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Kirchengericht:Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:28.04.2003
Aktenzeichen:VerwG.EKD I-0124/G32-02
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 21 Abs. 1, § 42 Buchst. f , § 60 Abs. 2, 6
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Ev. Kirche von Westfalen in Münster - 2. Kammer, Az.: 2 M 98/02, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 1/04, S. 35
Schlagworte:Beschwerde über den Verfahrenswert
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Leitsatz:

Der Antrag der Mitarbeitervertretung, der Dienststelle die außergerichtlichen Kosten für den Beistand der Mitarbeitervertretung im zweiten Rechtszug aufzuerlegen, kann mangels Rechtsgrundlage nicht als prozessualer Kostenantrag verfolgt werden, sondern nur als materiell-rechtlichen Antrag nach § 30 Abs. 2 MVG.EKD.
Hinweis: Vorangegangenes Eilverfahren: VerwG.EKD I-0124/G29-02 vom 16. Dezember 2002
Vgl. zum Begriff der Versetzung: VerwG.EKD 19. Februar 1998 - 0124/B27-97

Tenor:

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen in Münster - 2. Kammer - vom 11. November 2002 - 2 M 98/02 - wird zurückgewiesen.
2. Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I. Die antragstellende Dienststellenleitung führt eine diakonische Einrichtung. Vorsitzender der dortigen Mitarbeitervertretung ist Herr C. Er ist zur Hälfte freigestellt. Ihm war bisher das Arbeitsgebiet "Erzieherische Hilfen/Erziehungshilfen" im Evangelischen Gemeindedienst übertragen. Die Dienststellenleitung teilte der beteiligten Mitarbeitervertretung mit, sie beabsichtige, Herrn C mit Wirkung vom 16. Dezember 2002 eine Aufgabe in der im selben Gebäude befindlichen Psychologischen Beratungsstelle zu übertragen. Die Mitarbeitervertretung hat geltend gemacht, die geplante Maßnahme bedürfe ihrer vorherigen Zustimmung, weil sie eine Versetzung i.S.d. § 21 Abs. 1 MVG.EKD sei.
Dem Antrag der Dienststellenleitung,
festzustellen, dass die auf Dauer angelegte Übertragung einer anderen Beschäftigung auf Herrn C im Psychologischen Dienst keine mitbestimmungspflichtige Versetzung i.S.d. § 21 Abs. 1 MVG.EKD darstellt,
hat die Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz durch Beschluss vom 11. November 2002 - 2 M 98/02 - stattgegeben. Darauf teilte die Antragstellerin Herrn C mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 mit, sie setze ihn mit Wirkung vom 16. Dezember 2002 in den Psychologischen Dienst um.
Gegen diesen ihr am 26. November 2002 zugestellten Beschluss hat die Mitarbeitervertretung am 20. Dezember 2002 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, sie sei aus einer gemeinsamen Wahl aller "Dienststellen" hervorgegangen. Jede der zehn "Dienststellen" habe in der aus 11 Mitgliedern bestehenden Mitarbeitervertretung Sitz und Stimme. Dies sei für die Bildung der einheitlichen Mitarbeitervertretung entscheidend gewesen. Dem Vertretungsinteresse gerade der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Ev. Gemeindedienst laufe die in Rede stehende "Versetzung" zuwider. Für sie bestehe auch weder fachlich noch wirtschaftlich Bedarf. Eine Versetzung in den Psychologischen Dienst sei stellenplanmäßig ohnehin nur bis zum November 2003 möglich, weil dann die Stelle wieder von einem zur Zeit beurlaubten Mitarbeiter besetzt werde.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag der Dienststellenleitung zurückzuweisen sowie der Dienststelle die außergerichtlichen Kosten für den Beistand der Mitarbeitervertretung aufzuerlegen.
