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Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:24.01.2005
Aktenzeichen:KGH.EKD I-0124/K19-04
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 22 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 2
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen, Az.: 2 M 28/04, Fundstelle: Die Mitarbeitervertretung 2005, S. 198, Rechtsprechungsbeilage Amtsblatt EKD 2006, S. 16
Schlagworte:Verschwiegenheitspflicht - Stellenplanentwurf
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Leitsatz:

Stellenplanentwürfe fallen unter die Verschwiegenheitspflicht des § 22 Abs. 1 S. 1 MVG.EKD.

Tenor:

Die Beschwerde der Mitarbeitervertretung gegen den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster - vom 23. April 2004 - 2 M 28/04 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die antragstellende Dienstsstellenleitung leitete gegenüber der beschwerdeführenden Mitarbeitervertretung am 24. Februar 2004 das Mitberatungsverfahren nach § 46 MVG.EKD zum Stellenplanentwurf 2004 ein. Er stellt einen Teil des Stellen- und Wirtschaftsplanentwurfs 2004 dar. Darin ist eine Stellenreduzierung vorgesehen. Über den Stellenplan hat nicht die Dienststellenleitung zu entscheiden, sondern der Aufsichtsrat. Hierfür war damals bereits eine Sitzung am 30. März 2004 terminiert. Dem Aufsichtsrat gehört auch ein Mitglied der Mitarbeitervertretung an.
Am 10. März 2004 fand eine mündliche Erörterung des Stellenplanentwurfs zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung statt. Mit Schreiben vom 10. März 2004 teilte die Mitarbeitervertretung der Dienststellenleitung mit, sie lehne die geplante Stellenreduzierung ab. Am 19. März 2004 erreichte die Dienststellenleitung die Zeitschrift "Info-Zeitschrift der MAV ...", Ausgabe März/2004. Darin heißt es auszugsweise:
"... Daher haben wir unsere Geschäftsführung gebeten, ihr Vorhaben, in diesem Jahr im Pflegebereich 25 Stellen zu streichen, zu überdenken, um den Anforderungen aus dem Arbeitszeitgesetz, den tariflichen Grundlagen und den arbeitsmedizinischen Erkenntnissen gerecht zu werden.
Auch nicht nachvollziehbar erscheint für uns ein Personalabbau im Bereich der Technischen Abteilung um insgesamt 2,5 Stellen ...
... haben wir auch den Abbau von Personal in den Bereichen Finanzbuchhaltung, Personalabteilung und Labors als nicht ausreichend begründet abgelehnt. ..."
Am 30. März 2004 beschloss der Aufsichtsrat den Stellen- und Wirtschaftsplan 2004.
Mit ihrer Antragsschrift vom 24. März 2004, bei der Schlichtungsstelle eingegangen am 29. März 2004, leitete die Dienstsstellenleitung das vorliegende Verfahren ein. Sie macht geltend, die Mitarbeitervertretung habe durch die Veröffentlichung von Einzelheiten aus dem Stellenplanentwurf in ihrer Info-Zeitschrift gegen ihre Verschwiegenheitspflicht aus § 22 MVG.EKD verstoßen. Sie hat beantragt,
festzustellen, dass die Veröffentlichung von konkreten Einzelheiten, die der Mitarbeitervertretung im Rahmen der Mitberatung bei der Aufstellung und Änderung des Stellenplanentwurfs (§ 46 f. MVG) bekannt geworden sind, an die Mitarbeiterschaft vor Bekanntgabe des Stellen- und Wirtschaftsplans durch den Aufsichtsrat oder die Dienststellenleitung einen Verstoß gegen die Schweigepflicht darstelle.
Die Mitarbeitervertretung hat die Zurückweisung des Antrags beantragt und geltend gemacht, es liege kein Verstoß gegen § 22 MVG.EKD vor, weil ein Stellenplan ohnehin bekannt gegeben werde und es sich auch bei dessen Planung keineswegs um ein Geheimnis handele.
Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze und der hierzu überreichten Anlagen vom 24. März und 15. April 2004 Bezug genommen.
Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag durch ihrem Beschluss vom 23. April 2004 stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Der Beschluss wurde der Mitarbeitervertretung am 30. April 2004 zugestellt. Sie hat hiergegen am 1. Juni 2004 (Dienstag nach Pfingsten) per Fax Beschwerde eingelegt und die Beschwerdebegründung mit ihrem am 30. Juni 2004 per Fax eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag vorgelegt.
