.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:05.08.2004
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/H35-03
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 63 Abs. 1 (i.d.F. ab 1. Janur 2004), ArbGG § 81 , ZPO § 256
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden, Az.: 2 Sch 66/02
Schlagworte:Feststellungsinteresse für Rechtsfehlerhaftigkeit eines abgeschlossenen Sachverhaltes
#

Leitsatz:

1. Auch nach dem nach § 63 Abs. 7 ab 1. Januar 2004 anzuwendenden Verfahrensrecht - arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren - setzt der Antrag auf Feststellung, dass eine bestimmte Unterrichtung der Mitarbeitervertretung unzulänglich ("verspätet") erfolgt sei, ein entsprechendes Feststellungsinteresse voraus (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD n.F., § 81 ArbGG, § 256 ZPO).
2. Bezieht sich ein solcher Feststellungsantrag allein auf einen in der Vergangenheit liegender Sachverhalt, so liegt ein Feststellungsinteresse nur vor, wenn aus der begehrten Feststellung eine rechtliche Befriedungswirkung für die Zukunft folgt.
3. Um eine rechtliche Befriedungswirkung für die Zukunft zu erzeugen, muss nicht nur eine konkrete Wiederholungsgefahr bestehen, sondern die begehrte Feststellung selbst muss aufgrund ihrer Rechtskraft die Befriedungswirkung erzeugen. Die Gründe für die Rechtsfehlerhaftigkeit nehmen an der Rechtskraft der begehrten Feststellung nicht teil.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Baden vom 1. Oktober 2003 - 2 Sch 66/2002 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung (Antragstellerin) rechtzeitig und umfassend über die Beauftragung der Firma D im Zusammenhang mit der Erstellung eines Konzeptes zur Optimierung der Postverteilung unterrichtet hat.
Die Dienststellenleitung hat seit März 2001 (so die Mitarbeitervertretung in ihrer Antragsschrift vom 21. August 2002) oder ab 1. Juni 2001 (so die Mitarbeitervertretung in ihrem Schriftsatz vom 28. Februar 2003) die Beratungsfirma D mit Organisationsuntersuchungen im von der Dienststellenleitung geleiteten Einrichtung beauftragt. Zur Zeit dieser Auftragserteilung bestand dort keine Mitarbeitervertretung. Nachdem wieder eine Mitarbeitervertretung gebildet worden war - deren konstituierende Sitzung fand am 7. August 2001 statt -, begehrte diese von der Dienststellenleitung Auskunft über alle in der Einrichrtung tätigen fremden Personen und fremden Unternehmen. Die Dienststellenleitung erteilte die Auskunft aufgrund eines Vergleichs u.a. wegen desselben Gegenstandes zwischen den Beteiligten auf Antrag der Mitarbeitervertretung betriebenen Schlichtungsverfahren (1 Sch 22/2002). Das Verfahren endete in der mündlichen Verhandlung am 13. Mai 2002 mit einem Vergleich, der auszugsweise wie folgt lautet:
"1. .....
2. Bezüglich der ... und der Fremdfirmen gibt die Antragsgegnerin [s.c. Dienststellenleitung] der Antragstellerin [s.c. Mitarbeitervertretung] folgende Informationen:
a) ....
b) Fremdfirmen:
Kopie des Vertrages, Mitteilung des internen Mitarbeiters, dem das Kontroll- bzw. Weisungsrecht zusteht. Falls festgelegt, Anzahl der Mitarbeiter, die von der Fremdfirma gestellt werden.
3. ....
4. Die in Ziff. 2 genannten Informationen sind innerhalb folgender Fristen zu erteilen:
- Verträge, die ab dem 01.08.2001 abgeschlossen wurden, bis zum 03.06.02,
- die davor abgeschlossenen Verträge bis spätestens zum 01.09.02.
5. ....."
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Vergleichsniederschrift und den Inhalt der genannten Akte 1 Sch 22/2002 Bezug genommen.
Die Dienststellenleitung unterrichtete die Mitarbeitervertretung am 1. September 2002 über den mit der Fremdfirma D abgeschlossenen Beratervertrag und legte diesen vor.
Bereits unter dem 23. Juli 2002 teilte die Dienststellenleitung der Mitarbeitervertretung mit:
"Optimierungsvorschlag Postverteilung
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr ...,
in obiger Angelegenheit hat sich die Firma D im Rahmen ihrer Tätigkeit im Haus auch die Postverteilungsvarianten, die in beiden Häusern herrschen, angesehen und ist zu beiliegendem Vorschlag gekommen.
Im Moment wird unsererseits geprüft, wie die technische Umsetzung dieses Vorschlages von statten gehen könnte. Wir bitten diese Vorabinformation als Information im Sinne von § 34 MVG zu sehen.
Wenn Sie weitere Informationen benötigen, steht Ihnen Herr E gerne zur Verfügung. Bezüglich der Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens werden wir nach Prüfung der Umsetzungsmöglichkeiten auf Sie zukommen."
