.
Kirchengericht:Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.11.2004
Aktenzeichen:KGH.EKD II-0124/K20-04
Rechtsgrundlage:MVG.EKD § 30 Abs. 2, § 61 Abs. 4, § 61 Abs. 9, § 63
Vorinstanzen:Schlichtungsstelle der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, Az.: 26/0-6/4-397
Schlagworte:Kosten für den Rechtsbeistand
#

Leitsatz:

Der Antrag der Mitarbeitervertretung, der Dienststelle die außergerichtlichen Kosten für den notwendigen Beistand aufzuerlegen, richtet sich materiell-rechtlich nach § 30 MVG.EKD.
§ 61 Abs. 4 und Abs. 9 MVG.EKD bieten lediglich die prozess-rechtliche Möglichkeit, im Streitfalle die Kostentragungspflicht im Rahmen des laufenden erstinstanzlichen kirchengerichtlichen Verfahren einer Klärung zuzuführen.
Unabhängig davon kann wegen der Kostentragungspflicht ein gesonderter Streit vor dem Kirchengericht geführt werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde der gemeinsamen Mitarbeitervertretung wird der Beschluss des Kirchengerichts in mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten der Ev.-luth. Kirche in Bayern vom 30. April 2004 - Az.: 26/0-6/4-397 abgeändert:
Die Dienststelle ist verpflichtet, die Kosten für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zum Beschlussverfahren 26/0-6/4-393 zu übernehmen.

Gründe:

I. Die Beteiligten dieses Verfahrens haben im Verfahren 26/0-6/4-393 beim Kirchengericht in mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten der Ev.-Luth. Kirche in Bayern aufgrund des Antrages der gemeinsamen Mitarbeitervertretung vom 30. Dezember 2003, eingegangen bei dem Kirchengericht am 7. Januar 2004, um Freizeitausgleich für von Mitarbeitervertreterinnen geleistete Mitarbeitervertretungsstunden gestritten. Das Verfahren endete erstinstanzlich mit dem Beschluss vom 30. April 2004. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2004 hatte die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens, die gemeinsame Mitarbeitervertretung, durch ihre Bevollmächtigten Rechtsanwälte B, "Antrag ... wegen Kostenübernahme" hinsichtlich des Verfahrens 26/0-6/4-393 gestellt unter Hinweis darauf, die Dienststelle habe den entsprechenden Antrag der gemeinsamen Mitarbeitervertretung vom 31. Dezember 2003 unter dem 5. Januar 2004 abgelehnt. Da nicht einfache Tatsachen- und Rechtsfragen des MVG.EKD - fehlerhafte Behandlung des Antrages auf Gewährung von Freizeitausgleich der Mitglieder der Mitarbeitervertretung für die Wahrnehmung von Aufgaben der Mitarbeitervertretung - zu behandeln gewesen seien, sei es notwendig gewesen, dass sich die Antragstellerin im diesbezüglich angestrengten Beschlussverfahren anwaltlicher Hilfe bediene. In der Antragschrift war angegeben, "Az.: neu". Das Verfahren erhielt das Aktenzeichen 26/0-6/4-397.
Aufgrund "mündlicher Verhandlung" vom 22. April 2004 erging Beschluss des Kirchengerichts dahin, dass der Antrag, die Dienststelle zu verpflichten, die Kosten der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Beschlussverfahren 26/0-6/4-393 zu übernehmen, zurückgewiesen wurde.
In den Gründen ist ausgeführt, die Beteiligten könnten zu ihrem Beistand eine Person hinzuziehen, § 61 Abs. 4 MVG.EKD. Die Person könne auch ein Rechtsanwalt sein. Die Kosten dafür seien dann von der Dienststelle zu übernehmen, wenn sie sich ihrerseits anwaltschaftlich vertreten lasse oder aber die rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten so hoch seien, dass sie der Mitarbeitervertretung nicht zuzumuten seien. Beide Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Im Verfahren 26/0-6/4-393 sei der Sachverhalt einfach gelagert und von der Dienststellenleitung bis auf einen kleinen Punkt, zu dem sich der Rechtsanwalt nicht eingelassen habe, nicht bestritten. Auch rechtlich bestünden keine Schwierigkeiten, da die Frage in § 19 Abs. 2 MVG.EKD klar geregelt sei.