Die Dienststellenleitung beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
II. Die nach § 63 Buchst. a MVG.EKD statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Schlichtungsstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung erkannt, dass die auf Dauer angelegte Übertragung einer anderen Beschäftigung des Herrn C im Psychologischen Dienst keine mitbestimmungspflichtige Versetzung i.S.d. § 21 Abs. 1 MVG.EKD darstellt.
a) Nach § 21 Abs. 1 MVG.EKD dürfen die Mitglieder der Mitarbeitervertretung ohne ihre Zustimmung nur abgeordnet oder versetzt werden, wenn dies aus wichtigen Gründen unvermeidbar ist und die Mitarbeitervertretung zustimmt. Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Um eine Abordnung handelt es sich nicht. Es liegt aber auch der Tatbestand der Versetzung nicht vor. Zwar hat die Dienststellenleitung dem Mitglied der Mitarbeitervertretung, Herrn C, auf Dauer eine andere Aufgabe in einem anderen Aufgabenbereich, nämlich im Psychologischen Dienst, zugewiesen. Dies erfüllt jedoch nicht den Tatbestand der Versetzung, denn dies ist nicht mit einem Wechsel der Dienststelle verbunden. Die auf Dauer angelegte Übertragung einer anderen Aufgabe bzw. Beschäftigung stellt nur dann eine Versetzung dar, wenn die Tätigkeit in einer anderen Dienststelle auszuüben ist (VerwG.EKD v. 19. Februar 1998 - 0124/B27-97 - ZMV 1998, 238, 239). Mit diesem Inhalt wird der Begriff der Versetzung auch an anderer Stelle im MVG.EKD verwendet, nämlich in § 42 Buchst. g MVG.EKD ("Versetzung oder Abordnung zu einer anderen Dienststelle"). Dieses Verständnis des Begriffs der Dienststelle entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 21 Abs. 1 MVG.EKD. Durch diese Bestimmung soll verhindert werden, dass die Mitgliedschaft des Mitarbeiters in der Mitarbeitervertretung der Dienststelle durch eine vom Arbeitgeber veranlasste Versetzung unterlaufen wird, indem der Mitarbeiter infolge einer Versetzung einer anderen Dienststelle angehört und er dadurch aus der Mitarbeitervertretung seiner bisherigen Dienststelle ausscheidet.
Zum Begriff der Versetzung i.S. des MVG.EKD gehört auch nach dem Schrifttum der Wechsel der Dienststelle (vgl. Bach/Doering/Grote u.a. § 42 MVG.RWL Rn. 8.1; Rehren in Fey/Rehren, § 21 MVG.EKD Rn. 5; Baumann-Czichon/Germer, MVG.Kon § 22 Rn. 2; a.A. dieselben unter Hinweis auf den betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 BetrVG in MVG.EKD § 21 Rn. 2). Auf den Begriff der Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG, der nicht auf eine Dienststelle abstellt, sondern auf den Wechsel des Arbeitsbereichs mit einer Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat oder auf den Wechsel der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, kommt es nicht an, weil der dortige Begriff Geltung nur für das Betriebsverfassungsgesetz beansprucht.
b) Die Schlichtungsstelle hat den Begriff der Dienststelle i.S. des MVG.EKD richtig erkannt und ihn aufgrund des ihr unterbreiteten Sachverhaltes richtig angewendet.
Die Beschwerdeführerin führt in der Beschwerde erstmals aus, es gäbe zehn "Dienststellen" mit "800" Mitarbeitern (Schriftsatz vom 20. Dezember 2002) und sodann "zwölf Einrichtungen/Dienststellen" mit "über 600 Mitarbeitern" (Schriftsatz vom 7. März 2003) innerhalb der diakonischen Einrichtung, die von der Antragstellerin geleitet wird.
Diese - zudem in sich widersprüchlichen - Darstellungen verkennen den Dienststellenbegriff des § 3 Abs. 1 MVG.EKD. Nach § 3 Abs. 1 MVG.EKD sind Dienststellen im Sinne dieses Kirchengesetzes die rechtlich selbständigen Körperschaften, Anstalten, Einrichtungen und Werke sowie die Einrichtungen der Diakonie der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dieser Begriff gilt auch für die Evangelische Kirche von Westfalen und ihre Diakonie; er ist in deren Einführungsgesetz zum Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen der EKD nicht geändert worden. Hiervon ausgehend ist die ganze von der Antragstellerin geleitete Einrichtung mit allen ihren Teilen eine einzige Dienststelle. Denn sie ist insgesamt als ein einziger eingetragener Verein verfasst. Dementsprechend ist für diese Dienststelle i.S.d. § 3 MVG.EKD auch eine einheitliche Mitarbeitervertretung, nämlich die Beschwerdeführerin, gewählt worden.
