung mindestens eines Teiles des erstinstanzlich erfolglos gebliebenen Klageanspruchs kommt auch keine Änderung oder Erweiterung der Klage in Betracht, weil das eine wie das andere eine zulässige Berufung bzw. - hier - Beschwerde voraussetzt (vgl. BGH 25. November 1992 - XII ZR 116/91 - NJW 1993, 597, 598 unter 2a d.Gr. m.w.N.; Musielak, vor § 511 ZPO Rn. 19). Anders verhält es sich dagegen, wenn derselbe, zunächst im Wege des bloßen vergangenheitsbezogenen Feststellungs- oder Auskunftsantrag mit der Beschwerde (Berufung) auf denselben Zeitraum und Lebenssachverhalt gerichtete Leistungsantrag weiterverfolgt wird, weil inzwischen eine Bezifferung des Schadens und damit die Klage auf Leistung von Schadenersatz möglich bzw. die ursprünglich erforderliche Auskunft nicht mehr nötig war, sondern die inzwischen eingetretenen Kenntnisstände die Leistungsklage ermöglichten (BGH 26. Mai 1994 - III ZB 17/94 - NJW 1994, 2098, 2099; BGH 8. Juni 1994 - VIII ZR 178/93 - NJW 1994, 2896, 2897).
b) Hier verfolgt die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht mehr ihren erstinstanzlichen Antrag. Die Antragstellerin hat im ersten Rechtzug einen nur auf die Vergangenheit gerichteten Feststellungsantrag gestellt, nämlich den, festzustellen, dass die Dienststellenleitung ihr Unterrichtungsrecht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD durch die Nichterteilung von Auskünften über die Teilnahme von Lehrern an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen verletzt habe. Damit hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Unterrichtung geltend gemacht, sondern eine Rechtsverletzung durch die Dienststellenleitung für die Vergangenheit moniert. Die Abweisung dieses Antrags hat die Antragstellerin beschwert. Er ist als unzulässig, da zu unbestimmt, abgewiesen worden. Diese Beschwer will sie nicht beseitigen. Sie verfolgt den Antrag im zweiten Rechtszug nicht weiter. Vielmehr wechselt sie den Streitgegenstand, indem sie mit der Beschwerde nunmehr die Feststellung begehrt, dass die Dienststellenleitung ihr Namen und Tatsachen über die Teilnahme von Lehrkräften an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu erteilen habe. Dieser Unterrichtungsanspruch ist zudem erkennbar nicht auf die Vergangenheit (Perfekt: "verletzt hat"), sondern auf die Gegenwart (Präsens: "teilnehmen") gerichtet.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 13 Abs. 2 VGG.EKD, § 8 BRAGO.