Mit Schreiben vom 12. August 2002 beantragt die Dienststellenleitung bei der Mitarbeitervertretung vergeblich die Zustimmung zur Umsetzung der Optimierungsmaßnahme für die Postverteilung. Sie beantragte bei der Schlichtungsstelle, die fehlende Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu dieser Maßnahme zu ersetzen, nahm den Antrag indessen wieder zurück, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Vorschlag der Firma D nicht gut durchführbar war.
Andererseits leitete die Mitarbeitervertretung mit ihrer Antragsschrift vom 21. August 2002, bei der Schlichtungsstelle eingegangen am 23. August 2002, das vorliegende Beschlussverfahren mit dem angekündigten Antrag ein, festzustellen, dass die Dienststellenleitung "das Beratungsunternehmen D seit März 2001 im Unternehmen beauftragt, ohne die Informations- und Mitbestimmungsrechte der Antragstellerin rechtzeitig, d.h. vorher, gem. §§ 34, 40, 41 MVG, durchzuführen."
Sie hat darin vorgetragen, die Firma D sei nicht nur ein Consulting-Unternehmen, sondern auch eine reine Beratungsfirma, die u.a. eine Arbeitsplatzanalyse für den Postbereich durchgeführt habe. Die Schaffung dieser Ist-Analyse verletze die Rechte der Mitarbeitervertretung. Das Feststellungsinteresse für den Antrag der Mitarbeitervertretung folge aus der missglückten Fassung des Gesetzes. Nach dem Wechsel ihres Verfahrensbevollmächtigten setzt die Mitarbeitervertretung das Schlichtungsverfahren mit anderem Antrag fort. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen der Mitarbeitervertretung vom 21. August 2002, 12. Dezem­ber 2002 und vom 28. Februar 2003 Bezug genommen.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass die Unterrichtung der Antragstellerin (MAV) über die Beauftragung der Firma D im Zusammenhang mit der Optimierung der Postverteilung weder rechtzeitig und umfassend noch frühzeitig während der Vorbereitung der Entscheidung erfolgt ist.
Die Dienststellenleitung hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, der Einsatz der Firma D habe zunächst nur in der Zielsetzung, Abgrenzung der Aufgabe hierzu und in der Suche nach der "idealen" Lösung bestanden. Diese drei ersten von insgesamt sechs Stufen der Systemgestaltung nach dem REFA-Standardprogramm fielen nicht unter § 34 Abs. 1 MVG.EKD. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen der Dienststellenleitung vom 12. September 2002 und vom 15. Mai 2003 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle (Kirchengericht) hat den Antrag durch ihren Beschluss vom 1. Oktober 2003 zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 2. Februar 2004 zugestellten Beschluss hat die Mitarbeitervertretung am 15. Oktober 2003 und nochmals am 20. Februar 2004 (Schriftsatz vom 19. Februar 2004) Beschwerde eingelegt und in demselben Schriftsatz Ausführungen zur Begründung der Beschwerde gemacht.
Die Mitarbeitervertretung meint, die Schlichtungsstelle habe den wesentlichen Inhalt von § 34 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD verkannt. Die Mitarbeitervertretung hätte bereits kurz nach ihrer konstituierenden Sitzung über das Projekt informiert werden müssen und nicht erst 13 Monate nach der Erteilung des Auftrags der Dienststellenleitung an die Firma D. Ob die Dienststellenleitung § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD beachtet habe, indem sie der Mitarbeitervertretung den "ersten, (?)" konkreten Optimierungsvorschlag der Firma D vom 11. Juli 2002 bekannt gegeben habe, könne dahinstehen. Die Dienststellenleitung hätte die Mitarbeitervertretung bereits früher an den Planungen beteiligen müssen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Beschwerbegründungsschrift Bezug genommen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den Beschluss der Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Baden vom 1. Oktober 2003 - 2 Sch 66/2002 - abzuändern und festzustellen, dass die Unterrichtung der Antstellerin im Juli 2002 über die Beauftragung der Firma D im Zusammenhang mit der Optimierung der Postverteilung verspätet erfolgte.
Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hebt hervor, sich hinsichtlich der Information der Mitarbeitervertretung über die Erteilung des Beratungsauftrags an den Vergleich im Verfahren 1 Sch 22/2002 gehalten zu haben. Die Information der Mitarbeitervertretung über den Vorschlag der Firma D zur Optimierung der Postverteilung vom 11. Juli 2002 sei unverzüglich, nämlich mit Schreiben vom 23. Juli 2002 erfolgt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebeantwortungsschrift vom 22. März 2004 Bezug genommen.
Die Akte des Schlichtungsverfahrens der Beteiligten vor der Schlichtungsstelle in den Verfahren 1 Sch 22/2002 wurde beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemacht.