Gegen den ihr am 3. Mai 2004 zugestellten Beschluss hat die gemeinsame Mitarbeitervertretung am 3. Juni 2004 Beschwerde einlegen lassen. Das Kirchengericht verkenne sowohl die maßstabbildende Rechtsgrundlage des § 61 Abs. 4 Satz 1, § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD als auch den Gegenstand des durchgeführten Beschlussverfahrens 26/0-6/4-393, nämlich den von der Dienststellenleitung abgelehnten Freizeitausgleich der Mitglieder der gemeinsamen Mitarbeitervertretung für die Wahrnehmung von Aufgaben der Mitarbeitervertretung. Das Kirchengericht verkenne zudem, dass "im Hauptsacheverfahren", 26/0-6/4-393, eine Entscheidung über die Kosten nicht ergehen könne. Für eine solche sei im mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahren kein Raum. Wer die Kosten zu tragen habe, beurteile sich nach materiellem Mitarbeitervertretungsrecht, also im Verhältnis zwischen den Beteiligten, und nicht nach dem Verfahrensrecht. Es spiele keine Rolle, wer obsiege. Deshalb müsse über die Pflicht, die Kosten eines Verfahrensbevollmächtigten deshalb zu übernehmen, weil dessen Hinzuziehung erforderlich gewesen sei, durch einen gesonderten, beschwerdefähigen Beschluss entschieden werden. Das Kirchengericht unterstelle im nachhinein, dass die Sach- und Rechtslage keine Schwierigkeiten aufweise. Gerade weil die gemeinsame Mitarbeitervertretung die Darlegungs- und Feststellungslast für die Frage der für die Tätigkeit der Mitglieder notwendigen Zeit gehabt habe und dieser in ihrem einleitenden Antrag vom 30. Dezember 2003 noch nicht nachgekommen sei, habe die gemeinsame Mitarbeitervertretung die seit Mai 2003 aufgewendete Freizeit anhand der wahrgenommenen Aufgaben der gemeinsamen Mitarbeitervertretung im Einzelnen durch schriftsätzlichen Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten der gemeinsamen Mitarbeitervertretung substantiiert vortragen müssen, schon um den oder die Streitgegenstände hinreichend zu bestimmen, nachdem die Dienststellenleitung den beantragten Freizeitausgleich abgelehnt habe mit im wesentlichen der Begründung, dass die im Einzelnen aufgewendete Freizeit nicht der Wahrnehmung von Aufgaben der gemeinsamen Mitarbeitervertretung gedient habe und im Übrigen im beantragten Umfang nicht erforderlich gewesen sei.
Die gemeinsame Mitarbeitervertretung beantragt,
1. der Beschluss des Kirchengerichtes der Ev.-Luth. Kirche in Bayern vom 30. April 2004 - 26/0-6/4-397 - wird abgeändert,
2. die Beschwerdegegnerin ist verpflichtet, die Kosten für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zum Beschlussverfahren 26/0-6/4-393 zu übernehmen.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, sie habe das Begehren der gemeinsamen Mitarbeitervertretung im Grundsatz anerkannt. Von daher sei die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich gewesen.
II. Die Beschwerde ist nach § 63 MVG.EKD (n.F.) statthaft und auch sonst zulässig.
1. Die Ev.-Luth. Kirche in Bayern hat die Änderung des § 63 MVG.EKD gliedkirchlich umgesetzt durch die "Bekanntmachung der Änderungen des Mitarbeitervertretungsgesetzes" vom 26. Januar 2004, nach deren § 3 die Änderungen zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen sind (KABl. Bayern, 3/2004 S. 48).
2. Die Voraussetzungen des § 63 MVG.EKD liegen vor. Der Senat hat mit Beschluss vom 6. Juli 2004 die Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluss zugelassen. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Vorinstanz hat den Antrag der gemeinsamen Mitarbeitervertretung zu unrecht zurückgewiesen.
Die Dienststelle ist verpflichtet, die Kosten für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zum Beschlussverfahren 26/0-6/4-393 zu übernehmen.
