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Kirchengericht: | Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 05.08.2004 |
Aktenzeichen: | KGH.EKD I-0124/H37-03 |
Rechtsgrundlage: | MVG.EKD § 38 Abs. 3, § 63 Abs. 7 (i.d.F. ab 1. Januar 2004), ArbGG § 81 , ZPO § 256 |
Vorinstanzen: | Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden, Az.: 2 Sch 94/02 |
Schlagworte: | Feststellungsinteresse für Rechtsfehlerhaftigkeit eines abgeschlossenen Sachverhaltes |
Leitsatz:
Es fehlt regelmäßig an einem Feststellungsinteresse für die Feststellung, dass das Verhalten der Dienststellenleitung bei einem in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt rechtsfehlerhaft war (hier: Abkürzuung der Frist des § 38 Abs. 3 MVG.EKD bei der kommissarischen Betrauung eines Mitarbeiters mit einer Leitungsaufgabe und zwischenzeitliche Entbindung dieses Mitarbeiters von der Aufgabe.
Tenor:
Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Baden vom 1. Oktober 2003 - 2 Sch 94/2002 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Sachbegehren der Mitarbeitervertretung durch einen Vergleich vor der Schlichtungsstelle erledigt ist.
Die Dienststellenleitung wollte Frau D ab 1. November 2002 mit der kommissarischen Wahrnehmung der pflegerischen Leitung der Zentralambulanz in dem von ihr geleiteten Diakoniekrankenhaus betrauen. Sie überreichte der Mitarbeitervertretung hierzu ein von ihr ausgefülltes, undatiertes Anhörungsformular und teilte ihr mit Schreiben vom 23. Oktober 2002 mit, "wegen der Dringlichkeit beantrage sie für die Weiterbeschäftigung die Fristverkürzung gem. § 38 Abs. 3 MVG.EKD; für eventuelle Rückfragen stehe der Unterzeichner zur Verfügung".
Die Mitarbeitervertretung leitete deswegen mit ihrem am 27. Oktober 2002 per Fax bei der Schlichtungsstelle (Kirchengericht) eingegangenen Schriftsatz vom 28. Oktober 2002 das vorliegende Schlichtungsverfahren mit dem angekündigten Antrag ein, festzustellen, dass die Maßnahme unwirksam und solche Maßnahmen künftig zu unterlassen seien. Die Beteiligten streiten - so die Feststellung der Schlichtungsstelle im angefochtenen Beschluss - "in unzähligen Schlichtungsverfahren um ihre gegenseitigen Rechtspositionen".
Frau D wurde - ohne Zustimmung der Mitarbeitervertretung - mit der kommissarischen Leitung betraut. Unter dem 17. Februar 2003, bei der Schlichtungsstelle per Fax am selben Tag eingegangen, kündigte die nunmehr rechtsanwaltlich vertretene Mitarbeitervertretung den Antrag an, festzustellen, dass die Zustimmung zur Einstellung bzw. Einsetzung der Mitarbeiterin D als Leiterin der Zentralambulanz durch die Mitarbeitervertretung nicht erteilt wurde und daher unwirksam ist.
Am 18. Februar 2003 fanden Verhandlung in der vorliegenden Sache sowie u.a. in den zwischen denselben Beteiligten geführten Verfahren 2 Sch 68/02, 2 Sch 69/02 und 2 Sch 70/02 vor dem Vorsitzenden der Schlichtungsstelle statt. In den zuletzt genannten drei Verfahren schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich:
"a) Die Dienstgeberseite verpflichtet sich, vor zukünftigen Einstellungen das Mitbestimmungsverfahren gem. §§ 38, 41, 42 lit. a MVG im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit wie folgt zu gestalten.
- Die gemäß § 38 Abs. 1 MVG erforderliche Zustimmung ist rechtzeitig vor dem geplanten Einstellungstermin einzuholen. Mit dem Antrag sind die zur Entscheidungsfindung vorgelegten Unterlagen vollständig der Mitarbeitervertretung vorzulegen.
- Soweit die Zustimmung aus den in § 41 Abs. 1 MVG aufgeführten Gründen verweigert wird, ist das Zustimmungsersetzungsverfahren vor der Schlichtungsstelle durchzuführen. Bis zu deren Entscheidung oder einer Einigung der Beteiligten unterbleibt der Vollzug der geplanten Einstellung.