II. Die Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde hat sich nach den Bestimmungen des MVG.EKD in der Fassung zu richten, die zur Zeit der Einlegung und Begründung der Beschwerde gegolten hat. Die Neufassung der Bestimmungen über die Beschwerde im MVG.EKD durch Art. 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl.EKD S. 408), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (Art. 8 § 2 Abs. 1), sind nicht anzuwenden. Vielmehr setzt die Statthaftigkeit der Beschwerde voraus, dass die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 MVG.EKD (a.F.) gegeben sind, denn die Beschwerde ist am 15. Oktober 2003 und damit noch vor Inkrafttreten des vorstehend genannten Gesetzes eingelegt worden; für sie lief nach dem damaligen Rechtsstand keine gesetzliche Begründungsfrist. Die erneute Einlegung der Beschwerde am 20. Februar 2004 ist verfahrensrechtlich ohne Bedeutung.
2. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 Buchst. b MVG.EKD (a.F.) statthaft. Die Mitarbeitervertretung (Beschwerdeführerin) macht geltend, in ihrem Recht auf Beteiligung nach § 34 Abs. 1 MVG.EKD in der Angelegenheit "Vorschlag zu Optimierung der Postverteilung" dadurch verletzt zu sein, dass die Dienststellenleitung sie zu spät informiert und beteiligt habe.
3. Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Beschwerde sind gewahrt.
III. Die Beschwerde ist indessen nicht begründet. Es fehlt für die begehrte, auf den der Vergangenheit angehörenden Einzelfall "Vorschlag zu Optimierung der Postverteilung" bezogene Feststellung das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO, § 81 ArbGG, § 63 Abs. 7 MVG.EKD n.F.).
1. Für das Verfahren vor dem Kirchengerichtshof ist ab 1. Januar 2004 § 63 Abs. 7 MVG.EKD n.F. anzuwenden; hiernach finden die Vorschriften über das Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung, soweit kirchengesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. § 63 Abs. 7 MVG.EKD ist durch Art. 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl.EKD S. 408) eingeführt worden und am 1. Januar 2004 in Kraft getreten (Art. 8 § 2 Abs. 1).
2. Gleichermaßen wie im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren setzt auch der Feststellungsantrag im vorliegenden Beschwerdeverfahren voraus, dass für den Feststellungsantrag ein hinreichendes rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses gegeben ist. Daran fehlt es, wenn der Antrag nur noch vergangenheitsbezogen gestellt wird und aus der Entscheidung über ihn keine befriedende Wirkung für die Zukunft zu erwarten ist (vgl. BAG 23. Juli 1996 - 1 ABR 17/96 NZA 1997, 216).
3. Eine solche Konstellation liegt hier vor. Der Antrag ist allein auf die Feststellung gerichtet, dass die Unterrichtung der Mitarbeitervertretung über die Beauftragung der Firma D im Zusammenhang mit der Optimierung der Postverteilung verspätet erfolgt sei. Mit der Rechtskraft einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung wird für die Zukunft kein Rechtsfrieden unter den Beteiligten hergestellt, sondern lediglich die Vergangenheit geklärt, ohne dass sich aus einer solchen Feststellung rechtlich bindende Folgen für die Zukunft ergeben. Die Feststellungen, aus denen die angebliche Fehlerhaftigkeit des Informationsverhaltens der Dienststellenleitung folgen soll, nehmen an der Rechtskraft nicht teil, sondern stellen nur Begründungselemente dar.
4. Der Sachantrag lässt sich aber auch nicht dahingehend auslegen, dass mit ihm die Feststellung begehrt wird, wann und wie die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung künftig in den Fällen gem. § 34 Abs. 1 MVG.EKD zu unterrichten hat, in denen sich die Dienststellenleitung eines Dritten zwecks Organisationsberatung bedient. Selbst wenn man zu Gunsten der Mitarbeitervertretung unterstellte, eben ein solches Verfahrensziel mit dem nur auf die Vergangenheit gerichteten Antrag zu verfolgen, müsste der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben. Denn die Unterrichtungspflicht des § 34 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD setzt auch hinsichtlich konkreter Planungsaufgaben - Optimierung der Postverteilung - im Rahmen der (hier angewendeten?) REFA-Methode der Systemgestaltung erst ein, wenn die ersten drei Stufen durchlaufen sind. Daran ändert auch § 34 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD nichts, mit dem die Rechtzeitigkeit und Unterrichtungspflicht des Satzes 1 derselben Bestimmung konkretisiert wird. Die dort angesprochenen Planungen setzen erst nach der Ist-Analyse ein, denn sie bauen auf eben einer solchen Analyse auf. Der Hinweis darauf, dass die Dienststellenleitung die Mitarbeitervertretung erst am letzten Tag der im Vergleich vom 13. Mai 2002 vereinbarten Frist über den Beratungsvertrag mit der Firma D unterrichtet habe, ist unbehelflich.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.d.F. vom 6. November 2004, § 12 Abs. 5 ArbGG).