Anspruchsgrundlage für den Antrag der gemeinsamen Mitarbeitervertretung, der Dienststelle die außergerichtlichen Kosten für den notwendigen Beistand aufzuerlegen, ist materiell-rechtlich § 30 Abs. 2 MVG.EKD. § 61 Abs. 4 MVG.EKD sowie § 61 Abs. 9 Satz 2, 3 MVG.EKD sehen vor dem Hintergrund der materiell-rechtlichen Regelung lediglich eine prozessuale Möglichkeit vor, einen solchen Antrag innerhalb des laufenden Verfahrens zu stellen und verbescheiden zu lassen, das muss die Mitarbeitervertretung oder die gemeinsame Mitarbeitervertretung indes nicht tun. Im einzelnen gilt folgendes:
a) § 61 Abs. 4 MVG.EKD ermöglicht den Beteiligten des Verfahrens, eine Person als Beistand hinzuziehen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ist zulässig (VerwG.EKD Beschluss vom 10. Juli 1997 - 0124/A16-96 - NZA 1997, 1303 gegen die Bedenkung bei Baumann-Czichon/Dembski /Germer/Kopp MVG.EKD 2. Aufl. § 61 RdNr. 7). Wegen der Kosten sieht § 61 Abs. 4 Satz 2 MVG.EKD vor, dass die Übernahme der hierdurch entstehenden Kosten zuvor bei der Dienststellenleitung zu beantragen ist. Nach Satz 3 entscheidet im Streitfalle der oder die Vorsitzende der Kammer. Aus der Stellung des Absatzes 4 im Gefüge wird deutlich, dass der Kirchengesetzgeber mit Absatz 4 eine Möglichkeit vorsieht, während des laufenden Verfahrens die Kostenfrage für einen Beistand zu klären. Das kann vor dem Einigungsgespräch, aber auch nach dem Einigungsgespräch vor dem Vorsitzenden allein, also vor der Einberufung der Kammer, aber auch danach geschehen. Es wird in einem Verfahren im Verfahren die Kostenfrage geklärt, wobei der oder die Vorsitzende allein entscheidet. Dabei mag es sich für die Mitarbeitervertretung im Zweifelsfalle stets empfehlen, durch Vorabentscheidung gem. § 61 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD klären zu lassen, ob die Dienststellenleitung wegen notwendiger anwaltlicher Hilfe die Mitarbeitervertretung von den Kosten dafür freizustellen hat, auch wenn die Mitarbeitervertretung in der Hauptsache unterlegen ist (Fey/Rehren MVG.EKD, Stand August 2004, § 61 RdNr. 5b). Diesen Weg muss aber die Mitarbeitervertretung nicht gehen, sondern sie kann auch zu einem späteren Zeitpunkt die Frage der Kostentragung für einen Anwalt gesondert in einem Verfahren nach § 30 Abs. 2 MVG.EKD klären lassen.
b) Nach § 61 Abs. 9 Satz 1 MVG.EKD werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten, soweit sie zur Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendig waren, trägt nach Satz 2 dieses Absatzes die Dienststelle. Nach Satz 3 dieses Absatzes entscheidet im Zweifelsfall, besser, im Streitfall der oder die Vorsitzende der Kammer, also, wenn man so will, auch im Rahmen eines Verfahrens im Verfahren vor der Kammer, was durch die unterschiedliche Besetzung der Richterbank deutlich wird. Auch insoweit handelt es sich um eine prozessuale Möglichkeit, § 30 Abs. 2 MVG.EKD im Zuge des laufenden Verfahrens zur Geltung zu bringen. Das ändert nichts daran, dass, ein solcher Antrag im Ausgangsbeschlussverfahren unterblieb, die Mitarbeitervertretung oder die gemeinsame Mitarbeitervertretung kann den Antrag, dass die Dienststelle die außergerichtlichen Kosten für den notwendigen Beistand zu tragen hat, in einem gesonderten Beschlussverfahren nach § 30 Abs. 2 MVG.EKD verfolgen.