Sie macht geltend, der Beschluss sei schon deswegen aufzuheben, weil seine Formel nicht erkennen lasse, welche Tatsachen die Mitarbeitervertretung pflichtwidrig offenbart haben solle. Die getroffene Globalfeststellung könne nur rechtmäßig sein, wenn keine Fallkonstellation denkbar sei, auf die die Beschlussfeststellung nicht zutreffe. Die Mitarbeitervertretung habe auch nicht Einzelheiten aus dem Stellenplan veröffentlicht, sondern nur nicht geheimhaltungsbedürftige Überlegungen. Zudem habe auch kein Geheimhaltungsbedürfnis bestanden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungsschrift Bezug genommen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
auf die Beschwerde der Mitarbeitervertretung den Beschluss der Schlichtungsstelle nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Ev. Kirche von Westfalen - 2. Kammer in Münster - vom 23. April 2004 - 2 M 28/04 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Dienstsstellenleitung beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 29. Juli 2004.
II. Der Kirchengerichtshof hat die Beschwerde zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 13. September 2004). Die Beschwerde ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Die Schlichtungsstelle hat dem Antrag zu Recht stattgegeben.
1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde hat sich nach den Bestimmungen des MVG.EKD in der Fassung zu richten, die zur Zeit der Einlegung und Begründung der Beschwerde gegolten hat. Die Neufassung der Bestimmungen über die Beschwerde im MVG.EKD nach Artikel 5 Nr. 31 des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6. November 2003 (ABl.EKD S. 408), das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist (Artikel 8, § 2 Abs. 1), ist anzuwenden. Die Ev. Kirche von Westfalen hat die Änderung des § 63 MVG.EKD gliedkirchengesetzlich übernommen (KABl. Nr. 12/03 vom 19. Dezember 2003, S. 404).
2. Der Sachantrag ist zulässig. Insbesondere sind Antrag und Entscheidungsformel hinreichend bestimmt und es besteht nach wie vor ein hinreichendes Feststellungsinteresse.
a) Entgegen der Beschwerde ist die Entscheidungsformel ebenso wenig zu beanstanden wie die Antragsformel. Beide sind hinreichend bestimmt bzw. unter Zuhilfenahme der Begründungen bestimmbar (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere ist die konkrete Verletzung genannt. Zwar hätte der Antrag auch dergestalt gestellt werden können, dass die konkreten Mitteilungen aus dem „Durchblick“ wiedergegeben werden, um es künftigen Auseinandersetzungen zu überlassen, inwieweit Mitteilungen von Einzelheiten aus einem anderen Stellenplanentwurfe von § 22 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD erfasst sind. Erkennbar erfassen Antrag und Beschlussformel gleichermaßen die Mitteilung des Abbaus von 25 Stellen im Pflegebereich, 2,5 Stellen im Bereich der Technischen Abteilung und des Abbaus von Personal in den Bereichen Finanzbuchhaltung, Personalabteilung und Labor.
b) Auch mit diesem Inhalt besteht für den Antrag ein hinreichendes Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO). Die Mitarbeitervertretung nimmt nach wie vor für sich in Anspruch, mit der Veröffentlichung nicht gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD verstoßen zu haben. Die begehrte Feststellung ist geeignet, zwischen den Beteiligten den Rechtsfrieden wieder herzustellen.
3. Der Antrag ist auch begründet, wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat.
a) Mit ihrer Rüge, der Antrag sei als Globalantrag unzulässig bzw. unbegründet, dringt die Beschwerde nicht durch. Ein Globalantrag ist unbegründet, wenn er auch zumindest einen Fall umfasst, in welchem das mit ihm verfolgte Sachbegehren nicht begründet sein kann. Einen solchen Fall legt die Beschwerde indessen nicht dar; er ist auch nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht erkennbar, inwieweit es der Mitarbeitervertretung von Gesetzes wegen erlaubt sein soll, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne Erlaubnis der Dienststellenleitung Einzelheiten aus dem Stellen- und Wirtschaftsplanentwurf zu einem Zeitpunkt mitzuteilen, in welchem der Plan noch nicht von der Dienststelle (Leitung, Aufsichtsrat) bekannt gegeben worden ist.
b) Die Mitarbeitervertretung hat gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD verstoßen. Hiernach haben alle Personen, die Aufgaben nach diesem Kirchengesetz wahrnehmen oder wahrgenommen haben, über die ihnen dabei bekannt gewordenen Angelegenheiten und Tatsachen Stillschweigen zu bewahren. Zu den den Mitgliedern der beschwerdeführenden Mitarbeitervertretung bekannt gewordenen Angelegenheiten zählt auch der hier in Rede stehende Entwurf des Stellenplanes. Hierüber streiten die Beteiligten auch nicht.
aa) Entgegen der Behauptung der Beschwerde hat die Mitarbeitervertretung nicht etwa nur ihre eigene Stellungnahme zum Stellenplan(entwurf) mitgeteilt, sondern hieraus die oben wiedergegebenen Einzelheiten dargestellt und kommentiert. Das Stillschweigen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 MVG.EKD wird auch gebrochen, wenn - wie hier - Einzelheiten aus dem Stellenplanentwurf unter ihrer konkreten Darstellung kritisiert werden.
bb) Entgegen der Beschwerde hat die Vorinstanz zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift besteht die Schweigepflicht des § 22 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD nicht für Angelegenheiten oder Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.