- Kürzt die Dienststellenleitung die Frist zur Stellungnahme der Mitarbeitervertretung im Hinblick auf das Vorliegen eines dringenden Falles ab, so hat sie die Dringlichkeit nachvollziehbar zu begründen. Die gesetzte (abgekürzte) Frist zur Erteilung der Zustimmung sollte mit Ausnahme einer außergewöhnlichen Dringlichkeit immer drei Werktage umfassen.
b) Der Dienststellenleitung bleibt es unbenommen, vorläufige Regelungen gemäß § 38 Abs. 5 MVG zu treffen. In diesem Falle ist das in § 38 MVG vorgeschriebene Verfahren unverzüglich einzuleiten oder fortzuführen."
Im vorliegenden Verfahren teilte die Dienststellenleitung im Termin am 18. Februar 2003 mit, Frau D übe die Tätigkeit nicht mehr aus. Die Mitarbeitervertretung meinte, das Schlichtungsverfahren zu gleichwohl nicht erledigt. Hierauf wurde das Verfahren an die Kammer abgegeben, Termin zur Verhandlung vor der Kammer anberaumt, der Mitarbeitervertretung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und der Mitarbeitervertretung anheimgestellt, das vorliegende Verfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären.
Sie kündigte sodann mit ihrem Schriftsatz vom 7. März 2003 den Antrag an, festzustellen, dass die Fristverkürzung nach § 38 Abs. 3 MVG im Fall Frau D unrechtmäßig war. Zur Begründung hat die Mitarbeitervertretung auf die Wiederholungsgefahr abgestellt.
Die Mitarbeitervertretung hat beantragt,
festzustellen, dass die Anwendung der Fristverkürzung gem. § 38 Abs. 3 MVG.EKD hinsichtlich des Mitbestimmungsverfahrens über die Einstellung der Mitarbeiterin D rechtwidrig war.
Die Dienststellenleitung hat beantragt, auch den zuletzt gestellten Antrag zurückzuweisen. Sie hat gemeint, die vorliegende Angelegenheit sei durch den Vergleich vom 18. Februar 2003 erledigt; es fehle am Feststellungsinteresse.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen vom 28. Oktober 2002, 18. November 2002, 17. Februar 2003, 7. März 2003 und vom 28. März 2003 ergänzend Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat den Antrag durch ihren Beschluss vom 1. Oktober 2003 mit im wesentlichen der Begründung zurückgewiesen, es fehle am Feststellungsinteresse. Auf den Inhalt des Beschlusses wird im übrigen Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 14. November 2003 zugestellten Beschluss hat die Mitarbeitervertretung bereits am 3. November 2003 per Fax, am 4. November 2003 mit Urschrift Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründungsschrift vom 10. Dezember 2003 ist per Fax am 12. Dezember 2003, am 16. Dezember 2003 in Urschrift eingegangen.
Die Mitarbeitervertretung macht geltend, nach wie vor sei das Feststellungsinteresse gegeben. Der Vergleich in den genannten drei Schlichtungsverfahren erfasse den vorliegenden Streit über die Unrechtmäßigkeit der Fristverkürzung nach § 38 Abs. 3 MVG.EKD nicht. Ohne die begehrte Sachentscheidung liefe die Mitarbeitervertretung Gefahr, dass die Dienststellenleitung sanktionslos immer wieder zu Unrecht Fristverkürzungen nach § 38 Abs. 3 MVG.EKD in Anspruch nehme. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift Bezug genommen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses der Schlichtungsstelle der Evangelischen Kirche in Baden vom 1. Oktober 2003 - 2 Sch 94/2002 - festzustellen, dass die Beschäftigung der Leiterin der Zentralambulanz, Frau D, hätte, wegen fehlender Zustimmung der Mitarbeitervertretung, nicht erfolgen dürfen.
Die Dienststellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 20. Januar 2004.
Die Akten der Schlichtungsverfahren der Beteiligten vor der Schlichtungsstelle in den Verfahren 2 Sch 68/02, 2 Sch 69/02 und 2 Sch 70/02 wurden beigezogen und zum Gegenstand der Verhandlung vor dem Senat gemacht.
Die Beteiligten haben in der Verhandlung am 5. August 2004 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt und auf weiteren schriftsätzlichen Vortrag verzichtet.