Das hat die gemeinsame Mitarbeitervertretung im vorliegenden Fall getan. Sie hat nicht im laufenden Verfahren 26/0-6/4-397 den entsprechenden Antrag gestellt, sondern nach ihrer Antragschrift in einem gesonderten Verfahren. So hat ihn die Erste Instanz auch verstanden: Sie hat ihn mit einem anderen Aktenzeichen versehen als es das "Hauptverfahren", das Ausgangsverfahren trägt. Diesen Weg hat die Erste Instanz wieder verlassen, indem die Entscheidung nicht auf § 30 Abs. 2 MVG.EKD gestützt wurde, sondern auf § 61 Abs. 4 MVG.EKD.
c) Dem Vorstehenden entspricht letztlich, dass das VerwG.EKD mit Beschluss vom 28. April 2003 - I-0124/G32-02 entschieden hat, dass der Antrag der Mitarbeitervertretung, der Dienststellenleitung die außergerichtlichen Kosten für den Beistand der Mitarbeitervertretung in Zweiter Instanz aufzuerlegen, mangels Rechtsgrundlage im zweiten Rechtszug nicht als prozessualer Kostenantrag verfolgt werden könne, sondern nur als materiell-rechtlicher Antrag nach § 30 Abs. 2 MVG.EKD, der ggf. im Wege des mitarbeitervertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens kirchengerichtlich weiter zu verfolgen ist (ZMV 2004, 35 f).
Die Entscheidung des VerwG.EKD vom 5. August 1996 - 0124/A8-96 (ZMV 1997 S. 87) steht nicht entgegen. Sie ist zum alten Recht ergangen und macht deutlich, dass das Verfahren nach § 61 Abs. 4 MVG.EKD im Verfahren abschließend war, eine Beschwerde zum VerwG.EKD nicht statthaft war. Das schließt nicht aus, Prozesskosten auch außerhalb dieses Verfahrens im Verfahren nach § 30 Abs. 2 MVG.EKD geltend zu machen (vgl. Fey/Rehren, MVG.EKD, Stand August 2004 § 30 RdNr. 21f).
Auch die Entscheidung des VerwG.EKD vom 5. November 1998 - 0124/C22-98 (n.v.) steht nicht entgegen. Auch sie ist zum alten Recht - § 61 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD a.F. - ergangen. Die Entscheidung macht deutlich, dass der Vorsitzende erster Instanz "im laufenden Schlichtungsverfahren" nach § 61 Abs. 4 Satz 3 MVG.EKD a.F. entschieden hatte, gegen welche Entscheidung das Rechtsmittel der Beschwerde nach altem Recht nicht gegeben war. Zum Verhältnis der § 61 Abs. 4, Abs. 9 MVG.EKD und § 30 Abs. 2 MVG.EKD ist nichts gesagt.
4. In der Sache selbst durfte die gemeinsame Mitarbeitervertretung die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes als notwendig ansehen. Denn die Dienststellenleitung hatte den Freizeitausgleich für die im einzelnen genannten Mitglieder der gemeinsamen Mitarbeitervertretung zwar nicht dem Grunde nach, aber doch hinsichtlich des geltend gemachten Umfangs in Abrede gestellt. Deshalb war es - schon wegen des Erfordernisses der hinreichenden Bestimmung des oder der Streitgegenstände i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - erforderlich, jede einzelne Stunde der Tätigkeit der gemeinsamen Mitarbeitervertretung nach Tag und zeitlicher Lage der Stunde aufzulisten und wenigstens stichwörterartig den Gegenstand der Tätigkeit der gemeinsamen Mitarbeitervertretung anzugeben und dafür Beweis anzutreten. Ein derartiger detaillierter Sachvortrag kann sinnvoll nur von einem Rechtsanwalt im Lichte seiner Kenntnis der Rechtsprechung zu Vergütungsklagen für geleistete, aber bestrittene Arbeitsstunden und zur Überstundenvergütung gehalten werden. Damit war die Einschaltung eines Rechtsanwaltes objektiv geeignet, zum Fortgang des Verfahrens beizutragen. Nur ein solcher Vortrag war geeignet, die Dienststellenleitung in die Lage zu versetzen, die einzelnen geltend gemachten, mit Tätigkeit für die gemeinsame Mitarbeitervertretung ausgefüllten Stunden substantiiert zu bestreiten, etwa z.B. mit dem Vortrag, an dem geltend gemachten Tag zur geltend gemachten Stunde sei das genannte Mitglied der gemeinsamen Mitarbeitervertretung gar nicht im Dienst, sondern im Erholungsurlaub gewesen.
5. Ein Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD in der Fassung ab 1.1.2004 geltenden Fassung, § 12 Abs. 5 ArbGG).