c) Wenn in der Vergangenheit für Einrichtungsteile eigene Mitarbeitervertretungen gewählt worden sind, so mag dies entweder auf einer Verkennung des Begriffs der Dienststelle beruhen oder auf einer stillschweigenden oder ausdrücklichen Anwendung des § 3 Abs. 3 MVG.EKD. Dies mag jedoch dahinstehen. Für die gegenwärtig bestehende Struktur der Dienststelle und der diese Struktur widerspiegelnde Mitarbeitervertretung sind die Handhabungen in der Vergangenheit rechtlich unerheblich. Ob gem. § 3 Abs. 2 MVG.EKD für Dienststellenteile gesondert Mitarbeitervertretungen errichtet werden können und diese dann gem. § 6 Abs. 1 MVG.EKD eine Gesamtmitarbeitervertretung zu bilden haben, ist für den Dienststellenbegriff i.S.d. § 3 Abs. 1 MVG.EKD rechtlich ebenso ohne Bedeutung wie die Möglichkeit der Bildung einer Gemeinsamen Mitarbeitervertretung auf der Grundlage des § 5 MVG.EKD. Entscheidend ist, dass derzeit für die einzige Dienststelle nur eine einzige Mitarbeitervertretung gebildet worden ist. Soweit bei der Wahl der Beschwerdeführerin der Dienststellenbegriff verkannt worden ist, ist dies mangels (rechtzeitiger) Anfechtung der Wahl gem. § 14 MVG.EKD unerheblich.
d) Hiervon ausgehend, erweist sich die angefochtene Entscheidung auch unter Berücksichtigung der neuen Tatsachenbehauptungen der Beschwerdeführerin als richtig. Die Zuweisung der neuen Aufgabe stellt keine Versetzung i.S. des § 21 Abs. 1 MVG.EKD dar. Für Herrn C ist damit weder ein Wechsel der Dienststelle noch ein Ausscheiden aus der Mitarbeitervertretung verbunden.
2) Es liegt auch kein Fall der Mitbestimmung nach § 42 Buchst. f MVG.EKD vor. Hiernach besteht ein Mitbestimmungsrecht bei einer Umsetzung innerhalb der Dienststelle unter gleichzeitigem Ortswechsel. Diese Bestimmung dient nicht dem Amtsschutz des Mitgliedes der Mitarbeitervertretung, sondern dem Schutz jedes Mitarbeiters. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor. Es fehlt an einem Ortswechsel, gleichgültig, ob man unter Ortswechsel den Wechsel des Arbeitsortes innerhalb einer politischen Gemeinde versteht oder diesen Begriff dahingehend versteht, dass es sich um einen Wechsel des Einzugsgebietes handelt (vgl. Kleingünther in Fey/Rehren, § 42 MVG.EKD Rn. 53). Denn die bisherige wie die neue Aufgabe sind innerhalb derselben politischen Gemeinde, hier sogar im selben Gebäude auszuführen.
3) Auf die sonstigen Umstände, wie sie von der Mitarbeitervertretung angeführt werden, kommt es im vorliegenden Verfahren aus rechtlichen Gründen nicht an. Der Umstand, dass die aus elf Mitgliedern bestehende Beschwerdeführerin so zusammengesetzt worden ist, dass alle zehn Teile der Dienststelle sich darin wiederfanden, hindert, einem Mitglied der Mitarbeitervertretung innerhalb der Dienststelle eine andere Aufgabe zuzuweisen, ebenso wenig wie der Umstand, dass der Mitarbeiter, der diese Aufgabe bisher auszuüben hatte, nach einem Jahr aus der Elternzeit zurückkehrt. Die Rückkehr aus der Elternzeit hat nicht zwingend zur Folge, dass ihm wieder dieselbe Aufgabe zugewiesen werden muss.
4) Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet als es um den erstmals im zweiten Rechtszug gestellten Antrag, der Dienststelle die außergerichtlichen Kosten für den Beistand der Mitarbeitervertretung aufzuerlegen, geht. Dieses die Vertretung im zweiten Rechtszug betreffende Begehren kann mangels Rechtsgrundlage nicht als prozessualer Kostenantrag verfolgt werden, sondern nur als materiell-rechtlicher Antrag nach § 30 Abs. 2 MVG.EKD. Dieses materiell-rechtliche Begehren hat die Mitarbeitervertretung zunächst gegenüber der Dienststellenleitung geltend zu machen. Bleibt dies erfolglos, so kann sie ihr Begehren im Wege des mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens (§ 30 Abs. 6 MVG.EKD) weiter verfolgen.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 13 VGG.EKD, § 8 Abs. 2 BRAGO.