II. Die Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde hat sich nach den Bestimmungen des MVG.EKD in der Fassung zu richten, die zur Zeit der Einlegung und Begründung der Beschwerde gegolten hat. Die Neufassung der Bestimmungen über die Beschwerde im MVG.EKD durch Art. 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl.EKD S. 408), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (Art. 8 § 2 Abs. 1), sind nicht anzuwenden. Die vorliegende Beschwerde ist vor dem Inkrafttreten der in Rede stehenden Änderung des MVG.EKD eingelegt und begründet worden.
2. Die Beschwerde ist nach § 63 Abs. 1 Buchst. b MVG.EKD (a.F.) statthaft. Die Mitarbeitervertretung (Beschwerdeführerin) macht geltend, in ihrem Recht auf Beteiligung nach § 38 MVG.EKD in der Angelegenheit Frau D dadurch verletzt zu sein, dass die Dienststellenleitung die Anhörungsfrist zu unrecht verkürzt habe.
3. Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Beschwerde sind gewahrt.
III. Die Beschwerde ist indessen nicht begründet. Es fehlt für die begehrte, auf den Einzelfall Frau D bezogene Feststellung das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO, § 81 ArbGG, § 63 Abs. 7 MVG.EKD n.F.).
1. Für das Verfahren vor dem Kirchengerichtshof ist ab 1. Januar 2004 § 63 Abs. 7 MVG.EKD n.F. anzuwenden; hiernach finden die Vorschriften über das Beschwerdeverfahren des arbeitsgerichtliche Beschlussverfahrens in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung, soweit kirchengesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. § 63 Abs. 7 MVG.EKD ist durch Art. 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl.EKD S. 408) eingeführt worden und am 1. Januar 2004 in Kraft getreten (Art. 8 § 2 Abs. 1).
2. Gleichermaßen wie im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren setzt auch der Feststellungsantrag im vorliegenden Beschwerdeverfahren voraus, dass für den Feststellungsantrag ein hinreichendes rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses gegeben ist. Daran fehlt es, wenn der Antrag nur noch vergangenheitsbezogen gestellt wird und aus der Entscheidung über ihn keine befriedigende Wirkung für die Zukunft zu erwarten ist (vgl. BAG 23. Juli 1996 - 1 ABR 17/96 NZA 1997, 216).
3. Eine solche Konstellation liegt hier vor. Der Sachantrag der Mitarbeitervertretung richtet sich allein auf die Feststellung, dass die Beschäftigung nicht hätte erfolgen dürfen, weil die Abkürzungsfrist des § 38 Abs. 3 MVG.EKD hinsichtlich der "Einstellung" (?) der Frau D rechtsfehlerhaft gewesen sei, vor allem, weil die angebliche Eilbedürftigkeit allein auf eine unzureichende Organisation auf der Seite der Dienststellenleitung zurückzuführen sei; derartiges könne sich wiederholen. Zwar mag durchaus zweifelhaft sein, ob für die Verkürzung der Einlassungsfrist des § 38 Abs. 3 MVG.EKD solche Umstände ausreichen, die allein auf dem Verhalten der Dienststelle beruhen. Selbst wenn man hiervon zu Gunsten der Mitarbeitervertretung ausgeht, folgt hieraus kein hinreichendes Feststellungsinteresse für den gestellten Antrag. Die Rechtskraft der mit diesem Antrag begehrten gerichtlichen Feststellung bezöge sich allein auf den einen in der Vergangenheit liegenden Einzelfall, nämlich auf die Fristverkürzung im längst erledigten Fall der Frau D. Die Gründe, weshalb die Verkürzung der Frist des § 38 Abs. 3 MVG.EKD unrechtmäßig sein soll, nehmen an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teil.
4. Anderes folgt auch nicht aus dem Vergleich der Beteiligten in den Verfahren 2 Sch 68/02, 2 Sch 69/02 und 2 Sch 70/02. Es mag sein, dass der Fall der Verkürzung der Frist des § 38 Abs. 3 MVG.EKD in dem Vergleich nicht ausdrücklich geregelt worden ist. Daraus allein folgt aber kein Feststellungsinteresse für den hier vorliegenden Antrag.
IV. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.d.F. vom 6. November 2004, § 12 Abs. 5 ArbGG).