Offenkundig sind der Stellenplanentwurf oder die darin enthaltenen Daten nicht. Dies hat die Vorinstanz zutreffend angenommen. Es wird auch von der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Zu Unrecht meint die Beschwerdeführerin jedoch, der Antrag sei nicht begründet, weil kein Geheimhaltungsbedürfnis vorliege bzw. vorgelegen habe. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Zunächst ordnet das Gesetz eindeutig eine grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht in § 22 Abs.1 Satz 1 MVG.EKD an. Demnach bedarf es grundsätzlich keines gesondert festzustellenden Geheimhaltungsbedürfnisses. Dagegen betrifft die Ausnahme von der grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht im Rahmen des Satzes 2 des § 22 Abs. 1 MVG.EKD die Fälle, in denen es keiner Geheimhaltung bedarf.
Die allgemeinen Erwägungen der Beschwerde, es bestehe wegen des bundesweit anstehenden Abbaus der Bettenkapazität kein Geheimhaltungsbedürfnis sind ebenso unbehelflich wie der Vorwurf eines „Maulkorbes“ als Hindernis in der sachlichen Auseinandersetzung mit der Dienststellenleitung. Jede Verschwiegenheitspflicht ließe sich mit einem solchen Vorwurf konfrontieren und letztlich konterkarieren. Für eine sachliche Auseinandersetzung mit der Dienststellenleitung steht der Mitarbeitervertretung das geordnete Verfahren mit der Dienststellenleitung zur Verfügung. Hierzu bedarf es keineswegs der vorzeitigen Mitteilung des Entwurfs, also des noch nicht einmal beschlossenen Stellenplanes, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung. Der allgemeine Trend zum Bettenabbau lässt das Geheimhaltungsbedürfnis ebenso wenig entfallen wie der Umstand, dass der Stellenplan, nachdem er beschlossen worden ist, bekannt gegeben wird. Ob und wie sich eine Einrichtung zu wirtschaftlichem Druck und anderen Entwicklungen stellt, hat sie selbst zu entscheiden. Derartige Absichten und Planungen liegen der Sache nach, dass sie der Geheimhaltung bedürften. Gerade in personalintensiven Einrichtungen zeigt der Stellenplan deutlich auf, wie es um die Entwicklung der Einrichtung und ihre zukünftige, vor allem auch wirtschaftliche Ausrichtung steht. Solche Angelegenheiten bedürfen stets einer vertrauensvollen Behandlung und der diese begründenden, mithin notwendig dazugehörenden Verschwiegenheit auf allen Seiten, auch auf der Seite der Mitarbeitervertretung. Hiervon geht auch das Gesetz selbst aus, wenn es der Mitarbeitervertretung in § 46 Buchst. f) MVG.EKD ausdrücklich ein Mitberatungsrecht bei der Aufstellung und Änderung nicht des Stellenplanes, sondern bereits des Stellenplanentwurfes einräumt. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD ist der Mitarbeitervertretung in den Fällen der Mitberatung die beabsichtigte Maßnahme rechtzeitig vor der Durchführung bekannt zu geben und auf ihr Verlangen mit ihr zu erörtern. Ohne Vertrauen in die Wahrung der Verschwiegenheitspflicht auch durch die Mitarbeitervertretung kann es keine Dienststellenleitung verantworten, dieser gesetzliche Verpflichtung nachzukommen, ohne Gefahr zu laufen, dass das Ausplaudern oder gar die Bekanntgabe des Planentwurfes an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vorzeitigen und schon deshalb unnötigen Irritationen und Diskussionen führt. Unerheblich ist, ob und inwieweit es in der Belegschaft im vorliegenden Fall tatsächlich Unruhe gegeben oder nicht gegeben hat, als die Mitarbeitervertretung die oben genannten Einzelheiten aus dem Stellenplanentwurf zusammen mit ihrer Stellungnahme im Mitteilungsblatt veröffentlicht hat. Auch wenn es deswegen keine Unruhe oder Beunruhigung gegeben hat, hat die Mitarbeitervertretung gegen das Verschwiegenheitsgebot des § 22 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD verstoßen. Etwaige von der Mitarbeitervertretung gesehene Informationsdefizite dürfen nicht mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erörtert werden, sondern sind zuvörderst mit der Dienststellenleitung zu klären.
III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. (7) MVG.EKD i. d. F. vom 6. November 2003, § 12 Abs. 5 ArbGG).